TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/8 W255 2132230-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2019
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Entscheidungsdatum

08.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W255 2132230-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Benno WAGENEDER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2018, Zl. 1080736809-150996672, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.10.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 03.08.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Burgenland die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, afghanischer Staatsangehöriger, Tadschike, sunnitischer Muslim und in XXXX geboren zu sein. Der BF habe 12 Jahre die Schule besucht und als Designer in der Druckerei seiner Familie gearbeitet. Er habe Afghanistan verlassen, da die Druckerei der Familie den Auftrag erhalten habe, für die Daesh (IS) Fahnen und Plakate zu drucken. Als die Familie dies abgelehnt habe, sei sie mit dem Tod bedroht worden.

1.3. Mit Schreiben vom 06.05.2016 erhob der BF Säumnisbeschwerde und führte aus, dass seit der Antragstellung die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG von sechs Monaten verstrichen sei.

1.4. Am 11.08.2016 wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde samt bezughabenden Akt übermittelt.

1.5. Mit Beschluss vom 30.08.2016, GZ W220 2132230-1/2E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde vom 11.08.2016 zurück und begründete dies damit, dass gemäß § 22 Abs. 1 AsylG abweichend von § 73 Abs. 1 AVG über einen Antrag auf internationalen Schutz längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden sei. Dies habe der BF bei Einbringung der Säumnisbeschwerde übersehen. Die 15-monatige Frist sei noch nicht abgelaufen gewesen.

1.6. Am 21.11.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei wiederholte der BF im Wesentlichen, Afghanistan verlassen zu haben, da seine Familie eine Druckerei gehabt habe, der BF für diese verantwortlich gewesen sei und er zweimal bedroht worden wäre, nachdem er es telefonisch abgelehnt habe, Fahnen und Zettel für den IS zu drucken. Die Anrufer hätten ihm gedroht, ihn zu töten. Der BF sei zweimal angerufen worden. Beim zweiten Mal habe er sein Telefon auch an seinen Vater weitergereicht. Dieser habe den Anrufern ebenfalls erklärt, dass die Familie diesen Auftrag nicht annehmen werde, da sie sonst inhaftiert würden. Der BF habe sich nach dem zweiten Anruf noch ca. vierzehn Tage bei seinem Onkel versteckt und Afghanistan im Anschluss verlassen. Seine Eltern, seine fünf Brüder und vier Schwestern würden nach wie vor in seinem Heimatdorf leben und der BF stehe in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie. Von dieser wisse er, dass die Bedroher vor zwei Monaten wieder angerufen hätten, um den BF zu finden. Der Anrufer habe zum Vater im letzten Telefonat gesagt, dass er seinen Sohn finden solle und nicht fortlaufen können würde. Mehr wisse der BF nicht, da ihm sein Vater nicht mehr erzählt habe.

Der BF legte die folgenden Dokumente vor:

* Afghanischer Führerschein des BF lautend auf " XXXX , Sohn des XXXX , XXXX im Jahr 1388 (=2009)"

* Tazkira des BF lautend auf " XXXX , Sohn des XXXX , Geburtsdatum:

XXXX ", ausgestellt in der Provinz XXXX

* Bestätigung des Unterrichtsministeriums der Islamischem Republik Afghanistan über den erfolgreichen Abschluss der 12. Klasse der Höheren Schule XXXX ( XXXX ) seitens des BF im Jahr 2011

* Zwei Abschlusszeugnisse des BF von der Höheren Schule XXXX ( XXXX)

* Visitenkarte der Druckerei der Familie des BF (" XXXX ")

* Bestätigung des Ministeriums für Information und Kultur, Abteilung für Registration und Gewerbeberechtigung für Medien und Intuitionen über die Registrierung der Gesellschaft für Werbung mit dem Namen " XXXX ", unter der Leitung von " XXXX " am 18.10.2015

* Gewerbeberechtigung/Gewerbeschein für " XXXX , Sohn von XXXX ",

Berufsbranche: Digitales Drucken, vom 10.03.2014

* Gewerbeberechtigung/Gewerbeschein für " XXXX , Sohn von XXXX ",

Berufsbranche: Digitales Drucken, vom 12.05.2012

* Anzeige des Vaters des BF, gerichtet an die afghanische Polizei vom 18.05.2015

* Anzeige des Vaters des BF, gerichtet an die Kommandantur des Distrikts XXXX vom 18.05.2015

* Anzeige des Vaters des BF, gerichtet an die Distriktsbehörde XXXX vom 14.10.2017

* Notiz der Sicherheitskommandantur XXXX , XXXX , vom 15.10.2017, betreffend die Bedrohung des BF

* Lebenslauf des BF

* Bestätigung des Stadtamtes XXXX betreffend die Erbringung gemeinnütziger Arbeit vom Juli 2017 bis September 2017 durch den BF

* Bestätigung der Pfarrgemeinde XXXX betreffend die Erbringung von Gartenarbeit in den Jahren 2016 und 2017 durch den BF

* Deutschkursbesuchsbestätigung einer Privatperson vom 17.11.2017

* Empfehlungsschreiben einer Flüchtlingsbetreuerin des BF vom 10.11.2017

* Teilnahmebestätigung des XXXX betreffend die Teilnahme des BF am Werte- und Orientierungskurs am 23.02.2017

* A1-Deutschzeugnis vom 02.02.2017

* A2-Deutschkursteilnahmebestätigung vom 24.10.2017

* Anmeldebestätigung im Hinblick auf die A2-Deutschprüfung am 01.12.2017

* A2-Deutschzeugnis vom 13.12.2017

* Bescheid des AMS XXXX vom 08.01.2018, ABB-Nr. XXXX , mit dem dem BF eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Bürokaufmann (Lehrling) für die Zeit vom 01.02.2018 bis 30.04.2021, für eine Ganztagesbeschäftigung mit einem monatlichen Entgelt von EUR 570,- brutto erteilt wurde

* Bestätigung der XXXX über den Beginn der Lehre als Bürokaufmann des BF vom 05.02.2018

* Lehrvertrag des BF mit der XXXX vom 25.01.2018

1.7. Das BFA wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 15.06.2018, Zl. 1080736809-150996672, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.).

1.8. Gegen den unter Punkt 1.7. genannten Bescheid richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wiederholte der BF, dass er als für die Aufträge verantwortlicher Leiter der familieneigenen Druckerei von Mitgliedern des Islamischen Staates bedroht worden sei, weil er es im Namen der Druckerei abgelehnt habe, für diese Gruppierung Plakate zu drucken.

1.9. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 24.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.10. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2019 wurde der BF augefordert, seine Beschwerde zu verbessern, klarzustellen, welche Spruchpunkte angefochten werden und den jeweiligen Spruchpunkten zuordenbare "Begehren" und "Gründe" nachzuholen.

1.11. Mit Schreiben vom 11.06.2019 übermittelte der BF dem Bundesverwaltungsgericht eine Verbesserung seiner Beschwerde.

1.12. Mit Schreiben vom 03.10.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF aktuelle Länderinformationen betreffend Afghanistan.

1.13. Mit Schreiben vom 14.10.2019 führte der BF aus, dass er nach einem etwa zweijährigen Aufenthalt in Österreich in der XXXX in XXXX die dort tätige Einzelhandelskauffrau XXXX kennengelernt und sich in sie verliebt habe. XXXX Eltern würden aus der Türkei stammen. XXXX sei allerdings seit 2004 österreichische Staatsbürgerin. Der BF und XXXX hätten in der Moschee nach muslimischem Recht geheiratet. Aus dieser Ehe sei die Tochter XXXX , geb. XXXX , hervorgegangen. Das zweite Kind werde Mitte März 2020 zur Welt kommen. Es werde die Einvernahme der "Gattin" des BF beantragt und die Geburtsurkunde der Tochter sowie der Staatsbürgerschaftsnachweis der Kindesmutter vorgelegt.

1.14. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 31.10.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie im Beisein des BF, seiner Rechtsvertretung und eines Vertreters des BFA eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei wiederholte der BF im Wesentlichen sein Fluchtvorbringen, demzufolge seine Familie eine Druckerei besessen habe, der BF diese Druckerei (zuletzt) geleitet habe, der BF zweimal angerufen worden sei und man von ihm gefordert hätte, Fahnen für den IS zu drucken, der BF dies abgelehnt und man ihm mit dem Tod gedroht habe. Sein Vater habe Anzeige bei der Polizei erstattet. Der BF habe Afghanistan verlassen. Im September 2017 sei der Vater des BF angerufen worden und man habe wissen wollen, wo sich der BF aufhalte. Sie hätten den Vater des BF wieder damit bedroht, dass man den BF finden und ihn töten würde.

Der BF habe zu Weihnachten 2017 die österreichische Staatsbürgerin XXXX kennengelernt. Am XXXX hätten sie nach islamischem Recht geheiratet. Nach österreichischem Recht hätten sie bisher nicht geheiratet. Seit Oktober 2018 führe der BF eine Lebensgemeinschaft mit XXXX . Diese sei zufällig vom BF schwanger geworden und am XXXX die gemeinsame Tochter zur Welt gekommen. Dann sei seine Lebensgefährtin wieder zufällig vom BF schwanger geworden und erwarte um den XXXX (errechneter Geburtstermin) das zweite gemeinsame Kind. Seine Lebensgefährtin habe eine Lehrstelle gehabt, diese aber wegen der Schwangerschaft abgebrochen. Der BF habe seine Lehre am 02.08.2019 abgebrochen, da sein Auto kaputtgegangen sei und es keine öffentlichen Verkehrsmittel gegeben habe, mit denen der BF um 08:00 Uhr bei der Lehrstelle ankommen hätte können. Er beziehe derzeit EUR 400,- monatlich vom AMS. Der BF und seine Lebensgefährtin würden gemeinsam mit ihrer einjährigen Tochter in der Wohnung der Schwiegermutter des BF leben. Dort würden auch drei Geschwister der Lebensgefährtin des BF leben. Die Wohnung bestehe aus zwei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer und einem Balkon. Die Mietkosten bezahle die Schwiegermutter. Der BF habe nicht die gemeinsame Obsorge für die Tochter beantragt. Er helfe derzeit seiner Lebensgefährtin, spiele mit seiner Tochter, wickle sei, wechsle ihre Kleidung und gebe ihr Milch. Er leiste derzeit keine ehrenamtliche Arbeit und sei nicht Mitglied in einem Verein.

Die Lebensgefährtin des BF gab als Zeugin befragt an, dass sie den BF Ende 2017 kennengelernt habe und seit September oder Oktober 2018 mit ihm zusammenlebe. Am XXXX hätten sie in der Moschee geheiratet. Es sei nicht geplant gewesen, dass die Lebensgefährtin so schnell vom BF schwanger werde, aber sie sei zufrieden. Es habe sie nicht gestört, dass sie nicht gewusst habe, ob ihr Lebensgefährte in Österreich bleiben dürfe oder nicht. Sie wolle jedoch nicht mit ihrer Tochter und dem BF in Afghanistan leben. Sie habe die Hauptschule in Österreich besucht und abgebrochen. Dann habe sie eine Lehre begonnen und wegen der (ersten) Schwangerschaft abgebrochen. Sie habe keinen Schulabschluss. Ob der BF einen österreichischen Freundeskreis habe, könne seine Lebensgefährtin nicht beantworten. Sie habe sich noch nicht damit befasst, wie Frauen in Afghanistan leben, wolle aber nicht dort leben, da sie seit 21 Jahren in Österreich leben würde. Wenn der BF in Österreich bleiben dürfte, würde sie wollen, dass er arbeiten gehe, sie gemeinsam in eine eigene Wohnung ziehen und vielleicht in zehn Jahren ein eigenes Haus und einen kleinen Imbiss haben. Der BF helfe im Haushalt mit, konkret mache er das, was zur Männerarbeit gehöre.

Der BF legte den Mutter-Kind-Pass seiner Lebensgefährtin, ein A2-Deutschzeugnis, ein B1-Deutschzeugnis, eine Mitteilung des AMS vom 02.09.2019 über den Leistungsanspruch des BF und zwei Fotos, die den BF in der familieneigenen Druckerei in Afghanistan zeigen sollen, vor.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des gegenständlich erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 31.10.2019, der Länderberichte zu Afghanistan sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und ist am XXXX im Dorf XXXX, Distrikt XXXX , Provinz XXXX , geboren.

2.1.2. Der BF hat zwölf Jahre in der Stadt XXXX die Schule besucht und im Jahr 2011 die Matura bestanden. Er hat drei Jahre auf der Universität in der Stadt XXXX Wirtschaftswissenschaften studiert. Der BF hat ein Jahr eine Ausbildung als Grafikdesigner gemacht und danach in der Druckerei namens " XXXX ", die von seinem Vater vor 14 Jahren gegründet wurde, gearbeitet. Die Druckerei befindet sich in der Stadt XXXX . Die Druckerei produzierte Broschüren, Visitenkarten, Fotos, Fahnen udgl. Die An- und Abfahrtszeit vom Elternhaus im Heimatdorf des BF zur Druckerei beträgt ca. eine Stunde mit dem Auto.

2.1.3. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Dari.

2.1.4. Der BF ist gesund, arbeitsfähig und im erwerbsfähigen Alter.

2.1.5. Der BF ist gemeinsam mit seinen Eltern, fünf Brüdern und vier Schwestern in seinem Heimatdorf aufgewachsen. Seine Eltern und Geschwister leben nach wie vor in seinem Heimatdorf. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit seinen Eltern und Geschwistern. Zwei Brüder sind jünger als der BF, drei sind älter. Drei der Brüder und eine der Schwestern des BF sind verheiratet und leben mit ihren Partnern. Alle Brüder des BF sind regelmäßig erwerbstätig. Weiters leben zwei Tanten mütterlicherseits, eine Tante väterlicherseits, sechs Onkel mütterlicherseits und drei Onkel väterlicherseits des BF in Afghanistan.

2.1.6. Der BF stellte nach unrechtmäßiger Einreise im österreichischen Bundesgebiet am 03.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.2.1. Der BF besuchte von Herbst 2015 bis Ende 2016 sowie von September 2017 bis Oktober 2017 diverse Deutschkurse. Der BF hat am 02.02.2017 die Deutschprüfung auf A1 Niveau bestanden. Er hat am 01.12.2017 die Deutschprüfung auf A2 Niveau gut bestanden. Er hat am 29.05.2019 die Integrationsprüfung, bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz (B1 Niveau) und zu Werte- und Orientierungswissen, bestanden.

2.2.2. Der BF erbrachte von Juli 2017 bis September 2017 im XXXX und in den Jahren 2016 und 2017 in der XXXX gemeinnützige Leistungen.

2.2.3. Mit Bescheid des AMS vom 08.01.2018, ABB-Nr. XXXX , wurde dem BF eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Bürokaufmann (Lehrling), für die Zeit vom 01.02.2018 bis 30.04.2021, für eine Ganztagsbeschäftigung mit einem monatlichen Entgelt von EUR 570,- brutto erteilt. Der BF war von 01.02.2018 bis 02.08.2019 als Bürokaufmann-Lehrling in der XXXX in XXXX tätig und hätte diese Lehre voraussichtlich mit 31.01.2021 abschließen können. Per 02.08.2019 brach der BF die Lehre ab, da er mit seinem Auto zur Lehrstelle angereist war, sein Auto insofern beschädigt wurde, als es zwar weiterhin in Betrieb genommen werden konnte (und fährt), die Beleuchtung jedoch beschädigt ist und der BF die Kosten für die Reparatur der Beleuchtung des Autos nicht bezahlen wollte/konnte. Er unternahm keine Anstrengungen dahingehend, sich Geld von anderen Personen auszuborgen. Der BF hat weder seine Lebensgefährtin, noch deren Verwandte noch seinen Dienstgeber gefragt, ob sie ihm Geld für die Reparatur der Beleuchtung des Autos borgen könnten. Die An- und Rückfahrt vom derzeitigen Wohnort des BF ( XXXX ) zur Lehrstelle ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich, jedoch mit einer langen An- und Abfahrtszeit verbunden. Zum Entscheidungszeitpunkt würde eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln von XXXX (dem Wohnort des BF) nach XXXX Ortsmitte mindestens 1,5 Stunden dauern. Dies ohne Berücksichtigung der Wegstrecke von XXXX Ortsmitte zum konkreten Arbeitsort in XXXX .

2.2.4. Der BF lernte Ende Dezember 2017 die österreichische Staatsbürgerin XXXX , geb. XXXX , muslimischen Glaubens, kennen. Zu diesem Zeitpunkt besuchte XXXX eine Lehre als Bürokauffrau. Ca. ein bis zwei Monate nach dem Kennenlernen schwängerte der BF XXXX . Die Schwangerschaft war von beiden weder gezielt herbeigeführt, noch versuchten die beiden, einer Schwangerschaft vorzubeugen. Weder der BF noch XXXX hatten zum damaligen Zeitpunkt und/oder heute Bedenken, eine Schwangerschaft herbeizuführen und gemeinsam ein Kind zu zeugen, während sich der BF in einem laufenden Asylverfahren mit unklarem Ausgang befindet. Aufgrund ihrer Schwangerschaft brach XXXX ihre Lehre als Einzelhandelskauffrau bei der XXXX , die sie am 08.05.2017 aufgenommen hatte, ab.

2.2.5. Am XXXX heirateten der BF und XXXX nach islamischem Recht in einer Moschee. Eine Heirat nach österreichischem Recht folgte bis heute nicht. Bisher liegt kein Termin für eine standesamtliche Hochzeit vor. Der BF und XXXX legten deutlich mehr Wert auf eine Heirat nach islamischem Recht, als auf eine Heirat nach österreichischem Recht.

2.2.6. Während dem Großteil der (ersten) Schwangerschaft von XXXX blieb der BF in XXXX wohnhaft, während XXXX in XXXX ( XXXX ) bei ihrer Mutter wohnte. Seit 08.11.2018 teilen sich der BF und XXXX einen gemeinsamen Wohnsitz in der Mietwohnung der Mutter von XXXX , in XXXX . Diese Wohnung verfügt über zwei Schlafzimmer und ein Wohnzimmer. In dieser Wohnung leben der BF, seine Lebensgefährtin XXXX , deren Mutter XXXX , geb. XXXX , sowie die Geschwister der Lebensgefährtin des BF XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX . Die Kosten für die Wohnung (Mietzins, Strom und Gas) werden von der Mutter der Lebensgefährtin des BF beglichen. Die Mutter der Lebensgefährtin des BF ist als Arbeiterin beim XXXX erwerbstätig. XXXX , eine der Schwestern der Lebensgefährtin des BF, ist als Arbeiterin für die XXXX erwerbstätig. XXXX , die zweite Schwester der Lebensgefährtin des BF, und ihr Bruder, sind nicht erwerbstätig. Die Mutter und die Schwester ( XXXX ) der Lebensgefährtin des BF sind in der Lage, die Tochter und Lebensgefährtin des BF auch in finanzieller Hinsicht (insb auch durch Übernahme der Wohnkosten) zu unterstützen.

2.2.7. Am XXXX kam die gemeinsame Tochter des BF und seiner Lebensgefährtin XXXX , zur Welt. Diese ist aufgrund der Abstammung von ihrer Mutter österreichische Staatsbürgerin. Sie lebt gemeinsam mit ihren Eltern, ihrer Großmutter, ihren beiden Tanten und ihrem Onkel in der genannten Wohnung in XXXX . Die alleinige Obsorge für die gemeinsame Tochter XXXX kommt der Lebensgefährtin des BF zu. Eine gemeinsame Obsorge wurde vom BF nicht beantragt. Der BF spielt mit seiner Tochter, füttert sie, wickelt sie und wechselt ihr die Kleidung. Der BF hilft im Haushalt mit, soweit es um die Übernahme (vermeintlicher) "Männerarbeit" geht. Der BF unterstützt die Familie in finanzieller Hinsicht kaum bis gar nicht. Die Lebensgefährtin des BF bezieht Kinderbetreuungsgeld in Höhe von ca. EUR 800,- monatlich.

2.2.8. Kurz vor oder nach Erhalt des negativen Bescheides des BFA vom 15.06.2018 schwängerte der BF seine Lebensgefährtin XXXX zum zweiten Mal. Die Schwangerschaft war von beiden weder gezielt herbeigeführt, noch versuchte man, einer Schwangerschaft vorzubeugen. Weder der BF noch XXXX hatten zum damaligen Zeitpunkt und/oder heute Bedenken, eine Schwangerschaft herbeizuführen und gemeinsam ein Kind zu zeugen, obwohl sich der BF in einem laufenden Asylverfahren mit unklarem Ausgang befand und befindet. Der zu erwartende Geburtstermin laut US lautet XXXX .

2.2.9. Der BF hat keinen österreichischen Freundeskreis. Er ist nicht Mitglied in einem Verein. Der BF geht derzeit keiner ehrenamtlichen oder bezahlten Erwerbstätigkeit nach.

2.2.10. Der BF bezog ab seiner Ankunft in Österreich im August 2015 bis 01.02.2018 Leistungen aus der Grundversorgung. Derzeit bezieht er keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der BF bezieht seit 12.08.2019 Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 15,58 täglich. Er hat bis 29.12.2018 Anspruch auf Arbeitslosengeld in dieser Höhe. Der BF ist nicht selbsterhaltungsfähig.

2.2.11. Der BF verfügt mit Ausnahme seiner einjährigen Tochter und seiner Lebensgefährtin über keine sonstigen engen Bindungen in Österreich.

2.2.12. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.2. Zu den Fluchtgründen des BF und einer Rückkehr nach Afghanistan:

2.3.1. Der Vater des BF eröffnete ca. im Jahr 2005 in der Stadt XXXX eine Druckerei mit dem Namen " XXXX ". Der Vater leitete diese Druckerei bis ca. 2012. Von ca. 2012 bis 2015 leitete der BF diese Druckerei, ehe der Vater die Leitung wieder übernahm und bis heute ausübt. Die Druckerei hatte zum Zeitpunkt der Ausreise des BF aus Afghanistan abgesehen vom BF acht weitere Mitarbeiter.

Im Mai 2015 erhielt der BF einen Anruf von einer unbekannten Person. Diese forderte den BF auf, dass die Druckerei Fahnen für den IS druckt. Der BF lehnte dies ab. Die unbekannte Person drohte dem BF mit dem Tod, falls er den Auftrag nicht annehmen und erfüllen würde. Am 18.05.2015, wenige Tage nach dem ersten Anruf, erhielt der BF einen weiteren Anruf von einer unbekannten Person, die neuerlich verlangte, dass die Druckerei Fahnen für den IS druckt. Der BF lehnte dies ab und übergab sein Telefon an den Vater. Der Vater des BF setzte das Telefonat mit der unbekannten Person fort und lehnte ebenso den Auftrag, Fahnen für den IS zu drucken, ab, obwohl der unbekannte Anrufer dem Vater anbot, viel Geld für diesen Auftrag zu bezahlen.

Die Telefonnummer, auf der der BF kontaktiert wurde, war auf Visitenkarten und anderen Druckerzeugnissen der Druckerei ersichtlich.

Der BF hielt sich nach dem zweiten Anruf noch ca. zwei Wochen in Afghanistan auf, ehe er Afghanistan verließ und Richtung Europa reiste.

Im September/Oktober 2017 erhielt der Vater des BF einen Anruf von einer unbekannten Person. Diese erkundigte sich nach dem Aufenthaltsort des BF und drohte damit, den BF umzubringen.

2.3.2. Weder der BF, noch sein Vater, noch andere Verwandte des BF hatten je unmittelbaren, persönlichen direkten Kontakt mit Mitgliedern des IS. Weder der BF, noch sein Vater, noch andere Verwandte des BF wurden - abgesehen von den drei erwähnten Telefonaten - je von Mitgliedern des IS bedroht. Weder der BF, noch sein Vater, noch andere Verwandte des BF wurden je von Mitgliedern des IS verfolgt oder attackiert. Weder der BF, noch sein Vater, noch andere Verwandte des BF wurden je in ihrem Heimatdorf und/oder in der Druckerei von Mitgliedern des IS aufgesucht. Keiner der Mitarbeiter der Druckerei des BF und seines Vaters wurde je von Mitgliedern des IS bedroht, verfolgt oder attackiert.

2.3.3. Der BF wäre im Fall der Rückkehr in Afghanistan keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung durch Mitglieder des IS ausgesetzt.

2.3.4. Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Es gibt insgesamt keinen stichhaltigen Hinweis, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

2.3.5. Dem BF droht im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz XXXX - sowohl im Hinblick auf sein Heimatdorf als auch die nahe gelegene Stadt XXXX - kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

2.3.6. Der BF wäre im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder XXXX keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt.

2.3.7. Der BF ist volljährig, anpassungsfähig, mobil, arbeitsfähig und verfügt über eine Schulbildung, Ausbildung und Berufserfahrung. Er wuchs in der Provinz XXXX in einem afghanischen Familienverband auf und ist mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und mit einer in Afghanistan gesprochenen Sprache vertraut. Angesichts seiner Schulbildung, seiner Ausbildung, seiner Sprachkenntnisse, seiner Arbeitsfähigkeit und seiner Berufserfahrung könnte er sich in den Städten Herat und XXXX eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist in der Lage, in den Städten Herat und XXXX eine einfache Unterkunft zu finden. Im Ergebnis ist von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des BF in Afghanistan auszugehen. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Eltern, fünf Brüder und vier Schwestern des BF leben nach wie vor in seinem Heimatdorf. Der Vater und die Brüder des BF sind dort berufstätig. Sie wären in der Lage, den BF zumindest vorübergehend finanziell zu unterstützen. Viele weitere Verwandte des BF leben in Afghanistan. In einer Gesamtbetrachtung sind Herat und XXXX für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über die jeweiligen Flughäfen gut erreichbare Städte. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach XXXX oder Herat ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

Dem BF droht im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder XXXX somit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit und er läuft auch nicht Gefahr, im Falle der Rückkehr (bzw. Neuansiedlung) in die Städte Herat oder XXXX grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.3.8. Im Falle der Rückkehr (bzw. Neuansiedlung) nach Herat oder XXXX läuft der BF auch nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 04.06.2019:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/Rückkehr).

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019). Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019). Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b). Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019). Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019).

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte USUnterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen, welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

2. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

2.1. Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Mensche

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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