TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/8 W235 2201867-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2019
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Entscheidungsdatum

08.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W235 2201867-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2018, Zl. 1142983607-170962012, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter für drei Jahre zu.

Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte nach legaler, mit einem von der österreichischen Botschaft Teheran ausgestellten Visum Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 18.08.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zu seiner Person angab, er stamme aus XXXX im Iran, gehöre der persischen Volksgruppe an und sei katholischer Christ. Er sei aus dem Iran am XXXX .03.2017 mit seinem eigenen iranischen Reisepass legal ausgereist und am selben Tag in Österreich angekommen. Sein Bruder sei in Österreich asylberechtigt.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er schon vor 15 Monaten zum Christentum konvertiert sei und mit drei Freunden eine Hauskirche besucht habe. Das sei ein versteckter Gebetsraum in einem Haus gewesen. Vor zehn Tagen habe ihn einer dieser Freunde angerufen und ihm gesagt, dass die beiden anderen festgenommen worden seien. Der Beschwerdeführer habe zu seinem Freund dann gesagt, er solle ihn nicht mehr kontaktieren, da sie beide in Gefahr seien. Daraufhin habe er seine SIM-Karte weggeworfen. Er stelle den Asylantrag, da er glaube, dass ihn seine beiden Freunde an die Polizei verraten würden und im Iran stehe auf Konversion die Todesstrafe.

Im Zuge der Erstbefragung legte der Beschwerdeführer seinen iranischen Reisepass mit dem österreichischen Visum, gültig von XXXX .03.2017 bis XXXX .08.2017, vor (vgl. AS 21).

1.3. Am 02.05.2018 wurde der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Farsi vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab dabei zunächst an, dass er gesund sei und keiner medizinischen Behandlung bedürfe. Er habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und spreche neben Farsi auch Englisch und etwas Deutsch. Nunmehr sei er seit ca. einem Jahr und drei Monaten in Österreich. Der Beschwerdeführer sei Katholik, gehe jeden Sonntag regelmäßig zur Kirche und besuche einmal pro Woche die Taufvorbereitung. Im Iran sei er Schüler gewesen und habe vom Einkommen seines Vaters gelebt. In Österreich habe der Beschwerdeführer beim Institut " XXXX " bis zum XXXX .03.2018 einen Deutschkurs gemacht. Er sei ledig und kinderlos. Seine Eltern würden in XXXX in einer Eigentumswohnung leben und sein Vater habe eine eigene Firma. Neben seinen Eltern habe er noch mehrere Onkel und Tanten im Iran, die ebenfalls in XXXX wohnen würden. Sein Bruder namens XXXX lebe als Asylberechtigter in Österreich.

Ca. sieben Monate bevor er sein Studentenvisum erhalten habe, habe der Beschwerdeführer begonnen Hauskirchen zu besuchen. Sie seien zu viert gewesen und hätten sich alle zwei Wochen getroffen, da es sonst zu gefährlich gewesen wäre. Als er sein Studentenvisum erhalten habe, sei er nach Österreich gereist und habe begonnen, hier zu studieren. Seit ca. zwei Monate nach seiner Einreise sei der Beschwerdeführer regelmäßig in die Kirche gegangen. Zehn Tage vor Ablauf des Visums habe ihn sein Freund aus dem Iran angerufen und ihm gesagt, dass zwei der vier Jungs festgenommen worden seien und der Beschwerdeführer bleiben solle, wo er sei. Der Beschwerdeführer habe seinem Freund gesagt, er werde seine SIM-Karte wegwerfen und sie sollten den Kontakt abbrechen. Von XXXX .08. bis XXXX .08. habe er überlegt, was er tun solle und sich dann einen Tag vor der Antragstellung dazu entschieden, um Asyl anzusuchen, was er am 18.08.2017 getan habe. Sein Visum habe nur sechs Monate gegolten und wegen des Anrufs habe er Angst bekommen und sich dazu entschieden hier zu bleiben. Er könne nicht mehr in den Iran gehen, weil sein Leben in Gefahr sei. Außerdem werde er Ende Mai oder Anfang Juni getauft. Als die beiden festgenommen worden seien, sei auch der Name des Beschwerdeführers gefallen. Seine Eltern seien von der Geheimpolizei gefragt worden, wo der Beschwerdeführer sei und hätten - so wie schon früher bei seinem Bruder - gesagt, dass sie es nicht wüssten. Seine beiden Freunde namens XXXX und XXXX seien am XXXX .08.2017 beim Besuch einer Hauskirche in XXXX festgenommen worden. Was ihnen vorgeworfen werde, wisse der Beschwerdeführer nicht, da er keinen Kontakt mehr habe. Warum man nach dem Beschwerdeführer gefragt habe, wisse er nicht. Er glaube, dass seine Freunde unter Druck gesetzt worden seien und daher seinen Namen genannt hätten. Wenn "sie" zum Beschwerdeführer nach Hause gekommen seien, heiße das, dass er gesucht werde und zwar unabhängig davon, ob ein Haftbefehl vorliege. Persönlich bedroht habe man den Beschwerdeführer nicht. Allerdings sei es auch möglich, dass er zum Militärdienst eingezogen werde.

Seine Angehörigen wüssten von der Konversion. Als sein Bruder vor vier Jahren konvertiert sei, habe sein Vater ein paar Probleme damit gehabt, würde es jetzt aber akzeptieren. Sein Vater akzeptiere auch, dass der Beschwerdeführer Christ geworden sei. Sein Bruder habe ihn veranlasst, sich ebenfalls mit der christlichen Lehre auseinanderzusetzen. Das, was er von seinem Bruder erfahren und auch selbst in der Hauskirche erkundet habe, sei das genaue Gegenteil zum Islam. Im Islam würden die Sünden nach dem Tod nicht verziehen. Im Christentum sei man sündenfrei. Der Beschwerdeführer sei zwar als Moslem geboren, habe aber nie Interesse am Islam gehabt. Christliche Pflichten seien beten, zur Kirche gehen, verzeihen und Nächstenliebe. In seinem Taufkurs werde über das Christentum und über die Taufe gesprochen. Man könne auch Fragen stellen. Seitens der Religionsgemeinschaft werde erwartet, dass man nicht lüge, anderen Menschen helfe und, dass man das Gelernte auch weitergebe. Missionieren werde jedoch nicht erwartet. Durch die Konversion habe der Beschwerdeführer eine positive Lebensqualität bekommen und könne besser denken. Er besuche die Paulanerkirche.

Vorgelegt wurde eine Bestätigung eines Pfarrvikars vom XXXX .04.2018, der zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer seit Anfang 2017 die Sonntagsmessen in der XXXX besucht, dem dortigen Pfarrvikar im Juni 2017 den Wunsch mitgeteilt hat, getauft zu werden und seit Oktober/November mit der wöchentlichen Taufvorbereitung begonnen hat. Die Taufe kann Ende Mai oder Anfang Juni stattfinden (vgl. AS 45).

1.4. Im Verfahren vor dem Bundesamt wurden darüber hinaus nachstehende, verfahrensrelevante Unterlagen vom Beschwerdeführer vorgelegt:

* Taufzulassung des Beschwerdeführers durch den Erzbischof von Wien vom XXXX .05.2018;

* Bestätigung des Pfarrvikars der XXXX vom XXXX .06.2018, dass der Beschwerdeführer am XXXX .05.[2018] getauft und gefirmt wurde und

* Auszug aus dem Taufbuch der Pfarre XXXX (= " XXXX "), dem zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer am XXXX .05.2018 getauft wurde

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt zunächst fest, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe und sein Herkunftsstaat der Iran sei. Es sei nicht glaubhaft, dass er vom Islam zum Christentum konvertiert sei. Die behaupteten Vorkommnisse im Iran zum Ausreisegrund seien nicht glaubhaft gewesen. Festgestellt werde, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in den Iran möglich und zumutbar sei. Festgestellt werde weiters, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass er im Fall seiner Rückkehr einer nach Art. 2 oder Art. 3 EMRK-relevanten Gefahr ausgesetzt sei. Festgestellt werde, dass er ein gesunder und arbeitsfähiger Mann sei. Nicht festgestellt werden könne, dass er an einer erheblichen bzw. lebensbedrohenden Krankheit leide. Seine zwingende Rückkehr in den Herkunftsstaat stelle keine unzulässige Verletzung des Art. 8 EMRK dar. Er verfüge über keine engen und unauflöslichen Bindungen in Österreich. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 9 bis 43 des Bescheides Länderfeststellungen zur Lage im Iran, einschließlich zur Religionsfreiheit und zur christlichen Minderheit sowie zur Apostasie/Konversion zum Christentum/Proselytismus (Seiten 28 bis 34).

Der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist im Wesentlichen und mit näherer Begründung zu entnehmen, dass nicht nachvollziehbar sei, dass sich der Beschwerdeführer trotz behaupteter Gefahr weiterhin vierzehntägig dieser Gefahr ausgesetzt habe. Darüber hinaus sei es nicht gefährlich gewesen, da der Beschwerdeführer andernfalls nicht sieben Monate lang die Hauskirche hätte besuchen können. Auch gebe es keine logische Erklärung, weshalb sein Name bei der Verhaftung seiner Freunde hätte fallen sollen, da diese keine Veranlassung gehabt hätten, die Identität des Beschwerdeführers preiszugeben. Es gebe weiters keinen triftigen Grund die SIM-Karte wegzuwerfen, da es reiche, eine SIM-Karte aus einem Handy zu entfernen, wenn man einen Kontakt abbrechen wolle. Die Bestätigung, dass eine Taufe und eine Firmung stattgefunden hätten, sei ein viel zu geringer Beweis dafür, den christlichen Glauben wirklich verinnerlicht zu haben. Ungeachtet dessen komme es nicht auf den Formalakt der Taufe, sondern auf die religiöse Einstellung an. Das Vorbringen, es wäre möglich, dass der Beschwerdeführer zum Militärdienst eingezogen werde, stelle eine Steigerung des Fluchtvorbringens dar. Sohin sei nicht glaubhaft, dass sich der Beschwerdeführer der Glaubensrichtung der katholischen Kirche aus tiefster, innerster Überzeugung zugewandt habe. Selbst wenn man die Konversion als gegeben unterstellen würde, habe der Beschwerdeführer selbst angegeben, dass es in der katholischen Kirche nicht seine Aufgabe sei zu missionieren und sei es im Iran möglich, andere Religionen als den Islam diskret und im Privaten zu praktizieren. Der Beschwerdeführer verfüge über soziale und familiäre Anbindungen sowie über eine Unterkunftsmöglichkeit. Er sei gesund und arbeitsfähig und könne sich daher seine Existenz im Fall der Rückkehr sichern. Im Fall des Beschwerdeführers sei zwar von einer geringen Integration auszugehen, die familiären und privaten Anbindungen im Herkunftsstaat würden jedoch jene Anbindungen, die in Österreich entwickelt worden seien, überwiegen. Die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht wurde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Hinblick auf die behaupteten Vorfälle im Iran persönlich nicht glaubwürdig und seine Angaben nicht konsistent gewesen seien. Hinzu komme, dass auch bei Annahme einer glaubhaften Konversion die Abschiebung eines glaubhaften iranischen sur place Konvertiten jedenfalls keine Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK darstelle, weil ein solches Risiko nur für Konvertiten bestehe, die als Missionare tätig seien und es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die iranischen Behörden von der Konversion erfahren könnten. Die bloße Taufe bzw. der Glaubenswechsel reiche für sich alleine nicht aus. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen nach Ansicht der erkennenden Behörde keine aktuelle Bedrohung im Sinne von § 8 AsylG vorliege. Es sei nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nicht das zum Leben Notwendigste erlangen könnte. Hinsichtlich Spruchpunkt III. hielt das Bundesamt fest, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht zu erteilen sei. In der Folge wurde zu Spruchpunkt IV. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten habe und daher die Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben darstelle. Der Beschwerdeführer sei erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich und befinde sich in der Grundversorgung. Eine Gegenüberstellung der Verhältnisse im Herkunftsstaat mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung führe zu keinem Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes. Daher sei die Rückkehrentscheidung zulässig. Zu Spruchpunkt V. hielt das Bundesamt fest, dass gegen den Beschwerdeführer mit diesem Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen werde und sich keine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ergebe. Daher sei im Fall der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig. Unter Spruchpunkt VI. wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen verpflichtet sei.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertreterin am 23.07.2018 fristgerecht Beschwerde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts. Nach Wiederholung des Verfahrensganges und des wesentlichen Vorbringens des Beschwerdeführers wurde ausgeführt, dass das Bundesamt eine Einvernahme des Taufspenders und der Taufpatin, die beide aus dem vorgelegten Auszug aus dem Taufbuch ersichtlich seien, hätte durchführen müssen. Die zeugenschaftliche Einvernahme der (namentlich genannten) Taufpatin und des (namentlich genannten) Pfarrvikars zum Beweis, dass der Glaubenswechsel des Beschwerdeführers aus innerer Überzeugung erfolgt sei, werde ausdrücklich beantragt.

Wenn der Beschwerdeführer tatsächlich zum Militärdienst eingezogen werden würde - dieser sei im Iran obligatorisch für Männer über 18 Jahre - hätte er bis zu zwei Jahre keinen privaten Rückzugsort, an dem er seinen Glauben ausüben könnte. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Behörde keine Informationen zu einer drohenden Gefahr für Konvertiten, die den Militärdienst abzuleisten hätten, eingeholt habe. Betreffend den Besuch der Hauskirche sei darauf zu verweisen, dass sich der Beschwerdeführer dieser Gefahr bewusst gewesen sei und daher seinen Glauben heimlich sowie lediglich alle 14 Tage ausgelebt habe. Ferner hätte der Beschwerdeführer bei entsprechender Nachfrage angeben können, dass er die drei Personen bereits vor dem ersten Besuch der Hauskirche gekannt habe. Einer der Verhafteten sei ein Freund seines Vaters und kenne die Identität des Beschwerdeführers. Es sei auch naheliegend, dass die Freunde des Beschwerdeführers unter Androhung oder Durchführung von Folter bzw. drakonischer Strafen seinen Namen preisgegeben hätten. Zur Konversion sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer nicht nur eine von einer katholischen Gemeinde ausgestellte Taufbestätigung, sondern auch eine Bestätigung über den regelmäßigen Besuch des Gottesdienstes durch den Pfarrvikar vorgelegt habe und habe das Bundesamt dieses Schreiben begründungslos nicht in seine Beweiswürdigung miteinbezogen. Der Beschwerdeführer lebe in Österreich offen seinen christlichen Glauben aus, indem er christliche Feste feiere, Gottesdienste besuche und aktives Mitglied in seiner Gemeinde in Wien sei. Dass er aufgrund innerer Überzeugung konvertiert sei, sei glaubhaft und daher drohe ihm eine asylrelevante Verfolgung im Iran.

4. Mit Urkundenvorlage vom 22.07.2019 legte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertreterin eine weitere Bestätigung des Pfarrvikars der XXXX vom XXXX .07.2019 vor, der ergänzend zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer seit seiner Taufe am XXXX .05.2018 den Pfarrvikar regelmäßig jede Woche zu einem einstündigen, persönlichen Gespräch aufsucht, jeden Freitag zur Abendmesse kommt und regelmäßig die Messe am Sonntag mitfeiert (vgl. OZ 2).

5. Am 23.10.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Farsi statt, an der der Beschwerdeführer mit seiner rechtsfreundlichen Vertreterin teilnahm. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt hat sich mit E-Mail vom 13.09.2019 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Bereits mit der Ladung wurden den Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur aktuellen Situation im Iran zur Kenntnis gebracht.

Eingangs der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei und keine Medikamente benötige. Ca. fünf Monate vor Beginn der Gültigkeit des Visums habe er den diesbezüglichen Antrag bei der österreichischen Botschaft in Teheran gestellt. Er habe ein Studentenvisum bekommen, da er eine Zulassung des Colleges " XXXX " für einen Deutschkurs erhalten habe. Der Beschwerdeführer sei iranischer Staatsangehöriger persischer Volksgruppenzugehörigkeit. Wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe er im Iran keine Probleme gehabt. Zu den bereits mit der Ladung versendeten Länderberichten zur Situation im Iran gab die Vertreterin des Beschwerdeführers an, dass sie hierzu keine Stellungnahme abgeben wolle.

Im Iran würden noch seine Eltern leben. Sein Bruder XXXX lebe seit dem Jahr 2014 in Österreich und habe Asylstatus. Bis zur Ausreise seines Bruders habe der Beschwerdeführer mit ihm und ihren Eltern im gemeinsamen Haushalt gelebt. Er habe von Geburt an immer an derselben Adresse in XXXX gewohnt. Derzeit seien seine Eltern an dieser Adresse aufhältig. Es handle sich um eine Wohnung, die je zur Hälfte seinem Vater und seiner Mutter gehöre. Es bestehe aufrechter Kontakt zu beiden Elternteilen, wobei der Beschwerdeführer mit seiner Mutter fast täglich spreche. Seinen Eltern gehe es gut. Zu seinem Leben im Iran gab der Beschwerdeführer an, dass er zwölf Jahre lang die Schule besucht habe und zwar Grund- sowie Mittelschule und Gymnasium. Er habe zwar mit Matura abgeschlossen, aber keine Berufsausbildung. Sein Vater habe eine Firma für Aufzugsherstellung und habe hiermit den Lebensunterhalt der Familie finanziert. Die wirtschaftliche Situation der Familie sei gut gewesen.

In Österreich habe der Beschwerdeführer seinen Bruder. Es gebe auch noch einen Cousin, mit welchem er jedoch keinen Kontakt habe. Der Beschwerdeführer wohne mit seinem Bruder nicht im selben Haushalt, werde jedoch von diesem finanziell mit Taschengeld unterstützt. Die Miete für seine Wohnung bezahle sein Vater. Der Beschwerdeführer gehe in die Kirche und bereite sich auf den Marathon nächsten April vor. Er spreche ein bisschen Deutsch, habe allerdings noch keine Deutschzeugnis erlangt. Bis dato habe es sich noch nicht ergeben, dass er eine Arbeit hätte aufnehmen können. Abgesehen von seinem Bruder pflege der Beschwerdeführer eine Nahebeziehung zu seinem Pfarrer; das sei wie eine "Vater-Sohn" Beziehung. Der Beschwerdeführer sei legal in das Bundesgebiet eingereist und sei sein Aufenthalt bis zur Antragstellung rechtmäßig aufgrund eines Visums gewesen. Es sei ein großer Unterschied zwischen den österreichischen und den iranischen Gesetzen, da im Iran alle Gesetze islamisch seien. Im Islam gebe es Hinrichtungen, es werde zwischen Mann und Frau unterschieden, es gebe keinerlei Freiheiten und den Menschen werde alles aufgezwungen. Auch werde im Islam ständig über Mord und Krieg gesprochen. Österreich sei ein Land, wo der Beschwerdeführer seinen Glauben ausleben könne. Er gehe dreimal pro Woche in die Kirche und niemand hindere ihn daran. In Österreich könne man auch einfach mit einer Freundin ausgehen. Das werde im Iran bestraft. Wenn ein Mann und eine Frau, die nicht miteinander verheiratet seien, miteinander ausgingen, müssten sie nach dem islamischen Gesetz heiraten. Wer vom Islam abfalle, werde hingerichtet. Solche Gesetze gebe es in Österreich nicht und seien das alles die Gründe, weshalb er Österreich liebe.

Zu seinen Reisebewegungen und zu seinen Fluchtgründen wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisher erstattetes Vorbringen. Ergänzend brachte er vor, dass er seit dem Anruf seines Freundes zehn Tage vor Antragstellung keine Nachricht mehr von seinen Freunden [mit denen er im Iran die Hauskirche besucht hat] habe. Die beiden festgenommenen Personen seien viel älter als der Beschwerdeführer gewesen. Einer seiner Freunde, XXXX , sei ein Freund der Familie des Beschwerdeführers gewesen. Er habe ihn zu der Hauskirche mitgenommen. Zu der Zeit sei der Bruder des Beschwerdeführers bereits konvertiert gewesen. Da der Beschwerdeführer damals wenig über das Christentum gewusst habe, habe er begonnen, mit XXXX, XXXX und XXXX in die Hauskirche zu gehen. Diese sei ca. 30 Autominuten von XXXX entfernt gewesen. Dort hätten sie sich zu viert versammelt und XXXX , der der Älteste von ihnen gewesen sei, habe über das Christentum erzählt. Durch XXXX habe der Beschwerdeführer auch die anderen beiden kennengelernt. Er habe schon eine Neigung zum Christentum gehabt und daher sei es für ihn willkommen gewesen, sich ihnen anzuschließen. XXXX sei kein Priester gewesen; er habe nur mehr gewusst als die anderen. Der Beschwerdeführer habe sieben Monate lang die Hauskirche besucht und regelmäßig alle zwei Wochen einmal an Versammlungen teilgenommen. Das erste Mal sei er im Juli/August 2016 bei einer Versammlung in der Hauskirche gewesen. Im Iran sei er nicht getauft worden. Der Beschwerdeführer sei zehn Tage vor Ablauf des Visums von XXXX angerufen worden; XXXX und XXXX seien festgenommen worden. Es sei die Schlussfolgerung des Beschwerdeführers, dass XXXX und XXXX im Zuge ihrer Festnahme auch den Namen des Beschwerdeführers genannt hätten, da die Polizei seine Eltern aufgesucht und ihn gesucht habe. Es müsse so gewesen sein, da es keinen anderen Grund gegeben habe, dass die Polizei seine Eltern aufsuche. Vor seiner Ausreise aus dem Iran sei der Beschwerdeführer von staatlicher Seite weder verfolgt noch bedroht worden. Auf die Frage, ob er es nicht eigenartig finde, dass er an dem Tag, an dem sein Visum ablaufe, einen Asylantrag stelle, gab der Beschwerdeführer an, dass er die zehn Tage davor darüber nachgedacht habe, was er machen und wie er vorgehen solle. Es sei ein Zufall gewesen, dass der Tag der Antragstellung mit dem Ablauf des Visums zusammen gekommen sei.

Zwei Monate nach seiner Ankunft in Österreich habe der Beschwerdeführer eine Kirche gefunden. Seinen nunmehrige Patin sei eine Bekannte von ihm, die ihm seine jetzige Kirche [Anm.: gemeint:

XXXX ] näher empfohlen und ihn dem Pfarrer vorgestellt habe. Seitdem besuche er jeden Sonntag die Kirche. Ein paar Monate später habe ihm der Pfarrer gesagt, dass sie sich zusammensetzen und über einen Tauftermin sprechen sollten. Seit fünf Monaten gehe er auch am Freitag in die Kirche und habe bei der Messe die Aufgabe, die Glocke zu läuten. Der Taufvorbereitungskurs habe einmal pro Woche stattgefunden. Er habe sich mit dem Pfarrer zu zweit getroffen und sie hätten über religiöse Themen gesprochen. Dies hätten sie bis heute beibehalten. Seine nunmehrige Taufpatin und er hätten im Iran einen gemeinsamen Freund und seien durch diesen zusammengekommen. Dann habe sie ihm den Pfarrer vorgestellt. Sein Bruder gehe nicht in die selbe Kirche wie der Beschwerdeführer, da sein Bruder Protestant sei. Er habe sich für die katholische Kirche entschieden, da sie bereits in der Hauskirche über den Katholizismus gesprochen hätten und auch seine Taufpatin Katholikin sei. In der Folge beschrieb der Beschwerdeführer auf Nachfrage der erkennenden Einzelrichterin den Ablauf einer katholischen Messe und die Bedeutung von "Wein und Brot" (gemeint: Wandlung). Auf Vorhalt, der Beschwerdeführer habe in seiner Schilderung zweimal die Wendung "Hl. Pfarrer" erwähnt, obwohl ein Pfarrer in der katholischen Kirche nicht heilig sei, gab er an, er habe "das" mit dem Papst verwechselt. Man müsse "Pfarrer" oder "Vater" sagen. Der Papst sei der Vertreter von Jesus Christus auf Erden. Christentum bedeute für den Beschwerdeführer Freiheit, Rettung und Liebe. Jesus Christus habe wertvolle Taten getätigt und habe eine hohe Moral. Beispielsweise Gerechtigkeit, gegen Gewalt, Bescheidenheit, Freundlichkeit, Großherzigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Gastfreundlichkeit. Der Beschwerdeführer müsse als gläubiger Christ diesen Eigenschaften folgen, damit sein Glaube an Jesus Christus stärker werde. Das Christentum sei der Weg, um den Vater, Gott, zu erreichen. Es sei auch der Weg der Rettung vom Tod und der Weg der Wiedergeburt. Im Alltag wolle er Gott folgen. Er fühle Gott in seinem Leben. Jesus Christus habe seinen Feinden vergeben. Jesus Christus lebe unter uns. Der Beschwerdeführer habe das Christentum voll akzeptiert und folge den Lehren Jesus Christus. Er habe den Taufnamen Andreas gewählt, weil Andreas einer der Jünger von Jesus Christus gewesen sei. Sein Glaube werde von Tag zu Tag stärker. Er sei freitags, sonntags und montags in der Kirche. Am Montag fänden die Gespräche mit dem Pfarrer statt. Auch mit seiner Taufpatin habe er noch regelmäßigen Kontakt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger sowie Zugehöriger zur persischen Volksgruppe und wurde als Moslem (im Sinne von: Sohn einer moslemischen Familie) im Iran geboren. Er stammt aus der Stadt XXXX , wo er geboren und aufgewachsen ist. Bis zu seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Eltern in der familieneigenen Wohnung. Der ältere Bruder des Beschwerdeführers lebt bereits seit dem Jahr 2014 in Österreich und ihm wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am XXXX .08.2015 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Im Iran besuchte der Beschwerdeführer zwölf Jahre lang die Schule und schloss mit Matura ab. Nachdem der Beschwerdeführer eine Zulassung eines Colleges zum Besuch eines Deutschkurses erhalten hat, wurde ihm von der österreichischen Botschaft in Teheran ein von XXXX .03.2017 bis XXXX .08.2017 gültiges Visum ausgestellt, mit dem er legal mit seinem eigenen Reisepass am XXXX .03.2017 in das österreichische Bundesgebiet einreiste.

Nach der Konversion seines Bruders in Österreich begann auch der Beschwerdeführer, der vom Islam innerlich nie überzeugt war, sich für das Christentum bzw. für die christlichen Lehren zu interessieren. Über einen Freund der Familie kam er in der Folge in Kontakt zu einer Hauskirche, die er seit ca. Juli/August 2016 regelmäßig jede zweite Woche mit diesem Freund der Familie und zwei weiteren Männern besuchte. Zehn Tage vor dem Ablauf seines Visums bekam der Beschwerdeführer einen Anruf von einem der Männer, der ihm mitteilte, dass die anderen beiden Bekannten - darunter auch der Freund der Familie - festgenommen wurden. Da kurze Zeit später die Polizei seine Eltern aufgesucht und nach ihm gefragt hat, geht der Beschwerdeführer davon aus, dass die beiden Festgenommenen den Behörden seinen Namen genannt haben. Daher stellte der Beschwerdeführer am 18.08.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach seiner Ankunft in Österreich begab sich der Beschwerdeführer auf die Suche nach einer für ihn passenden Kirchengemeinde und wurde ihm von einer iranischen Bekannten, die später auch seine Taufpatin wurde, die XXXX / XXXX empfohlen und der dortige Pfarrvikar vorgestellt. Seitdem besucht der Beschwerdeführer dort jeden Sonntag die Messe und entschloss sich ca. im Juni 2017 zu konvertieren. Nach einer knapp einjährigen Taufvorbereitung, die einmal wöchentlich unter Leitung des Pfarrvikars abgehalten wurde, wurde der Beschwerdeführer am XXXX .05.2018 durch den Erzbischof von Wien zur Taufe zugelassen und schließlich am XXXX .05.2018 nach römisch-katholischem Ritus getauft. Der Beschwerdeführer ist praktizierender Katholik, hält intensiven Kontakt zu seiner Pfarre, besucht zweimal wöchentlich - am Freitag und am Sonntag - die Messe und trifft darüber hinaus einmal pro Woche weiterhin den Pfarrvikar, um in Gesprächen seinen Glauben zu vertiefen. Festgestellt wird sohin, dass der Beschwerdeführer in Österreich aus innerer Überzeugung vom Islam zum Christentum konvertiert und nunmehr Angehöriger der römisch-katholischen Kirche ist. Der Beschwerdeführer ist vom Christentum ehrlich überzeugt und kann nicht erkannt werden, dass die Konversion vom Islam zum Christentum "nur zum Schein" (lediglich zwecks Asylerlangung) erfolgt ist. Bei einer Rückkehr in den Iran wäre es für den Beschwerdeführer nicht zumutbar, seinen christlichen Glauben zu leugnen und zum Islam zurückzukehren. Ebenso wenig wäre es ihm zumutbar, seinen christlichen Glauben lediglich "im Geheimen" zu praktizieren.

Im Entscheidungszeitpunkt kann im Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran für konvertierte Christen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Iran aufgrund seiner nunmehr christlichen Religion keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegen würde. Dem Beschwerdeführer steht als einem vom Islam zum Christentum Konvertierten keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist.

1.2. Zur verfahrensrelevanten Situation im Iran:

1.2.1. Religionsfreiheit:

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).

Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen - werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018, vgl. FH 4.2.2019). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2019).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 12.2018).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 12.1.2019).

Schiitische Religionsführer, die die Politik der Regierung oder des Obersten Führers Khamenei nicht unterstützen, können sich auch Einschüchterungen und Repressionen bis hin zu Haftstrafen gegenübersehen (US DOS 29.5.2018).

Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden" (US DOS 15.8.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/ 4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelev ante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 31.5.2019;

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 31.5.2019;

* BFA Analyse (23.5.2018): Iran - Situation armenischer Christen,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf, Zugriff 31.5.2019;

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019;

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 31.5.2019 und

* US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html,

Zugriff 31.5.2019

1.2.2. Christen:

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen - solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten - ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 2018), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 12.1.2019). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 12.2018).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).

Im Weltverfolgungsindex 2019 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum wurden 67 Christen verhaftet (Open Doors 2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/ 4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelev ante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 3.6.2019;

* BFA Analyse (23.5.2018): Iran - Situation armenischer Christen,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf, Zugriff 3.6.2018;

* DIS/DRC - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 3.6.2019;

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 3.6.2019;

* Open Doors (2019): Weltverfolgungsindex 2019 Länderprofil Iran,

https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 3.6.2019 und

* US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html, Zugriff 3.6.2019

1.2.3. Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen:

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Außerdem werden Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, zunehmend verfolgt. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagte eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/ 4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelev ante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 3.6.2019;

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 5.6.2018;

* DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 3.6.2019;

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 3.6.2019;

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 3.6.2019;

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 3.6.2019;

* Open Doors (2019): Weltverfolgungsindex 2019 Länderprofil Iran,

https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 3.6.2019 und

* US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html, Zugriff 3.6.2019

1.2.4. Rechtsschutz / Justizwesen:

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art. 157 der Verfassung höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exek

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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