TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/8 W182 1407582-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2019
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Entscheidungsdatum

08.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2

Spruch

W182 1407582-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut BLUM gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. 790455909 - 170982641, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 10 Abs. 3, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52 Abs. 3, Abs. 9, 46, Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

Gemäß § 55 Abs. 2 FPG idgF beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, gehört der Volksgruppe der Han an, ist Buddhist und stellte am 17.04.2009 unter der Aliasidentität " XXXX , geb. XXXX " einen Antrag auf internationalen Schutz.

In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.04.2009 sowie in einer Einvernahme beim Bundesasylamt am 15.06.2009 begründete er seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass er im Herkunftsland in ein Unternehmen, das eine Ameisenzucht betrieben habe, 10.000,- RMB investiert habe, wobei er das investierte Geld nach der Insolvenz des Unternehmens im Juli 2008 verloren habe. Als er sich deswegen Ende Dezember 2008 mit anderen Investoren bei einer Stadtbehörde in XXXX beschwert habe, sei er in eine gewalttätige Auseinandersetzung mit Polizisten geraten und habe sich einer Festnahme durch die Flucht und Ausreise aus China entzogen. Er sei im April 2009 illegal nach Österreich gereist. Bei einer Rückkehr ins Heimatland befürchte er, dort von der Polizei festgenommen zu werden.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.06.2009, Zl. 09 04.559-BAW, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Weiters wurde mit Spruchpunkt III. gegen den BF eine Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach China ausgesprochen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen des BF sich als nicht glaubwürdige erwiesen habe.

Eine dagegen erhobene Beschwerde des BF wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10.09.2009, Zl. C3 407.582-1/2009/2E, in allen Spruchpunkten abgewiesen.

2. Der BF ist trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung im Bundesgebiet verblieben.

Ihm wurde im Oktober 2016 aufgrund der Unmöglichkeit der Abschiebung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 mit der Gültigkeitsdauer bis zum 30.10.2017 erteilt, wobei begründend auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.12.2014, Zl. G160/2014, verwiesen wurde, wonach eine Duldung gemäß § 46a Abs. 1a FPG bereits ex lege mit dem Vorliegen der tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung und nicht erst mit der behördlichen Feststellung eintrete. Auch wenn bislang keine Duldungskarte an den BF ausgestellt worden sei, werde unter dem Gesichtspunkt der laufenden Mitwirkung an der Erteilung eines Heimreisezertifikates sowie unter dem Gesichtspunkt, dass der BF nach alter Rechtslage bereits über ein Jahr geduldet sei, ein Aufenthaltstitel mach § 57 AsylG 2005 ausgestellt.

Am 24.08.2017 stellte der BF beim Bundesamt den gegenständlichen Verlängerungsantrag "besonderer Schutz" gemäß § 59 AsylG 2005. Dem Antrag beigelegt waren u.a. ein Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung, wonach der BF seit Jänner 2017 in einem China-Restaurant erwerbstätig sei; diverse Lohn und Gehaltsabrechnungen, wonach der BF monatlich für seine Tätigkeit im China-Restaurant ein Bruttomonatslohn von € 1.460,00 (+ Sachbezug Wohnung) beziehe, ein AMS-Bescheid vom XXXX über eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Küchengehilfe für die Dauer vom XXXX bis XXXX , sowie ein am XXXX von der Botschaft der VR China in Wien ausgestellter bis XXXX gültiger chinesischer Reisepass lautend auf die im Spruch genannte (tatsächliche) Identität des BF.

In einer Einvernahme beim Bundesamt am 20.09.2017 brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er China 2009 aufgrund finanzieller Probleme verlassen habe. Er sei im Herkunftsland acht Jahre zur Schule gegangen und habe danach über 20 Jahre dort gearbeitet. Er habe in einem kleinen Geschäft landwirtschaftliche Produkte verkauft. Seine Eltern und seine Schwester seien bereits verstorben. Der BF habe in China einen Onkel, den er noch nie gesehen habe, sowie entfernte Verwandte. In Österreich habe er eine A1 Deutsch-Prüfung absolviert und arbeite in einem Restaurant. Er habe durch die Arbeit viele Bekannte. Er sei manchmal in einem buddhistischen Verein aktiv, gehe jedoch keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Er sei gesund. Er habe Angst gehabt, zu Beginn seines Verfahrens seinen vollen Namen zu nennen. Er habe Angst heimzukehren, weil seine Freiheit dort nicht gesichert sei und die Menschenrechte nicht beachtet werden.

Der vom BF vorgelegte Reisepass wurde vom Bundesamt gemäß § 38 FPG vorläufig sichergestellt.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz vom 24.08.2017 des BF gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. und V. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 3 BFA-VG idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt werde.

Beweiswürdigend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der Vorlage des Reisepasses die Identität des BF feststehe und seinen Angaben in der Einvernahme vom 20.9.2017 zu entnehmen gewesen sei, dass er gesund sei. Er würde den ganzen Tag bei seinem Unterkunftgeber und zugleich Arbeitgeber, einem China-Restaurant, arbeiten. Nach einem zügig abgeschlossenen Asylverfahren innerhalb eines Jahres könne der Behörde kein Vorwurf einer langen Verfahrensdauer gemacht werden. Der BF habe seine Ausreiseverpflichtung nicht wahrgenommen, sondern sei untergetaucht, um einer möglichen Abschiebung zu entgehen. Erst 2016 habe er sich im Bundesgebiet mit Hauptwohnsitz angemeldet und am 31.10.2016 einen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG2005 erhalten. Der BF habe angegeben, nicht in einer finanziellen oder materiellen Abhängigkeit gestanden zu sein, habe aber auch nicht angegeben, wie er seinen Lebensunterhalt während der langen Zeit von 2010 bis 2016 bestritten habe. Es liege der Schluss nahe, dass er nur mit Unterstützung seiner Landsleute diese Zeit überbrücken habe können bzw. lasse sich vermuten, dass er während der fraglichen Zeit illegal beschäftigt gewesen sei. Als er den Aufenthaltstitel erhalten habe, weil er unter anderem wegen falscher Identitätsangaben eine Heimreise verhindern habe können, habe sich sein Leben kaum verändert. Wie er selbst angegeben habe, bestehe sein Tagesablauf aus Arbeiten im China-Restaurant und Schlafen in einer Unterkunft bei seinem Arbeitgeber. Sonstige soziale Kontakte gebe es nicht. Da nun seine wahre Identität hervorgekommen sei, stehe einer Rückkehr in sein Herkunftsland nichts mehr entgegen. Tatsächliche, nicht vom BF zu vertretende Gründe, die seine Ausreise unmöglich machen würden, würden nicht vorliegen. Der BF sei volljährig und habe weder eine körperliche noch eine geistige Beeinträchtigung geltend gemacht. Er sei bis zu seiner Einreise in das Bundesgebiet immer im Heimatsstadt aufhältig gewesen und habe dort seine Schul- und Berufsausbildung absolviert, spreche die Sprache seines Heimatstaates und sei mit den Sitten und Gebräuchen des Heimatlandes vertraut. Er sei somit in der Lage, sich sowohl wirtschaftlich als sozial in China zu integrieren, wobei auch von einem sozialen Netz auszugehen sei. Der BF sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und habe insbesondere durch Untertauchen zum Ausdruck gebracht, dass er nicht gewillt sei, die Gesetze Österreichs zu beachten und habe versucht, durch Verschleierung seiner Identität den Konsequenzen seines illegalen Aufenthaltes zu entgehen. Zugleich sei es ihm aber auch nicht gelungen, eine entsprechende Integration aufzubauen, die von solcher Intensität wäre, das von einem schützenswerten Privatleben gesprochen werden könnte. Weiters würden sich weder aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat noch aus dem Vorbringen des BF ergeben, dass er bei einer Rückkehr hinsichtlich des Art. 2 oder 3 der EMRK oder dem Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde oder als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt wäre.

Zu Spruchpunkt I. wurde nach Wiedergabe des Inhalts des § 57 AsylG 2005 sowie rechtliche Ausführungen zur weiteren Verteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 AsylG 2005 begründend ausgeführt: "Die Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG ist dann vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 59 AsylG erfüllt sind und weiterhin die Voraussetzungen für die Duldung des Aufenthaltes gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 gegeben sind. Dies ist in Ihrem Fall nicht gegeben, da inzwischen ein gültiges Reisedokument vorliegt und Ihre Identität somit feststeht."

Mit Verfahrensanordnung vom 21.11.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

4. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde binnen offener Frist Beschwerde erhoben und ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt. In der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF sich nunmehr seit April 2009, sohin seit mehr als achteinhalb Jahren in Österreich, befinde, einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehe und daher seinen Lebensunterhalt aus Eigenem sicherstelle. Er sei unbescholten und verfüge über einen Freundeskreis in Österreich. Ihm sei eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz erteilt worden und habe er deren Verlängerung fristgerecht beantragt. Er habe der Behörde, nachdem er seinen Reisepass 2017 von der Botschaft erhalten habe, diesen vorgelegt und somit seine Identität offengelegt. Richtig sei, dass er bislang eine A2 Prüfung nicht absolviert habe, dies sei jedoch auf seine Schwerhörigkeit zurückzuführen und habe er deshalb auch einen Operationstermin im März 2018. Dennoch sei der BF bemüht, seine Deutschkenntnisse zu verbessern und habe einen Kurs besucht. Es treffe daher nicht zu, wenn die Behörde anführe, dass er nicht gewillt sei, Gesetze Österreichs zu beachten und ihm eine entsprechende Integration nicht gelungen sei. Gerade durch die Vorlage des Reisepasses habe der BF gezeigt, dass er durchaus gewillt sei, sich an österreichische Gesetze zu halten. Auch habe er sich trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen in Österreich am Arbeitsmarkt integrieren und sich einen Freundeskreis aufbauen können, wozu auf Unterstützungsschreiben verwiesen wurde. Vor dem Hintergrund seiner beruflichen und sozialen Integration in Österreich hätte dem BF daher ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werden müssen, dies insbesondere vor dem Hintergrund des langjährigen nahezu neun Jahre dauernden Aufenthalts in Österreich. Gänzlich nicht nachvollziehbar sei, warum die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen worden sei. Der Beschwerde in Kopie beigefügt war ein Ambulanzbrief vom XXXX sowie eine Information zur stationären Aufnahme am XXXX einer HNO-Klinik, woraus im Wesentlichen hervorgeht, dass der BF an einer schon länger bestehenden chronischen Otitis media simplex dext (chronische Mittelohrentzündung am rechten Ohr) leide und eine allenfalls geplante Operation im März 2018 vorgesehen sei, da der BF jetzt über eine Aufenthaltsgenehmigung verfügen würde. Weiters war ein Unterstützungsschreiben eines Kollegen des BF im China-Restaurant sowie eine Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs A2 Teil1 beigelegt.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.01.2018, Zl. W182 1407582-2/2E, wurde der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese gemäß § 18 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, § 55 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, ersatzlos behoben.

6. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 06.02.2019, zu der ein Vertreter des Bundesamtes entschuldigt nicht erschienen ist, wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des BF in Anwesenheit seiner Rechtsvertretung sowie einer Dolmetscherin der chinesischen Sprache, weiters durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der BF brachte in der Verhandlung im Wesentlichen wie bisher vor. Ergänzend wurde u.a. ausgeführt, dass die Ohrenoperation des BF durchgeführt worden sei und er an einer Krümmung der Lendenwirbelsäule leide. Die Aliasidentität habe der BF angegeben, da ihn sonst die chinesische Polizei nach China holen würde. Er sei geschieden und kinderlos und zuletzt 2009 in China gewesen. Er habe dort noch einen Onkel, zu dem er schon lange keinen Kontakt mehr habe. Er habe dort neun Pflichtschuljahre absolviert. Er habe eine einjährige Ausbildung für verschiedene Berufe, darunter Koch, absolviert. Er habe in China von seiner Tätigkeit als Koch gelebt. Der BF beziehe keine staatlichen Leistungen und beginne in wenigen Tagen eine Erwerbstätigkeit als Koch. Seine Probleme mit der Wirbelsäule seien wieder besser geworden. Er habe in Österreich eine Freundin, lebe mit dieser aber nicht zusammen. Zu seinen Zukunftsplänen in Österreich befragt, gab der BF an, dass er seine Freundin heiraten und eine Familie gründen wolle. Bei einer Rückkehr nach China würde er ins Gefängnis kommen. Dazu näher befragt, machte der BF die Gründe, die bereits Gegenstand seines rechtskräftigen Asylverfahrens waren, geltend.

Dem BF wurden in der Verhandlung Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsland zu Kenntnis gebracht.

Vom BF vorgelegt wurden u.a. ein Zeugnis des österreichischen Integrationsfonds, wonach der BF die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz Niveau A2 und Werte- und Orientierungswissen am 08.09.2018 bestanden habe; ein Arztbrief einer Universitätsklinik vom XXXX , wonach die operative Sanierung zur Diagnose chronische Otitis media rechts am XXXX komplikationslos durchgeführt werden habe können, der weitere postoperative Verlauf sich ebenfalls unauffällig gestalte und der BF bei blanden Wundverhältnissen am XXXX wieder entlassen werden habe können; ein Radiologiebefund über eine Lumboischialgie vom 04.01.2019, ein Informationsblatt eines Institutes für physikalische Medizin vom 04.01.2019 über jeweils zehn Therapieeinheiten Heilgymnastik, Ultraschallbehandlung und Massage; diverse Unterstützungsschreiben von Inländern tw. chinesischer Herkunft; eine Einstellungszusage eines China-Restaurants sowie ein von einem Gastronomieunternehmen am 05.02.2019 ausgestellter Dienstzettel, wonach der BF dort ab 12.02.2019 einer Vollzeitbeschäftigung als Koch nachgehe; eine entsprechende vom AMS für den BF am 04.02.2019 ausgestellte Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Koch für die Zeit vom 04.02.2019 bis 03.02.2020; ein Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung, wonach der BF vom 23.01.2017 bis 13.01.2018, vom 19.02.2018 bis XXXX , 21.09.2018 bis 24.09.2018 sowie vom 19.12.2018 bis 01.01.2019 Erwerbstätigkeiten nachgegangen ist.

7. Laut einer Anfrage beim Zentralen Melderegister war der BF vom Jänner 2010 bis Juni 2013, Februar 2014 bis September 2015 und Dezember 2015 bis Mai 2016 nicht im Bundesgebiet gemeldet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China, gehört der Volksgruppe der Han an und ist Buddhist. Seine Identität steht fest.

Der unbescholtene BF hält sich seit etwa April 2009 durchgehend im Bundesgebiet auf, wo er am 17.04.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Das Asylverfahren wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10.09.2009 rechtskräftig abgeschlossen und gegen den BF eine Ausweisung ausgesprochen.

Der BF ist dennoch illegal im Bundesgebiet verblieben und zeitweise untergetaucht. Er hat gegenüber den Behörden bewusst einen falschen Namen und ein falsches Geburtsdatum angegeben, um einer Abschiebung ins Herkunftsland zu entgehen.

Dem BF wurde im Oktober 2016 aufgrund der Unmöglichkeit der Abschiebung mangels Heimreisezertifikates vom Bundesamt ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 mit der Gültigkeitsdauer bis zum 30.10.2017 erteilt.

Am 24.08.2017 stellte der BF unter Offenlegung seiner wahren Identität durch Vorlage eines bereits am XXXX von den Vertretungsbehörden seines Herkunftslandes ausgestellten und bis XXXX gültigen chinesischen Reisepasses beim Bundesamt den gegenständlichen Verlängerungsantrag "besonderer Schutz" gemäß § 59 AsylG 2005.

Der BF ist geschieden und kinderlos. Er verfügt über Grundschulbildung sowie langjährige Berufserfahrung im Herkunftsland. In China halten sich zumindest ein Onkel und Verwandte des BF auf.

Der BF wurde im Februar 2018 bezüglich einer chronischen Mittelohrentzündung erfolgreich operiert und Anfang 2019 wegen einer Lumboischialgie behandelt. Darüber hinaus ist der BF im Wesentlichen gesund und arbeitsfähig. Er war vor seiner Ausreise in der Lage seinen Unterhalt im Herkunftsland durch Erwerbstätigkeiten zu bestreiten.

In Österreich halten sich keine Familienangehörige des BF auf. Er hat bisher eine Deutschprüfung auf A2 abgelegt. Er bezieht keine staatlichen Leistungen und geht seit Anfang 2017 mit Unterbrechungen legalen Erwerbstätigkeiten als Koch - zuletzt seit Mitte Februar 2019 - nach. Er hat in Österreich einen entsprechenden inländischen Freundes- und Bekanntenkreis, darunter auch eine Freundin. Anhaltspunkte für ein etabliertes Familienleben liegen nicht vor.

Der BF ist unbescholten.

Nicht festgestellt werden kann, dass dem BF in der Volksrepublik China aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder dass ihm im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

1.2. Zur Situation in der VR China

1.2.1.Politische Lage

Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,374 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2016) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 26.7.2017).

China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", welcher der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang im Jahr 1997 zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Trotz starker öffentlicher Kritik in Hongkong hält die chinesische Regierung bezüglich einer möglichen Wahlrechtsreform für eine allgemeine Wahl des Hongkonger Regierungschefs (Chief Executive) an den Vorgaben fest, die der Ständige Ausschuss des Pekinger Nationalen Volkskongresses 2014 zur Vorabauswahl von Kandidaten gemacht hat. Dies hat in Hongkong zur Blockade der vorgesehenen Reform geführt und zu einem Erstarken von Bestrebungen nach größerer Autonomie, vereinzelt sogar zu Rufen nach Unabhängigkeit, auf die Peking scharf reagiert. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2017a).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2017a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 3.3.2017). Die KP ist der entscheidende Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder, davon 205 mit Stimmrecht), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017).

An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident (seit März 2013 Li Keqiang) leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2017a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht. NVK-Vorsitzender ist seit März 2013 Zhang Dejiang (AA 4.2017a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 1.2017a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2017a).

Beim 18. Kongress der KP China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Bei diesem Parteitag wurden die Weichen für einen Generationswechsel gestellt und für die nächsten fünf Jahre ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt (AA 4.2017a). Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KP und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gekürt. Seit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2017a; vgl. FH 1.2017a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 3.3.2017). Die neue Staatsführung soll - wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt - mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode bis 2022 (und möglicherweise auch darüber hinaus) an der Macht bleiben (HRW 12.1.2017). Vorrangige Ziele der Regierung sind eine weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KP. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2017a).

Mit der Aufnahme seines Namens und Gedankenguts in die neue Parteiverfassung unter dem Titel "XI Jinpings Gedanken für ein neues Zeitalter für einen Sozialismus chinesischer Prägung" wurde Präsident XI Jinping auf eine Stufe mit MAO Zedong und DENG Xiaoping gehoben. China ist dabei, zu einem immer enger vernetzten Überwachungsstaat zu werden - mit der KPCh im Zentrum, der sich "alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens" unterordnen müssen. Bei der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses (NVK) im März 2018 wurden die Beschlüsse des Parteitags umgesetzt. PM LI Keqing präsentierte das Regierungsprogramm, welches die Schwerpunkte auf die weitere wirtschaftliche und finanzielle Konsolidierung, Armutsbekämpfung und Umweltschutz legt. Präsident XI und PM LI wurden in ihren Ämtern für weitere 5 Jahre bestätigt. WANG Qishan wurde zum Vizepräsidenten gewählt, LI Zhanshu zum Vorsitzenden des NVK und WANG Yang zum Vorsitzenden der Politischen Konsultativkonferenz, dem höchsten Beratungsorgan des Staates. Eine Reihe von Ministern und Staatsräten wurden bestätigt, andere ausgetauscht. Es wurden einige Verfassungsänderungen beschlossen. So wurde XI Jinpings Gedankengut in die Staatsverfassung aufgenommen. Ferner ist die Begrenzung auf zwei Amtsperioden mit je fünf Jahren für den Präsidenten und Vizepräsidenten gefallen. XI kann daher über 2023 hinaus Präsident bleiben (ÖB 12.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5,

-

AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Annual Report 2013 - China,

http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html,

-

CIA - Central Intelligence Agency (26.7.2017): The World Factbook

-

China,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 2.8.2017

-

FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html,

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html,

-

ÖB Peking (12.2018): Asylländerbericht Volksrepublik China

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html,

1.2.2. Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html,

1.2.3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei (KP) auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert (AA 4.2017a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.12.2016). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2016). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sog. "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen diejenigen, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 1.2017a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, d.h. der Kommunistischen Partei, keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken. Sie markieren damit keine Wende zu einem liberalen Rechtsstaat ("rule by law" vs. "rule of law"). Gleichzeitig soll die Qualität von gerichtlichen Verfahren verbessert und die Verfassung eingehalten werden. Dabei stehen die KPCh und alle Parteiorgane - welche die gesamte staatliche und Justizverwaltung duplizieren - weiterhin über der Verfassung. Die Konkretisierung der Beschlüsse in Form legislativer Beschlüsse folgte bisher nur teilweise, auch die Judikative kündigte neue Verhaltensregeln für die Richterschaft an. (ÖB 12.2018).

Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR), welche neben der/dem PräsidentIn des Gerichts, den stellvertretenden Parteisekretär, die Staatsanwaltschaft und die lokalen Leitungen der Büros verschiedener Fachministerien (v.a. Justiz, öffentliche Sicherheit, Staatssicherheit, Supervision) umfasst. Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KPCh im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet. Gemäß dem 4. Fünfjahres-Reformplan für Gerichte (2014-2018) wurden einige Reformschritte eingeleitet: So wurde die finanzielle Abhängigkeit, die früher zwischen Gerichten und Lokalregierungen bestand, abgeschafft. Die Finanzierung von Gerichten erfolgt nun ausschließlich durch die nationalen Behörden. Darüber hinaus wurden die Ausbildungsstandards für RichterInnen angehoben. Noch immer haben viele RichterInnen keine rechtswissenschaftliche Ausbildung, und gibt es vor allem auf unterer Gerichtsebene und am Land bzw. in kleineren Städten noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern. Die RichterInnen-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. RichterInnen sind nun verpflichtet, über Einflussnahmen seitens lokaler PolitikerInnen auf Verfahren Bericht zu erstatten. Die Schwierigkeit für RichterInnen, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren, hat dazu geführt, dass immer weniger Menschen den RichterInnenberuf ergreifen wollen (ÖB 12.2018).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.12.2016).

Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des ZK im November 2013 offiziell am 28.12.2013 abgeschafft. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als schwarze Gefängnisse weiter genutzt werden (AA 15.12.2016).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt die "Hochachtung und der Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption in Untersuchungshaft sitzenden Person die Angehörige innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Zudem besteht diese Informationspflicht nicht, wenn durch diese Information die Ermittlungen behindert würden - in diesen Fällen müssen Angehörige erst nach 37 Tagen informiert werden. Was eine "Behinderung der Ermittlung" bedeutet, liegt im Ermessen der Polizei, es gibt kein Rechtsmittel dagegen. Da die/der Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befindet, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein. Z.B. wurde der uighurische Professor und Menschenrechtsverteidiger Ilham Tohti nach seiner Festnahme in Peking im Jänner 2014 an einem unbekannten Ort festgehalten - seine Familie erfuhr erst mehr als ein Monat später, dass er sich in einem Gefängnis in Urumqi (5 Stunden Flugzeit) befand. Das Strafprozessgesetz sieht zudem vor, dass "Staatsicherheit gefährdende" Verdächtige an einem "designierten Ort" bis zu 6 Monate unter "Hausarrest" gestellt werden können. Dieser Aufenthaltsort kann auch außerhalb offizieller Einrichtungen liegen. Diese Möglichkeit wurde mit der Strafprozessnovelle 2012 eingeführt und von RechtsexpertInnen wie dem Rapporteur der UN-Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances wegen des inhärenten Folterrisikos als völkerrechtswidrig kritisiert. (ÖB 12.2018).

Seit der offiziellen Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" werden Menschenrechtsaktivisten nicht mehr in administrativer Haft angehalten, sondern systematisch auf Basis von Strafrechtstatbeständen wie Staatsgefährdung, Separatismus, Volksverhetzung, oder gemeiner Vergehen oder Verbrechen verurteilt, womit der Anschein der Rechtsstaatlichkeit erweckt werden soll. Aufgrund der vagen Tatbestände, des Zusammenhalts der einzelnen Institutionen und des Mangels an unabhängiger engagierter anwaltlicher Vertretung, kann ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht "geschaffen" werden. (ÖB 12.2018).

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "black jails" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 15.12.2016).

Das 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert v.a. die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und der Verteidigung im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.12.2016).

2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 1.2015a).

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.12.2016). Die Regierung hat weitere Gesetze zur nationalen Sicherheit ausgearbeitet und verabschieden lassen, die eine ernste Gefahr für den Schutz der Menschenrechte darstellen. Das massive landesweite Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und politisch engagierte Bürger hielt das ganze Jahr über an (AI 22.2.2017). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 15.12.2016).

Auch 2016 setzten sich die Übergriffe der Behörden auf Menschenrechtsanwälte das ganze Jahr hindurch mit Verhaftungen und strafrechtlichen Verfolgungen fort (FH 1.2017a). Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Mangelhafte nationale Gesetze und systemische Probleme im Strafrechtssystem hatten weitverbreitete Folter und anderweitige Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren zur Folge (AI 22.2.2017).

Seit der offiziellen Abschaffung der administrativen "Umerziehung durch Arbeit" im Jänner 2014 werden Menschenrechtsaktivisten vermehrt auf Basis der Strafrechtstatbestände der Unruhestiftung oder des Separatismus verurteilt und somit in Strafhaft gesperrt, wobei aufgrund der vagen Tatbestände ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht kreiert werden kann (ÖB 12.2018). Häufig wurden Anklagen wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung", "Untergrabung der Staatsmacht", "Anstiftung zum Separatismus" "Anstiftung zu Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen", sowie "Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen an das Ausland" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen verhängt (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Allein in Peking versammeln sich täglich Hunderte von Petenten vor den Toren des staatlichen Petitionsamts, um ihre Beschwerde vorzutragen. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Mio. Eingaben eingereicht. Petenten aus den verschiedenen Provinzen werden häufig von Schlägertrupps im Auftrag der Provinzregierungen aufgespürt und in ihre Heimatregionen zurückgebracht. Zwischen Februar und April 2014 wurden verschiedene Reformen des Petitionssystems verabschiedet, die eine schnellere Bearbeitung und Umstellung auf mehr Online-Plattformen beinhaltet. Das 4. Plenum des Zentralkomitees der KP hat im Oktober 2014 weitere Schritte zur Regelung des Petitionswesens getroffen, deren Umsetzung aber noch aussteht. Diese Reformen werden von Beobachtern dafür kritisiert, dass sie die Effektivität der Bearbeitung der Petitionen kaum steigern, sondern vor allem dazu dienen, Petitionäre von den Straßen Pekings fernzuhalten (AA 15.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5,

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/336465/479116_de.html,

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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/china,

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FH - Freedom House (1.2015a): Freedom in the World 2015 - China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html,

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ÖB Peking (12.2018): Asylländerbericht Volksrepublik China

1.2.4. Sicherheitsbehörden

Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit, und die Bewaffnete Volkspolizei der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) ist in 45 Divisionen unterteilt, bestehend aus Innensicherheitspolizei, Grenzüberwachung, Regierungs- und Botschaftsbewachung, sowie Funk- und Kommunikationsspezialisten. Ein wesentlicher Anteil der in den letzten Jahren vorgenommenen Truppenreduktionen in der Volksbefreiungsarmee war in Wahrheit eine Umschichtung von den Linientruppen zur BVP. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen ZivilistInnen vor. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit beaufsichtigt alle innerstaatlichen Aktivitäten der zivilen Sicherheitsbehörden (außer derjenigen, die in die Zuständigkeit des Staatssicherheitsministeriums fallen), sowie die Bewaffnete Volkspolizei. Konkret umfassen seine Aufgaben innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Zuständigkeit für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen. Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger "Blockwarte" die Bewegungen der BewohnerInnen einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 12.2018).

Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.4.2017).

Zivile Behörden behalten die Kontrolle über Militär- und Sicherheitskräfte bei (USDOS 3.3.2017). Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes (AA 15.12.2016). Nach dem Gesetz zur Landesverteidigung von 1997 sind die Streitkräfte nicht dem Staatsrat, sondern der Partei unterstellt (AA 4.2017a).

Für die innere Sicherheit sind zuständig sind (1) Polizei und Staatsanwaltschaften, die Rechtsverstöße des Normalbürgers verfolgen; (2) Disziplinar-Kontrollkommission der KPCh, die gegen Verstöße von KP-Mitgliedern einschreitet; (3) Einheiten des Ministeriums für Verwaltungskontrolle, die für Pflichtverletzungen im Amt zuständig sind; (4) Staatsschutz (Guobao) für die Beobachtung und Verfolgung politischer bzw. als potentiell staatsgefährdend wahrgenommener Aktivitäten von Bürgern und Ausländern (AA 15.12.2016).

Für den Bereich der Gefahrenabwehr ist primär das dem Staatsrat unterstehende Ministerium für Öffentliche Sicherheit mit seinen Polizeikräften verantwortlich, das daneben auch noch für Strafverfolgung zuständig ist und in Teilbereichen mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitet. Aufgaben der Polizei sind sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Strafverfolgung, bei der ihr u. a. die Anordnung von Administrativhaft als Zwangsmaßnahme zur Verfügung steht. Im Bereich der Strafverfolgung ist sie für die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren originär zuständig. Bei Delikten, die von Polizisten aufgrund ihrer Amtsstellung begangen werden, ermittelt die Staatsanwaltschaft selbst, während sie sonst primär die Tätigkeit der polizeilichen Ermittlungsorgane beaufsichtigt und auf Grundlage deren Empfehlung über die Erhebung der Anklage entscheidet (AA 15.12.2016).

Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist u.a. zuständig für die Auslandsaufklärung sowie für die Überwachung von Auslandschinesen und von Organisationen oder Gruppierungen, welche die Sicherheit der VR China beeinträchtigen könnten. Es überwacht die Opposition im eigenen Land, betreibt aber auch Spionageabwehr und beobachtet hierbei vielfach auch die Kontakte zwischen ausländischen Journalisten und chinesischen Bürgern. Darüber hinaus verfügen auch die Streitkräfte über einen eigenen, sorgfältig durchstrukturierten Nachrichtendienst, die 2. Hauptverwa

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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