TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/11 W194 2142366-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.2019
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Entscheidungsdatum

11.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W194 2142366-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Daniela Sabetzer über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Irene Oberschlick, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.12.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsbürger, der der Volksgruppe der Tadschiken angehört, reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

2. Am 04.07.2016 erließ die belangte Behörde eine Verfahrensanordnung, mit welcher das zu Beginn dieser Entscheidung angeführte Geburtsdatum des Beschwerdeführers sowie dessen Volljährigkeit festgestellt wurde.

3. Am 18.11.2016 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde einvernommen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 02.12.2016, der dem Beschwerdeführer am 06.12.2016 zugestellt wurde, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Mit Verfahrensanordnung stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater am 13.12.2016 Beschwerde.

6. Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht mit hg. am 16.12.2016 eingelangter Beschwerdevorlage den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt.

7. Am 04.05.2018 und 14.05.2019 erstattete der Beschwerdeführer durch seine Rechtsanwältin eine Beweismittelvorlage, ergänzendes Vorbringen und eine Urkundenvorlage.

8. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.05.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W194 zugewiesen.

9. Mit Schreiben vom 03. und 18.09.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens die Ladungen zur Verhandlung sowie die im Beschwerdefall vorläufig als relevant erachteten Berichte zur Lage in Afghanistan.

10. Am 01.10.2019 legte der Beschwerdeführer das Schreiben eines Pfarrers vor, im welchem dieser bestätigte, dass der Beschwerdeführer in den Katechumenat der römisch-katholischen Kirche feierlich eingetreten sei und sich auf die Taufe vorbereite.

11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.10.2019 wurde der Pfarrer als Zeuge zur Verhandlung geladen.

12. Am 10.10.2019 legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen vor und gab bekannt, dass er fünf näher genannte Personen zur Verhandlung mitbringen werde.

13. Am 11.10.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsanwältin teilnahmen und der ein Dolmetscher für die Sprache Dari beigezogen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern. Der Beschwerdeführer gab zu Beginn der Verhandlung bekannt, dass er ausschließlich durch seine Rechtsanwältin vertreten werde.

Der Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung zu seinem bisherigen Leben, seinen Fluchtgründen, seinem Glauben und seinem Leben in Österreich befragt. Zudem wurden fünf Personen als Zeugen einvernommen; konkret der vom Bundesverwaltungsgericht geladene Pfarrer sowie - wie vom Beschwerdeführer angeboten - ein Ehepaar, das den Beschwerdeführer bei der Vorbereitung auf die Taufe begleitet, den Direktor der Schule des Beschwerdeführers und die Vermieterin des Beschwerdeführers.

Weiters wurden die Länderberichte zum Herkunftsland des Beschwerdeführers, insbesondere zu den Themen Christentum und Konversion, erörtert.

14. Die Niederschrift der Verhandlung sowie das unter I.12. erwähnte Schreiben wurden der belangten Behörde im Anschluss an die Verhandlung zur Kenntnis übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Zu seiner Person, seiner Herkunft und seiner Familie:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Seine Muttersprache ist Dari. Er wurde in Afghanistan in der Provinz XXXX geboren und lebte dort bis er im Jahr XXXX aus Angst vor den Taliban gemeinsam mit seiner Familie nach Kabul zog. Kurze Zeit später verließ er Afghanistan alleine und kam im Jahr 2016 nach Europa.

Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Seine Eltern und seine Geschwister leben ca. seit Ende des Jahres XXXX im Iran. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig telefonischen Kontakt mit ihnen. In Afghanistan hat der Beschwerdeführer Kontakt zu einigen Freunden aus seiner Kindheit, welche in XXXX leben.

1.1.2. Zur seinem Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer stellte in Österreich am 06.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich seit seiner Antragstellung durchgehend im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er ist strafgerichtlich unbescholten und nimmt Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch. Der Beschwerdeführer ist im Zeitpunkt dieser Entscheidung ca. XXXX Jahre alt. Er besucht seit XXXX die XXXX Fachschule XXXX ; seit XXXX als ordentlicher Schüler der XXXX Fachrichtung und hat konkrete Vorstellungen zu seiner beruflichen Zukunft.

1.1.3. Zu seinem Glauben und dem geltend gemachten Nachfluchtgrund:

Der Beschwerdeführer wuchs als sunnitischer Moslem auf.

In Österreich hat er sich dem Christentum zugewandt, bereitet sich auf die katholische Taufe vor und nimmt regelmäßig an Gebetsrunden teil. Bei der wöchentlichen Taufvorbereitung, welche der Beschwerdeführer seit dem XXXX bei einem Ehepaar besucht, wird ua. das Evangelium zum Tag besprochen. In den Gebetsrunden, an denen das Ehepaar, der Beschwerdeführer, dessen Vermieterin bzw. insgesamt ca. fünf bis sechs Familien teilnehmen, wird gesungen, und es werden die Glaubensbriefe der Erzdiözese XXXX oder Schreiben des Papstes diskutiert und Anliegen der Anwesenden besprochen. Sonntags besucht der Beschwerdeführer den Gottesdienst und daran anschließend das Pfarrcafé. Im XXXX trat der Beschwerdeführer in den Katechumenat der römisch-katholischen Kirche ein. Seine Taufe ist für XXXX 2020 geplant.

In der Schule nahm der Beschwerdeführer von Anfang an freiwillig am Religionsunterricht teil; im Schuljahr XXXX besuchte er den Religionsunterricht als Freifach. Seit XXXX nimmt der Beschwerdeführer regelmäßig an Veranstaltungen eines katholischen Vereines ( XXXX ) teil (zB Wanderungen, Ferienwoche im Sommer XXXX). Seinen Freunden in Afghanistan hat der Beschwerdeführer erzählt, dass er nun Christ sei; seiner Familie nicht.

Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den nachhaltigen inneren Entschluss gefasst hat, nach dem christlichen Glauben zu leben. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan muss der Beschwerdeführer aus diesem Grund mit erheblichen Sanktionen in seinem Heimatland rechnen.

1.2. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Im Verfahren wurden folgende Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:

* EASO Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2019

* UNHCR-RICHTLINIEN zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018

* ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zu Afghanistan, ua. zur Situation christlicher KonvertitInnen

1.2.1. Aus EASO Coutry Guidance:

"16. Individuals considered to have committed blasphemy and/or apostasy

This profile covers persons who are considered to have abandoned or renounced the religious belief or principles of Islam (apostasy), as well as persons considered to have spoken sacrilegiously about God or sacred things (blasphemy). It includes individuals who have converted to a new faith, based on their genuine inner belief (converts), as well as those who disbelieve or lack belief in the existence of God (atheists). It can be noted that, often, the latter grounds would be invoked sur place (Article 5 QD).

COI summary

In Afghanistan, blasphemy is punishable by death or imprisonment of up to 20 years. Individuals who have committed blasphemy have three days to withdraw their behaviours or face the death penalty. Additionally, a 2004 law prohibits writings and published materials, which are considered offensive to Islam or other faiths [Society-based targeting, 2.1]. Some cases of imprisonment sentences on charges of blasphemy were reported [Society-based targeting, 2.2]. There is low societal tolerance in Afghanistan for criticism of Islam, the latter is seen contrary to the religion and can be prosecuted as blasphemy [Society-based targeting, 2.2, 2.4].

Apostasy is also punishable by death, imprisonment or confiscation of property [Society-based targeting, 2.1]. Apostasy is a serious offence and although it is reportedly rarely prosecuted, this has occurred in past years [Society-based targeting, 2.2]. Children of apostates are still considered Muslims unless they reach adulthood without returning to Islam, in which case they may also be put to death [Society-based targeting, 2.1]. Individuals perceived as apostates face the risk of violent attacks, which may lead to death, without being taken before a court [Society-based targeting, 2.4].

The Taliban see those individuals who preach against them or contravene their interpretations of Islam as 'apostates' [Society-based targeting, 2.7].

According to the ISKP, Muslim allies of the West, but also those individuals who practice forms of "impure" Islam, which includes non-Sunnis and Sunnis who practice Sufism or mystical schools of Islam, can be defined as 'apostates' [Society-based targeting, 2.8].

Individuals who hold views that can be perceived as having fallen away from Islam, such as converts, atheists and secularists, cannot express their views or relationship to Islam openly, at the risk of sanctions or violence, including by their family. Such individuals must also appear outwardly Muslim and fulfil the behavioural religious and cultural expectations of their local environment, without this being a reflection of their inner conviction [Society-based targeting, 2.4].

In particular, conversion from Islam to another faith is considered as a serious offence under Islamic law. It is punishable by the death penalty, by beheading for men, and by life imprisonment for women. Under Islamic law, individuals will be given three days to recant the conversion or face punishment. They are also perceived with hostility by society [Society-based targeting, 2.1, 2.3].

There is an increasing number of Afghan converts to Christianity, but there have only been a few converts visible in the past decade in Afghanistan. The State deals with them by asking them to recant or face expulsion from the country [Society-based targeting, 2.3].

Risk analysis

The acts to which individuals under this profile could be exposed are of such severe nature that they would amount to persecution (e.g. death penalty, killing, violent attacks).

When considering such applications, the case officer should take into account that it cannot reasonably be expected that an applicant will abstain from his or her religious practices. It should be noted that the concept of religion shall in particular include the holding of theistic, non-theistic and atheistic beliefs (Article 10(1)(b)

QD).

In the case of those considered apostates or blasphemers, in general, well-founded fear of persecution would be substantiated.

Nexus to a reason for persecution

Available information indicates that persecution of this profile is for reasons of religion."

1.2.2. Aus den UNHCR-RICHTLINIEN:

"Konversion vom Islam

Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie, also als Glaubensabfall betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tode bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, sie fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten "ungeheuerlichen Straftaten", die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen. Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist. Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grundes und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren. Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten, müssen Berichten zufolge um ihre persönliche Sicherheit fürchten. [...]"

1.2.3. Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation:

"Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtsprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017). [...]

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017)."

1.2.4. Aus der ACCORD-Anfragebeantwortung:

""Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass Apostasie (Arabisch: ridda) in der klassischen Scharia als "Weggehen" vom Islam verstanden werde und ein Apostat (Arabisch: murtadd) ein Muslim sei, der den Islam verleugne. Apostasie müsse nicht unbedingt bedeuten, dass sich der Apostat einer neuen Glaubensrichtung anschließe. [...]

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem im August 2016 veröffentlichten Länderbericht zur internationalen Religionsfreiheit (Berichtsjahr 2015), dass laut Hanafi-Rechtlehre Männer bei Apostasie mit Enthauptung und Frauen mit lebenslanger Haft zu bestrafen seien, sofern die Betroffenen keine Reue zeigen würden. Richter könnten zudem geringere Strafen verhängen, wenn Zweifel am Vorliegen von Apostasie bestünden. Laut der Auslegung des islamischen Rechts durch die Gerichte würde der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion Apostasie darstellen. In diesem Fall habe die betroffene Person drei Tage Zeit, um die Konversion zu widerrufen. Widerruft sie nicht, so habe sie die für Apostasie vorgesehene Strafe zu erhalten. Die genannten Entscheidungsempfehlungen würden in Bezug auf Personen gelten, die geistig gesund und vom Alter her "reif" seien. Dieses Alter werde im Zivilrecht mit 18 Jahren (bei Männern) bzw. 16 Jahren (bei Frauen) festgelegt. [...]

Dem USDOS zufolge seien aus dem Berichtsjahr 2015 keine Fälle von tätlichen Übergriffen, Inhaftierungen, Festnahmen oder Strafverfolgung wegen Apostasie bekannt. [...]

Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, eine andere sei als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen. Mit dem Negieren bzw. Bezweifeln der Existenz Gottes würden keine Erwartungen an ein bestimmtes Verhalten im Alltag einhergehen. Eine Konversion zu einer Religion hingegen sei mit Verhaltensvorschriften, kirchlichen Traditionen und Ritualen zu verbinden, die schwieriger zu verbergen seien. [...]

Weiters bemerkt BBC News, dass für gebürtige Muslime ein Leben in der afghanischen Gesellschaft eventuell möglich sei, ohne dass sie den Islam praktizieren würden oder sogar dann, wenn sie "Apostaten" bzw. "Konvertiten" würden. Solche Personen seien in Sicherheit, solange sie darüber Stillschweigen bewahren würden. Gefährlich werde es dann, wenn öffentlich bekannt werde, dass ein Muslim aufgehört habe, an die Prinzipien des Islam zu glauben. Es gebe kein Mitleid mit Muslimen, die "Verrat an ihrem Glauben" geübt hätten, indem sie zu einer anderen Religion konvertiert seien oder aufgehört hätten, an den einen Gott und an den Propheten Mohammed zu glauben. [...]"

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Beschwerdeführer:

2.1.1. Zu seiner Person, seiner Herkunft und seiner Familie:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Muttersprache sind unbestritten. Ebenfalls steht fest, dass der Beschwerdeführer aus der Provinz XXXX stammt und diese mit seiner Familie aus Angst vor den Taliban verlassen hat. Die Angaben des Beschwerdeführers dazu sind im Laufe des gesamten Verfahrens gleichgeblieben, wurden in der Verhandlung glaubwürdig geschildert (vgl. die Seiten 3, 6 und 7) und auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt (vgl. die AS 138).

Die Feststellungen zu seinem Familienstand stützen sich auf die überzeugenden Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung (vgl. Seite 22 der Niederschrift). Die Feststellungen zu den Eltern und Geschwistern des Beschwerdeführers im Iran und seinen Freunden in Afghanistan konnten getroffen werden, da die Angaben des Beschwerdeführers dazu in der Verhandlung spontan und überzeugend gemacht wurden (vgl. Seite 6 der Niederschrift).

2.1.2. Zur seinem Leben in Österreich:

Dass der Beschwerdeführer am 06.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte, ergibt sich aus dem Akteninhalt. Im Verfahren haben sich keinerlei Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass der Beschwerdeführer sich seit der Antragstellung nicht durchgehend in Österreich aufgehalten hätte. Dass der Beschwerdeführer gesund ist, hat er in der Verhandlung nachdrücklich angegeben (vgl. die Seiten 4 und 22). Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers steht aufgrund eines vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszuges des Strafregisters fest. Dass der Beschwerdeführer Grundversorgung bezieht, hat er in der Verhandlung darlegt (vgl. Seite 22 der Niederschrift). Zum Alter des Beschwerdeführers im Zeitpunkt dieser Entscheidung ist auf die von der belangten Behörde vorgenommene Altersfeststellung und Festsetzung des Geburtsdatums für sein Mindestalter mit XXXX zu verweisen, welcher vom Beschwerdeführer nicht widersprochen wurde. Soweit der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht eine übersetzte Tazkira vorgelegt hat (vgl. OZ 16), gemäß der der Beschwerdeführer im Jahr XXXX Jahre alt war, ist festzuhalten, dass diese Festlegung - wie angeführt - auf einer Schätzung dem Aussehen nach beruht und nicht maßgeblich vom festgestellten Alter abweicht.

Die Feststellungen zum Schulbesuch des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den glaubwürdigen Angaben des Direktors der Schule, der in der Verhandlung als Zeuge befragt wurde, in Verbindung mit den lebhaften Ausführungen des Beschwerdeführers dazu (vgl. die Seiten 17f sowie 21f) und den vorgelegten Unterlagen (vgl. OZ 16).

2.1.3. Zu seinem Glauben und dem geltend gemachten Nachfluchtgrund:

Dass der Beschwerdeführer als sunnitischer Moslem aufgewachsen ist, ist unstrittig (vgl. die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, AS 138; sowie die Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung auf Seite 10 der Niederschrift).

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer sich in Österreich dem Christentum zugewandt hat, sich auf die katholische Taufe vorbereitet, regelmäßig an Gebetsrunden teilnimmt und sonntags den Gottesdienst sowie das Pfarrcafé besucht, beruhen auf den glaubwürdigen, widerspruchsfreien und detaillierten Angaben des Beschwerdeführers dazu in der Verhandlung (vgl. die Seiten 10f und 20f der Niederschrift) und wurden durch die sehr überzeugenden und übereinstimmenden Angaben der in der Verhandlung befragten Zeugen - konkret des Pfarrers der vom Beschwerdeführer besuchten Kirche, des Ehepaares, welches den Beschwerdeführer auf die Taufe vorbereitet, sowie der Vermieterin des Beschwerdeführers, die auch an den Gebetsrunden teilnimmt, - untermauert (vgl. die Seiten 11ff der Niederschrift). Dass der Beschwerdeführer in den Katechumenat der römisch-katholischen Kirche eingetreten ist und seine Taufe für XXXX 2020 geplant ist, hat der Pfarrer in der Verhandlung dargelegt und wird durch sein Schreiben vom 23.09.2019 (OZ 13) bestätigt.

Die Feststellungen zur Teilnahme des Beschwerdeführers am Religionsunterricht in seiner Schule gründen sich auf die dazu vorgelegten zwei Bestätigungen seiner Lehrer, das vorgelegte Jahreszeugnis des Beschwerdeführers für das Schuljahr XXXX (vgl. jeweils OZ 16) und die Angaben des Direktors in der Verhandlung (vgl. Seite 18 der Niederschrift). Dass der Beschwerdeführer regelmäßig an Veranstaltungen eines katholischen Vereines teilnimmt, ergibt sich aus einem vorgelegten Empfehlungsschreiben (OZ 16) in Verbindung mit den Angaben einer Zeugin in der Verhandlung (vgl. Seite 16 der Niederschrift). Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer seinen Freunden in Afghanistan erzählt hat, dass er nun Christ ist, und seiner Familie nicht, beruhen auf den glaubwürdigen Aussagen des Beschwerdeführers in der Verhandlung (vgl. die Seiten 10f der Niederschrift).

Soweit im konkreten Fall davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer den nachhaltigen inneren Entschluss gefasst hat, nach dem christlichen Glauben zu leben, gründet sich dies auf folgende Erwägungen:

Zunächst geht aus dem Schreiben des Pfarrers vom 23.09.2019 hervor, dass der Beschwerdeführer sich auf die Taufe vorbereitet, regelmäßig die Gottesdienste in der Pfarre besucht und aktiv am Leben der Pfarrgemeinde teilnimmt. In der Verhandlung bestätigte der Pfarrer auch die Angaben des Beschwerdeführers, dass er seit ca. einem Jahr in die Kirche gehe (vgl. Seite 11 der Niederschrift) und hielt fest, dass er seit XXXX sehr regelmäßig den Gottesdienst besuche und nach der Messe das Pfarrcafé besuche (vgl. Seite 12 der Niederschrift). Auf die Frage, wie der weitere Ablauf beim Beschwerdeführer geplant sei, antwortete der Pfarrer: "Ich glaube, er meint es ernst und will ein christliches Leben führen, und ich hoffe, dass wir auch in Kontakt bleiben" (Seite 13 der Niederschrift). Weiters führte der Pfarrer aus, dass sein Eindruck vom Beschwerdeführer positiv sei; er glaube, dass er sich gut vorbereite. Er rechne damit, dass die Taufe XXXX 2020 stattfinde. Der Beschwerdeführer komme immer wieder mit Glaubensfragen zum Pfarrer (vgl. die Seiten 13f der Niederschrift); ein Aspekt, der die Ernsthaftigkeit eines Interessenten für den Pfarrer unterstreicht. So antwortete er auf die Frage, welche Voraussetzungen jemand erfüllen müsse, um in den Katechumenat aufgenommen zu werden: "Er muss wirklich bereit sein, den christlichen Glauben anzunehmen. Im Katechumenat selbst muss er z.B. am Gottesdienst teilnehmen und wirklich ein Interesse am Glauben zeigen". Auf die Frage, wie er erkenne, ob sich jemand für das Christentum interessiere, gab der Pfarrer an: "Diese Leute kommen mit wichtigen Fragen, Glaubensfragen. Natürlich ist die regelmäßige Teilnahme am Gottesdienst auch ein Zeichen" (vgl. die Seiten 12f der Niederschrift).

Der sehr überzeugend dargetane Eindruck des Pfarrers vom Beschwerdeführer wird durch die sehr glaubwürdigen und in sich schlüssigen Aussagen des Ehepaares, welches den Beschwerdeführer in seiner Taufvorbereitung begleitet, Teil der Gebetsrunden ist und den Beschwerdeführer "im Normalfall" zwei- bis dreimal in der Woche sieht (Seite 15 der Niederschrift), bestätigt. Das Ehepaar schilderte in der Verhandlung den Ablauf der Taufvorbereitung und der Gebetsrunden im Detail (vgl. Seite 15 der Niederschrift) und brachte für das Bundesverwaltungsgericht sehr glaubwürdig zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer sich ernsthaft für den Glauben interessiert und sich den Glaubenswechsel genau überlegt hat (vgl. dazu die Angaben auf Seite 16 der Niederschrift: "Wir haben heuer im Sommer gemeinsam eine Ferienwoche in [...] verbracht. Das ist eine religiöse Veranstaltung und mir hat sehr gut gefallen, dass der BF bei den Gebeten anwesend war und teilgenommen hat, es gibt nämlich keine Verpflichtung dazu. [...] Ich versuchte ihm zu erklären, dass das Christentum etwas mit Beziehung zu tun hat. Und wenn ich eine Beziehung eingehe, muss ich dafür offen sein, dass sich mein Leben anders gestalten wird. Es geht nicht nur ums bloße Aufsagen von Gebeten, sondern dass ich wirkliche eine neue Lebensweise beginne und es um Achtung aller Menschen und den Umgang mit ihnen geht. Das spielt in alle Lebensbereiche hinein. Und der BF hat das akzeptiert, und es war für mich ein besonderes Ereignis, welches der BF auch ‚lebt'").

Für das Bundesverwaltungsgericht entstand in der Verhandlung der Eindruck, dass der Beschwerdeführer sich intensiv, umfassend und in vielfältiger Weise mit dem Christentum auseinandersetzt und sich der neuen Religion sehr interessiert und fokussiert widmet. Der Beschwerdeführer antwortete in der Verhandlung auf die Frage nach seiner Religionszugehörigkeit: "Ich bin katholisch" (vgl. Seite 6 der Niederschrift) und erläuterte hinsichtlich der Frage, was sein Interesse am Christentum geweckt habe: "Im ersten Jahr in Österreich hatte ich sehr wenig Kontakt zu den Einheimischen und Christen, erst dann habe ich langsam die Sprache gelernt und einige Kontakte geknüpft. Die einheimischen Familien haben mich aufgenommen und mir das Christentum erklärt. So habe ich Jesus Christus und das Christentum kennengelernt, und so wurde mein Interesse geweckt. Dann ging ich auch zur Kirche, ich habe an einigen christlichen Zeremonien teilgenommen (zB an der Taufe eines Kindes). Meine Freunde [Anm. der Beschwerdeführer nennt einzelne Zeugen] haben mich immer begleitet, so habe ich die Religion immer besser kennengelernt. Ich habe bemerkt, dass das Christentum eine Religion der Liebe, Warmherzigkeit und Menschlichkeit ist. Als Christ wird man zu gar nichts gezwungen, es ist alles eine freie Entscheidung" (vgl. Seite 10 der Niederschrift). Auf die Frage, warum er gegenüber der Bezirkshauptmannschaft seinen Austritt aus dem Islam erklärt habe (vgl. OZ 8), antwortete der Beschwerdeführer: "Jetzt bin ich volljährig und erwachen und lebe in einem freien Land. Ich kann mich persönlich entscheiden, zu welcher Religion ich wechseln möchte. Auf Deutsch: In Traiskirchen haben sie uns erklärt, dass jeder Mensch hier seine individuelle Freiheit hat und selbst entscheiden kann, was er gerne möchte, z. B. auch hinsichtlich seiner religiösen Zugehörigkeit" (vgl. Seite 10 der Niederschrift).

Der Beschwerdeführer hinterließ für das Bundesverwaltungsgericht hierbei einen sehr überzeugenden und fokussierten Eindruck. Dass sich seine Taufvorbereitung intensiv gestaltet, zeigte sich darin, dass der der Beschwerdeführer in der Pfarre derzeit der einzige Interessent für eine Erwachsenentaufe ist und seine Taufvorbereitung "zu dritt" (dh. das Ehepaar und der Beschwerdeführer) stattfindet (vgl. zu den entsprechenden Angaben der Zeugen die Seiten 13 und 15 der Niederschrift). Der Beschwerdeführer legte glaubwürdig dar, dass er sich taufen lassen möchte, und konnte diesen Entschluss schlüssig begründen (vgl. Seite 20 der Niederschrift). Er hat konkrete Vorstellungen wie er als christlicher Mensch leben möchte und verfügt über ein christliches Grundwissen (vgl. zur Erörterung einzelner christlicher Feste und Gebete sowie zur Begründung, welches der zehn Gebote dem Beschwerdeführer besonders wichtig sei, die Seiten 20f der Niederschrift).

In der Verhandlung entstand für das Bundesverwaltungsgericht der Eindruck, dass die Beschäftigung mit dem Glauben, konkret die Teilnahme an der Taufvorbereitung, den Gebetskreisen und dem Religionsunterricht sowie der Besuch des Gottesdienstes, ein sehr wesentlicher Bestandteil des Lebens des Beschwerdeführers ist. Es zeigte sich - insbesondere auch durch die Befragung der Zeugen -, dass der Beschwerdeführer eine starke Verbindung zur Pfarrgemeinde mit vielfältigen Verschränkungen im Alltag aufgebaut hat. Zudem kam hervor, dass der Beschwerdeführer sich gerne und gründlich mit Glaubensfragen beschäftigt bzw. diese diskutiert. Der Beschwerdeführer verwies dazu darauf, dass er in der Schule mit der Religionslehrerin rede, zu Hause mit seiner Vermieterin sowie ansonsten mit einem weiteren Zeugen (vgl. Seite 21 der Niederschrift). Bestätigt wurden diese Angaben insbesondere durch die bereits zitierten Schreiben seiner Lehrer (vgl. OZ 16) und die Aussage seiner Vermieterin in der Verhandlung, die die Routine im Gebetskreis und die Teilnahme des Beschwerdeführers schilderte und das Gefühl äußerte, dass der Beschwerdeführer den Glauben "sehr, sehr ernst" nehme (vgl. die Seiten 19f der Niederschrift).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist vor diesem Hintergrund eindeutig erkennbar, dass der Beschwerdeführer sich vertiefend und ausführlich mit dem christlichen Glauben auseinandersetzt. Die Abkehr des Beschwerdeführers vom Islam (vgl. dazu seine am 31.08.2018 abgegebene Austrittsanzeige aus dem Islam) und seine Hinwendung zur christlichen katholischen Kirche ist nach den getroffenen Erwägungen nicht zu bezweifeln und wird im konkreten Fall dadurch belegt, dass seine primären religiösen Bezugspersonen - das in der Verhandlung befragte Ehepaar und der Pfarrer - nachvollziehbar dargelegt haben, dass der Glaubenswechsel des Beschwerdeführers von Ernsthaftigkeit getragen ist. Die Zeugen hinterließen in der Verhandlung einen sehr überzeugenden und überlegten Eindruck, weswegen ihre Aussagen ohne Bedenken der Entscheidung zugrunde gelegt werden konnten.

Zu berücksichtigen war auch, dass der Beschwerdeführer auf die Frage, wann er zuletzt den Ramadan eingehalten habe, glaubwürdig darlegte: "Auch in Afghanistan habe ich nicht gefastet. Ich habe dort aber keinen Alkohol getrunken, weil es sonst dort sehr gefährlich wird. Meine Eltern waren auch nicht wirklich sehr gläubige Moslems, auch wenn sie gebetet und gefastet haben, haben sie mich nicht dazu gezwungen" (vgl. Seite 10 der Niederschrift).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist es nach den Ergebnissen der Verhandlung nicht zweifelhaft, dass der Beschwerdeführer seinen neuen Glauben in Österreich öffentlich lebt. Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seinen Freunden in Afghanistan von seinem Glaubenswechsel erzählt hat.

In Zusammenschau dieser Erwägungen und Aspekte hat der Beschwerdeführer für das Bundesverwaltungsgericht glaubwürdig und schlüssig dargetan, dass er sich von seiner bisherigen Religion abgewendet und einen neuen Glauben gefunden hat, auch wenn die formale Aufnahme in die katholische Kirche durch die Taufe (noch) nicht stattgefunden hat. Dass die Taufe des Beschwerdeführers konkret geplant ist, belegen die Angaben des Pfarrers dazu (vgl. Seite 14 der Niederschrift und die OZ 13 zum Schreiben des Pfarrers vom 23.09.2019).

Der Beschwerdeführer vermochte im Verfahren aufzuzeigen, schon in Afghanistan keine besondere Verbundenheit zum Islam gehabt zu haben. Dass die Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum nachhaltig und intensiv ist, wird durch die überzeugenden und nachdrücklichen Aussagen des Beschwerdeführers in Verbindung mit den Angaben der in der Verhandlung befragten Zeugen belegt, wobei insbesondere die Aussagen des Ehepaares, das den Beschwerdeführer mehrmals wöchentlich trifft und in seiner Taufvorbereitung begleitet, hervorzuheben sind. Die Ausführungen der Zeugen stehen im Einklang mit dem Eindruck, den das Bundesverwaltungsgericht vom Beschwerdeführer hinsichtlich seines Glaubenswechsels in der Verhandlung gewonnen hat.

Die äußeren Umstände, konkret der regelmäßige Besuch des Gottesdienstes, der Taufvorbereitung, der Gebetsrunde sowie die Teilnahme am Pfarrcafé und an Veranstaltungen eines katholischen Vereins sowie die in der Verhandlung deutlich zu erkennende Bindung des Beschwerdeführers zu seiner neuen Religion und den Zeugen sind im konkreten Fall klare Indizien für eine ernsthafte innere Konversion des Beschwerdeführers. Zudem steht fest, dass der Beschwerdeführer seine Konversion nach außen kommuniziert und in diesem Zusammenhang viele Gespräche führt (vgl. zB zu den diesbezüglichen Angaben seiner Vermieterin in der Verhandlung die Seiten 19f der Niederschrift). Dass der Beschwerdeführer seiner Familie im Iran (noch) nicht davon erzählt hat (vgl. die Seiten 10f der Niederschrift), vermag diese Einschätzung im konkreten Fall nicht entscheidend zu erschüttern.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt aus alledem zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer seinen behaupteten inneren Entschluss, nach dem christlichen Glauben (weiterhin) zu leben, im Verfahren glaubwürdig darlegen konnte.

Die vom Beschwerdeführer im Verfahren geäußerte Befürchtung, in Afghanistan als Christ in Lebensgefahr zu sein, steht im Einklang mit den im Verfahren herangezogenen Länderberichten (vgl. II.1.2. sowie insbesondere die Risikoanalyse der zitierten EASO-Leitlinien). Soweit davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner nachhaltigen Hinwendung zum Christentum erhebliche Sanktionen befürchten muss, sind folgende Aspekte der Berichte besonders hervorzuheben: Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen. Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus. Zwar gab es zwischen 2014 und 2016 keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie, der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen jedoch Gefahren für Christen dar.

2.2. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen stützen sich auf die zitierten Quellen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen Quellen zu den Themen Religion, Konversion und Abfall vom Glauben beruhen und ein übereinstimmendes Gesamtbild liefern, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Quellen konnten daher allesamt dem Verfahren zugrunde gelegt werden (vgl. die Feststellungen unter II.1.2.).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zulässigkeit, Rechtzeitigkeit und Umfang der Beschwerde:

Die vorliegende Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig. Sie wendet sich gegen alle Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides.

3.2. Zum Antrag auf internationalen Schutz (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lautet:

"Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

[...]"

3.2.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Der Flüchtlingsbegriff umfasst demnach die folgenden im Verfahren zu prüfenden Elemente: wohlbegründete Furcht, Verfolgung, Vorliegen eines Konventionsgrundes, Aufenthalt außerhalb des Heimatlandes, Fehlen der Möglichkeit oder der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme von Schutz im Heimatland (vgl. zB Putzer, Asylrecht² [2011] 28ff).

Einem Fremden ist der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne der GFK droht (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005). Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 kann eine Verfolgung auch auf Nachfluchtgründe gestützt werden. Eine Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hat hingegen zu erfolgen, wenn eine drohende Verfolgung nicht glaubhaft ist, eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist (§ 3 Abs. 3 Z 1 iVm § 11 AsylG 2005) oder ein Asylausschlussgrund vorliegt (§ 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 6 AsylG 2005).

3.2.3. Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung.

Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771).

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich zur Verfolgung (VwGH 31.07.2018, Ra 2018/20/0182):

"Unter ‚Verfolgung' im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (Hinweis E vom 24. März 2011, 2008/23/1443, mwN). § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt ‚Verfolgung' als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter."

Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. zB VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

3.2.4. Befürchtete Verfolgung im Beschwerdefall:

Die vorliegende Beschwerde ist, soweit der Beschwerdeführer eine drohende Verfolgung aufgrund seiner Konversion zum Christentum geltend macht, begründet:

Zur asylrechtlichen Relevanz einer Konversion hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453):

"In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (Hinweis E vom 23. Juni 2015, Ra 2014/01/0210, mwN). Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (Hinweis E vom 23. Juni 2015, Ra 2014/01/0117, mwN). Die bloße Behauptung eines ‚Interesses am Christentum' reicht zur Geltendmachung einer asylrechtlich relevanten Konversion zum Christentum nicht aus."

Das kürzlich ergangene Urteil des Europäische Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) im Fall AA/Schweiz betrifft die Abschiebung eines Konvertiten nach Afghanistan. Die wesentlichen Aussagen des Urteils lauten (vgl. EGMR AA/Schweiz, 05.11.2019, 32.218/17): Die Abschiebung eines Asylwerbers aus der Schweiz nach Afghanistan, der vom Islam zum Christentum konvertiert ist (was die Schweizer Behörden als glaubwürdig ansahen), würde Art. 3 EMRK verletzen; nach vorliegenden Länderberichten sind Konvertiten in Afghanistan der Verfolgung ausgesetzt. Der Umstand, dass der Betroffene seine Konversion bisher nicht über einen engen Kreis von Vertrauten hinaus bekannt gemacht hat, ändert daran nichts. Es ist nämlich auch darauf abzustellen, wie er seine Religion nach einer Rückkehr in Afghanistan ausüben könnte. Sie nur geheim und im Verborgenen in engstem Kreis auszuüben, würde ihn zu einer völligen Änderung seines Sozialverhaltens zwingen.

Vor diesem Hintergrund war zu erwägen: Der im Beschwerdefall festgestellte Sachverhalt lässt erkennen, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus Gründen der Religion verfolgt zu werden, begründet ist.

Der Beschwerdeführer hat im Verfahren glaubwürdig dargetan, dass er sich als Christ fühlt und diesen Glauben weiter ausüben wird. Er bekennt sich in Österreich öffentlich zum Christentum. Er besucht regelmäßig den Gottesdienst, die Taufvorbereitung und nimmt an Gebetsrunden sowie in der Schule am Religionsunterricht teil. Die in der Verhandlung befragten Zeugen belegen seine aktive Teilnahme am Leben der Pfarrgemeinde sowie seine intensive Auseinandersetzung mit Glaubensfragen. Die Aufnahme in die katholische Kirche durch die Taufe ist nach den Angaben seines Pfarrers für XXXX 2020 geplant. Seine Freunde in Afghanistan wissen über seinen neuen Glauben Bescheid. Nach den Ergebnissen des Verfahrens geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer seine neue Religion verinnerlicht und nachhaltig und vielfältig in seinen Alltag integriert hat (vgl. dazu in der Beweiswürdigung unter II.2.1.). Diese Haltung steht in völligem Gegensatz zu der in Afghanistan herrschenden gesellschaftlichen Einstellung.

Die vom Beschwerdeführer im Verfahren geäußerte Rückkehrbefürchtung, aus Gründen der Religion in seinem Heimatstaat einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein, ist glaubhaft. Dass im konkreten Fall der Religionswechsel konkret beabsichtigt, aber (mangels Taufe) formal noch nicht erfolgt ist, ist nach der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die asylrechtliche Relevanz nicht entscheidend. Unter Bedachtnahme auf die herangezogenen Länderberichte muss davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seines im Verfahren glaubwürdig dargelegten inneren Entschlusses, weiterhin nach dem christlichen Glauben zu leben, bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung drohen würde. Dass der Beschwerdeführer mit seiner Familie (noch) nicht über seine Konversion gesprochen hat, ändert an dieser Einschätzung nichts, zumal er bereits Freunden in Afghanistan von seiner Konversion erzählt hat.

Hierbei ist im Einklang mit der zitierten EGMR-Judikatur maßgeblich darauf Bedacht zu nehmen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in sein Heimatland gezwungen wäre, seinen Glauben zu unterdrücken bzw. zu verleugnen, um sich nicht zu exponieren. Den Länderberichten ist zusammengefasst zu entnehmen, dass Christen in Afghanistan ihren Glauben unbedingt geheim halten müssen. Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen ist offen feindlich. Im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen zB in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen und von Nachbarn oder Fremden angegriffen werden. Es kann sein, dass sie ihre Arbeit verlieren und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Auch wenn die gesamte Familie den christlichen Glauben annimmt, muss dies absolut geheim gehalten werden. Es wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten, um ihre persönliche Sicherheit fürchten müssen. Eine solche Unterdrückung bzw. Geheimhaltung seines Glaubens, um seine persönliche Sicherheit in Afghanistan zu gewährleisten, würde den Beschwerdeführer zu einer völligen Änderung seines Sozialverhaltens zwingen und kann ihm nicht zugemutet werden.

Im Beschwerdefall muss angenommen werden, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor einer Verfolgung aufgrund seiner Religion nicht gewillt ist, in sein Heimatland zurückzukehren, von dem er - wie der Berichtslage zu entnehmen ist - keinen effektiven Schutz erwarten kann. Dem Beschwerdeführer ist es angesichts dessen nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes in Bezug auf seine Abkehr vom Islam und nachhaltige Hinwendung zum Christentum zu bedienen.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für den Beschwerdeführer nicht, da nicht angenommen werden kann, dass er in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung aufgrund seiner neuen Religion sicher wäre. Vielmehr muss aufgrund der Berichtslage, welche die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen in Afghanistan als offen feindlich beschreibt, davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer die aufgezeigten Bedrohungen in allen Landesteilen drohen.

Im Beschwerdefall ist es somit insgesamt glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan Verfolgung im Sinne der GFK droht (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005). Im Verfahren hat sich gezeigt, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Religion verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK). Diese Verfolgung beruht auf Gründen, die eingetreten sind, nachdem der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat verlassen hat (§ 3 Abs. 2 AsylG 2005). Seine Hinwendung zum Christentum erfolgte in Österreich.

Ein Abweisungsgrund gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 liegt im konkreten Fall nicht vor, da dem Beschwerdeführer - wie angeführt - keine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht und dieser keinen Asylausschlussgrund gesetzt hat.

Bei diesem Ergebnis musste auf die vom Beschwerdeführer im Verfahren weiters geltend gemachten Fluchtgründe nicht mehr eingegangen werden.

3.2.5. Ergebnis:

Der Beschwerde war daher stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Diese Entscheidung war gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtspre

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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