TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/12 W260 2190802-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.11.2019
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Entscheidungsdatum

12.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W260 2190802-1/21E

I M N A M E N D E R R E P U B L I K !

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Edward W. DAIGNEAULT, Rechtsanwalt in 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, Außenstelle Innsbruck, vom 23.02.2018, Zl. 15-1097204209/151886565, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer") reiste illegal ins Bundesgebiet ein und hat am 26.11.2015 verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2. Bei der Erstbefragung am 27.11.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu an, er würde XXXX heißen und wäre am XXXX in XXXX , Afghanistan, geboren. Er wäre Paschtune, sunnitischer Moslem, hätte zwölf Jahre lang die Schule besucht, mit Matura abgeschlossen und fünf Semester studiert. Die Eltern, drei Schwestern und fünf Brüder würden in Afghanistan leben.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er zusammengefasst an, in seinem Dorf hätten die Taliban "das Sagen". Er hätte von den Taliban einen Drohbrief bekommen und wäre aufgefordert worden, sein Studium aufzugeben. Es hätte eine Schießerei zwischen dem Militär und den Taliban gegeben, es wären dabei Menschen ums Leben gekommen und die Landwirtschaft der Familie des Beschwerdeführers wäre abgebrannt. Die Taliban hätten sie weiter bedroht, weshalb sie nach Kunduz geflüchtet wären. Da die Taliban auch diese Stadt eingenommen hätten, wäre er mit seinem Onkel nach Kabul geflüchtet. Seine restliche Familie wäre auch geflüchtet. Vor ungefähr einem Monat hätte der Beschwerdeführer Afghanistan schlepperunterstützt verlassen.

3. Am 13.02.2018 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde") im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu.

Der Beschwerdeführer legte seine Tazkira, diverse Beweismittel, unter anderem einen Drohbrief und eine Anzeige, sowie Integrationsunterlagen vor, und gab an, er wäre tatsächlich am XXXX geboren.

Er bestätigte zusammengefasst, wie in der Erstbefragung ausgeführt, die Anzahl seiner Familienangehörigen, seine Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, seine Schulbildung und Herkunftsprovinz. Ergänzend gab er an, dass ein Bruder tot und einer verschollen wäre. Er hätte keinen Kontakt zu seiner Familie in der Heimat. Ein Teil seiner Familie wäre in Pakistan. Der Beschwerdeführer gab an, dass er gesund wäre.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, sein Vater hätte einen Drohbrief der Taliban erhalten, mit der Aufforderung, dass der Beschwerdeführer sein Studium abbreche und sich ihnen anschließe. Da sie den Brief ignoriert hätten, wäre ein weiterer Brief an die Dorfältesten ergangen. Der Vater hätte aber gewollt, dass der Beschwerdeführer weiter studiere. Es wäre dann zu einer Auseinandersetzung zwischen den örtlichen Polizisten und den Taliban gekommen und dabei die gesamte Ernte der Familie des Beschwerdeführers zerstört worden. Die Taliban wären nach diesem Vorfall noch aufgebrachter gewesen und die Familie des Beschwerdeführers hätte aus Sicherheitsgründen nach Kunduz ziehen müssen. Aber auch dort wären sie telefonisch von den Taliban bedroht worden. Nachdem auch Kunduz in die Hände der Taliban gefallen wäre, wären der Beschwerdeführer und sein Onkel nach Kabul geflüchtet. Sein Vater hätte dann aber beschlossen, dass er ausreisen müsse, da sein Leben in ganz Afghanistan in Gefahr gewesen wäre.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.02.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle der Rückkehr führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung mit maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe habe, in Afghanistan glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer sei ein junger, gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei zusammengefasst davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in keine aussichtslose Lage gedrängt werde, die eine solche Rückkehr unzumutbar erscheinen lasse; seine Grundversorgung sei gewährleistet.

5. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung fristgerecht Beschwerde, wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Fluchtvorbringen und monierte, die belangte Behörde hätte sich nicht ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Beschwerdeführer in Afghanistan eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe. Der Beschwerdeführer argumentierte, die Länderfeststellungen wären mangelhaft und er zitierte Berichte zur Lage in der Provinz Kunduz und zur allgemeinen Sicherheitslage in Kabul bzw. Mazar-e Sharif. Weiters stellte er die Schutzfähigkeit- und Schutzwilligkeit der afghanischen Sicherheitsbehörden in Frage und tätigte Ausführungen zu den Taliban und deren Vorgehensweise, individuelle Personen zu verfolgen und Personen unter Zwang zu rekrutieren. Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr zudem Verfolgung aufgrund seiner Religion bzw. einer unterstellten Ungläubigkeit drohen. Weiters verwies er auf die Lage von Rückkehrern. Zudem wären die Feststellungen und die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft. Insgesamt würde bereits der versuchten Zwangsrekrutierung eine asylrelevante Verfolgung aus politischen sowie religiösen Gründen zu entnehmen sein. Er würde der Risikogruppe der wehrfähigen Männer jungen Männer angehören. Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

6. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 26.03.2018 wurde der Bezug habende Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage gebracht und langte dieser am 29.03.2018 ebendort ein.

7. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.11.2018 wurde eine mündliche Verhandlung für den 07.03.2019 anberaumt.

8. Mit Schreiben vom 01.03.2019 legte die ARGE Rechtsberatung die vom Beschwerdeführer erteilte Vollmacht zurück.

9. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht am 05.03.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister des Beschwerdeführers ist ersichtlich, dass keine Verurteilungen aufscheinen.

10. Mit E-Mail vom 06.03.2019 übermittelte die belangte Behörde eine Kopie der Tazkira des Beschwerdeführers, einer Anzeige bei der Behörde durch den Vater des Beschwerdeführers sowie eines Drohbriefes.

11. Mit Schreiben vom 07.03.2019 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt habe.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.03.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines rechtfreundlichen Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt.

Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor, das als Beilage ./I zum Akt genommen wurden.

Das Bundesverwaltungsgericht legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan vor, und zwar:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 08.01.2019; Kurzinformation der Staatendokumentation, Afghanistan Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan-Q4.2018 vom 01.03.2019; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2019; Auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan von 06/2018, Seiten 21-25; Auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan von 06/2018, Seiten 98-109; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018, AFGHANISTAN, Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre; BFA Arbeitsübersetzung vom 23.08.2017, Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 28.07.2016, AFGHANISTAN Taliban Drohbriefe, Bedrohung militärischer Mitarbeiter.

Den Parteien des Verfahrens wurde die Möglichkeit eingeräumt, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen (ab Erhalt der vom Dolmetscher noch zu übermittelnden Übersetzung) eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

13. Mit E-Mail vom 20.03.2019 übermittelte der Dolmetscher die Übersetzung des vom Beschwerdeführer vorgelegte Schreibens.

14. Die Verfahrensparteien wurden mit Schreiben vom 22.03.2019 vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen eingeräumt.

15. Die belangte Behörde nahm mit Schreiben vom 08.04.2019 Stellung zur Übersetzung des vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreibens. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

16. Mit Schreiben vom 15.10.2019 übermittelte der Beschwerdeführer durch seinen rechtfreundlichen Vertreter weitere Integrationsunterlagen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , in XXXX , Bezirk XXXX , in der Provinz Kunduz, Afghanistan.

Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, ist sunnitischer Moslem, gesund und ledig; er hat keine Kinder. Seine Muttersprache ist Paschtu.

Der Beschwerdeführer wuchs in der Provinz Kunduz auf und lebte dort - abgesehen von seiner Studienzeit in Kandahar - mit seinen Eltern und mehreren Geschwistern bis zu seiner Ausreise ins Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer besuchte in seinem Herkunftsstaat zwölf Jahre lang die Schule, schloss mit Matura ab und studierte anschließend fünf Semester lang auf der Universität in Kandahar.

Die Familie des Beschwerdeführers ist Eigentümerin von zwei Häusern in der Provinz Kunduz.

Der Vater, die Mutter, eine Schwester und ein Bruder des Beschwerdeführers leben mittlerweile in Pakistan.

Eine Schwester und ein Bruder leben nach wie vor in Afghanistan. Ein Bruder ist verschollen, ein Bruder ist verstorben. Mehrere Onkel des Beschwerdeführers leben ebenfalls in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer ist Zivilist.

Er reiste Ende 2015 aus Afghanistan aus und gelangte in der Folge illegal ins Bundesgebiet, wo er am 26.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stellte am 26.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen, dass er von den Taliban angeworben worden wäre, sich geweigert hätte für sie zu arbeiten und deshalb per Brief, sowie telefonisch bedroht worden wäre und sein Leben in Gefahr wäre, ist nicht glaubhaft. Die unter OZ11 protokollierte Arbeitsübersetzung vom 19.03.2019 des vom Beschwerdeführer vorgelegten Briefes wird vollinhaltlich festgestellt.

Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Religion bzw. einer unterstellten Ungläubigkeit psychischer und oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre, noch, dass dies einer der Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes gewesen ist.

Es ist nicht glaubhaft, dass konkret der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er sich seit vier Jahren in Europa aufhält bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre. Ebenso ist nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner "westlichen Wertehaltung" psychische und/oder physische Gewalt drohen würde.

Der Beschwerdeführer ist in seinem Herkunftsstaat keiner konkreten Verfolgung ausgesetzt oder hat eine solche, im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan, nicht zu befürchten.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.

Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan weder aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Volksgruppenzugehörigkeit, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, noch wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Kunduz aufgrund der relativ volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem Beschwerdeführer steht als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem Beschwerdeführer würde bei seiner Rückkehr in diese Stadt kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat in Afghanistan eine zwölfjährige Schulausbildung absolviert, fünf Semester lang studiert, ist mobil und anpassungsfähig und hat bereits Berufserfahrung als Reinigungskraft in einem Altersheim in Österreich gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif wird nutzen können.

Die Stadt Mazar-e Sharif ist von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im November 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse und hat zuletzt die Prüfung Niveau B1 absolviert. Er verfügt über diesem Niveau entsprechend gute Kenntnisse der deutschen Sprache.

Der Beschwerdeführer war von Mai 2017 bis Juni 2019 gemeinnützig als Reinigungskraft für 20 Stunden pro Woche in einem Altersheim tätig.

In seiner Freizeit besucht er das Fitnessstudio.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen.

Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 08.01.2019, in den UNHCR Richtlinien vom August 2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

1.5.1.1. Herkunftsprovinz Kunduz

Kunduz liegt 337 km nördlich von Kabul und grenzt an die Provinzen Takhar im Osten, Baghlan im Süden, Balkh im Westen und Tadschikistan im Norden . Die Provinz hat folgende Distrikte: Imam Sahib/Emamsaheb, Dasht-e-Archi, Qala-e-Zal, Chahar Dara/Chardarah, Ali Abad/Aliabad, Khan Abad/Khanabad und Kunduz; die Hauptstadt ist Kunduz- Stadt. Gemäß einer Quelle wurden vor zwei Jahren in der Provinz drei neue Distrikte gegründet: Atqash, Gultapa, Gulbad.

Auch ist die Provinzhauptstadt Kunduz-Stadt etwa 250 km von Kabul entfernt. Als strategischer Korridor wird Kunduz als bedeutende Provinz in Nordafghanistan erachtet - Sher Khan Bandar, die Hafenstadt am Fluß Pandsch, an der Grenze zu Tadschikistan, ist beispielsweise von militärischer und wirtschaftlicher Bedeutung.

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.049.249 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Usbeken, Tadschiken, Turkmenen, Hazara und Paschai.

Strategisch wichtig ist die Stadt Kunduz nicht nur für Afghanistan, denn Kunduz war bis zum Einmarsch der US-Amerikaner im Jahr 2001 die letzte Hochburg der Taliban. Wer die Stadt kontrolliert, dem steht der Weg nach Nordafghanistan offen. Kunduz liegt an einer wichtigen Straße, die Kabul mit den angrenzenden nördlichen Provinzen verbindet. Kunduz-Stadt ist eine der größten Städte Afghanistans und war lange Zeit ein strategisch wichtiges Transportzentrum für den Norden des Landes. Kunduz ist durch eine Autobahn mit Kabul im Süden, Mazar-e Sharif im Westen, sowie Tadschikistan im Norden verbunden. Die Regierung plant u.a. die Turkmenistan-Afghanistan-Tadschikistan-Eisenbahnlinie, die Andkhoy, Sheberghan, Mazar-e- Sharif, Kunduz und Sher Khan Bandar verbinden und als Anbindung an China über Tadschikistan dienen soll.

Um Ordnung und Normalität in die Stadt Kunduz zu bringen, hat die Kommunalverwaltung im Februar 2018 eine Massenaufräum-Aktion gestartet. Ebenso wurden weitere Projekte implementiert: im Rahmen dieser werden Landstraßen und Wege gewartet, vier neue Parks errichtet - die insbesondere von Frauen und Kindern genutzt werden sollen, etc. Diese Projekte führten zusätzlich zur Schaffung von 550 Jobs - auch für Frauen. Das Erscheinungsbild der Stadt hat sich u.a. aufgrund der Errichtung von Straßenbeleuchtung verbessert.

In Kunduz gibt es zahlreiche Unternehmen, die verschiedene Produkte wie Fruchtsäfte, Klopapier, Taschentücher und Sojabohnen produzieren. Die Sicherheitslage hatte mit Stand März 2017 jedoch negative Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum in der Provinz. In der Provinz wird ein Projekt im Wert von 9.5 Mio. USD für den Ausbau der ANA- Infrastruktur [Anmerkung: der Infrastruktur der Afghan National Army] implementiert.

Kunduz gehörte im November 2017 zu den Opium-freien Provinzen Afghanistans.

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage in Kunduz

Kunduz zählt zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans, in der Aufständische aktiv sind. In den Jahren 2015 und 2016 fiel Kunduz-Stadt jeweils einmal an Taliban-Aufständische; die Stadt konnte in beiden Fällen von den afghanischen Streitkräften zurückerobert werden. Das deutsche Militär hat einen großen Stützpunkt in der Provinz Kunduz. Während des Jahres 2017 sank die Anzahl der zivilen Opfer in Folge von Bodenoffensiven u.a. in der Provinz Kunduz; ein Grund dafür war ein Rückgang von Militäroffensiven in von Zivilist/innen bewohnten Zentren durch die Konfliktparteien.

Im Februar 2018 berichteten einige Quellen, die Sicherheitslage in der Provinzhauptstadt Kunduz hätte sich sehr verbessert; den Einwohnern in Kunduz-Stadt sei es aufgrund der Beleuchtung zahlreicher Straßen möglich, auch nachts in der Stadt zu bleiben.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 225 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 377 zivile Opfer (93 getötete Zivilisten und 284 Verletzte) in der Provinz Kunduz registriert. Hauptursache waren Bodenangriffe, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 41% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Aufgrund von Terrorbekämpfungsoperationen in der Provinz sind zahlreiche Familien nach Kunduz-Stadt vertrieben worden.

Nach dem US-amerikanischen Luftangriff auf das Médecins Sans Frontières (MSF)-Krankenhaus im Jahr 2015 wurde im Juli 2017 wieder eine Klinik von MSF in Kunduz-Stadt eröffnet.

Militärische Operationen in der Kunduz

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden regelmäßig Luftangriffe durchgeführt; dabei werden Aufständische - u. a. tadschikische Kämpfer - und manchmal auch Talibankommandanten getötet. Manchmal werden Talibankämpfer verhaftet. In der Provinz kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften.

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Kunduz

Talibankämpfer, insbesondere Mitglieder der "Red Unit", einer Taliban-Einheit, die in zunehmendem Ausmaß Regierungsstützpunkte angreift, sind in der Provinz Kunduz aktiv. Einige Distrikte, wie Atqash, Gultapa und Gulbad, sind unter Kontrolle der Taliban. Auch in Teilen der Distrikte Dasht-e-Archi und Chardarah sind Talibankämpfer zum Berichtszeitpunkt aktiv.

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden IS-bezogene Sicherheitsvorfälle registriert, während zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 keine sicherheitsrelevanten Ereignisse mit Bezug auf den IS gemeldet wurden.

1.5.1.2. Provinz Balkh

Bei der der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar- e Sharif, handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

1.5.2. Sichere Einreise

Die Stadt Mazar- e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

1.5.3. Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).

1.5.3.1. Wirtschaftslage der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar- e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar- e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar- e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar- e Sahrif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.

1.5.4. Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar- e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar- e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

1.5.5. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Ethnische Paschtunen, zu welchen der Beschwerdeführer zählt, sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pasht. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben.

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen.

1.5.6. Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der Beschwerdeführer ist.

1.5.7. Rückkehrer

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zuürckkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

1.5.8. Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können.

Die Taliban haben ein Netzwerk an Spitzeln in Afghanistan, allein in der Stadt Kabul sind drei verschiedene Taliban Nachrichtendienste nebeneinander aktiv. Es heißt, dass die verschiedenen Nachrichtendienste der Taliban in Kabul über 1.500 Spione in allen 17 Stadtteilen haben. Selbst die, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden. Die Taliban behaupten, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, regelmäßig Berichte darüber zu erhalten, wer neu ins Land einreist.

Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban-Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr.

Es ist davon auszugehen, dass Sippenhaftung in Afghanistan ein weit verbreitetes Phänomen ist, und die Taliban neben Regierungsmitarbeitern, Sicherheitskräften und anderen, der Kollaboration oder "Spionage" bezichtigten Personen auch deren Angehörige gezielt verfolgen und bedrohen. Eine solche Bedrohung liegt jedoch festgestelltermaßen beim Beschwerdeführer nicht vor und wird hiezu auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung verwiesen.

1.5.9. Auszüge aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Taliban Drohbriefe, Bedrohung militärischer Mitarbeiter, vom 28.07.2016:

"(...)

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass gefälschte Drohbriefe für etwa US$ 1.000 gekauft werden können. Den Quellen kann auch entnommen werden, dass die Taliban es größtenteils aufgegeben haben, mit Drohbriefen vorzugehen.

(...)

Daily Caller, eine US amerikanische Onlinezeitung, berichtet, dass Afghanen in der Hoffnung sich nach Europa als Flüchtlinge einschleichen zu können, gefälschte Todesdrohbriefe - angeblich von den Taliban gesendet - kaufen.

Todesdrohungen - übermittelt durch handgeschriebene Briefe - haben eine lange Tradition in der Region und wurden normalerweise jenen übermittelt, die mit den internationalen Kräften kollaborierten. Obwohl die Taliban diese Methoden größtenteils aufgegeben haben, haben Fälscher diese übernommen und verkaufen Briefe auf dem Briefpapier des islamischen Emirates für US$ 1.000 pro Stück.

Ein Fälscher, Mukhamil, gab an, dass aktuell nur 1 Prozent der Briefe ernsthafte Bedrohungen sind. Mukhamil entnimmt einfach ein Talibanlogo aus dem Internet, setzt es ins Dokument ein und behauptet dann, dass der Briefkäufer für die US arbeitet und ernsthaften Strafen ausgesetzt sein wird.

(...)

Die Associated Press - eine multinationale, profitfreie Nachrichtenagentur mit Sitz in New York City - berichtet, dass die handgeschriebenen Nachrichten auf dem Briefpapier des sogenannten islamischen Emirates traditionellerweise an jene gesendet wurden, die angeblich für die afghanischen Sicherheitskräfte oder die US - geführten Truppen gearbeitet haben; es wurden deren "Verbrechen" aufgelistet und sie wurden gewarnt, dass die "militärische Kommission" über ihre Strafen entscheidet.

Dieser Tage sagen die Taliban, dass sie diese Praxis aufgegeben haben, während jene, die die gefälschten Briefe verkaufen, ein riskantes Geschäft mit zehntausenden Afghanen betreiben, die nach Europa fliehen und darauf hoffen, um Asyl anzusuchen. Fälscher geben an, dass ein überzeugender Drohbrief bis zu US$ 1.000 kosten kann.

(...)

Ein Beamter des afghanischen Geheimdienstes, National Directorate of Security, wies die Behauptung der Existenz diese Briefe ebenfalls zurück und sagte, dass es ganz klar war, dass viele Menschen diese kauften, um ihren Asylgrund zu stärken. Niemand wurde in Zusammenhang mit Fälschung verhaftet.

(...)".

1.5.10. Auszug aus der BFA Arbeitsübersetzung vom 23.08.2017, Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne:

"(...)

Zusammenfassung

Die Strukturen der Nachrichtendienste der Taliban sind im Laufe der Zeit entstanden und wurden dabei zunehmend ausgefeilter. Trotz der Bemühungen, die nachrichtendienstliche Tätigkeit über die verschiedenen Taliban-Shuras hinweg zu koordinieren und zu synchronisieren, wirkte sich die interne Aufspaltung der Taliban auf deren Funktionsweise aus. Die nachrichtendienstliche Tätigkeit der Taliban ist mittlerweile ziemlich flächendeckend, aber die Qualität der Informationen, die die Taliban-Führung erreichen, ist nicht immer die beste. Es zählt zu den Hauptaufgaben dieser Dienste, die Einschüchterungskampagne der Taliban gegen 'Kollaborateure' der Kabuler Regierung und gegen andere Feinde der Taliban zu ermöglichen. Der Taliban-Führung scheint daran gelegen zu sein, willkürliche Gewaltanwendung möglichst zu vermeiden und sich nach klar definierten Regeln ausschließlich auf Personen zu konzentrieren, die eindeutig Taliban-Gegner sind. Zwar werden die Regeln nicht immer eingehalten, aber die Führung scheint sich redlich darum zu bemühen.

(...)".

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr als nicht glaubhaft, da die Angaben des Beschwerdeführers Widersprüche und Ungereimtheiten enthalten.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens verstärkte sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit, zumal der Beschwerdeführer auch mit seinen Schilderungen in der Beschwerdeverhandlung eine Bedrohung im Herkunftsstaat nicht überzeugend darlegen konnte.

2.2.1. Zunächst gilt es auszuführen, dass der Beschwerdeführer das Grundgerüst seiner Fluchtgründe im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleichbleibend vorgebracht hat. Er schilderte zusammengefasst, dass er in Kandahar studiert hätte. In seinem Heimatdort in der Provinz Kunduz hätten die Taliban das Sagen gehabt. Er hätte von den Taliban einen Drohbrief bekommen und wäre aufgefordert worden, sein Studium aufzugeben und sich den Taliban anzuschließen. Der Vater hätte aber gewollt, dass der Beschwerdeführer weiter studiere. Es wäre dann zu einer Auseinandersetzung zwischen der Polizei bzw. dem Militär und den Taliban gekommen und dabei die gesamte Ernte der Familie des Beschwerdeführers zerstört worden. Die Taliban hätten die Familie weiter telefonisch bedroht, weshalb sie nach Kunduz geflüchtet wären. Da die Taliban auch diese Stadt eingenommen hätten und sie auch dort telefonisch bedroht worden wären, wäre der Beschwerdeführer mit seinem Onkel nach Kabul geflüchtet. Seine restliche Familie wäre auch geflüchtet.

Wie in weiterer Folge aufgezeigt wird, war der Beschwerdeführer insbesondere mit seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung aber nicht in der Lage, eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan glaubhaft zu machen, da seine Schilderungen diverse Ungereimtheiten enthalten und nicht nachvollziehbar sind. Außerdem sind die vorgelegten Beweise nicht geeignet, einen den Beschwerdeführer persönlich betreffenden, asylrelevanten Sachverhalt darzulegen:

2.2.2. Der Beschwerdeführer legte in der Einvernahme bei der belangten Behörde am 13.02.2018 den genannten Drohbrief der Taliban vor.

Der Übersetzung des Dolmetschers im Rahmen der Beschwerdeverhandlung ist zu entnehmen, dass der Brief das Datum "11.09.2014" aufweist und der Beschwerdeführer darin aufgefordert werde, sich dem "Jihad" anzuschließen. Der Brief wäre "die letzte Warnung" und wenn sich der Beschwerdeführer bzw. sein Vater weigere, der Aufforderung Folge zu leisten, werden "wir ihn umbringen" (vgl. S 22f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 07.03.2019).

Zunächst gilt es beweiswürdigend auszuführen, dass es nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Beschwerdeführer diesen Brief erst in der Einvernahme bei der belangten Behörde am 13.02.2018 und somit mehr als zwei Jahre nach seiner Einreise in Österreich vorgelegt hat.

In der Beschwerdeverhandlung darauf angesprochen, sagte der Beschwerdeführer, es wäre ihm davor nicht gelungen, dieses Dokument vorzulegen. Bei der Ausreise bzw. Flucht hätte er das nicht alles auf einmal erledigen können, weil sein Leben wichtiger gewesen wäre. Erst 2017 hätte ihm sein Vater diese Beweismittel nachschicken und bestätigen lassen können. Diese Dokumente hätte ihm sein Bruder geschickt. Sein Vater hätte das alles bestätigen lassen und sein Bruder hätte es übermittelt (vgl. S 21 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).

Diese Erklärung überzeugt nicht.

Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich von den Taliban bedroht worden, hätte er dieses Beweismittel auf seiner Flucht mitgenommen um sein Fluchtvorbringen unverzüglich untermauern zu können. Außerdem wirft das Vorbringen des Beschwerdeführers die Frage auf, was hinsichtlich des genannten Drohbriefes zu "bestätigen" ist.

Ungereimtheiten ergeben sich auch aus dem Inhalt des Drohbriefes in Zusammenschau mit den weiteren Angaben des Beschwerdeführers:

Wie bereits erwähnt ist dem Brief zu entnehmen, dass er als "die letzte Warnung" ergehen würde und der Beschwerdeführer bei Zuwiderhandeln mit dem Tode bedroht werden würde. Folgt man den Aussagen des Beschwerdeführers, so hätte er bzw. sein Vater zuerst diesen Brief bekommen, rund ein Monat später wäre es in seinem Heimatdorf zu der militärischen Auseinandersetzung mit den Taliban gekommen und in den nächsten vier Monaten hätte der Vater des Beschwerdeführers rund 10 bis 15 Drohanrufe der Taliban erhalten (vgl. S 19f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 07.03.2019). In der Beschwerdeverhandlung dazu befragt, ob er erklären könne, warum die Taliban ihn nach Ausspruch des "Umbringens" im Drohbrief weiterhin versuchen sollten, ihn freiwillig zu rekrutieren, schilderte der Beschwerdeführer, dies wäre ein Trick der Taliban. Sie wollen die Leute gewinnen, aber sie haben ihn nicht erwischt. Wie er oben angegeben habe, wenn man das alles verneine, würde zuletzt die Entscheidung kommen, dass man umgebracht werde. Das wäre bei ihm der Fall gewesen. Er wäre attackiert worden, aber Gott sei Dank wäre er nicht getroffen worden. Es wäre im Dorf gewesen. Er hätte an diesem Tag ein zweites Leben gewonnen (vgl. S 22 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 07.03.2019).

Diese Aussage ist in mehreren Punkten nicht nachvollziehbar und im Ergebnis nicht glaubwürdig: Einerseits widerspricht sie den zuvor getätigten Angaben, wonach die Taliban (am Tag der militärischen Auseinandersetzung im Dorf des Beschwerdeführers) auf den Feldern unterwegs gewesen wären, weil sie die Steuern, die die Religion vorschreibe, eintreiben hätten wollen (vgl. S 19 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 07.03.2019). Dass sie - wie der Beschwerdeführer dann soeben behauptet hat - gekommen sind, um ihn zu töten und ihre Warnung wahr werden zu lassen, erwähnte er zunächst jedoch nicht. Andererseits ist es nicht nachvollziehbar, weshalb die Taliban nach dem unmissverständlichen Ausspruch im Drohbrief, es handle sich um die letzte Warnung, im Anschluss daran 10 bis 15 telefonische Anwerbeversuche unternommen hätten sollen. Diesen Widerspruch konnte der Beschwerdeführer nicht aufklären.

Dem Beschwerdeführer ist auch vorzuwerfen, dass er, wie er selbst ausführt, den genannten Drohbrief keinesfalls ernst genommen hat. Wie er in der Beschwerdeverhandlung darlegt, reiste er nach Erhalt des Briefes wieder zurück nach Kandahar um sein Studium fortzusetzten, kehrte aber einen Monat später wieder nach Hause in die Provinz Kunduz zurück (vgl. S 19 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 07.03.2019). Es ist nicht verständlich, weshalb der Beschwerdeführer nicht in Kandahar geblieben ist, wo er unbehelligt studieren hätte können. Dass ihn die Taliban auch dort kontaktiert hätten bzw. er auch dort Probleme gehabt hätte, ist seinem Vorbringen nicht zu entnehmen. Das Aussageverhalten des Beschwerdeführers deutet vielmehr darauf hin, dass der genannte Brief nicht von den Taliban stammt bzw. er dem Brief keine sonderliche Bedeutung zugemessen hat, oder für ihn daraus eine Bedrohung erkennbar war, ansonsten wäre er sicherlich nicht wieder in seine Herkunftsregion zurückgekehrt.

Eine Gesamtschau ergibt vielmehr, dass es sich bei dem Brief um eine

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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