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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §13a;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/0445Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde 1.) der 1954 geborenen DR sowie 2.) des 1951 geborenen BR, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 30. Juni 1995,
1.) 301.843/4-III/11/95 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), sowie 2.) Zl. 301.843/3-III/11/96 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), jeweils in Angelegenheiten des Aufenthaltsgesetzes,
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt; die Parteien dieses Verfahrens haben die Kosten für ihre Aufwendungen selbst zu tragen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin, welche über eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit vom 11. April 1994 bis zum 12. September 1994 verfügte, beantragte am 31. August 1994 die Verlängerung dieser Bewilligung. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. September 1994 wurde der Antrag gemäß § 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mangels rechtzeitiger Antragstellung zurückgewiesen. Dieser Bescheid wurde der Erstbeschwerdeführerin durch Hinterlegung am 13. September 1994 zugestellt.
Im Akt erliegt ein Schreiben der Erstbeschwerdeführerin vom 28. April 1995, dessen Betreff "Berufung gegen den Bescheid MA 62-9/2016562-2-V" (das ist die Zahl des obzitierten Bescheides vom 3. September 1994) lautet, mit dem sie Bestätigungen über ihren Arbeitslosengeldbezug vorlegt und zusätzlich vorbringt, für ihre Kinder Familienbeihilfe zu bekommen. In diesem Schriftsatz ersuchte die Erstbeschwerdeführerin die belangte Behörde, "mit der Entscheidung zumindest bis zur neuen Gesetzeslage, die mit 1. Juni 1995 in Kraft treten solle, zuzuwarten, damit mir die Aufenthaltsbewilligung erteilt werden kann." Im Schreiben vom 3. Juni 1995, mit dem die Beschwerdeführerin (neuerlich) eine aktuelle Bestätigung ihres Arbeitslosengeldbezuges übersandte, bezieht sie sich ausdrücklich darauf, einen Nachtrag "zur Berufung vom September 1995" mit diesem Schreiben zu erstatten. Eine derartige Berufung vom September 1995 findet sich im Akt jedoch nicht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres wies dieser die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück und begründete dies damit, die Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz vom 3. September 1994 sei am 13. September 1994 erfolgt, weshalb die erst am 3. Mai 1995 verspätet eingebrachte Berufung zurückzuweisen gewesen sei. Gegen diesen Bescheid richtet sich die, nach Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof entsprechend ergänzte, zu hg. Zl. 96/19/0444 protokollierte Beschwerde.
Der Zweitbeschwerdeführer, welcher über eine Aufenthaltsbewilligung vom 1. Oktober 1993 bis 1. Jänner 1995 verfügte, stellte am 16. Dezember 1994 einen Antrag auf Verlängerung dieser Bewilligung. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Jänner 1995 wurde dieser Antrag gemäß § 6 Abs. 3 AufG mangels rechtzeitiger Antragstellung zurückgewiesen. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juni 1995 wurde die dagegen erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die, nach Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof entsprechend ergänzte, zu hg. Zl. 96/19/0445 protokollierte Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, der Behörde hätte auffallen müssen, daß sie das Rechtsmittel erst acht Monate nach Zustellung erhoben habe. Diese ungewöhnlich lange Zeitdauer hätte die Behörde aufgreifen und die Beschwerdeführerin über die Möglichkeit des außerordentlichen Rechtsmittels der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand belehren müssen. Dies sei nicht geschehen, weshalb ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege. Darüberhinaus hätte die Behörde von Amts wegen überprüfen müssen, warum das Rechtsmittel erst acht Monate nach Zustellung erhoben worden sei. Die belangte Behörde hätte die Beschwerdeführerin zu dem Thema zu vernehmen gehabt bzw. auf einem anderen Wege den Grund für diese exorbitante Verspätung feststellen müssen. Durch diese Unterlassung sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig im Sinn des § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG (gemeint wohl: § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG).
Die Beschwerdeführerin behauptet in der Beschwerde somit nicht, bereits zu einem früheren Zeitpunkt, z.B. im September 1994, Berufung erhoben zu haben. Sie gesteht vielmehr durch diese Beschwerdeausführungen zu, die 14-tägige Berufungsfrist ungenützt verstreichen haben zu lassen und erst nach dem Ablauf von acht Monaten ein Rechtsmittel ergriffen zu haben. Damit kann sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aber nicht aufzeigen.
Die Beschwerdeführerin irrt nämlich, wenn sie meint, die belangte Behörde sei verpflichtet, zu überprüfen, warum das Rechtsmittel so spät erhoben worden sei. Eine derartige Verpflichtung ergibt sich ebensowenig aus dem Gesetz, wie eine aus § 13a AVG ableitbare Verpflichtung, wonach sich die Manuduktionspflicht der belangten Behörde auch auf die Möglichkeit der Stellung von Wiedereinsetzungsanträgen erstreckt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1985, Zl. 84/01/0374).
Darüberhinaus mangelt es dem Beschwerdevorbringen hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften auch an entsprechenden Behauptungen dahingehend, inwiefern die belangte Behörde bei Gewährung von Parteiengehör bzw. Durchführung entsprechender Nachforschungen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Da die Beschwerdeführerin weder die Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz an sie am 13. September 1994 noch die achtmonatige Verspätung der Berufungserhebung bestreitet und auch die Relevanz allfälliger der belangten Behörde unterlaufener Verfahrensmängel nicht dartun kann, erweist es sich nicht als rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die Berufung wegen Verspätung zurückwies.
Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Die Behörde erster Instanz ersuchte mit Schreiben vom 18. Mai 1998 den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 115 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 (FrG) um vorzeitige Erklärung der Gegenstandslosigkeit der Beschwerde betreffend die Erstbeschwerdeführerin. Eine derartige Erklärung gemäß § 113 Abs. 6 zweiter Satz FrG setzt aber voraus, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 FrG mit 1. Jänner 1998 (Inkrafttreten des FrG) außer Kraft getreten ist. Im gegenständlichen Fall liegt keine Versagung der Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung vor, sondern die Zurückweisung einer verspäteten Berufung. Der angefochtene Bescheid ist somit nicht mit Inkrafttreten des FrG außer Kraft getreten, weshalb ein Vorgehen gemäß § 115 Abs. 2 FrG nicht in Frage kommt; der Verwaltungsgerichtshof hatte im Fall der Erstbeschwerdeführerin mit dem vorliegenden Erkenntnis vielmehr über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid zu entscheiden.
Der Kostenausspruch im Falle der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin stützt sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
2. Zur Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers:
§ 113 Abs. 6 und 7 und § 115 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. Nr. 75/1997, lauten:
"(6) Rechtskräftige Bescheide, mit denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt wurde oder mit denen der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der Betroffene sie beim Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof angefochten und dieser die Entscheidung noch nicht getroffen hat. In diesen Fällen ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen. Mit dem Beschluß über die Gegenstandslosigkeit der Bescheide tritt auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft.
(7) Als Bescheide nach Abs. 6, die unter den dort festgelegten Voraussetzungen außer Kraft treten, gelten auch rechtskräftige Bescheide, mit denen auf Dauer niedergelassenen Fremden die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung versagt wurde, die deshalb beantragt wurde, weil die Fremden entweder die Frist für den Antrag auf Verlängerung versäumt hatten oder trotz rechtmäßiger Niederlassung zuvor keiner Aufenthaltsbewilligung bedurften.
§ 115. (1) § 113 Abs. 6 und § 114 Abs. 4 und 5 gelten für Beschwerden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängig und nicht gemäß § 34 Abs. 1 VwGG oder § 19 Abs. 3 Z. 2 lit. a, b, d oder e VfGG zurückzuweisen sind. Die Parteien eines solchen höchstgerichtlichen Verfahrens haben die Kosten für ihre Aufwendungen selbst zu tragen.
(2) Der Verwaltungsgerichtshof kann die Beschlüsse über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerden in Fällen, die
1.
seit dem Jahr 1995 anhängig sind, erst nach dem 1. April 1998,
2.
seit dem 1. Halbjahr 1996 anhängig sind, erst nach dem 1. Juli 1998,
3.
seit dem 2. Halbjahr 1996 anhängig sind, erst nach dem 1. Jänner 1999,
4.
seit dem 1. Halbjahr 1997 anhängig sind, erst nach dem 1. Juli 1999
fassen; dies gilt jedoch nicht, wenn die Behörde erster Instanz dem Verwaltungsgerichtshof mitteilt, daß gewichtige öffentliche Interessen an einer unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung der betroffenen Fremden bestehen oder daß den Fremden nunmehr ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Die Frist des § 73 AVG beginnt in diesen Fällen mit dem Einlangen des Beschlusses bei der Behörde zu laufen."
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde war am 1. Jänner 1998 anhängig. Die Prozeßvoraussetzungen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens liegen vor. Gemäß § 113 Abs. 6 und 7 FrG ist der angefochtene Bescheid am 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten. Die Beschwerde wäre somit nach Eintritt des nach § 115 Abs. 2 FrG maßgeblichen Zeitpunktes (das wäre der 1. Juli 1998) als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen.
Mit Schriftsatz vom 18. Mai 1998 erklärte die Behörde erster Instanz, es stünden der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels keine Sichtvermerksversagungsgründe entgegen und sie ersuche gemäß § 115 Abs. 2 FrG 1997 um vorzeitige Beschlußfassung des Verwaltungsgerichtshofes. Es liegen daher die Voraussetzungen für eine vorzeitige Beschlußfassung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
Der Kostenspruch hinsichtlich der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers stützt sich auf § 115 Abs. 1 FrG.
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996190444.X00Im RIS seit
11.07.2001