TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/5 96/19/2094

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Veröffentlicht am 05.06.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §2 Abs3 Z4 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z3;
MRK Art8 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/2095 96/19/2096 96/19/2097

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde 1.) der 1962 geborenen KM,

2.)

der 1987 geborenen DM, 3.) des 1988 geborenen AM, sowie

4.)

des 1983 geborenen MM, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 27. November 1995,

              1.)              Zl. 304.181/2-III/11/95 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), 2.) Zl. 304.181/3-III/11/95 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin),

              3.)              Zl. 304.181/4-III/11/95 (betreffend den Drittbeschwerdeführer), sowie 4.) Zl. 304.181/5-III/11/95 (betreffend den Viertbeschwerdeführer), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der übrigen Beschwerdeführer. Mit Anträgen vom 24. März 1995 beantragten sie die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit dem in Österreich (aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung) aufhältigen Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater der übrigen Beschwerdeführer. Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung je vom 21. August 1995 wurden diese Anträge gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mit der Begründung abgewiesen, daß der Lebensunterhalt der Beschwerdeführer im Inland nicht gesichert sei. Die Beschwerdeführer erhoben Berufung, in der sie darauf hinwiesen, daß sie über ausreichende Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes verfügten.

Mit den nunmehr angefochtenen, im wesentlichen gleichlautenden Bescheiden des Bundesministers für Inneres je vom 27. November 1995 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, die verfahrensgegenständlichen Anträge vom 24. März 1995 seien durch eine dritte Person (den Ehegatten bzw. Vater) bei der Vertretungsbehörde in Zagreb eingebracht worden. Nach der Aktenlage seien die Beschwerdeführer jedoch vom 2. Jänner 1995 bis 31. März 1995 in Österreich polizeilich aufrecht gemeldet gewesen und sei in den Anträgen als einziger derzeitiger Wohnsitz auch nur die Unterkunft in Österreich angegeben worden. Die Anträge seien somit nicht vor der Einreise, mit der der derzeitige Aufenthalt begonnen habe, gestellt worden. Die Beschwerdeführer seien somit vor, während und nach der Antragstellung in Österreich polizeilich gemeldet gewesen. Darüberhinaus hätte die Erstbeschwerdeführerin die abweisenden Bescheide der Behörde erster Instanz persönlich unter ihrer österreichischen Adresse übernommen. Die Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer hätten als außerordentliche Schüler eine Volksschule im Bundesgebiet besucht. Somit sei die Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG nicht eingehalten worden.

Darüberhinaus stehe fest, daß die Beschwerdeführer am 1. Juli 1995 erlaubterweise sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist seien, sich aber nach Ablauf der Dreimonatsfrist, in welcher sie sich sichtvermerksfrei aufhalten dürften, noch immer im Bundesgebiet aufhielten. Dieses Verhalten verwirkliche die Sichtvermerksversagungsgründe des § 10 Abs. 1 Z. 4 und Z. 6 FrG. Zu den persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, daß durch den Aufenthalt des Gatten bzw. Vaters im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden. Die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG stelle aber einen zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 MRK dar, weshalb sich jedes weitere Eingehen darauf erübrige.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 6 Abs. 2 AufG lautete:

"§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

§ 3 Abs. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 lautete:

"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten;"

Da die Beschwerdeführer weder nach ihrem Vorbringen, noch nach der Aktenlage jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügten, wertete die belangte Behörde ihre Anträge zu Recht als Erstanträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, für deren Beurteilung § 6 Abs. 2 erster Satz AufG heranzuziehen war.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Das in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, den Antrag vom Ausland aus zu stellen, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten, sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010 sowie Zl. 95/19/0895).

Nach dem unter anderem aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck und dem Umstand, daß sich aus dem Gesetzeswortlaut jedenfalls nicht ergibt, daß es sich bei § 6 Abs. 2 AufG um eine bloße Formvorschrift handeln sollte, hat der Fremde die Entscheidung über seinen im Ausland zu stellenden Antrag auch im Ausland abzuwarten (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703).

Die Beschwerdeführer bestreiten ihren Aufenthalt im Inland im Zeitpunkt der Antragstellung, während des Verwaltungsverfahrens und im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht. Damit haben sie dem in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierten Erfordernis nicht entsprochen. Vom Erfordernis der Antragstellung vom Ausland aus wäre nur dann abzusehen, wenn die Beschwerdeführer zu jenem Personenkreis zählten, der aufgrund § 6 Abs. 2

dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt ist. Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich jedoch Hinweise darauf, daß die Beschwerdeführer zu diesem Personenkreis zählen. So geht weder aus der Aktenlage noch aus den Behauptungen der Beschwerdeführer hervor, daß diese (auch) als Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas vor dem 1. Juli 1993 nach Österreich gekommen sind oder sich bei einer Einreise nach dem 1. Juli 1993 der Grenzkontrolle gestellt hätten; damit fallen sie aber nicht in den Anwendungsbereich der gemäß § 12 AufG erlassenen Verordnungen und können die dort vorgesehene ausnahmsweise Möglichkeit zur Antragstellung vom Inland aus nicht für sich in Anspruch nehmen.

Aber auch auf die Bestimmung des § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 können sich die Beschwerdeführer als Angehörige einer Person, für die eine ausländerbeschäftigungsrechtliche Bewilligung und eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt wurde, nicht berufen, weil die Beschwerdeführer selbst noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügten (vgl. dazu das obgenannte hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996). Die belangte Behörde hatte den Antrag der Beschwerdeführer daher an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen. Die auf § 6 Abs. 2 AufG gestützte Abweisung der Anträge erweist sich somit nicht als rechtswidrig.

Daran vermag der Hinweis der Beschwerdeführer auf Art. 8 MRK auch nichts zu ändern. Der Gesetzgeber der Novelle zum AufG, BGBl. Nr. 351/1995, hat mit den §§ 2 Abs. 3 Z. 4 und 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie mit der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genutzten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von Angehörigen von Fremden bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen. Verfassungsrechtliche Bedenken, daß die durch die genannten Bestimmungen vorgenommene Umschreibung des begünstigten Personenkreises zu eng wäre und ihrerseits Art. 8 MRK nicht entspräche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch in den vorliegenden Fällen nicht entstanden. Eine weitere Bedachtnahme auf Art. 8 MRK durch die Behörde kommt nicht in Betracht, weil die Fälle der Beschwerdeführer auch nicht vergleichbar mit jenen Fällen sind, in denen nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen geboten wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. 14.148, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475).

Auch der Hinweis der Beschwerdeführer auf die Unmöglichkeit ihrer Rückkehr in das Kriegsgebiet in Bosnien vermag am Verfahrensergebnis nichts zu ändern, weil sich daraus nicht ergibt, daß ihnen trotz Nichteinhaltung der Vorschrift des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen wäre. Auch die Verfahrensrüge der Beschwerdeführer erweist sich als unbegründet, weil es ihnen nicht gelingt, die Relevanz der der belangten Behörde vorgeworfenen Verfahrensverletzung darzulegen. Die Beschwerdeführer bringen in ihren diesbezüglichen Beschwerdeausführungen nicht vor, was sie vorgebracht hätten, wenn ihnen die belangte Behörde zu den von ihr ins Auge gefaßten, neu herangezogenen Versagungsgründen Parteiengehör gewährt hätte.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Angesichts dieses Verfahrensergebnisses erübrigte sich ein Eingehen auf die von der belangten Behörde ebenfalls herangezogenen Abweisungsgründe des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 bzw. 6 FrG.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996192094.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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