TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/20 W109 2179814-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.2019
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Entscheidungsdatum

20.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W109 2179814-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Klaus KOCHER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 17.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.09.2019 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan erteilt.

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 20.11.2020 erteilt.

III. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Und beschließt:

B)

I. Das Beschwerdeverfahren gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 18.02.2016 stellte der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, nach Einreise im Familienverband seines Onkels unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 19.02.2016 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, im Jahr XXXX in Ghazni geboren und schiitischer Moslem. Eltern und Geschwister seien alle verstorben. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, in seinem Land herrsche Krieg, die Lage sei unsicher, deshalb sei er geflüchtet. Im Fall der Rückkehr habe er Angst vor dem Krieg und um sein Leben.

Am 19.07.2016 gab der Beschwerdeführer an, am XXXX geboren zu sein. Daraufhin wurde die Einvernahme aufgrund der Abwesenheit seines gesetzlichen Vertreters abgebrochen.

Am 28.09.2016 wurde der Beschwerdeführer zu seiner möglichen Ausweisung nach Kroatien befragt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen, ausgesprochen, dass Kroatien für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei und die Außerlandesbringung gegen den Beschwerdeführer angeordnet. Die Abschiebung nach Kroatien sei demzufolge zulässig.

Der am 27.10.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangten Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 05.12.2016 statt, ließ das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zu und behob den Bescheid vom 10.10.2016.

Mit Bescheid vom 02.10.2017 wurde dem Beschwerdeführer durch das AMS eine Beschäftigungsbewilligung für die Tätigkeit als Kochlehrling erteilt.

Am 18.10.2017 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, er sei als kleines Kind im Alter von etwa einem Jahr zu seiner Tante väterlicherseits nach Pakistan gebracht worden, wo er mit ihr und ihren beiden Söhnen in Quetta gelebt habe. Sein im Iran aufhältiger Onkel habe ihn finanziell unterstützt. Es habe in Pakistan viele Anschläge gegen Hazara gegeben. Der Beschwerdeführer sei 2014 nach Afghanistan gereist und sei dort etwa einen Monat in Kabul geblieben, um sich einen Reisepass für ein iranisches Visum ausstellen zu lassen. Dann sei er nach Pakistan zurückgekehrt und Anfang 2016 zu seinem Onkel in den Iran gegangen. Die Eltern des Beschwerdeführers seien verstorben, Tante und Onkel hätten ihm nur das gesagt. Hazara seien nirgends sicher, auch Schiiten würden bedroht.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17.11.2017, zugestellt am 21.11.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe keinerlei individuelle Verfolgungssituation geltend gemacht. Die Situation der Hazara bzw. Schiiten habe sich in den letzten Jahren wesentlich verbessert, die Hazara seien entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung keiner Diskriminierung ausgesetzt. Der Beschwerdeführer könne in seine Herkunftsprovinz Ghazni zurückkehren, auch könne er sich in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat ansiedeln.

3. Am 06.12.2017 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die belangte Behörde habe es unterlassen, ganzheitlich auf das Vorbringen einzugehen und die Gesamtbeurteilung anhand der Länderinformationen vorzunehmen. Sie habe die gesamte Situation und ihren kulturellen Kontext verkannt. Der Beschwerdeführer habe Afghanistan als Säugling verlassen, keinen Bezug zum Herkunftsstaat, sei mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertraut und habe dort kein familiäres oder soziales Netzwerkt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe nicht zur Verfügung.

Am 09.05.2019 langte eine Beschwerdeergänzung des nunmehr anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 03.09.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und ein Dolmetscher für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen und seiner Rückkehrsituation befragt und er zog die Beschwerde hinsichtlich § 3 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) zurück.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

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Diverse Empfehlungsschreiben,

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Tazkira des Beschwerdeführers,

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Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers,

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Pakistanische Schulunterlagen des Beschwerdeführers,

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Beschäftigungsbewilligungsbescheid des Beschwerdeführers,

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Mehrerer Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungsangebote,

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Schulbesuchsbestätigung,

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Schulzeugnisse des Beschwerdeführers,

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ÖSD Zertifikat B1 vom 20.07.2017,

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Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Übersetzer,

-

Lehrvertrag des Beschwerdeführers.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde am XXXX in einem Dorf im Distrikt Malestan, Provinz Ghazni geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht auch Englisch, Urdu, etwas Pashtu und Deutsch zumindest auf dem Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan als Säugling im Familienverband und wuchs bei seinem Onkel väterlicherseits und seiner Tante väterlicherseits in Pakistan auf. Die Eltern des Beschwerdeführers starben, als dieser noch ein Kleinkind war.

In Pakistan besuchte der Beschwerdeführer acht Jahre die Schule, arbeitete einige Monate in einer Apotheke und ein bis zwei Monate als Koch. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Berufsausbildung.

Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer die Schule und einige Deutschkurse besucht. Er verfügt über keinen Schulabschluss.

Seit Oktober 2017 ist der Beschwerdeführer als Kochlehrling beschäftigt und besucht die Berufsschule.

Der Onkel väterlicherseits ist mit seiner Familie, bestehend aus Ehefrau und drei minderjährigen Söhnen, im Bundesgebiet aufhältig. Ihnen wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.09.2019 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Ein weiterer Cousin des Beschwerdeführers ist im Bundesgebiet aufhältig.

Die Tante väterlicherseits lebt nach wie vor in Pakistan. Zu ihr besteht Kontakt. Ansonsten hat der Beschwerdeführer keine Angehörigen.

Der Beschwerdeführer war, um sich einen Reisepass ausstellen zu lassen, etwa einen Monat lang in Kabul aufhältig. Ansonsten hat er nie in Afghanistan gelebt und hat dort weder Verwandte noch Bekannte.

1. 2. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Provinz Ghazni zählt zu den volatilen, stark vom Konflikt betroffenen Provinzen. Die Taliban konnten seit 2001 an Einfluss gewinnen. Insbesondere seit dem Jahr 2017 hat sich die dortige Sicherheitslage verschlechtert. Im Jahr 2018 wurden die Hazara-Gebiete, darunter auch der Distrikt Malestan, sowie Ghazni (Stadt) von den Taliban angegriffen. Aufständische sind in allen Distrikten aktiv und es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen. Es werden Luftangriffe und militärische Operationen durchgeführt. Der Distrikt Malestan steht aktuell weitgehend unter Regierungskontrolle, kann aber nicht sicher erreicht werden.

Im Fall einer Rückkehr in die Herkunftsregion droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, von Aufständischen angegriffen, misshandelt oder getötet zu werden oder im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung zu Tode zu kommen, misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Städte Mazar-e Sharif und Herat sind vom Konflikt relativ wenig betroffen und stehen unter Regierungskontrolle. Beide Städte verfügen über einen internationalen Flughafen, über den sie sicher erreicht werden können.

Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat kann nicht festgestellt werden, dass diesem die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Dem Beschwerdeführer wäre es im Fall einer Niederlassung in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat nicht möglich, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, so wie es auch seine Landsleute führen können. Im Fall einer dortigen Ansiedlung liefe er Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Herkunft, sowie Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben im Lauf des gesamten Verfahrens. Auch die belangte Behörde erachtete die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers als glaubhaft und legte sie ihrer Beurteilung zugrunde. Um seine Deutschkenntnisse nachzuweisen hat der Beschwerdeführer zudem sein ÖSD-Zertifikat für das Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen in Vorlage gebracht.

Zum Geburtsdatum ist auszuführen, dass bereits in der Erstbefragung das Geburtsjahr XXXX protokolliert wurde, wobei angesichts der Protokollierung mit 01.01. davon ausgegangen werden kann, dass bei der Erstbefragung - aus nicht mehr feststellbaren Gründen - lediglich das Geburtsjahr des Beschwerdeführers aufgenommen wurde. Auch ergänzte der Beschwerdeführer bei der ersten sich ihm bietenden Gelegenheit in der niederschriftlichen Einvernahme am 19.07.2016 das genaue Geburtsdatum (AS 71), woraufhin die Behörde - offenbar, weil sie vom Zutreffen der Angaben des Beschwerdeführers ausging - die Einvernahme abbrach. Auch eine Altersfeststellung wurde von der Behörde nicht veranlasst. Weiter brachte der Beschwerdeführer eine Passkopie und ein pakistanisches Schulzeugnis in Vorlage, aus denen sich ebenfalls das von ihm genannte Geburtsdatum entnehmen lässt. Demnach haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Ersuchen des Beschwerdeführers um Korrektur des Geburtsdatums unbegründet ist und folgt das Bundesverwaltungsgericht den Angaben des Beschwerdeführers.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, beruht darauf, dass anderslautendes Vorbringen im Lauf des Verfahrens nicht erstattet und auch keine medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht wurden, die gesundheitliche Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers belegen würden. Auch bejahte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich befragt, dass er sich gesundheitlich in der Lage sehe, an der Verhandlung teilzunehmen (Verhandlungsprotokoll S. 4).

Die Feststellung zur Ausreise des Beschwerdeführers als Säugling sowie zum Aufwachsen bei seinen Verwandten väterlicherseits in Pakistan sowie seinem dortigen Schulbesucht und seiner Berufserfahrung in Pakistan ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben. Auch dass die Eltern des Beschwerdeführers verstarben, als der Beschwerdeführer noch ein Kleinkind war, wurde gleichbleibend angegeben, wobei durchgehend keine Todesumstände angegeben werden konnten. Dass der Beschwerdeführer nicht über eine Berufsausbildung verfügt, beruht auf seinen Angaben, wobei der Beschwerdeführer seine Lehre im Bundesgebiet noch nicht abgeschlossen hat.

Die Feststellung zu Schul- und Deutschkursbesuch im Bundesgebiet beruht auf den dazu vorgelegten Bestätigungen. Dass der Beschwerdeführer über keinen Schulabschluss verfügt, ergibt sich daraus, dass er bis zur Einreise und auch im Bundesgebiet einen solchen nicht erlangt hat.

Die Feststellung zum Lehrverhältnis des Beschwerdeführers beruht auf dem vorgelegten Lehrvertrag, dem Empfehlungsschreiben des Arbeitgebers des Beschwerdeführers und den Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.09.2019. Zum Berufsschulbesuch hat der Beschwerdeführer ein Zeugnis vorgelegt.

Die Feststellungen zu Verfahrensausgang und Aufenthalt des Onkels väterlicherseits beruhen auf dem Akt zum Verfahren des Onkels, in den das Bundesverwaltungsgericht Einsicht genommen hat (Zl. W216 2180336-1). In der mündlichen Verhandlung am 03.09.2019 gab der Beschwerdeführer überdies an, dass ein weiteres Kind des Onkels bald im Bundesgebiet geboren werde (Verhandlungsprotokoll S. 8). Mangels Relevanz für das gegenständliche Verfahren wurde dem allerdings nicht weiter nachgegangen.

Dass ein weiterer Cousin des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhältig ist, beruht auf den diesbezüglich gleichbleibenden Angaben.

Die Feststellung zur Tante beruht darauf, dass der Beschwerdeführer ihren weiteren Verbleib in Pakistan in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.09.2019 bestätigt hat (Verhandlungsprotkoll S. 6). Nachdem der Beschwerdeführer dem nichts hinzugefügt hat, ist anzunehmen, dass auch unverändert - wie in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 18.10.2017 (AS 317) angegeben - unverändert Kontakt bzw. Kontaktmöglichkeiten bestehen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer ansonsten keine Angehörigen hat, beruht auf seinen gleichbleibenden Angaben im Verfahren. Unter Berücksichtigung seines Lebenswandels - der im Wesentlichen außerhalb Afghanistans stattgefunden hat - ist auch plausibel, dass er in Afghanistan weder Verwandte noch Bekannte hat und wurde eine entsprechende Feststellung getroffen.

Zum etwa einmonatigen Aufenthalt in Afghanistan hat der Beschwerdeführer bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 18.10.2017 angegeben, dass er etwa im Jahr 2014 etwa einen Monat in Kabul aufhältig war, um sich einen Reisepass für den Iran ausstellen zu lassen (AS 316). Auch brachte der Beschwerdeführer Kopien eines auf ihn ausgestellten Reisepasses in Vorlage (AS 77 ff.), der im November 2014 in Kabul ausgestellt wurde. Angesichts dieser Konsistenz erscheinen die Angaben des Beschwerdeführers plausibel.

2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge UNHCR-Richtlinien; siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel

2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019 (in der Folge: Länderinformationsblatt), Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.

Die Feststellungen zu Sicherheitslage in Ghazni ergeben sich im Wesentlichen aus dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.10. Ghazni, wo berichtet wird, Ghazni gehöre zu den besonders volatilen Provinzen, sowie von der Eroberung großer Teile Ghazni Stadts durch die Taliban, was zu heftigen Kämpfen zwischen Aufständischen und Regierung geführt habe. Auch ein Angriff auf Jaghuri und Malistan im November 2018 im Rahmen einer Taliban-Großoffensive findet Erwähnung. Auch berichtet wird, in Relation zu 2017 sei es im Jahr 2018 zu einem Abstieg ziviler Opfer um 84 % auf 653 zivile Opfer (253 Tote und 400 Verletzte) gekommen.

Die Feststellung, dass alle Distrikte von Talibanaktivitäten betroffen sind, beruht auf dem EASO COI Report, Afghanistan Security situation von Juni 2019 (Kapitel 2.10 Ghazni, S. 127 ff., insbesondere Tabelle auf S. 130). Diesem Bericht ist auch die Feststellung entnommen, dass zwar der Distrikt Malestan weitgehend unter Regierungskontrolle steht. Angesichts der Sicherheitslage in der Provinz, der hohen Präsenz Aufständischer in zahlreichen Distrikten und den häufig stattfindenden Kampfhandlungen und Luftangriffen erscheint jedoch die sichere Erreichbarkeit des Distriktes nicht gewährleistet, weswegen eine entsprechende Feststellung getroffen wurde.

Auf Grundlage der bereits zitierten Länderberichte wurde auch festgestellt, dass der Beschwerdeführer, im Fall einer Rückkehr in die Herkunftsregion der Gefahr ausgesetzt wäre, von Aufständischen angegriffen, misshandelt oder getötet zu werden oder im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung zu Tode zu kommen, misshandelt oder verletzt zu werden. Dies entspricht im Wesentlichen auch der Einschätzung der EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance), die das Gewaltniveau in der Provinz Ghazni als hoch und die Provinz als stark umkämpft und von Kampfhandlungen betroffen einstuft (Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Unterabschnitt Ghazni, S. 96-97; siehe auch die einführenden Erläuterungen zur Einstufung des Gewaltniveaus S. 82 ff. sowie Übersichtskarte S. 89).

Hinsichtlich der geringen Konfliktbetroffenheit von Mazar-e Sharif und Herat ist auf die EASO Country Guidance, die die beiden Städte als relativ sicher einstuft und von einem geringen Gewaltniveau berichtet (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence S. 28 f. sowie Unterabschnitt Herat, S. 99-100 sowie Unterabschnitt Balkh, S. 92-93). Die Feststellung zu den internationalen Flughäfen basiert auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel

3.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Internationale Flughäfen in Afghanistan). Der EASO Country Guidance lässt sich auch entnehmen, dass die Städte Mazar-e Sharif und Herat über ihre jeweiligen Flughäfen sicher erreicht werden können (Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel, V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Travel and admittance, S. 130 f.).

Aufgrund der relativ geringen Konfliktbetroffenheit und weil im Lauf des Verfahrens keine Hinweise auf eine spezifische Betroffenheit des Beschwerdeführers hervorgekommen sind, konnte für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat nicht festgestellt werden, dass diesem die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Feststellung zu den Folgen einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint.

Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, ethnischer und sprachlicher Hintergrund, Religion, das Vorhandensein von Identitätsdokumenten, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 135 ff.). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen, gesunden Mann ohne zusätzliche Verantwortung für andere Personen, bei dem die Teilnahme am Arbeitsmarkt grundsätzlich vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer hat allerdings in Pakistan lediglich acht Jahre die Schule besucht und auch im Bundesgebiet keinen Schulabschluss gemacht. Weiter verfügt der Beschwerdeführer über keine Berufsausbildung, hat er doch seine Lehre im Bundesgebiet noch nicht abgeschlossen und besucht aktuell auch noch die Berufsschule. Auch die Berufserfahrung des Beschwerdeführers ist gering. Zwar hat er in Pakistan einige Monate in einer Apotheke und ein bis zwei Monate als Koch gearbeitet und ist im Bundesgebiet nunmehr seit zwei Jahren als Kochlehrling beschäftigt. Die Berufserfahrung in Pakistan fällt allerdings nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts angesichts des damals noch sehr jungen Alters kaum ins Gewicht, während der Beschwerdeführer mit zwei Jahren Berufserfahrung im Bundesgebiet in einem Ausbildungsverhältnis zweifellos über sehr geringe Berufserfahrung verfügt. Damit ist insgesamt von einem sehr geringen Bildungs- und Ausbildungsniveau des Beschwerdeführers auszugehen. Insbesondere ist angesichts dessen nicht ersichtlich, dass er sich im Bundesgebiet (bereits) wesentliche Kenntnisse angeeignet hätte, die bei der Rückkehr eine Rolle bei der Arbeitsplatzssuche spielen könnten (Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Grundversorgung, Abschnitt Arbeitsmarkt).

Zur Gesundheitsversorgung ist dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass die primäre Gesundheitsversorgung in Afghanistan prinzipiell wenn auch nicht flächendeckend und von variierender Qualität kostenfrei verfügbar ist. Insbesondere wird berichtet, die medizinische Versorgung in großen Städten sei sichergestellt. Zudem besteht die Möglichkeit privater Behandlung. Auch von einer Verbesserung der Flächendeckung und Fortschritten der Versorgung wird berichtet und von der Verfügbarkeit auch psychiatrischer Behandlung in den größeren Städten des Herkunftsstaates. (Kapitel 22. Medizinische Versorgung). Ein diesbezügliches spezifisches Risiko für den Beschwerdeführer liegt angesichts dessen, dass er gesund ist, nicht vor.

Zur Arbeitsmarktsituation im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass sich diese als prekär darstellt. Das Länderinformationsblatt berichtet insbesondere von unzureichenden Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit, die mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt halten können, insbesondere Jugendliche hätten mit dieser Jobkriese zu kämpfen. Betont wird, dass insbesondere persönliche Kontakte eine wichtige Rolle bei der Arbeitssuche spielen. Es wird berichtet, es sei ohne soziale Netzwerke nicht möglich, einen Job zu finden. Arbeitgeber würden persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten, als formelle Qualifikationen. Finanzielle oder sonstige Unterstützung existiert dagegen bei Arbeitslosigkeit nicht (Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Grundversorgung, Abschnitt Arbeitsmarkt). Der Beschwerdeführer verfügt allerdings in Afghanistan nicht über Kontakte oder ein soziales Netzwerk (dazu nochmals sogleich), wobei hinzukommt, dass er auch keine formellen Qualifikationen aufweisen kann.

Zum Themenkreis Lebensmittelsicherheit und Armut berichtet das Länderinformationsblatt, dass rund 45 % der Bevölkerung von anhaltender und vorübergehender Lebensmittelunsicherheit betroffen sind, was in Relation zum Zeitraum 2011-2012 einen Anstieg um 15 % bedeutet. 54,5 % der Afghanen hätten im Zeitraum 2016-2017 unter der Armutsgrenze gelebt, was einen deutlichen Anstieg in Relation zu den Zeiträumen 2007-2008 mit 33,7 % und 2011-2012 mit 38,3 % bedeutet (Länderinformationsblatt, 21. Grundversorgung, Abschnitt Armut und Lebensmittelsicherheit).

Zur spezifischen Situation von Binnenflüchtlingen und Rückkehrern wird - vor dem Hintergrund der eben dargestellten allgemeinen Lage - berichtet, dass sich die innerstaatlichen Migrationsbewegungen aufgrund des bewaffneten Konfliktes und einer historischen Dürre im Jahresverlauf 2018 verstärkt haben. Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge und Rückkehrer würden in Flüchtlingslagen, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien unter prekären Bedingungen und mit eingeschränktem Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe leben. Ein Großteil sei auf humanitäre Hilfe angewiesen, der Zugang dazu aber begrenzt. Es fehle an Zugang zu grundlegendem Schutz, persönlicher und physischer Sicherheit sowie Unterkunft. Betont wird auch, dass für diese Personengruppen der die Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften, stark eingeschränkt seien. Mehr als 80 % bedürften der Lebensmittelhilfe (Länderinformationsblatt, Kapitel 20. IDPs und Flüchtlinge). Insbesondere Rückkehrer seien weniger selbsterhaltungsfähig, als die meisten anderen Afghanen und von den beschriebenen Problemen im Besonderen betroffen. Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke seien für Rückkehrer unentbehrlich. Neben der Familie als zentrale Stütze seien insbesondere Stamm, Clan und lokale Gemeinschaft relevant. Sie würden auf Zugehörigkeit zur Ethnie, Religion oder beruflichen Netzwerken sowie politischen Netzwerken etc. basieren. Ein Netzwerk sei für das Überleben in Afghanistan wichtig und seien Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn ein Rückgriff auf familiäre Netzwerke nicht möglich sei. Ein Mangel an Netzwerken stelle eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar und sei insbesondere für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen könne die Integration und Existenzgründung erschweren, wobei soziale und familiäre Netzwerke am Ankunftsort eine zentrale Rolle einnehmen würden, weil diese Integrationshemmnisse abfedern und die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt würden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt werde. Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland würden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Insbesondere für Rückkehrer, die lange Zeit im Ausland gelebt oder Afghanistan zusammen mit der gesamten Familie verlassen hätten, sei es wahrscheinlich, dass lokale Netzwerke nicht mehr existieren würden. Dadurch würde der Zugang zum Arbeitsmarkt stark erschwert, weil dieser maßgeblich von sozialen Netzwerke abhänge (Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr). Auch die UNHCR-Richtlinien heben die Bedeutung der Verfügbarkeit des Zuganges zu sozialen Netzwerken, bestehend aus der erweiterten Familie oder aus Mitgliedern seiner ethnischen Gemeinschaft zur Sicherung des wirtschaftlichen Überlebens (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.) hervor. Eine Unterstützung durch Mitglieder der ethnischen Gemeinschaft würde in der Regel konkrete früherer gesellschaftliche Beziehungen zu einzelnen Mitgliedern der betreffenden ethnischen Gemeinschaft voraussetzen. Die Prüfung müsse auch im Lichte der Stigmatisierung und Diskriminierung von Personen, die nach einem Aufenthalt im Ausland nach Afghanistan zurückkehren erfolgen (S. 124). Einzige Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung stellen den UNHCR-Richtlinien zufolge alleinstehende, leistungsfähige Männer ohne besondere Gefährdungsfaktoren dar (S. 125).

Vor diesem Hintergrund ist zu würdigen, dass der Beschwerdeführer den Herkunftsstaat als Säugling verlassen hat und seither lediglich einen Monat als Teenager in Afghanistan aufhältig war. Folglich ist nicht zu erwarten, dass er mit den dortigen örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten sowie den Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut ist, hat er doch die prägenden Jahre seiner Sozialisation außerhalb Afghanistans verbracht. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihm - trotzdem er im afghanischen Familienverband von Onkel und Tante aufgewachsen ist - bei lebensnaher Betrachtung nicht davon ausgegangen werden, dass ihm hierdurch ein für die Niederlassung ohne sozialen Anschluss ausreichender Bezug zu den afghanischen Gebräuchen und Traditionen, insbesondere in der aktuell gelebten Form, vermittelt wurde. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer über ein tragfähiges soziales Netzwerk im Herkunftsstaat nicht verfügt. So sind keine Familienangehörigen im Herkunftssaat aufhältig und kann der Beschwerdeführer, nachdem er in Afghanistan im Wesentlichen nicht gelebt hat, auch nicht auf konkrete frühere gesellschaftliche Beziehungen zurückgreifen. Damit wäre der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat auf sich allein gestellt, und würde die nach den oben zitierten Berichten besonders erforderliche Unterstützung bei der Verinnerlichung der erforderlichen sozialen Fähigkeiten nicht erhalten, hätte mangels Gewährmänner besonders erschwerten Zugang zum ohnehin prekären afghanischen Arbeitsmarkt , während er bedingt durch seine Rückkehr aus Europa ohnehin bereits mit besonderem Misstrauen und Diskriminierung zu rechnen hätte.

Diese Überlegungen decken sich auch mit der Einschätzung der EASO Country Guidance, die für Afghanen, die lange außerhalb des Landes gelebt haben, eine Niederlassung ohne soziales Netzwerk, dass das essentielle lokale Wissen und damit den Zugang zur Lebensgrundlage vermittelt, verunmöglicht sein könnte (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, insbesondere S. 139).

In einer Zusammenschau der erläuterten aus den spezifischen individuellen Merkmalen (Diskriminierung und Misstrauen als Rückkehrer aus Europa, fehlende lokale Kenntnisse, geringer Bildungsstand, kein soziales Netzwerk.) des Beschwerdeführers resultierenden besonderen Gefährdungsfaktoren, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Ausnahme vom Erfordernis einer externen Unterstützung nach den UNHCR-Richtlinien nicht greift (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 125). Der Beschwerdeführer wäre von der oben dargelegten allgemein prekären Situation (Arbeitsmarkt, Armut, Versorgungslage, etc.) in besonderem Maße betroffen, weswegen nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer - anders als jene afghanischen Staatsangehörigen, die zumindest längere Lebensabschnitte in Afghanistan verbracht haben oder über ein tragfähiges soziales Netzwerk verfügen - in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) Fuß fassen und ein Leben ohne unbillige Härte wird führen können und es ist im Fall einer dortigen Ansiedelung sehr wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung und Kleidung nicht befriedigen wird können und in eine ausweglose Situation gerät, die er auch nicht wird überwinden können. Folglich wurde eine entsprechende Feststellung getroffen.

Dass grundsätzlich Rückkehrhilfe zur Verfügung steht, vermag diese Problematik nicht dauerhaft abzufedern, nachdem diese - wie etwa dem Länderinformationsblatt zu entnehmen ist - äußerst beschränkt in Umfang und Dauer gewährt wird und insbesondere nicht gewährleistet ist, dass der Beschwerdeführer davon in ausreichendem Maße erreich würde. So wird berichtet, dass zahlreiche Rückkehrer nicht erreich werden und auch, dass ein wirkungsvoller Koordinierungsmechanismus nicht existiert (Kapitel 23. Rückkehr, insbesondere Abschnitte Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung und Unterstützung durch IOM).

Zur Plausibilität, Seriosität und Aktualität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und auch EASO in den vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Normen durch explizite Nennung als Quelle für Herkunftslandinformationen besonders hervorgehoben wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die zitierten Berichte mit der Ladung in das Verfahren eingebracht. Hinsichtlich des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, ist insbesondere davon auszugehen, dass der belangten Behörde als Erstellerin des Berichtes der Inhalt hinlänglich bekannt ist, während die Informationen ausschließlich zugunsten des Beschwerdeführers herangezogen wurden. Folglich stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Verfahrenseinstellung hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl):

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein beim Verwaltungsgericht anhängiges Beschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen, wenn die Beschwerde rechtswirksam zurückgezogen wird (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).

Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 03.09.2019 war das Beschwerdeverfahren hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides daher mit Beschluss einzustellen.

3.2. Zur Stattgebung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei - obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt - nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens - den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet - nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf viel mehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109 m.w.N.). Es obliegt dabei der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines solchen Risikos nachzuweisen. Es reicht nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/20/0191).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/14/0196).

3.2.1. Zur Rückkehr in die Herkunftsprovinz:

Für den Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsregion ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer die Gefahr droht, aufgrund der starker Betroffenheit der Herkunftsprovinz vom innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Demnach droht dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr die reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte im Sinne der oben zitierten Judikatur.

3.2.2. Zum Nichtvorliegen einer Innerstaatlichen Fluchtalternative:

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden. Einerseits muss geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Die zweite Voraussetzung für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bildet nach der Judikatur des VwGH die Frage, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN). Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen, wäre die innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts in diesem Gebiet zu verneinen.

Das Kriterium der Zumutbarkeit ist in unionsrechtskonformer Auslegung gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, nämlich, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss es dem Asylwerber im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten möglich sein, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (Zuletzt VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533).

Fallbezogen ist dazu auszuführen, dass sich für die Städte Mazar-e Sharif und Herat aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, dass bedingt durch die relative geringe Betroffenheit der genannten Städte vom Konflikt für den Fall einer dortigen Niederlassung des Beschwerdeführers eine Gefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG nicht vorliegt.

Aufgrund der umfassenden beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit den zu erwartenden individuellen Lebensumständen des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wurde allerdings festgestellt, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund seiner persönlichen Umstände (fehlendes soziales Netzwerk, fehlende Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse, zu erwartende Diskriminierung und Misstrauen als Rückkehrer aus Europa, geringe Schuldbindung, fehlende Berufsausbildung, etc.) und der Schwierigkeiten und Diskriminierungen, die diese nach sich ziehen unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat nicht möglich ist, sich im Sinne der obigen Judikatur im Herkunftsstaat niederzulassen, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Eine Ansiedelung in den als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebieten - Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) - ist dem Beschwerdeführer nach der oben zitierten Judikatur daher nicht zumutbar und das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Möglichkeit, den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat auf die Inanspruchnahme einer dortigen innerstaatlichen Fluchtalternative zu verweisen.

Der Beschwerde war daher hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides spruchgemäß stattzugeben und dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu erteilen.

3.2.3. Zur befristeten Aufenthaltsberechtigung:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Das Bundesverwaltungsgericht erkannte dem Beschwerdeführer mit vorliegendem Erkenntnis den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr zu erteilen war.

4. Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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