TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/25 W203 2197961-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.11.2019
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Entscheidungsdatum

25.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W203 2197961-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX 1992, StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2018, Zl. 1113111604/160607134, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.10.2019 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 29.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 29.04.2016 wurde der Beschwerdeführer durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstbefragung unterzogen. Dabei gab er an, dass er am XXXX 1992 in Maschad im Iran geboren und ledig sei. Er gehöre der islamischen Glaubensgemeinschaft an und habe 4 Jahre lang im Iran die Grundschule besucht. Seine Eltern sowie zwei Brüder und eine Schwester des Beschwerdeführers würden noch in Afghanistan leben.

Befragt nach seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an: "Ich habe Angst vor den Taliban dass sie mich umbringen. Außerdem herrscht Krieg". Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan fürchte er um sein Leben.

3. Am 27.04.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen dieser Befragung gab er an, dass er der Volksgruppe der Tadschiken angehöre und schiitischer Moslem sei. Er habe bis zu seinem 20. Lebensjahr im Iran gelebt und dort vier Jahre lang eine iranische Schule besucht und anschließend bis zu seiner Ausreise aus dem Iran als Schneiderlehrling gearbeitet. In Afghanistan habe er in der Provinz Herat im Distrikt Karokh im Dorf XXXX gelebt. Er habe dort bis zu seiner Ausreise in der Landwirtschaft seines Vaters gearbeitet. Seine Familie würde sich aktuell im Iran aufhalten.

In Österreich habe der Beschwerdeführer eine Verlobte, die aus Afghanistan stamme und anerkannter Flüchtling sei.

Er habe im Herbst 2015 Afghanistan verlassen und sei dann ca. 9 Monate unterwegs gewesen, bis er in Österreich angekommen wäre.

Als Fluchtgrund nannte der Beschwerdeführer, dass ihn der Mullah seines Dorfes habe töten wollen. Die zwei jüngeren Brüder des Beschwerdeführers seien in einer Moschee im Nachbardorf unterrichtet worden, dort seien diese immer wieder geschlagen worden, weil sie Schiiten gewesen seien. Eines Tages - als seine jüngeren Brüder wieder einmal geschlagen worden wären, sodass sie am ganzen Körper blaue Flecken gehabt hätten - sei der Beschwerdeführer darüber wütend gewesen und in die Moschee gegangen, um den Mullah zu fragen, warum er die Kinder schlagen würde. Der Mullah habe sein Vorgehen damit begründet, dass die Kinder nur auf diese Weise etwas lernen würden und angekündigt, dass er die Kinder so lange weiter schlagen würde, bis diese den Koran lesen könnten. Der Beschwerdeführer habe dem entgegnet, dass es der Koran nicht wert sei, dass die Kinder deswegen geschlagen werden, woraufhin er vom Mullah als "Ungläubiger" bezeichnet worden sei. Er sei vom Mullah und drei oder vier weiteren in der Moschee anwesenden Personen dermaßen verprügelt worden, dass er einen Schädelbruch und eine offene Wunde am Oberarm erlitten und mehrere Zähne verloren habe. Mit der Hilfe weiterer anwesender Personen habe sich der Beschwerdeführer befreien können und sei nach Hause geflüchtet. Während des anschließenden, ca. sechs bis sieben Stunden dauernden Krankenhausaufenthalts habe er erfahren, dass nach ihm gesucht werde. Auf Nachfrage seines Vaters, warum er gesucht werde, habe der Beschwerdeführer darüber berichtet, dass er den Koran beleidigt habe. Die Dorfältesten hätten dem Vater des Beschwerdeführers gegenüber geäußert, dass er seinen Sohn ausliefern müsse, damit dieser gesteinigt werden könne. Der Beschwerdeführer habe sich dann ca. einen Monat lange bei einem Onkel versteckt. Während dieser Zeit seien immer wieder Leute zum Vater des Beschwerdeführers gekommen, um nach dem Aufenthaltsort desselben zu Fragen.

Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auch deswegen fürchte, getötet zu werden, weil er seit ca. einem Jahr und sieben Monaten Christ sei. Auf Nachfrage, warum er den Umstand, dass er Christ sei, erst jetzt erwähne, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht danach gefragt worden sei. Er sei durch seine damalige Verlobte, die ebenfalls konvertiert wäre, auf das Christentum aufmerksam geworden und habe öfter gemeinsam mit dieser die Gottesdienste besucht. Seitdem er begonnen habe, die Bibel zu lesen, sei er viel ruhiger und sanfter geworden und fühle er sich sehr wohl. Er konnte das Neue und das Alte Testament benennen und die "Geburt Jesu Christi", Ostern und Pfingsten als die wichtigsten kirchlichen Feiertage anführen sowie, dass das nächste kirchliche Fest Pfingsten sei. Als Nachweis für seine Konversion zum Christentum legte der Beschwerdeführer einen Taufschein vor, gemäß dem er am 25.12.2016 in der Evangelischen Pfarrgemeinde A.u.H.B. in XXXX getauft worden sei. Die Familie des Beschwerdeführers wisse über dessen Konversion Bescheid, sein Vater sei nicht erfreut darüber.

Er sei deswegen geflüchtet, weil er in Afghanistan als "Ungläubiger" angesehen werde.

4. Mit Bescheid vom 02.05.2018, Zl. 1113111604/160607134, (im Folgenden: angefochtener Bescheid) wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt I) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und es wurde gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass dem Beschwerdeführer als Person "absolut keine Glaubwürdigkeit" zugesprochen werden könne, und zwar aus folgenden Erwägungen: Bei der Erstbefragung habe der Beschwerdeführer den Vorfall mit dem Mullah nicht erwähnt, sondern lediglich "Angst vor den Taliban" als Fluchtgrund geltend gemacht. Wenn derartig gravierende Fakten bei der Erstbefragung nicht einmal ansatzweise erwähnt würden, sei davon auszugehen, dass das erst später erstmals Vorgebrachte nicht den erlebten Tatsachen entsprechen könne. Auch den angeblichen Raufhandel habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft darlegen können, was ebenfalls gegen dessen Glaubwürdigkeit spreche. Die Frage nach seinem bisherigen Lebenslauf habe der Beschwerdeführer nur sehr vage und oberflächlich und ohne Detailangaben beantwortet, was ebenfalls darauf schließen lasse, dass dieser mit Vorsatz habe vermeiden wollen, sich in Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten zu verwickeln. Weiters habe der Beschwerdeführer auch mit keinem Wort erwähnt, warum er im Alter von ca. 20 Jahren den Iran verlassen habe, was aber bei einem so großen Einschnitt im Leben durchaus zu erwarten gewesen wäre. Dass der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben zu seinem Geburtsdatum gemacht habe, sei in keinster Weise nachvollziehbar, und somit ein weiteres Indiz für dessen Unglaubwürdigkeit.

Die - angebliche - Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum sei nur erfunden, um sich Vorteile im Verfahren zu verschaffen, was sich daraus ableiten lasse, dass er diese erst nach Zuruf und kurz vor Ende der Befragung erstmals erwähnt habe. Der Beschwerdeführer habe auch jegliches Wissen über seine angebliche neue Religion vermissen lassen. So habe er die Bibel lediglich "das Buch" genannt und dessen Aufteilung in Altes und Neues Testament nicht gekannt. Erst auf Nachfrage habe er den nächsten Feiertag benennen können, die Sakramente habe er gar nicht gekannt. Dem Beschwerdeführer sei jegliche innere Überzeugung vom Christentum abzusprechen. Auch hinsichtlich des Wissensstandes seiner Familie über dessen Konversion habe sich der Beschwerdeführer in Widersprüche verstrickt.

Auch die Schilderungen des Beschwerdeführers über die Rauferei in der Moschee seien nicht lebensnah. So würden die jeweiligen Altersangaben betreffend seine beiden jüngeren Brüder nicht stimmig sein und auch der Umstand, dass ihm im Zuge des Raufhandels plötzlich fremde Männer zu Hilfe gekommen sein sollten, sei nicht nachvollziehbar. Es sei auch "nahezu auszuschließen, wenn auch denkbar", dass sich der Beschwerdeführer das Recht herausgenommen habe, seinen Vater als Familienoberhaupt zu übergehen und selbst den Mullah direkt mit den Misshandlungen seiner beiden Brüder zu konfrontieren. Nicht glaubhaft sei weiters, dass der Beschwerdeführer mit einem angeblichen Schädelbruch nach Hause gelaufen sein sollte und der anschließende Krankenhausaufenthalt nur sechs oder sieben Studien gedauert habe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum der Vater des Beschwerdeführers aufgrund seiner Weigerung, seinen Sohn an die Dorfältesten auszuliefern, zunächst geschlagen sein worden sollte, während er in der Folge nur mehr belästigt, aber nicht mehr geschlagen worden sei. Tatsächlich wäre viel mehr zu erwarten, dass sich in so einer Konstellation "die Gewaltspirale weiterdrehen" würde.

Der nunmehr angefochtene Bescheid wurde am 08.05.2018 zugestellt.

5. Gegen den angefochtenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 30.05.2018 fristgerecht Beschwerde. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe hinsichtlich der drohenden Verfolgung wegen angenommener Verwestlichung und Apostasie sowie hinsichtlich der Sicherheitslage in Afghanistan. Zum Beweis für seine Konversion zum Christentum habe der Beschwerdeführer einen Taufschein vorgelegt und werde auch die Einvernahme des Pfarrers, der den Beschwerdeführer getauft habe, als Zeuge beantragt. Dem Beschwerdeführer sei auch zu Unrecht seine Glaubwürdigkeit abgesprochen worden und es sei eine unrichtige rechtliche Beurteilung erfolgt.

6. Einlangend am 11.06.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

7. Am 15.10.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der der Beschwerdeführer bzw. dessen Vertretung sowie die belangte Behörde als Parteien und XXXX , Pfarrer im Ruhestand (im Folgenden: Z1) und XXXX (im Folgenden: Z2) als Zeugen geladen waren. Ein Vertreter der belangten Behörde erschien zur Verhandlung nicht.

Im Zuge der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er Christ sei. Vor ca. drei Monaten habe er geheiratet. Seine Frau habe den Status einer Asylberechtigten, weil sie noch während ihrer Zeit in Afghanistan zum Christentum konvertiert und deswegen geflohen sei.

Gefragt nach seinen Fluchtgründen wiederholte der Beschwerdeführer den bereits bei der Befragung durch die belangte Behörde vorgebrachten Vorfall mit dem Mullah in der Moschee. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass sich dessen Vater nicht dafür interessiert habe, was mit den beiden jüngeren Brüdern desselben in der Moschee geschehe. Er selber habe es aber nicht mitansehen können, dass seine Brüder geschlagen worden wären. Der Beschwerdeführer sei in Afghanistan kein streng gläubiger Moslem gewesen. Beim Vorfall in der Moschee sei er so "angefressen" gewesen, dass er nicht daran gedacht habe, die Schuhe vor dem Betreten der Moschee auszuziehen.

Er sei zum Christentum konvertiert und sehe im Christentum viele Vorteile gegenüber dem Islam, vor allem in Form der Nächstenliebe. Die Taufvorbereitung habe ca. 5 bis 6 Monate gedauert. Nachgefragt nach seiner liebsten Bibelstelle berichtete der Beschwerdeführer über das Gleichnis vom "Verlorenen Sohn". Die Taufvorbereitung habe er gemeinsam mit etwa 10 bis 12 anderen Personen - Afghanen und Iranern - absolviert. Er bete regelmäßig und sein bevorzugtes Gebet sei das "Vater unser". Er konnte Jesus Christus als zentrale Person des Christentums benennen und auch über einige Eckdaten im Leben Jesu berichten. Er wusste über die höchsten christlichen Feste Bescheid. Bis vor ca. zwei oder drei Monaten sei er regelmäßig in die Kirche gegangen, jetzt, da er etwas weiter entfernt wohne, schaffe er es nur mehr ein- bis zweimal pro Monat. Er würde auch in seinem Freundes- und Bekanntenkreis über seine Religion reden und seinen Glauben nach außen zeigen. Seine Familie wisse über den Wechsel der Religion Bescheid und er würde seine Konversion auch in Afghanistan zugeben.

Der Z1 gab an, dass er den Beschwerdeführer ca. im März 2015 kennengelernt habe, als dieser - zusammen mit seiner damaligen Verlobten - in den wöchentlich stattfindenden Glaubenskurs gekommen sei. Er habe den Beschwerdeführer als stillen, ruhigen und freundlichen Menschen wahrgenommen. Er sei jeden Sonntag zum Gottesdienst gekommen. zweimal pro Woche habe der Z1 Kontakt mit dem Beschwerdeführer gehabt. Durch den regelmäßigen Kontakt mit dem Beschwerdeführer, der im Glaubenskurs immer anwesend gewesen sei und auch regelmäßig die Gottesdienste besucht habe, sehe man auch, ob jemand große Anteilnahme am christlichen Glauben signalisiere und ob er es ernst meine. Eine sechsmonatige, intensive Taufvorbereitung sei aus der Sicht des Z1 ausreichend, außerdem stelle die Taufe keinen Abschluss dar, sondern die Leute würden auch anschließend weiterhin in die Kirche kommen. Er würde nur Leute taufen, von denen er überzeugt sei, dass sie es ernst meinten mit dem christlichen Glauben.

Die Z2 gab an, dass sie seit Jahren so etwas wie eine "Ersatzmutter", zunächst für die nunmehrige Ehefrau des Beschwerdeführers und dann auch für diesen selbst, sei. Sie denke, dass der Beschwerdeführer mittlerweile ein sehr tiefgläubiger Mensch sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu dessen Situation im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er hat vier Jahre die Grundschule sowie eine Lehre als Schneider absolviert. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan hat der Beschwerdeführer in der Landwirtschaft seines Vaters mitgearbeitet.

Er wurde als schiitischer Moslem geboren und wurde am 25.12.2016 in der Evangelischen Pfarrgemeinde in XXXX getauft.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich geheiratet und hat keine Kinder.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers (Eltern und Geschwister) lebt im Iran, einige Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben noch in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer hat kurz bevor er Afghanistan verlassen hat im Zuge einer Streitigkeit mit einem Mullah den Koran beleidigt

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im ganzen Land die Gefahr, aufgrund eines asylrechtlich relevanten Grundes, nämlich seiner religiösen Gesinnung, verfolgt zu werden.

Für den Beschwerdeführer besteht in Afghanistan keine innerstaatliche Fluchtalternative.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Aufgrund der aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan ("Gesamtaktualisierung am 29.06.2018", zuletzt aktualisiert am 01.03.2019):

Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.08.2017).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.08.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.02.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.05.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.08.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.05.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.08.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.04.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.08.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.08.2017).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.08.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.08.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.08.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.08.2017).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.08.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.08.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.08.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.08.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.04.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.08.2017).

[...]

Christentum und Konversionen zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.08.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 08.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.08.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5.2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.08.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.04.2014; vgl. CNN 24.04.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5.2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.08.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9.2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansäßige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.08.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5.2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.08.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.08.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).

Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.02.2015; vgl. BBC 15.10.2014). Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam (CSR 13.12.2017).

[...]

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu dessen Fluchtgründen:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und (früheren) Religionszugehörigkeit, zur Herkunft und zu den Familienverhältnissen des Beschwerdeführers stützen sich auf die diesbezüglich im Wesentlichen gleichbleibenden und übereinstimmenden Angaben im gesamten Verfahren, die - zum Teil - bereits von der Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt wurden.

Die Feststellungen zur Schul- und Berufsausbildung und zu den vom Beschwerdeführer ausgeübten Beschäftigungen ergeben sich aus dessen schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben, die er während des gesamten Verfahrens gleichbleibend und widerspruchsfrei tätigte.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer getauft wurde, ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Taufschein sowie aus der Aussage des Z1.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer eine Auseinandersetzung mit dem örtlichen Mullah hatte und in der Folge - aus Sicht der bei diesem Vorfall anwesenden Personen - den Koran beleidigt hat, ergibt sich aus dem diesbezüglich während des gesamten Verfahrens einschließlich der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gleichlautenden Vorbringen des Beschwerdeführers. Dabei ist es dem Beschwerdeführer in seiner Beschwerde und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht weitgehend gelungen, die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid im Rahmen der Beweiswürdigung aufgezeigten (vermeintlichen) Unklarheiten abzuklären bzw. die (vermeintlichen) Widersprüchlichkeiten aufzulösen, und zwar aus folgenden Erwägungen:

Soweit die belangte Behörde dem Beschwerdeführer dessen Glaubwürdigkeit insofern in Abrede stellt, als er den Vorfall mit dem Mullah nicht bereits im Zuge der polizeilichen Erstbefragung erwähnt hat, ist dem zum einen entgegenzuhalten, dass die Erstbefragung nicht dazu dient, bereits näher auf die Fluchtgründe einzugehen und wurde offenbar genau aus diesem Grund im Rahmen der Erstbefragung auch nicht weiter nachgefragt, worauf sich die Angst des Beschwerdeführers konkret gründet. Zum anderen hat der Beschwerdeführer bereits bei der Erstbefragung die "Angst vor den Taliban" als wesentliches Fluchtmotiv genannt, was zumindest nicht im Widerspruch dazu steht, dass der Beschwerdeführer Verfolgung aufgrund der - ihm zumindest unterstellten - Beleidigung des Korans fürchtet, weil gerade die Vertreter der Taliban darauf bedacht sind, dass die im Koran vorgegebenen Regeln und Lebensweisen eingehalten werden und Zuwiderhandelnde dementsprechend streng bis hin zur Tötung bestrafen.

Nicht nachvollziehbar ist für das erkennende Gericht, warum sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht von sich aus und aus freien Stücken mehr "Details über sein Leben", wie z.B. den Grund für die Übersiedlung vom Iran nach Afghanistan oder über seinen Familienstand und seine Verwandtschaft preisgegeben habe, ableiten lassen soll, dass dessen Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen sei. Vielmehr wurde der Beschwerdeführer sowohl bei der polizeilichen Ersteinvernahme als auch bei der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde ausführlich zu seinem Familienstand und zu seinen verwandtschaftlichen Verhältnissen befragt und hat dieser die Fragen auch ordnungsgemäß beantwortet. Außerdem ist festzuhalten, dass zentrales Thema im Rahmen eines Asylverfahrens der Fluchtgrund ist, sodass die Motive für eine Übersiedlung in das Herkunftsland mehrere Jahre vor dem Fluchttermin nicht zwingend von Relevanz sein müssen und daher auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieses Thema vom Beschwerdeführer auch ohne entsprechende Nachfrage durch die Behörde von sich aus angesprochen hätte werden müssen.

Nicht nachvollziehbar ist weiters, inwiefern die von der Behörde angesprochene Widersprüchlichkeit hinsichtlich des Geburtsdatums des Beschwerdeführers für den Ausgang des gegenständlichen Verfahrens von Relevanz sein sollte, da nicht maßgeblich ist, ob der Beschwerdeführer am XXXX .1992 oder aber am XXXX .1992 geboren ist. In beiden Fällen ist der Beschwerdeführer jeweils zum Antragszeitpunkt bereits längst nicht mehr minderjährig gewesen, sodass es auch aus Sicht des Beschwerdeführers wenig sinnvoll erscheinen würde, bezüglich des Geburtsdatums bewusst unterschiedliche, noch dazu nur wenige Monate voneinander abweichende Angaben mit dem Hintergedanken zu machen, sich dadurch eine bessere Ausganslage im Asylverfahren zu verschaffen.

Auch die auf den ersten Blick nicht stimmigen Altersangaben betreffend die beiden jüngeren Brüder des Beschwerdeführers sind nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht ausreichend, um diesem die Glaubwürdigkeit als Person abzusprechen, da bekannt ist, dass Geburtsdaten und Zeitangaben in Afghanistan keine besondere Bedeutung zukommen. So wissen Personen aus diesem Kulturkreis oft nicht einmal genau über ihr eigenes Geburtsdatum Bescheid, sodass umso weniger erwartet werden kann, dass sie die diesbezüglichen Daten ihrer nahen Angehörigen exakt kennen. Außerdem hat der Beschwerdeführer bei der Befragung vor der belangten Behörde nur ungefähre Angaben (vgl. die Verwendung des Wortes "ca.") darüber machen können, wie alt die beiden Brüder zum Zeitpunkt des Schuleintritts gewesen sind, was ebenfalls zu einer gewissen Unschärfe der diesbezüglichen Angaben beiträgt.

Auch das Vorbringen betreffend die Geschehnisse in der Moschee erscheinen aus Sicht des erkennenden Gerichts plausibel und nachvollziehbar und konnte der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung die sich aus dem Verfahrensakt ergebenden (scheinbaren) Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten abklären. So konnte der Beschwerdeführer glaubhaft vorbringen, dass dessen Vater als Angehöriger der "älteren Generation" kein Problem mit den vom Mullah angewendeten Erziehungsmethoden gegenüber den Kindern hatte, sodass es der Beschwerdeführer selbst in die Hand nahm, diesbezüglich Kontakt mit dem Mullah aufzunehmen, ohne sich vorab mit seinem Vater darüber abzusprechen. Auch ist die belangte Behörde wohl zu Recht davon ausgegangen, dass es äußerst unwahrscheinlich erscheint, dass der Beschwerdeführer mit einem Schädelbruch in der Lage gewesen wäre, selbst von der Moschee nach Hause zu laufen. Diesbezüglich hat sich aber im Zuge der Befragung während der mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass der in der Niederschrift der belangten Behörde verwendete Ausdruck "Schädelbruch" nicht wörtlich zu nehmen ist, sondern dass darunter eher allgemein eine Kopfverletzung zu verstehen ist. So hat der Beschwerdeführer bereits bei der freien Schilderung seiner Fluchtgründe vor dem erkennenden Gericht nicht mehr dezidiert von einem "Schädelbruch" gesprochen, sondern angegeben, dass er im Zuge der Streitigkeit mit dem Mullah in der Mosche "am Kopf verletzt" worden sei, und dass er "am Kopf geblutet" habe und in erster Linie die ausgeschlagenen bzw. verletzten Zähne als die schwersten Verletzungen angesprochen, die er dabei erlitten habe. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer - auch bereits bei der Einvernahme durch die belangte Behörde - gleichlautend angegeben hat, dass er zu keinem Zeitpunkt das Bewusstsein verloren hatte, sowie, dass der anschließende Krankenhausaufenthalt nur wenige Studien dauerte, deuten darauf hin, dass die erlittenen Kopfverletzungen nicht allzu schwer gewesen sein dürften. Es ist also davon auszugehen, dass der in der Niederschrift der belangten Behörde angeführte "Schädelbruch" - möglicherweise aufgrund einer Unschärfe bei der Übersetzung bzw. aufgrund der in der Muttersprache des Beschwerdeführers nicht klar differenzierenden Begrifflichkeiten - nicht wörtlich, gemäß dem Verständnis im deutschen Sprachgebrauch zu nehmen ist, sondern dass damit eine im Zuge des Streits erlittene, blutende Kopfwunde angesprochen wurde.

Dass der Beschwerdeführer sich schließlich durch die Hilfe ihm fremder Personen aus seiner bedrohlichen Lage retten konnte erscheint insofern nicht ungewöhnlich, als es durchaus üblich und nachvollziehbar ist, dass im Falle eines eskalierenden Konflikts anwesende Personen, die die Ereignisse beobachten, zu Hilfe eines wehrlosen Opfers einschreiten, um größeren Schaden von diesem abzuwenden. Insofern erweist sich auch das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zwingend als nicht glaubhaft, umso mehr deswegen, weil gegenständlich gemäß Vorberingen des Beschwerdeführers die Gruppe der Helfer nicht ausschließlich aus fremden Personen bestand, sondern sich darunter auch ein Freund des Vaters des Beschwerdeführers befand.

Schließlich lässt auch der Umstand, dass laut Angeben des Beschwerdeführers nach dem Vorfall in der Moschee dessen Vater zunächst tätlich angegriffen, später aber nur mehr "belästigt", aber nicht mehr körperlich attackiert worden sein soll, nicht zwingend auf die allgemeine Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers schließen. Zum einen ist die diesbezügliche Annahme im angefochtenen Bescheid, dass viel eher umgekehrt in einer Art Gewaltspirale davon auszugehen wäre, dass die Bedrohungen und Angriffe gegen den sich weigernden Vater des Beschwerdeführers, dessen Aufenthaltsort bekanntzugeben, sich im Laufe der Zeit verstärken und intensivieren hätten müssen, rein hypothetisch und spekulativ. Zum anderen war der Beschwerdeführer unmittelbar nach den Geschehnissen in der Moschee zunächst einen Monat lang bei einem Onkel versteckt, bevor er das Land verlassen hat, sodass er nicht unmittelbar Zeuge der Bedrohungen bzw. Angriffe gegenüber seinem Vater gewesen sein konnte, sondern darüber nur mittelbar durch Schilderungen seines Vaters oder sonstiger Augenzeugen Informationen darüber bekommen haben konnte. Insofern ist auch hinsichtlich der Detailgenauigkeit des diesbezüglichen Vorbringens kein allzu strenger Maßstab anzulegen.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend den Vorfall mit dem Mullah in der Moschee inklusive der den Koran abwertenden Äußerungen und die daraus - aus Sicht des Mullahs und seiner Gefolgsleute - resultierende Schlussfolgerung, dass es sich bei diesem um einen "Ungläubigen" handle, den Tatsachen entspricht.

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer in ganz Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung auf Grund seiner religiösen Gesinnung - nämlich aufgrund seines Abfalls vom Islam - drohen würde, beruht auf folgenden Erwägungen: Der Beschwerdeführer hat gleich mehrfach und massiv gegen die für Moslems geltenden religiösen Vorschriften und Gebote verstoßen, wobei dieses Verhalten sowohl vom Mullah als auch von mehreren sonstigen vor Ort anwesenden Personen wahrgenommen wurde. So hat er nicht wie üblich vor Betreten der Moschee seine Straßenschuhe ausgezogen und auch zum Ausdruck gebracht, dass der Inhalt des Korans weniger wichtig wäre, als den Kindern eine gediegene Schulausbildung zukommen zu lassen. Weiters ist er gegen den Mullah, einen hohen geistigen Würdenträger im Islam, im Zuge einer Streitigkeit handgreiflich geworden. Auf Grund dieses vom Beschwerdeführer in der Öffentlichkeit gesetzten Verhaltes - insbesondere aufgrund der Herabwürdigung des Korans - ist davon auszugehen, dass dieser von seinem Umfeld als "Ungläubiger", also als jemand, der vom "wahren Glauben" abgefallen ist, angesehen wird. Wie sich aus den aktuellen Länderberichten der Staatendokumentation ergibt, stellt der "Abfall vom wahren Glauben" ("Apostasie") in Afghanistan ein besonders schweres Vergehen dar, welches auch mit dem Tod bestraft werden kann. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der Vater des Beschwerdeführers unmittelbar nach den Geschehnissen in der Moschee aufgefordert wurde, den Beschwerdeführern auszuliefern, damit dieser als "Ungläubiger" gesteinigt werden könne. Aufgrund der besonderen Schwere der Vergehen, die dem Beschwerdeführer angelastet werden, sowie aufgrund des Umstandes, dass die Taliban, denen der mit dem Beschwerdeführer in Streit geratene Mullah offenbar nahesteht, über ein weit verzweigtes Netzwerk im ganzen Land verfügen, besteht die Gefahr einer Verfolgung für den Beschwerdeführer in ganz Afghanistan, sodass eine innerstaatliche Fluchtalternative für diesen nicht gegeben ist.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauskunft, den eigenen Angaben des Beschwerdeführers und dem Akteninhalt.

2.2. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan:

Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterials und auf Grund des glaubhaften Vorbringens des Beschwerdeführers davon aus, dass diesem auf Grund seines - ihm zumindest unterstellten - Abfalls vom Islam im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen mit maßgeblicher Intensität drohen würden.

Aufgrund der obigen Ausführungen war auf die weiteren vorgebrachten Fluchtgründe des Beschwerdeführers - insbesondere auf die drohende Verfolgung wegen der in Österreich erfolgten Konversion zum Christentum - aus verfahrensökonomischen Gründen sowie aufgrund von Entscheidungsreife nicht weiter einzugehen und konnten weitere Ermittlungen und (daran anknüpfende) Feststellungen somit entfallen.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan ergeben sich aus den herangezogenen Länderberichten, die der Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Die Verfahrensparteien sind deren Richtigkeit nicht entgegengetreten. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter, teilweise vor Ort agierender staatlicher und nicht staatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Sie sind zu begründen.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Gemäß Art. 5 Abs. 1 der Statusrichtlinie, die mit § 3 Abs. 2 AsylG 2005 umgesetzt wird, kann die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Antragsteller das Herkunftsland verlassen hat. Gemäß Art. 5 Abs. 2 leg. cit. kann die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Herkunftslandes beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.

§ 3 Abs. 2 AsylG 2005 bestimmt - in Anlehnung an Art. 5 Abs. 1 der Statusrichtlinie - nunmehr ausdrücklich, dass die Verfolgung aus Nachfluchtgründen resultieren kann, und unterscheidet zwischen objektiven und subjektiven Nachfluchtgründen. Unter dem Begriff "subjektive Nachfluchtgründe" wird von § 3 Abs. 2 AsylG 2005 - in Anlehnung an Art. 5 Abs. 2 der Statusrichtlinie - eine Verfolgung verstanden, die auf Aktivitäten beruht, die der Fremde seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind. Eine Einschränkung des Flüchtlingsbegriffes ergibt sich daraus nicht; aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ist abzuleiten, dass auch Aktivitäten relevant sein können, die nicht Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (vgl. Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, K62 zu § 3).

3.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterials und auf Grund des glaubhaften Vorbringens des Beschwerdeführers (siehe dazu näher unter "Beweiswürdigung") davon aus, dass dem Beschwerdeführer auf Grund seiner ihm unterstellten religiösen Gesinnung - nämlich seiner "Ungläubigkeit" - in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen maßgeblicher Intensität drohen würden.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Mit seinem Vorbringen, in seinem Herkunftsstaat aufgrund der Vorfälle in der Moschee als "Ungläubiger" angesehen zu werden, und deswegen im Falle einer Rückkehr in Afghanistan aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht der Beschwerdeführer den Fluchtgrund der Verfolgung aus religiösen Gründen geltend.

Ausschlaggebend ist, ob die religiöse Einstellung des Asylwerbers - hier: die ihm unterstellte Ungläubigkeit - im Heimatstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen würde (vgl. dazu VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544).

Aus dem oben zur Person des Beschwerdeführers festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation der Apostaten in Afghanistan ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner ihm zumindest unterstellten religiösen Gesinnung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite - ohne dass ihm in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme - als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre.

Im gegenständlichen Fall liegt daher für den Beschwerdeführer das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in der - diesem abgesprochenen - religiösen Überzeugung vor.

Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten und Apostaten und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan, ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des Beschwerdeführers stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 29.04.2016 und damit nach dem 15.11.2015 gestellt wurde; die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 ("Asyl auf Zeit") finden daher gemäß § 75 Abs. 24 leg.cit. im vorliegenden Fall Anwendung.

3.3. Zu Spruchpunkt B):

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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