TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/26 W259 2212620-1

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Veröffentlicht am 26.11.2019
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Entscheidungsdatum

26.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W259 2212621-1/10E

W259 2212618-1/11E

W259 2212620-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gesetzlich vertreten durch XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge "BF1"), die Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge "BF2") und der mj. Drittbeschwerdeführer (in der Folge "BF3"), alle iranische Staatsangehörige der Volksgruppe der Aseri, reisten gemeinsam ins österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 14.02.2016 Anträge auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gaben der BF1 und die BF2 für sich und den BF3 als gesetzliche Vertreter an, dass der Arbeitgeber (Stadtmagistrat) des BF1 diesen nach Syrien in den Krieg habe schicken wollen. Deshalb seien sie geflohen. Im Falle einer Rückkehr in die Heimat befürchte der BF1, dass sie ihn dort hinschicken (gemeint: nach Syrien). Auch wenn der Krieg vorbei sei, könne er nicht nach Hause, da er aufgrund der Verweigerung an der Teilnahme des Krieges, Probleme bekommen werde. Zudem befürchte die BF2 Probleme, weil sie geflohen seien (AS 15, BF1; AS 15, BF2).

3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz "BFA") am 16.10.2018 gab der BF1 zusammengefasst an, dass er beim Stadtmagistrat gearbeitet und ein Schreiben erhalten habe, am 25.08.1393 (= 16.11.2014) nach XXXX in den Irak auszureisen. Dort hätte er Dienstleistungen, Medikamentenlieferungen, für die Sauberkeit der Stadt und andere diverse Sachen machen müssen, da er einen Führerschein gehabt habe. Er habe dies abgelehnt und sich vor einer Kommission verantworten müssen. Sie hätten ihm nahegelegt, denselben Weg zu gehen, wie sein Vater (Kriegsteilnehmer). Aus Angst habe er beschlossen, den Termin wahrzunehmen. In XXXX seien Sitzungen bzw. Besprechungen mit ihnen geführt worden, dass sie auch in Syrien hätten eingesetzt werden sollen. Er und seine Kollegen hätten davon gesprochen, dass sie dort seien, um Menschen zu helfen. Er habe sich getraut, Fragen über die Notwendigkeit der Sitzungen zu stellen. Sie hätten die Antwort erhalten, dass sie die Vertreter der Verteidigung dieser Grabstätten/Pilgerstätte seien. Vereinbart seien zehn Tage für ihren Auftrag in XXXX gewesen. Er habe gefragt, warum sie noch länger dort sein sollten. Sie hätten gesagt, dass zu wenig Personal da sei. Er habe seine Ehefrau verständigt und habe ihr gesagt, dass er Angst habe. Dass es mit diesen zehn Tagen nicht genug sei und sie versuchen würden, sie für die Verteidigung der Pilgerstätte zu gewinnen. Später seien die Sitzungen in die Kaserne verlegt worden. Er habe gemerkt, dass es sich nicht mehr um eine normale Arbeit handeln würde.

Sie seien dann in Zivil unterwegs gewesen und seien zu den Grabstätten geführt worden. Sie hätten dort die Personenkontrollen durchführen sollen. Danach habe er gewusst, dass es sich nicht um die angekündigte Magistratsarbeit handeln würde. Am 19.09.1393 (= 10.12.2014) sei er aus der Kaserne auf dem Landweg nach Iran geflüchtet. Er sei zum Haus der Schwiegereltern gegangen und sei dort geblieben. Am 22.09.1393 (= 13.12.2014) sei er mit der BF2 und dem BF3 in die Türkei geflohen. Der Schwiegervater habe ihn informiert, dass Leute bei ihm eingedrungen seien und nach ihm gesucht hätten. Im Falle einer Rückkehr würde er am Flughafen festgenommen werden. Er habe Angst um sein Leben (AS 232, 240, 243, 245 BF1).

Die BF2 gab am 19.09.2018 vor dem BFA im Wesentlichen an, dass sie selbst keine Fluchtgründe habe. Sie habe mit ihrem Ehemann die Heimat verlassen. Ergänzend führte sie aus, dass ihrem Ehemann am Vormittag gesagt worden sei, dass er in den Irak müsse und am Nachmittag habe die Reise schon begonnen. Es habe keine Übergriffe auf ihre Person gegeben. Im Falle einer Rückkehr würde sie als Begleitperson ihres Ehemannes zur Verantwortung gezogen werden (AS 140 ff, BF2).

Der BF1 gab in Bezug zum mj. BF3 an, dass er für seinen Sohn (BF3) keine eigenen Asylgründe vorzubringen habe. Für seinen Sohn würden die gleichen Gründe gelten, wie für ihn (AS 247, BF1).

4. Das BFA wies die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz mit dem jeweils im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde den Beschwerdeführern kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 und § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gegenüber den Beschwerdeführern wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

5. Gegen diese Bescheide richteten sich die fristgerecht erhobenen Beschwerden. In der Beschwerdebegründung wurde insbesondere ausgeführt, dass die belangte Behörde zu Unrecht dem nicht widerlegten Vorbringen des BF1 keinen Glauben geschenkt habe, obwohl die Angaben in sich schlüssig und mit den Länderberichten in Einklang stehen würden. Zudem habe es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen zu einer "Verwestlichung" der BF2 zu treffen, obwohl sie sowohl an katholischen als auch evangelischen Glaubenskursen teilnehme und dies den iranischen Straftatbestand der Apostasie begründe. Dieser Fluchtgrund gelte auch für den BF1 und den BF3 (AS 452 ff, BF1).

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 01.07.2019 in Anwesenheit eines beeideten Dolmetschers für die Sprache Farsi und im Beisein des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF1 und die BF2 ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurden.

7. Mit Schreiben vom 29.10.2019 wurde den Parteien aktuelle Länderberichte im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Es langte bislang keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der erhobenen Anträge auf internationalen Schutz, der Erstbefragungen und Einvernahmen des BF1 und der BF2 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerden gegen die Bescheide des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in die Bezug habenden Verwaltungsakte, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer besitzen die iranische Staatangehörigkeit, gehören der Volksgruppe der Aseri an und sind Angehörige des islamischen Glaubens. Sie leiden an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Der BF1 leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit depressiver Anpassungsstörung. Bis vor Kurzem nahm er Medikamente gegen Verspannungen im Nacken- und Rückenbereich ein und absolvierte für einen Monat eine Physiotherapie. Darüber hinaus nimmt er keine Medikamente ein. Im September 2016 wurde in Österreich diagnostiziert, dass die BF2 an Diabetes mellitus leidet. Sie muss regelmäßig Kontrollen durchführen lassen und täglich Medikamente (Jentadueto 2,5mg und Jardiance 10mg) einnehmen. Die BF2 befindet sich in regelmäßiger ärztlicher Behandlung. Der BF1 und die BF2 können auch in Iran eine medizinische Behandlung ihrer Erkrankungen in Anspruch nehmen. Der BF3 ist gesund. Der BF1 und die BF2 befinden sich im erwerbsfähigen Alter.

Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet. Der BF3 ist ihr gemeinsames minderjähriges Kind. Die Ehe wurde in Iran geschlossen.

Der BF1 ist am XXXX in der Stadt XXXX geboren und dort aufgewachsen. Zu seiner Familie zählen seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester. Ein Bruder des BF1 lebt in Australien, die anderen Familienangehörigen sind in Iran aufhältig. Die Eltern und ein Bruder des BF1 leben in XXXX . Seine Schwester wohnt in XXXX . Weiters hat der BF1 eine Tante väterlicherseits, die in der Schweiz lebt, und einen Onkel väterlicherseits, der in XXXX lebt. Die Muttersprache des BF1 ist Farsi. Zudem spricht er Türkisch. Der BF1 hat in Iran mehrere Jahre die Schule besucht und die Matura absolviert. Danach leistete er den Militärdienst ab. Anschließend war er als Taxifahrer und als Rolltreppenmonteur tätig. Zuletzt war er in Iran mehrere Jahre Angestellter beim Stadtmagistrat und war für die Überprüfung und den Aufbau von Rolltreppen verantwortlich sowie im Straßenbau tätig.

Die BF2 ist am XXXX in der Stadt XXXX geboren und ist dort aufgewachsen. Zu ihrer Familie zählen ihre Eltern, die in XXXX in XXXX leben, und ein verheirateter Bruder, der in XXXX lebt. Weiters hat sie zwei Tanten und einen Onkel mütterlicherseits sowie eine Tante und zwei Onkel väterlicherseits, die ebenfalls in XXXX wohnen. Die Muttersprache der BF2 ist Farsi. Zudem spricht sie Türkisch. Die BF2 hat mehrere Jahre die Schule besucht und ihre Schullaufbahn mit Matura abgeschlossen. Sie absolvierte die Ausbildung "Damenschneiderei, Feinnähen" sowie Ausbildungen zur Friseurin, zur Kosmetikerin und eine weitere Ausbildung im Computerbereich. Zuletzt arbeitete die BF2 in Iran in einem Friseursalon.

Der BF1 und die BF2 stehen mit ihren Eltern in Iran in Kontakt. Die Familien des BF1 und der BF2 in Iran haben keine finanziellen Probleme.

Der BF3 wurde am XXXX in Iran geboren und wuchs dort auf. Er verließ gemeinsam mit seinen Eltern im Jahr 2016 Iran.

In Iran hatten die Beschwerdeführer keine finanziellen Probleme.

Die Beschwerdeführer können im Falle einer Rückkehr nach Iran bei der Familie der BF2 in XXXX bzw. der Familie des BF1 in XXXX wohnen und von dieser versorgt sowie finanziell unterstützt werden.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der BF1 und die BF2 sind in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatten darüber hinaus keine Probleme mit Behörden. Sie sind keine Mitglieder von politischen Parteien und haben einmal in Österreich an einer Veranstaltung in XXXX für den 22. Bahman teilgenommen.

1.2. Zum Fluchtgrund:

Die Beschwerdeführer waren in Iran nie einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der iranische Staat, insbesondere die Sepah, den BF1 in den Krieg nach Syrien schicken wollte und die Beschwerdeführer aufgrund einer Weigerung des BF1 in den Krieg zu ziehen, im Falle einer Rückkehr verfolgt und bedroht werden würden. Weder die Familie des BF1 noch jene der BF2 wurden in Iran seitens der Sepah oder der iranischen Behörden seit der Ausreise der Beschwerdeführer bedroht.

Dem BF1 und der BF2 droht im Falle einer Rückkehr keine physische und oder psychische Gewalt wegen kritischer Äußerungen gegenüber der iranischen Regierung.

Die BF2 trug in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.07.2019 kein Kopftuch. Sie war geschminkt und trug ihre Haare und ihren Schmuck offen. Ihre Haare waren gefärbt. Sie trug ein ärmelloses blaues kurzes Kleid, das bis zu den Knien reichte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF2 von ihrer persönlichen Wertehaltung her überwiegend an den in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass ein selbstbestimmter Lebensstil, der dem westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild entspricht, ein wesentlicher Bestandteil der Identität der BF2 geworden ist.

Dass die BF2 in Österreich eine an dem westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte selbstbestimmte Lebensführung verinnerlicht hat, deren Ablegung ihr nicht zugemutet werden kann, kann nicht festgestellt werden.

Dass die BF2 im Falle einer Rückkehr nach Iran von einem konservativen Umfeld als am westlichen Frauen-und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen und mit physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht werden würde, kann nicht festgestellt werden.

Eigene und in der Person des BF3 liegende Gründe einer asylrelevanten Verfolgung in Iran sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Eine westlich orientierte Lebensweise, die zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität des BF3 geworden ist, kann nicht festgestellt werden. Dem BF3 droht aufgrund seiner Minderjährigkeit in Iran keine psychische oder physische Gewalt.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer von ihrem Glauben abgefallen und christliche bzw. protestantische Glaubenslehren wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden sind und sie in diesem Zusammenhang im Falle einer Rückkehr nach Iran Verfolgungshandlungen zu befürchten hätten.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Die Beschwerdeführer haben keine konkrete Verfolgung oder Bedrohung im Falle ihrer Rückkehr nach Iran zu befürchten.

Die Beschwerdeführer wären im Falle einer Rückkehr nach Iran aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter nicht bedroht.

Die Beschwerdeführer haben in der Stadt XXXX bereits bei den Eltern der BF2 und den Eltern des BF1 gelebt. Eine Rückkehr in die Stadt XXXX ist möglich. Den Beschwerdeführern würde bei einer Rückkehr in ihre Heimatstadt kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen. Es kann ausgeschlossen werden, dass eine allfällige Rückführung der Beschwerdeführer in die Stadt XXXX mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden ist.

Die Beschwerdeführer laufen im Falle der Rückkehr in die Stadt XXXX nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Bei einer Rückkehr finden die Beschwerdeführer familiäre Anknüpfungspunkte in der Stadt XXXX bzw. in ihrer Umgebung vor. Die Familie der BF2 lebt in der Stadt XXXX . Die Familie des BF1 lebt in XXXX , in unmittelbarer Umgebung zur Stadt XXXX . Zudem wurden der BF1 und die BF2 in der Stadt XXXX geboren, haben dort mehrere Jahre gelebt und waren berufstätig. Der BF1 und die BF2 sind mit den örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten vertraut.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr der Beschwerdeführer in die Stadt XXXX ausschließen, konnten nicht festgestellt werden. Sie können dort - wieder - bei den Eltern der BF2 wohnen und zusätzlich durch die Familie des BF1 finanziell unterstützt werden. Des Weiteren kann der BF1 zumindest einfache Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten in der Stadt XXXX ausüben. Der BF2 ist es ebenfalls möglich, in der Stadt XXXX erneut ins Berufsleben einzusteigen und zum Familienunterhalt beizutragen, zumal sie über einen vergleichsweise hohen Bildungsstand und mehrere Zusatzqualifikationen verfügt. Darüber hinaus können die Beschwerdeführer auf ein familiäres Netzwerk in der Stadt XXXX zurückgreifen. Sie können in der Stadt XXXX ihre Existenz sichern.

Im Falle einer Rückkehr in die Stadt XXXX können keine Faktoren festgestellt werden, die eine Gefahrenverdichtung für den BF3 aufgrund seiner Minderjährigkeit bzw. seines jungen Alters darstellen. Es besteht für ihn aufgrund seiner Minderjährigkeit bzw. seines jungen Alters insbesondere keine erhöhte Gefahr, in der Stadt XXXX ziviles Opfer von Angriffen Aufständischer oder sonstiger Auseinandersetzungen zu werden. Der BF3 läuft nicht Gefahr, in der Stadt XXXX Opfer von Gewalt und Missbrauch zu werden.

Die Stadt XXXX ist über einen Flughafen direkt erreichbar.

1.4. Zum Leben in Österreich:

Die Beschwerdeführer halten sich seit Februar 2016 in Österreich auf. Es besteht ein aufrechtes Familienleben zwischen dem BF1, der BF2 und dem BF3. Sie führen einen gemeinsamen Haushalt. Sonstige nahe Angehörige der Beschwerdeführer sind nicht in Österreich aufhältig.

Der BF1 hat bereits mehrere Deutschkurse, Integrationskurse und weiter Kurse besucht. Er ist in der Lage, in einem einfachen Deutsch zu kommunizieren. Da der BF1 keine Arbeitserlaubnis hat, war er bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Der BF1 ist jedoch für die XXXX als gemeinnütziger Fahrer tätig und hat Übersetzungstätigkeiten übernommen. Er lebt in Österreich von der Grundversorgung. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage in Österreich. Der BF1 ist Mitglied in einem Fußballverein. In seiner Freizeit betreibt der BF1 Sport. Er geht schwimmen, spazieren und Radfahren. Ein ausgeprägtes Sozialleben pflegt der BF1 in Österreich nicht.

Die BF2 hat bereits mehrere Deutschkurse und Integrationskurse besucht. Sie verfügt über ein Deutschzertifikat des Niveau A2 und konnte in der mündlichen Verhandlung Fragen in einem sehr einfachen Deutsch beantworten. Da die BF2 keine Arbeitserlaubnis hat, war sie bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Im Jahr 2016 und 2017 besuchte die BF2 ehrenamtlich das Seniorenheim XXXX und schnitt und föhnte den BewohnerInnen die Haare und manikürte ihnen die Nägel. Seit April 2019 ist sie des Weiteren gemeinnützig tätig. So unterstützt die BF2 das XXXX bei der Betreuung und Versorgung eines pflegebedürftigen Sonderbetreuungsfalles. Die BF2 lebt in Österreich von der Grundversorgung. Ferner verfügt sie über keine Einstellzusage in Österreich. Die BF2 ist kein Mitglied eines Vereines. Die meiste Zeit verbringt sie mit ihrem Sohn. Zudem geht sie mit ihrem Sohn auf den Spielplatz, schwimmen und liest. Sie hilft bei Festen immer wieder mit. Auch bei Programmen der iranischen Vereine versucht sie dabei zu sein und mitzuhelfen. Ein ausgeprägtes Sozialleben der BF2 in Österreich konnte nicht festgestellt werden.

Der neunjährige BF3 besucht in Österreich als außerordentlicher Schüler die Volksschule. Im Schuljahr 2018/2019 erhielt der BF3 an der XXXX Musikschule XXXX Musikunterricht im Fach Gitarre. Er ist Mitglied in der Taekwondo Schule XXXX .

Der BF1, die BF2 und der BF3 gehen seit ca. einem Jahr in Österreich sonntags in die Kirche.

Die Beschwerdeführer pflegen in Österreich kein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis zu anderen österreichischen Staatsangehörigen.

1.5. Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der im Beschwerdeverfahren eingebrachten aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 14.06.2019:

Sicherheitslage:

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019). Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen (EDA 11.6.2019).

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).

Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen - werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten) . Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018, vgl. FH 4.2.2019). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 12.2018).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 12.1.2019).

Schiitische Religionsführer, die die Politik der Regierung oder des Obersten Führers Khamenei nicht unterstützen, können sich auch Einschüchterungen und Repressionen bis hin zu Haftstrafen gegenübersehen (US DOS 29.5.2018).

Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden" (US DOS 15.8.2017).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).

Christen

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen - solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten - ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung anerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 2018), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 12.1.2019). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 12.2018).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).

Im Weltverfolgungsindex 2019 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum wurden 67 Christen verhaftet (Open Doors 2019).

Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Außerdem werden Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, zunehmend verfolgt. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der "Assembly of God"-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

Ethnische Minderheiten

Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,3%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Belutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran im Moment das fünftgrößte Aufnahmeland für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten des Iran leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan in Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Belutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (GIZ 3.2019c).

Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt (ÖB Teheran 12.2018). Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch betreffend u.a. Angehöriger der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, können bedroht, festgenommen und bestraft werden (ÖB Teheran 12.2018, vgl. FH 4.2.2019).

Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 12.1.2019). Die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, sind allerdings zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015, vgl. AA 12.1.2019, FH 4.2.2019). In der Provinz Sistan und Belutschistan berichteten viele Dorfbewohner, dass es ihnen an Wasser, Elektrizität, Schulen und Gesundheitseinrichtungen mangele. In der verarmten Provinz sind die Analphabetenquote bei Mädchen und die Kindersterblichkeit sehr hoch. Angehörigen ethnischer Minderheiten, die die Verletzung ihrer Rechte kritisieren, drohen willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen, grob unfaire Gerichtsverfahren, Gefängnisstrafen und die Todesstrafe. Geheimdienste und Sicherheitsorgane beschuldigten Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sie würden "separatistische Strömungen" unterstützen, die Irans territoriale Integrität bedrohten (AI 22.2.2018).

Frauen

Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 3.2019c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot). Eine Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist im Gange (AA 12.1.2019).

In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 19,8% (1,07 Millionen gegenüber 10,3% und 2,25 Millionen in absoluten Zahlen bei den Männern). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden (ÖB Teheran 12.2018).

In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 12.1.2019, vgl. HRW 17.1.2019, ÖB Teheran 12.2018, AI 26.2.2019). Zum Beispiel legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich - ungeachtet ihrer Qualifikationen - für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 12.2018).

Laut Gesetz darf eine jungfräuliche Frau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (US DOS 13.3.2019). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Auch können iranische Frauen ihre iranische Staatsbürgerschaft nicht an ausländische Ehemänner oder ihre Kinder weitergeben (HRW 18.1.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, ACCORD 12.2015).

Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet und bei bestimmten Straftatbeständen ist die Zeugenaussage von männlichen Zeugen Verurteilungsvoraussetzung. Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 12.1.2019).

Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 12.1.2019). Ende 2017/Anfang 2018 kam es zu größeren Protesten von Frauen gegen den Kopftuchzwang, bei denen einige Frauen öffentlich ihren Schleier abnahmen. Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z. T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog. Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten. Letztlich erlebte auch die Diskussion rund um das Stadionverbot für Frauen wieder frischen Wind, nachdem bei WM-Spielen der Fußballnationalmannschaft im Juni 2018 im Azadi-Stadion auch Frauen zugelassen waren. Zudem wurden im Oktober und November 2018 auf Druck der FIFA - und trotz massiven Widerstands von Teilen des Klerus - zum ersten Mal ausgewählte Frauen zu zwei Livespielen eingelassen (ÖB Teheran 12.2018).

Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht im Stande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 12.2018).

Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen (ÖB Teheran 12.2018).

Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen od. Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 12.2018).

Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Jedoch sind Informationen über diese Einrichtungen der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar (ÖB Teheran 12.2018).

Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 12.1.2019). Vergewaltigung ist generell mit der Todesstrafe bedroht, bei Ehepartnern wird Vergewaltigung jedoch nicht als Vergehen gesehen (ÖB Teheran 12.2018). Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen, wie häusliche Gewalt und Früh- und Zwangsverheiratungen, sind weit verbreitet und werden nicht geahndet. Geschlechtsspezifische Gewalt ist weiterhin nicht strafbar (AI 22.2.2018).

Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie können schikaniert und festgenommen werden, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen. Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, können Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen werden (AI 22.2.2018). Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen "unislamisch" kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. "Sünderinnen" droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine saftige Geldstrafe. Die Gesetze - und Strafmaßnahmen - gibt es schon s

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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