TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/28 G311 2181323-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2019
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Entscheidungsdatum

28.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G311 2181323-1/13E

Schriftliche Ausfertigung des am 23.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX), geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2017, Zahl: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.05.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 20.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.

Am 22.05.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers im Asylverfahren statt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, er werde als Zugehöriger zu den Sunniten von den schiitischen Milizen bedroht. Ihnen sei das Haus weggenommen und der Vater von Schiiten getötet worden, da er Sunnite gewesen sei. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

Die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, fand am 04.05.2017 statt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er und seine Familie den Sunniten angehören würden und sein Vater deswegen am 11.08.2014 durch einen Kopfschuss während der Autofahrt auf einer Schnellstraße durch einen Verfolger in einem anderen Fahrzeug getötet worden sei. Bereits zuvor sei der Vater einmal telefonisch und einmal mit einem Brief bedroht worden. Der Vater habe - wie auch der Beschwerdeführer - für ein Geldtransfer-Unternehmen gearbeitet und hätten die schiitischen Milizen Schutzgeld erpressen wollen. Auch der Beschwerdeführer habe in demselben Geldtransfer-Unternehmen in der Buchhaltung gearbeitet. Einen Arbeitsplatzwechsel habe er nicht in Erwägung gezogen, da er keine andere Arbeit bekommen habe. Auch der Beschwerdeführer sei mehrmals bedroht worden. Die erste Drohung habe er Anfang 2015 (nachdem der Vater bereits getötet worden war) durch einen Anruf erhalten. Die zweite Drohung sei im Auftrag von einem Kind bzw. jungen Mann überbracht worden. Die dritte Bedrohung habe der Beschwerdeführer durch einen unter der Haustür durchgeschobenen Brief der Asa-ib Ahl al-Haqq am 05.02.2015 erhalten. Noch am selben Tag sei er zwischen 18:00 und 19:00 Uhr entführt und daraufhin sieben Tage lang festgehalten worden. Er habe gerade das Firmengebäude bei der Cafeteria verlassen und sei etwa 50 Meter gegangen, als zwei Autos vorgefahren, vier bewaffnete Männer ausgestiegen seien und dem Beschwerdeführer gesagt hätten, er solle einsteigen und mitkommen. Auf der Fahrt habe man ihm die Augen verbunden. Man habe ihn zu einem unbewohnten Haus in Bagdad gebracht, wo sich vermutlich eine Frau und drei Männer aufgehalten hätten. Er habe nur einmal täglich etwas zu essen bekommen. Man habe Zigaretten auf seiner Hand und dem linken Bein ausgedrückt und einer der Männer hätte auf ihn uriniert. Die Entführer hätten Lösegeld in Höhe von USD 60.000,-- erpresst, welches von seiner Mutter bezahlt und in einer "Taschentuchpackung" übergeben worden sei. Die Mutter und die damalige Ehegattin des Beschwerdeführers hätten dazu ihren Goldschmuck verkauft und auch der Arbeitgeber des Beschwerdeführers habe einen finanziellen Beitrag zum Lösegeld geleistet. Nach der Bezahlung des Lösegeldes habe man den Beschwerdeführer freigelassen. Er habe danach bei einem Freund für einen Monat Unterkunft genommen. Die Entführung habe er erst am 16.03.2015 bei der Polizei angezeigt. Er wisse nicht, ob er von der Asa-ib Ahl al-Haqq oder der anderen Miliz, "XXXX" entführt bzw. welcher das Lösegeld bezahlt worden sei. Er sei von beiden Milizen bedroht worden. Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers fürchte er, zu sterben. Er habe Angst vor den Milizen. Sein jüngerer Bruder habe Angst, die Schule zu besuchen, da er von unbekannten Männern immer wieder nach dem Beschwerdeführer gefragt werde. Er hab keine Probleme mit irakischen Behörden oder Gerichten oder wegen seiner Volksgruppe gehabt, er sei weder politisch tätig noch Mitglied einer politischen Partei gewesen, habe nicht an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen und habe - abgesehen von den Milizen - auch nicht mit Dritten Probleme gehabt.

Bezogen auf das Fluchtvorbringen legte der Beschwerdeführer den Drohbrief der Asa-ib Ahl al-Haqq (im Folgenden: AHH), eine Anzeige bei der Polizei und ein Schriftstück eines irakischen Gerichtes sowie englischsprachige Dokumente zum Tod des Vaters des Beschwerdeführers (inklusive Affidavit der Mutter des Beschwerdeführers) vor.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Irak von schiitischen Milizen verfolgt und bedroht worden sei. Auch hätten keine sonstigen Umstände für eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, sozialer Gruppe oder politischen Gesinnung festgestellt werden können. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, der Vater sei aufgrund der Tätigkeit für das Geldtransfer-Unternehmen und wegen seiner Zugehörigkeit zu den Sunniten getötet worden, selbst aber nicht in Erwägung gezogen habe, den Arbeitgeber zu wechseln. Es sei überhaupt unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer nach sieben Jahren Tätigkeit für dieses Unternehmen über keinerlei schriftlichen Nachweis darüber verfüge. Das Geld für die Ausreise hätte der Beschwerdeführer auch dazu verwenden können, sein weiteres Leben im Irak zu finanzieren. Zur vorgebrachten Bedrohung des Beschwerdeführers durch die Milizen "XXXX" und Asa-ib Ahl al-Haqq erscheine es nicht klar, weshalb Beschwerdeführer nach Erhalt des Drohbriefes am selben Tag noch entführt worden sein sollte. Dem Drohbrief werde kein maßgeblicher Beweiswert zugemessen, da dessen Authentizität nicht überprüfbar sei und die Herstellung durch Computer leicht möglich wäre. Es sei notorisch, dass schriftliche Beweismittel gegen Bezahlung im Irak leicht beschafft werden könnten. Dies gelte auch für die vorgelegte Anzeige der Polizei und dem Gerichtsschreiben; ebenso wie die Polizeiberichte zum Tod des Vaters (dieses würden keinen Kopf einer Behörde oder der Polizei aufweisen). Der Beschwerdeführer habe die Berichte auch bereits in Bagdad im Dezember 2014 ins Englische übersetzen lassen, sodass zu vermuten sei, dass die Berichte der Vorlage vor ausländischen Behörden dienen sollten. Dies obwohl die erste persönliche Bedrohung gegen den Beschwerdeführer erst Anfang 2015 stattgefunden haben soll. Der Beschwerdeführer habe in der Erstbefragung den wichtigsten Punkt seines späteren Vorbringens - seine Entführung - nicht geschildert. Auch lebe seine restliche Familie nach wie vor in Bagdad. Der Beschwerdeführer verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte und ein soziales Netz im Irak. Er sei im arbeitsfähigen Alter und könne erneut selbstständig für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Er könne nach Bagdad zurückkehren, ohne einer besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein. Er verfüge über wenige private und keine familiären Bindungen in Österreich. Er sei nicht besonders integrationsverfestigt und nicht selbsterhaltungsfähig. Hingegen verfüge der Beschwerdeführer über starke Bindungen zum Irak. Allein die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu den Sunniten bilde keinen ausreichenden Grund für die Asylgewährung.

Zudem traf die belangte Behörde umfangreiche Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage im Irak.

Mit dem am 15.12.2017 beim Bundesamt eingebrachten Schriftsatz vom 16.12.2017 [sic!] erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den ihn betreffenden Bescheid des Bundesamtes. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten, zuerkennen; einen landeskundlichen Sachverständigen beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation im Irak befasst, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen; allenfalls die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklären, dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen und feststellen, dass die Abschiebung in den Irak unzulässig ist. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, der Beschwerdeführer sei Sunnit und befürchte im Irak Verfolgung wegen spezifischen, gegen ihn ausgesprochenen, Drohungen und auch wegen seiner westlichen Lebenseinstellung, welche ihn mit der im Irak vorherrschenden streng-islamischen Gesellschaftsordnung inkompatibel mache. Der Vater des Beschwerdeführers sei bedroht und getötet, der Beschwerdeführer selbst bedroht und entführt worden. Der Beschwerdeführer habe seine Verfolgung detailliert geschildert und eine konkrete individuelle Verfolgung vorgebracht. Die Erstbefragung sei nicht zur erschöpfenden Darstellung der Fluchtgründe gedacht. Die Länderberichte würden eine zunehmende Eskalation des interkonfessionellen Bürgerkrieges im Irak belegen. Der Irak werde von der schiitischen Bevölkerungsmehrheit dominiert und sei die Bevölkerung im Kampf gegen den IS auf die Milizen angewiesen. Es liege daher im gesamten Irak keine innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer vor. Er könne keinen Schutz vor Verfolgungshandlungen durch Milizen von staatlichen Behörden erwarten. Die Befürchtungen des Beschwerdeführers seien realistisch. Es bestehe auch weiterhin eine Gefährdung durch die Terrorgruppierung IS. Der Beschwerdeführer habe sich intensiv um Integration bemüht und sei arbeitsfähig- und -willig.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 02.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2019 wurden der bevollmächtigten Rechtsvertretung des Beschwerdeführers und dem Bundesamt zu Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ein Konvolut von aktuellen Länderberichten zur Kenntnisnahme und in der mündlichen Verhandlung möglichen Stellungnahme übermittelt.

Mit Beschwerdenachreichung vom 08.05.2019 wurde seitens des Bundesamtes eine Kopie des am 30.04.2019 vom Beschwerdeführer dem Bundesamt freiwillig übergebenen irakischen Reisepasses übermittelt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.05.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie eine Dolmetscherin für die arabische Sprache teilnahmen. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers erschien nicht zur Verhandlung. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

Auf Befragen durch die erkennende Richterin gab der Beschwerdeführer an:

"[...]

Über Befragen gibt der BF an:

In meinem irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis steht mein Familienname falsch, deshalb wurde er im Verfahren vor dem BFA auch so verwendet. Mein korrekter Name lautet XXXX.

Ich bin in Bagdad geboren und aufgewachsen. Ich habe die Grundschule besucht, dann das Gymnasium, das habe ich abgeschlossen. Danach war ich 2 Jahre auf der Uni. Einen Universitätsabschluss habe ich nicht.

Ich habe in Bagdad in XXXX gewohnt. Ich habe davor in einem anderen Bezirk gewohnt, nämlich in XXXX. Das ist ein Teil von XXXX. Ich habe meine ersten 20 Lebensjahr in XXXX gelebt, danach ca. ein Jahr in XXXX. Ich war 3 Jahre in Syrien und 2 Jahre in Jordanien. 2005 bis max. 2008 war ich in Damaskus. In Jordanien war ich meiner Erinnerung nach im Jahr 2013.

Meine Mutter und meine Geschwister wohnen in Jordanien. Ich glaube, sie wohnen seit 3 Jahren dort. Ich habe Kontakt mit ihnen über

UNICEF.

Meine im Irak geschlossene Ehe ist geschieden, und zwar seit 2 Jahren glaube ich. Ich habe keinen Kontakt zu meinem Sohn und zu meiner Es-Gattin. Ich habe meinen Sohn nie gesehen. Er wurde in Amerika geboren, da hatte ich den Irak schon verlassen. Meine Exgattin ist als Flüchtling nach Amerika gegangen. Mein Sohn ist daher amerikanischer Staatangehöriger. Ich kann eine Kopie seines Reisepasses vorlegen.

Ich bin sunnitischer Muslim und bin Araber.

Mein Vater wurde getötet und danach wurde auch ich entführt.

Über Nachfragen der VR gibt der BF an:

Sie haben mich bedroht, ich weiß nicht genau wer, es waren jedenfalls Milizen. Der Grund für die Bedrohung war, weil ich vorher bei einer Geldtransportfirma gearbeitet habe. Ich war immer Bedrohungen ausgesetzt, deswegen war ich auch in Syrien und in Jordanien. Dort habe ich nicht gearbeitet, ich war als Flüchtling dort. Ich bin zwischendurch in den Irak zurückgekehrt, weil ich dachte, dass sich die Lage verbessert hat. Das war aber nicht so. Die Lage wurde immer schlimmer.

Bei der Geldtransportfirma habe ich ca. 4 bis 5 Jahre gearbeitet. Ich habe dort bis zu meiner Ausreise gearbeitet, ca. ab 2010 oder 2011. Ich war verantwortlich, das Geld unserer Kunden entgegenzunehmen und zu transportieren. Mein Chef war für die anderen Firmen verantwortlich. Es handelte sich dabei um XXXX und ähnliche Firmen. Die Firmen haben das Geld gebracht und wir haben das Geld zur Bank gebracht. Das Geld wurde über eine Sicherheitsfirma mit dem Auto zur Bank transportiert. Es war so, dass die Sicherheitsfirma, die eine andere Firma war, das Geld von unserem Büro zur Bank transportiert hatte. Unsere Firma war zuständig für die Sicherheit des Geldes und transportierte über eine Sicherheitsfirma das Geld zur Bank.

Über Nachfragen der VR:

Ich war verantwortlich dafür, das Geld unserer Kunden entgegenzunehmen und weiter zu transportieren bzw. auch Geld in den Irak zu bringen. Ich hatte dort die Aufgabe, das Geld entgegenzunehmen, ich hatte eine Maschine, mit der das Geld gezählt wurde. Jeder Kunde hatte eine Nummer. Ich musste die Nummer des Kunden notieren und überprüfen, ob die überbrachte Summe korrekt war. In dieser Firma haben ca. 20 bis 30 Personen gearbeitet. Das Büro lag in XXXX. Dorthin bin ich mit meinem Auto gefahren und zwar dauerte die Fahrt dorthin max. 20 Minuten. Ich musste dabei Checkpoints passieren, ich glaube drei. Dort hatte ich keine Probleme. XXXX ist ein sunnitischer Bezirk.XXXX ist ein gemischter Bezirk.

Ich wurde aufgrund meiner Tätigkeit in der Firma bedroht. Sie wollten von mir Geld. Mein Vater wurde auch aus diesem Grund getötet. Mein Vater war verantwortlich dafür, dass Geld von der Firma in die Bank zu transportieren. Mein Vater arbeitete bei der gleichen Firma wie ich. Im August 2014 wurde mein Vater getötet. Wer ihn getötet hat, weiß ich nicht genau. Ob es Milizen oder Terrorgruppen waren, weiß ich nicht. Er ist in einem anderen Bezirk verstorben, nämlich in XXXX. Er war in einem Auto, als auf ihn geschossen wurde. Er war in einer anderen Firma, die auch zu unserer Firma gehörte. Er wurde während der Arbeit getötet. Er fuhr sein eigenes Auto bei dem Vorfall.

Auf Vorhalt (S. 11 der NS vom 04.05.2017) der VR gibt der BF an:

Es ist richtig was ich gesagt habe. Er wurde während der Autofahrt auf der Schnellstraße erschossen.

Auf Vorhalt der eidesstattlichen Erklärung der Mutter des BF:

Es kann sein, dass mein Vater unterwegs war, um einzukaufen. Es war jedenfalls so, dass er in seinem Auto während der Fahrt erschossen wurde.

Es wird nicht viel gefragt. Es werden jeden Tag sehr viele Menschen getötet.

Über Nachfragen, wie die Bedrohungen und die Entführung des BF ausgesehen haben, gibt der BF an:

Ich habe bei der Firma gearbeitet. Zuerst haben sie mich an meinem Wohnsitz in XXXX bedroht. Danach bin ich nach XXXX gegangen, dort haben sie mich wieder gefunden und mich wieder bedroht. In XXXX sind sie zu meinem Haus gekommen und haben mich entführt. Ich habe mir dort alleine eine Wohnung gemietet. Sie sind zu meinem Haus mit zwei schwarzen Autos gekommen. Sie haben mich mitgenommen zu einem anderen Haus. Dort hat eine Frau für mich gekocht. Dort waren vier Männer, die hatten Kontakt mit meiner Familie, um ein Lösegeld zu erlangen. In der Zwischenzeit haben sie mich viel bedroht. Als meine Familie das Lösegeld bezahlt hat, haben sie mich auf einer Straße aus dem Auto geworfen. Sie haben mir immer gesagt, dass es diesmal noch so ausgegangen ist, aber das nächste Mal werden sie mich töten. Danach bin ich zu einem Freund von mir, bis ich dann in die Türkei fahren konnte. Nach der Freilassung bin ich zu meinem Freund gezogen, da ich nicht nach Hause zurück konnte. Seither habe ich meine Familie nicht mehr gesehen. Ich hätte in den Irak zurückkehren wollen, mir wurde jedoch von einem Freund gesagt, dass ich auf einer Liste stehe, auf der Menschen erfasst sind, die bei einer Rückkehr bedroht werden.

Ich werde versuchen, eine Kopie dieser Liste vorzulegen.

Die Entführung hat ca. 4 bis 5 Tage gedauert. Ich bin erst nach einer Weile zur Polizei gegangen und habe das gemeldet, das war erst ca. nach einem Monat. Ich habe das nicht gleich angezeigt, weil ich zu viel Angst hatte.

Über Nachfragen der VR:

Es ist richtig, dass ich in XXXX eine Wohnung gemietet hatte, die Entführer sind dort hingekommen und haben mich dort entführt.

Auf Vorhalt meiner Anzeige bei der Polizei im Irak:

Das Café befindet sich neben meinem Haus.

Es wurden 30.000 US-Dollar Lösegeld für mich bezahlt. Das Geld stammte von meiner Mutter. Unsere Familie war wohlhabend. Wir hatten ein Haus und Geld.

Auf Vorhalt der VR gibt der BF an:

Es waren 60 Mio. irakische Dinar. Das sind 30.000 US-Dollar. Das habe ich so gemeint, dass wir wohlhabend waren, weil meine Mutter auch Gold hatte. Wir Araber haben generell viel Gold, und wenn wir Geld brauchen, ist das das erste, was wir verwenden.

Meine Mutter hat das Geld einem Kind übergeben. Bei der Übergabe war mein Onkel dabei. Die Übergabe fand auf einem bekannten Platz in Bagdad statt. Das Geld hat sich in einer Packung für Taschentücher befunden.

Im Internet wird auf der Website einer Drogeriekette dem BF verschiedene Größen von Taschentücherpackungen gezeigt. Er hält dazu fest, dass es eine Taschentücherpackung ist, die aus Karton besteht und in der sich 160 Taschentücher befinden, die einzeln herausgenommen werden können.

Auf Nachfrage:

Das Geld wurde in Dollar übergeben. Das waren 30.000 Dollar und diese passten in die genannte Taschentuchbox. Die Art der Übergabe des Geldes haben die Entführer so bestimmt. Die Entführer wollten das Geld so übergeben haben.

Auf Nachfrage:

Sie haben mich oft beschimpft. Ich habe nur einmal am Tag Essen bekommen. Es war auch sehr dunkel in dem Zimmer, in dem ich mich aufhalten musste. Die Entführer waren immer betrunken. Die Entführer haben auf mich gepinkelt und haben Zigaretten auf meinem Körper gedrückt.

Ich habe den Reisepass in der Türkei verloren. Meine Kollegen haben den Reisepass dort gefunden. Die wussten über einen gemeinsamen Freund, dass ich hier in Österreich bin.

Über den gemeinsamen Freund habe ich auch meinen Reisepass bekommen.

Auf Vorhalt der Stempel im Reisepass:

Ausreisestempel 09.05.2014: Da bin ich nach Jordanien geflogen. Ich war für ca. 8 bis 9 Monate in Jordanien und habe dort auch geheiratet.

Einreisestempel 21.01.2015: Es ist richtig, zu diesem Zeitpunkt bin ich dann wieder in den Irak zurückgekehrt. Ich war immer wieder unterwegs, und deshalb gibt es diese Ein- und Ausreisestempel.

Auf Vorhalt meiner Angaben zu Beginn der Verhandlung:

Ich habe auch in Jordanien gearbeitet, weil diese Firma in den ganzen arabischen Ländern gearbeitet hat. In Jordanien wurde ich nicht bedroht. Aber als ich in den Irak zurückkam, haben sie mich wieder bedroht und konnte ich nicht nach Jordanien zurück.

Ausreisestempel 02.04.2013: Ich weiß nicht genau, wo ich da war, ich glaube, ich war in Jordanien. Ich war 9 Monate in Jordanien und habe dann dort ein Einreiseverbot bekommen. Ich konnte nicht wieder zurück. Der Grund des Einreiseverbotes war, dass ich nur 1 bis 3 Monate dortbleiben durfte. Ich bin zwischen dem Irak und Jordanien immer hin- und hergereist, weil ich immer Angst gehabt habe. Das Einreiseverbot für Jordanien ist in meinem Reisepass nicht vermerkt. Mein Name wurde nur im Computer erfasst. Das wäre dann bei einer Einreise so, dass mein Name überprüft wird, der dann aufscheint und ich dann nicht einreisen darf.

Auf Vorhalt des vom BF vorgelegten Drohbriefes der AAH:

Aufgrund dieses Drohbriefes habe ich meinen Wohnsitz in XXXX verlassen und bin nach XXXX gegangen. Ich bin in meiner heutigen Einvernahme nicht gleich darauf eingegangen, weil ich vorher schon alles gesagt habe.

Meine Familie lebt in Amman in Jordanien. Sie haben dort eine Wohnung. Wir haben ein Haus im Irak. Das haben wir vermietet und mit diesem Geld können wir die Miete bezahlen und haben auch Geld von UNICEF bekommen. Ich habe auch Beweise, dass sie dort angekommen sind und sie von UNICEF unterstützt werden.

Es ist richtig, dass ich meine Ex-Gattin in Jordanien geheiratet habe. Meine Ex-Frau war schon dort in Jordanien, als ich gekommen bin, um sie zu heiraten. Sie war nur bei mir im Irak für 7 Tage, um den Heiratsantrag zu machen. Meine Ex-Gattin hatte die irakische Staatsangehörigkeit. Sie lebte ihr ganzes Leben schon in Jordanien. Meine Frau wurde nur in XXXXgeboren und lebte dann in Jordanien. Ich habe sie in Jordanien kennengelernt.

Den Drohbrief habe ich unter meiner Haustür gefunden. Das war noch in XXXX, dort hatten wir ja ein Haus. Ich wurde mehrmals bedroht, entweder über das Handy oder auch mit diesem Drohbrief. Ich habe auch eine Anzeige bei der Telefonfirma gemacht, weil ich auch über das Handy bedroht wurde. Wegen des Drohbriefes bin ich nicht zur Polizei gegangen, da ich sogar Angst habe, zur Polizei zu gehen. Nach der Entführung bin ich deswegen zur Polizei gegangen, weil mir ein Polizeioffizier zur Seite gestellt wurde. Er ist mit mir zur Polizei gegangen und wieder zurück. Zu diesem Polizeioffizier bin ich über meinen Freund gekommen. In dem Wohnort, in dem ich mit meinem Freund wohnte, dort war die Polizeistation.

Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat:

Die VR verweist auf die im Akt einliegenden und dem BF bereits übermittelten Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat in das gegenständliche Verfahren ein.

Die VR erklärt die Bedeutung und das Zustandekommen dieser Berichte.

Im Anschluss daran legt die VR die für die Entscheidung wesentlichen Inhalte dieser Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat dar.

BF: Ich will zu den Länderberichten keine Stellungnahme abgeben.

Ich habe in Österreich einen Sprachkurs gemacht und habe ein Sprachzertifikat A1. Ich habe Freunde in Österreich. Ich habe keine Familienangehörigen in Österreich.

Ich wohne in Linz. Ich habe immer Stress und ich denke immer nur über mein Leben nach.

Ich möchte auf keinen Fall in den Irak zurück, weil ich auf einer Liste stehe und bei einer Rückkehr würde ich wieder Bedrohungen ausgesetzt sein.

Von dieser Liste habe ich vor einem Jahr erfahren.

Wenn ich vorhin gesagt habe, dass ich eine Kopie der Liste besorgen kann, meinte ich, dass ich es versuchen könnte.

Meine Mutter und meine Geschwister wurden auch immer bedroht. Sie wurden immer wieder nach mir gefragt. Sogar mein Bruder musste die Schule verlassen.

Die Bedrohungen fanden aufgrund meiner Tätigkeit bei der Geldtransportfirma und aufgrund meines Glaubens statt. Allein mein Name XXXX reicht aus, ebenso meine Arbeit in der Firma. Auch wenn XXXX sunnitisch ist, wurde ich an meinem Wohnort bedroht. Die Milizen schauen nicht darauf, wo man wohnt. Wichtig war, wo ich gearbeitet habe.

Der Dolmetscherin werden die Seiten 16 und 17 des Reisepasses vorgelegt. Sie führt aus, dass es sich dabei um Visa handelt, aber nicht erkennbar ist, für welchen Staat diese betreffen.

Meine Familienangehörigen haben keinen Aufenthaltstitel in Jordanien. Sie haben dort einen Asylantrag gestellt und es sieht so aus, als ob sie in Jordanien bleiben könnten.

Mein Freund in Bagdad schaut auf unser Haus, das wir vermietet haben. Er nimmt die Miete ein und schickt sie zu meiner Familie. Er macht das über Western Union.

Abschließende Bemerkungen:

VR: Ich bin mit der Befragung am Ende. Wollen Sie noch abschließend etwas sagen?

BF: Ich habe alles gesagt. Ich kann jedenfalls nicht in den Irak zurückkehren.

VR: Haben Sie den Dolmetscher im gesamten Verlauf der Verhandlung gut verstanden?

BF: Ja.

Die VR holt Abfragen bei zwei Währungsrechnern ein (OANDA und bankenverband.de) ein, daraus ist zu ersehen, dass am 10.02.2015 30.000 US-Dollar ca. 35 Mio. irakische Dinar entsprachen.

Die Internetausdrucke werden verlesen und zur Verhandlungsniederschrift genommen.

Auf Vorhalt gibt der BF an:

Ich kann dazu nur sagen, ich habe die Informationen von meiner Mutter und kann nur das sagen, was meine Mutter gesagt hat.

In dieser Zeit wurde im Irak mehr mit Dollar als mit irakischem Dinar bezahlt. Es gab beide Währungen, aber mehr Zahlungen wurden mit dem US-Dollar getätigt. Meine Mutter sagte mir, dass es 30.000 Dollar waren und dass es wichtig war, dass das Geld bezahlt wurde.

Ich habe das jedenfalls auch vor dem BFA so nicht gesagt. Jedenfalls ist mir klar, dass 60.000 Dollar nicht in eine Taschentücherpackung passen.

[...]"

Im Anschluss wurde das gegenständliche Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG mündlich verkündet.

Am 03.06.2019 stellte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des gegenständlichen Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 2a bis 4 VwGVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung. Seine Muttersprache ist Arabisch (vgl etwa Erstbefragung vom 22.05.2015, S 1 ff; Niederschrift Bundesamt vom 04.05.2017, S 2 ff; Kopie irakischer Reisepass vom 30.04.2019; Kopie irakischer Personalausweis; Kopie irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis; Verhandlungsprotokoll vom 23.05.2019, S 3 ff).

Der Beschwerdeführer war mit einer irakischen Staatsangehörigen verheiratet. Mit ihr hat er einen gemeinsamen Sohn, der kurz nach der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Irak im Mai 2015 in Bagdad geboren wurde. Es konnte weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer inzwischen von seiner Ehegattin tatsächlich geschieden wurde oder tatsächlich noch verheiratet ist, noch, dass sein Sohn in den USA geboren und somit US-amerikanischer Staatsangehöriger sein sollte. Weiters konnte nicht festgestellt werden, wo sich die (Ex-)Ehegattin und der Sohn des Beschwerdeführers aufhalten (vgl Erstbefragung vom 22.05.2015, S 1 f; Niederschrift Bundesamt vom 04.05.2017, S 3 ff; aktenkundige Kopie des irakischen Personalausweises der Ehegattin; Verhandlungsprotokoll vom 23.05.2019, S 4 f und S 9).

Der Beschwerdeführer ist in Bagdad geboren und aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat in Bagdad und zwischenzeitig auch immer wieder in Jordanien gearbeitet. Er reiste immer wieder zwischen Jordanien und dem Irak hin und her. Zuletzt reiste er am 21.05.2015 in den Irak ein, wobei er sich davor mindestens neun Monate in Jordanien aufhielt (vgl Verhandlungsprotokoll vom 23.05.2019, S 4 ff und S 8; Ausreisestempel vom 09.05.2014 nach Jordanien und Einreisestempel am 21.01.2015 in den Irak im vorgelegten Reisepass des Beschwerdeführers).

Es konnte weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine Schul-/Ausbildung absolviert hat (bzw. welche), noch, dass er von 2008 bis zu seiner letzten Ausreise aus dem Irak am 06.04.2015 für ein Geldtransfer-Unternehmen gearbeitet oder sich zwischen 2005 und 2008 in Syrien aufgehalten hat.

Die Mutter, der Bruder und die zwei Schwestern des Beschwerdeführers leben inzwischen in Amman, Jordanien, wo sie Asyl beantragt haben. Der Beschwerdeführer hat mit ihnen regelmäßig Kontakt. In Österreich hat der Beschwerdeführer weder familiäre noch sonstige verwandtschaftliche Bezüge (vgl Verhandlungsprotokoll vom 23.05.2019, S 9 f).

Der Vater des Beschwerdeführers ist im August 2014 verstorben. Ob der Vater - wie vom Beschwerdeführer vorgebracht - tatsächlich durch Kopfschüsse ermordet wurde, konnte nicht festgestellt werden (vgl Erstbefragung vom 22.05.2015, S 1 ff; Niederschrift Bundesamt vom 04.05.2017, S 4 ff; Verhandlungsprotokoll vom 23.05.2019, S 5 ff).

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Es konnte weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Endstadium leidet, die im Irak nicht behandelbar wäre (vgl Verhandlungsprotokoll vom 23.05.2019, S 3).

Der Beschwerdeführer verließ seinen Herkunftsstaat Irak am 06.04.2015 legal über den Flughafen Bagdad und reiste mit dem Flugzeug nach Istanbul/Türkei. Von dort reiste er mit von Izmir/Türkei weiter schlepperunterstützt mit einem Schlauchboot nach Griechenland und weiter mit einem LKW bis nach Österreich, wo er am 20.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte (vgl etwa Erstbefragung vom 22.05.2015, S 3 ff; Niederschrift Bundesamt vom 04.05.2017, S 5).

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten (Einsicht in das Strafregister).

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet seit 16.07.2015 bis zum Entscheidungszeitpunkt Hauptwohnsitzmeldungen auf (vgl Einsicht in das Zentrale Melderegister).

Der Beschwerdeführer übte bisher im Bundesgebiet keine legale Beschäftigung aus und lebt von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer engagiert sich nicht in einem Verein oder einer Organisation und übt keine ehrenamtlichen Tätigkeiten aus. Er hat an einem Deutschkurs teilgenommen und ein ÖSD Deutschzertifikat auf Niveau A1 erworben. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über maßgebliche Deutschkenntnisse verfügt. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich inzwischen über einige Bekanntschaften (vgl Einsicht in die Grundversorgungsdaten des Beschwerdeführers; Niederschrift Bundesamt vom 04.05.2017, S 9; aktenkundige Kopie des ÖSD-Zertifikates).

Insgesamt konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist oder, dass Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:

Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht zur Vorbereitung der mündlichen Beschwerdeverhandlung mit Schreiben vom 07.05.2019 in das Verfahren eingeführten Länderberichte, nämlich ein Konvolut aus fallbezogen relevanten aktueller Länderberichte samt den angeführten Quellen (mit Stand Mai 2019) auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand des Erkenntnisses erhoben.

"1. Allgemeine Sicherheitslage:

1.1. Allgemeine Sicherheitslage und Islamischer Staat (IS):

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mossul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer längerfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit 31.03.2018 noch ca. 2,2 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 3,6 Mio. Zurückgekehrte gegenüber. Ca. 90% der bis Ende März 2018 in ihre Herkunftsregion zurückgekehrten ca. 124.000 Binnenvertriebenen stammten aus den Provinzen Anbar, Kirkuk, Ninava und Salah al-Din, 107.000 kehrten alleine in die Provinz Ninava, ca. 77.000 in den Bezirk Mossul zurück.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mossul. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tel Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk. Mit Beginn des Dezember 2017 musste der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.

Ab dem 03.11.2017 mit Stand 17.11.2017 wurden die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert. Laut der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des IS hat dieser nun 95 Prozent jener irakischen und syrischen Territorien verloren, welches er im Jahr 2014 als Kalifat ausgerufen hatte (Telegraph 17.11.2017; IFK 60.11.2017). Das Wüstengebiet nördlich der drei Städte bleibt vorerst weiterhin IS-Terrain. Die Gebiete rund um Kirkuk und Hawija gehören zu jenen Gebieten, bei denen das Halten des Terrains eine große Herausforderung darstellt. (MEE 16.11.2017; Reuters 05.11.2017; BI 13.11.2017). Alleine in Mossul gab es vor der Rückeroberung 40.000 IS-Kämpfer. Viele sind in die Wüste geflohen oder in der Zivilbevölkerung untergetaucht. Es gab es auch umstrittene Arrangements, die den Abzug von IS-Kämpfern und ihren Familien erlaubten. Der IS ist somit nicht verschwunden, nur sein Territorium (Harrer 24.11.2017).

Seit der IS Offensive im Jahr 2014 ist die Zahl der Opfer im Irak nach wie vor nicht auf den Wert der Zeit zwischen 2008 - 2014 zurückgegangen, in der im Anschluss an den konfessionellen Bürgerkrieg 2006-2007 eine Phase relativer Stabilität einsetzte (MRG 10.2017; vgl. IBC 23.11.2017). Von dem Höchstwert von 4.000 zivilen Todesopfern im Juni 2014 ist die Zahl 2016 [nach den Zahlen von Iraq Body Count] auf 1.500 Opfer pro Monat gesunken; dieser sinkende Trend setzt sich im Jahr 2017 fort (MRG 10.2017). Nach den von Joel Wing dokumentierten Vorfällen, wurden in den Monaten August, September und Oktober 2017 im Irak 2.988 Zivilisten getötet (MOI 09.-11.2017).

Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).

Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018).

Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018).

Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).

Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).

Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h., aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).

1.2. Allgemeine Sicherheitslage in Kurdistan:

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion mitzustimmendem Ausgang ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk.

Das Verhältnis der Zentralregierung zur kurdischen Autonomieregion, die einen semi-autonomen Status innehat, hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der Autonomieregion und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil umstrittener Gebiete am 25. September 2017 deutlich verschlechtert (AA 12.2.2018). Die Kurden konnten das von ihnen kontrollierte Territorium im Irak in Folge der Siege gegen den IS zunächst ausdehnen. Mit dem Referendum am 25.9.2017 versuchte die kurdische Regional-Regierung unter Präsident Masud Barzani, ihren Anspruch auch auf die von ihr kontrollierten Gebiete außerhalb der drei kurdischen Provinzen zu bekräftigen und ihre Verhandlungsposition gegenüber der Zentralregierung in Bagdad zu stärken (BPB 24.1.2018).

Bagdad reagierte mit der militärischen Einnahme eines Großteils der umstrittenen Gebiete, die während des Kampfes gegen den IS von kurdischen Peshmerga übernommen worden waren, angefangen mit der ölreichen Region um Kirkuk (AA 12.2.2018). Die schnelle militärische Rückeroberung der umstrittenen Gebiete durch die irakische Armee, einschließlich der Erdöl- und Erdgasfördergebiete um Kirkuk, mit massiver iranischer Unterstützung, bedeutete für die kurdischen Ambitionen einen Dämpfer. Präsident Barzani erklärte als Reaktion darauf am 29.10.2017 seinen Rücktritt. Der kampflose Rückzug der kurdischen Peshmerga scheint auch auf zunehmende Differenzen zwischen den kurdischen Parteien hinzudeuten (BPB 24.1.2018).

Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der kurdischen Autonomieregion (AA 12.2.2018).

Im Dezember 2017 forderte die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen gegen die Regionalregierung in Sulaymaniya mehrere Todesopfer. Daraufhin hat sich die Oppositionspartei Gorran aus dem kurdischen Parlament zurückgezogen (BPB 24.1.2018). In der Autonomieregion gehen die Proteste schon auf die Zeit gleich nach 2003 zurück und haben seitdem mehrere Phasen durchlaufen. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind jedoch gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018).

Am 30.9.2018 fanden in der kurdischen Autonomieregion Wahlen zum Regionalparlament statt (Tagesschau 30.9.2018). Mit einer Verzögerung von drei Wochen konnte die regionale Wahlkommission am 20.10.2018 die Endergebnisse veröffentlichen. Zahlreiche Parteien hatten gegen die vorläufigen Ergebnisse Widerspruch eingelegt. Gemäß der offiziellen Endergebnisse gewann die KDP mit 686.070 Stimmen (45 Sitze), vor der PUK mit 319.912 Stimmen (21 Sitze) und Gorran mit

186.903 Stimmen (12 Sitze) (ANF 21.10.2018; vgl. Al Jazeera 21.10.2018, RFE/RL 21.10.2018). Die Oppositionsparteien lehnen die Abstimmungsergebnisse ab und sagen, dass Beschwerden über den Wahlbetrug nicht gelöst wurden (Al Jazeera 21.10.2018).

In Nordkurdistan setzte die Türkei ihre Angriffe auf PKK-Stellungen fort. Zwei Treffer durch Luftschläge in Ninewa zogen letztlich einen Protest der irakischen Regierung nach sich. Die Türkei gab jedoch bekannt, ihre Aktionen fortführen zu wollen (Joel Wing 2.1.2019). Als Folge eines Luftangriffs, bei dem mutmaßlich einige Zivilisten ums Leben kamen, stürmte eine aufgebrachte Menge einen Posten der türkischen Armee nahe Dohuk, wobei eine Person ums Leben kam und zehn verletzt wurden (BBC 26.1.2019). Im Dezember 2018 wurden zwölf Luftschläge mit 31 Toten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 elf mit 35 Toten (Joel Wing 4.2.2019) und im März zwei Vorfälle mit 32 Toten und 10 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Zusammenstöße zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern hatten Todesopfer auf beiden Seiten zur Folge (Joel Wing 26.3.2019). Am 30.3.2019 bombardierte die türkische Luftwaffe erneut PKK-Stellungen im Qandil Gebirge (BAMF 1.4.2019).

Der IS rekrutiert in der kurdischen Autonomieregion (ISW 7.3.2019).

Eine Einreise in die Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist aktuell aus Österreich auf dem Luftweg ausgehend vom Flughafen Wien via Amman und via Dubai nach Erbil und auf indirektem Weg via Bagdad möglich.

1.3. Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen:

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte vorerst eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Aktuell sind im Gefolge der Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet im Irak keine maßgeblichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen für die Region bekannt.

Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich der Provinz Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen und bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018).

In der Provinz Basra kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bewaffneter Gruppierungen. In Basra und den angrenzenden Provinzen besteht ebenfalls das Risiko von Entführungen (AA 1.11.2018).

Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, zu Verletzten und Toten (CEDOCA 28.2.2018). Dies war auch im Juli und September 2018 der Fall, als Demonstranten bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet wurden (Al Jazeera 16.7.2018; vgl. Joel Wing 5.9.2018, AI 7.9.2018).

Am 21.12.2018 setzte die Polizei scharfe Munition und Tränengas ein, um Demonstranten im südirakischen Basra an der Erstürmung eines Regierungsgebäudes zu hindern. Die zweitgrößte Stadt des Landes erlebt seit Juli 2018 ausgedehnte Proteste gegen Korruption, Misswirtschaft, die schlechte Grundversorgung und Arbeitslosigkeit (Guardian 18.7.2018; vgl. Reuters 21.12.2019). Auch 2019 kommt es weiterhin zu häufigen Protesten (Jane's 5.2.2019).

In Qadisiya wurde im Dezember 2018 ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit einer verwundeten Person registriert. In Babil waren es im Dezember 2018 zwei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 drei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 4.2.2019) und im Februar zwei Vorfälle mit zwei Verletzten (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurde in Babil ein Vorfall registriert, bei dem zwei Personen getötet wurden (Joel Wing 3.4.2019). In Basra wurden bei einem Zusammenstoß zweier Stämme am 11.3.2019 mindestens drei Menschen getötet und sieben weitere verwundet (Kurdistan 24 12.3.2019).

1.4. Sicherheitslage Nord- und Zentralirak:

In den Provinzen Ninewa und Salah al-Din muss weiterhin mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem IS und irakischen Sicherheitskräften gerechnet werden. Diese Gefährdungslage gilt ebenfalls für die Provinz Anbar und die Provinz Ta'mim (Kirkuk), sowie auch für die Provinz Diyala. Hinzu kommen aktuelle Spannungen zwischen irakischen Streitkräften und kurdischen Peshmerga (AA 1.11.2018).

Mit dem Zuwachs und Gewinn an Stärke von lokalen und sub-staatlichen Kräften, haben diese auch zunehmend Verantwortung für die Sicherheit, politische Steuerung und kritische Dienstleistungen übernommen. Infolgedessen ist der Nord- und Zentralirak, obgleich nicht mehr unter der Kontrolle des IS, auch nicht unter fester staatlicher Kontrolle. Die Fragmentierung der Macht und die große Anzahl an mobilisierten Kräften mit widersprüchlichen Loyalitäten und Programmen stellt eine erhebliche Herausforderung für die allgemeinen Stabilität dar (GPPI 3.2018).

Der Zentralirak ist derzeit der wichtigste Stützpunkt für den IS. Die Gewalt dort nahm im Sommer 2018 zu, ist aber inzwischen wieder gesunken. In der Provinz Diyala beispielsweise fiel die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle von durchschnittlich 1,7 Vorfällen pro Tag im Juni 2018 auf 1,1 Vorfälle im Oktober 2018. Auch in der Provinz Salah al-Din kam es im Juni 2018 zu durchschnittlich 1,4 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Tag, im Oktober jedoch nur noch zu 0,5. Die Provinz Kirkuk verzeichnete im Oktober 2018 einen Anstieg an sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit durchschnittlich 1,5 Vorfällen pro Tag, die höchste Zahl seit Juni 2018. Die Anzahl der Vorfälle selbst ist jedoch n

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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