TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/2 W161 2225666-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.2019
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Entscheidungsdatum

02.12.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §61

Spruch

W161 2225664-1/2E

W161 2225667-1/2E

W161 2225666-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX alias XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle StA. Iran, sämtlich vertreten durch Mag. Peter WOLF, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.11.2019, Zlen. 1.) 19-1236530500-19067121, 2.) 19-1236530609-190671730, 3.) 19-1236530402-190671748 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer (1. BF) und die Zweitbeschwerdeführerin (2. BF) sind ein Ehepaar, die Drittbeschwerdeführerin (3. BF) ist ihre minderjährige Tochter. Alle sind iranische Staatsangehörige. Die Beschwerdeführer (BF) stellten am 03.07.2019 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Eine EURODAC Abfrage ergab keinen Treffer.

Der Abgleichsbericht zur VIS-Abfrage ergab, dass die BF über ein von 20.06.2019 bis 17.07.2019 gültiges Visum der Kategorie C, ausgestellt durch die Vertretungsbehörde Italiens in XXXX /Iran, verfügen.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 25.07.2019 ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin-III Verordnung gestütztes Aufnahmeersuchen an Italien.

Mit Schreiben vom 26.09.2019 teilten die Österreichischen Dublin Behörden Italien mit, dass aufgrund der nicht fristgerechten Antwort gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin-III Verordnung Verfristung eingetreten und Italien nunmehr zuständig für die Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren sei. Die Überstellungsfrist habe am 26.02.2019 begonnen.

3.1. Der 1. BF gab bei seiner Erstbefragung am 03.07.2019 an, er könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. Er habe seinen Heimatort am 03.07.2019 verlassen und sei direkt vom Iran nach Österreich geflogen. Sein Zielland sei Österreich gewesen, weil seine Schwägerin hier lebe. Als Fluchtgrund gab der 1. BF an, er habe seine Heimat verlassen, weil er im Iran entführt worden und fünf bis sechs Tage gefangen genommen gewesen wäre. Er sei zu einer Firma gegangen, für die er gearbeitet hätte und hätte das Geld für seine Arbeit eingefordert. Man habe ihn jedoch hingehalten. Nach der Streiterei habe die Polizei ihn mitgenommen und dem Richter vorgeführt, der Richter habe zu ihm gesagt, er werde ihn fertigmachen. Die Anwältin habe ihm geraten, die Klage über die Firma zurückzuziehen und den Iran zu verlassen.

3.2. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, EAST-Ost, am 10.10.2019 gab der 1. BF an, er habe psychische Krankheiten und nehme Medikamente. Er habe auch Befunde vom Arzt. Er sei unter Druck und Stress gewesen und habe sich umbringen wollen. Danach sei er zehn Tage im Krankenhaus gewesen, dann sei er freigelassen worden, seitdem bekomme er immer Medikamente aus dem Haus 7. Er habe eine ausführliche Rechtsberatung in Anspruch genommen. Befragt, ob er bisher im Verfahren der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt hätte, gab der 1. BF an es gäbe einige Fehler in der Erstbefragung und seien manche Sachen fehlerhaft. In der Erstbefragung stehe, dass er das Visum selber ausgestellt habe, aber das stimme nicht. Der Schlepper habe alles organisiert. Reisepass, Flugtickets, etc. habe der Schlepper weggenommen, sie hätten nichts weggeschmissen. Er gehe täglich zum Arzt wegen psychischer Probleme, dann nehme er auch die Medikamente. In Österreich befänden sich seine Schwägerin, ihr Ehemann und deren beiden Kinder. Diese würden in der Nähe von XXXX leben. Seine Frau sei im Krankenhaus und die Schwägerin komme immer zu Besuch und bringe etwas zum Essen. Die Schwägerin passe auch auf seine Tochter auf, seitdem seine Frau im Krankenhaus sei. Sie unterstütze sie sehr viel, auch finanziell. Die Schwägerin sei bereits seit ca. sieben bis acht Jahren in Österreich und sei anerkannter Flüchtling. Seine Ehefrau sei sehr krank, sie habe psychische Krankheiten. Sie stehe auf und weine die ganze Zeit. Sie habe keine Hoffnung zu leben, sie wolle sich umbringen. Seine Schwägerin rede mir ihr, dann gehe es ihr besser und zwei Tage später sei wieder das Gleiche. Seine Schwägerin sei berufstätig und könne nicht ständig zu seiner Frau. Er wisse nicht, wann seine Frau aus dem Krankenhaus komme. Er könne sich nicht erinnern in Italien gewesen zu sein. Er möchte nicht nach Italien zurückkehren. Er habe dort niemanden. Derzeit sei seine Frau krank, er sei krank, er könne nicht dort zurückkehren. Wenn es seiner Frau schlecht gehe, könne zumindest die Schwägerin seine Frau unterstützen. Sie sei nicht nur die Schwägerin, sondern auch die Mutter seiner Frau. Wenn er seiner Frau sagen müsste, dass sie nach Italien gehen müssten, würde sich ihr Zustand verschlechtern, denn ihr Ziel sei Österreich gewesen. Er habe nicht gewusst, dass ein Visum ausgestellt worden wäre. Es sei ihm gesagt worden, dass man ihn nach Österreich bringe. Die Pässe seien beim Schlepper gewesen. Wenn er nach Italien gehen müsste, wäre sein Leben durcheinander. Befragt was er an Italien auszusetzen habe, gab der 1. BF an, er wolle und könne nicht nach Italien. Wenn man ihn nach Italien schicke, werde er sich umbringen. Er möchte allgemein nicht zurückkehren nach Italien. Sein Leben wäre durcheinander, er möchte hier leben.

4.1. Die 2. BF gab bei Ihrer Erstbefragung am 03.07.2019 an, sie könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. Sie leide an psychischen Problemen, könne aber die Fragen beantworten. Sie nehme seit ca. viereinhalb Jahren psychische Medikamente.

Zur Fluchtroute und der Einreise nach Österreich tätigte die 2. BF gleiche Angaben wie ihr Ehemann. Befragt nach ihrem Fluchtgrund gab die 2. BF an, sie habe ihre Heimat zusammen mit ihrem Mann und Ihrer Tochter verlassen, weil sie von einem Schneider, bei dem sie Kleider anfertigen lassen wollte, im Alter von 13 Jahren ausgegriffen worden wäre. Sie habe es ihrer Mutter erzählen wollen, aber diese hätte ihr nicht geglaubt. Außerdem hätte sie sich vor ca. vier Jahren umbringen wollen, weil ihr so etwas Ähnliches passiert sei. Ihre Mutter habe sie nie verstanden. Ihre Tochter habe keien eigenen Fluchtgründe.

4.2. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, EAST-Ost, am 30.10.2019 gab die 2. BF an, sie nehme vier verschiedene Medikamente und sei von diesen leicht benebelt, sie könne jedoch die Einvernahme durchführen. Sie nehme die Medikamente, weil sie psychisch krank sei. Da sie mit ihrer Schwester eine sehr enge Beziehung gehabt hätte und diese ausgereist wäre, leide sie sehr daran. Dies sei bereits im Iran gewesen. Ihre Schwester sei nach Österreich geflüchtet. Sie hätte auch flüchten wollen, aber ihr Ehemann hätte Probleme gehabt, weil er beruflich erfolgreich gewesen wäre und nicht habe weggehen wollen. Ihre Schwester sei vor ca. sieben oder acht Jahren aus dem Iran ausgereist. Sie habe diese hier in Österreich in XXXX im Lager wiedergesehen. Ihre Schwester habe eine Aufenthaltsbewilligung in Österreich. Sie kenne den Ort nicht genau, aber er sei zweieinhalb Stunden entfernt Richtung XXXX . Sie sehe ihre Schwester ein bis zwei Mal pro Woche. Sobald sie ihre Schwester sehe, sehe sie in dieser ihre Mutter. Es komme nicht darauf an, ob sie Medikamente genommen habe oder nicht, es gehe ihr plötzlich gut. Sie würden einander ständig umarmen und es gehe ihr viel besser. Als kleines Kind wäre ihre Mutter nicht für sie da gewesen, ihre Schwester sei jedoch immer für sie da gewesen. Sie sei seelisch von dieser abhängig. Befragt nach ihrem Krankenhausaufenthalt gab die 2. BF an, dies sei gewesen, da sie mit ihrer Tochter Stress gehabt und gestritten habe. Sie sei dann auch handgreiflich geworden und sei ihr gesagt worden, dass sie ihr Kind nicht schlagen dürfe. Sie habe auch gewusst, dass sie psychisch nicht gesund sei, deswegen sei sie zur Behandlung geschickt worden. Sie habe eine ausführliche Rechtsberatung in Anspruch genommen. Befragt nach Verwandten in Österreich gab die 2. BF an, hier würden ihre Schwester, deren beiden Töchter und deren Ehemann leben, weiters auch ihr eigener Ehemann und ihre eigene Tochter. Befragt nach dem Befinden der Tochter gab die 2. BF an, es sei festgestellt worden, dass auch ihre Tochter psychisch krank sei, sie nehme Schlaftabletten. Sie habe heute einen Termin in XXXX . Sie sei elf Jahre alt. Sie bekomme Schlaftabletten, weil sie Albträume habe. Sie sei sehr auffällig, nervös und rege sich schnell auf. Sie sei sehr ungeduldig und sensibel und werde schnell aggressiv. Sie habe keine Befunde in Bezug auf ihre Tochter. Im Iran sei ihre Tochter stationär im Krankenhaus aufhältig gewesen, in Österreich aber noch nicht. Sie sei nicht in Italien gewesen. Sie respektiere Gesetze und Vorgehensweisen, aber ihre Absicht wäre gewesen, nach Österreich zu flüchten egal wie. Der Schlepper habe ihnen garantiert nach Österreich zu kommen. Ihre Absicht wäre gewesen, zu ihrer Schwester zu kommen. Sie werde auf keinen Fall nach Italien gehen. Sie möchte nicht nach Italien, sie wolle zu ihrer Schwester und sie bleibe hier. Ihre Familie sei sozusagen hier, ihre Schwester, welche wie eine Mutter für sie sei, sei hier in Österreich. Sie habe niemanden außer ihrer Schwester. Sie würde so trauern, wie wenn sie ihre Tochter verlieren würde. Ihre Schwester unterstützte sie seelisch, aber auch mit Bekleidung, oder Essen. Als sie im Spital gewesen wäre, habe die Schwester ihre Tochter in einen Park, in ein Restaurant usw. gebracht und etwas mit dieser unternommen. Sie sei auch mit der Tochter schwimmen gewesen. Auch wenn Italien ein Paradies wäre, würde sie nicht dorthin wollen. Auch wenn Österreich die Hölle wäre, würde sie hier bleiben wollen.

5.1. Der 1. BF befand sich vom 22.09. bis 02.10.2019 im Landesklinikum XXXX . Aufnahmegrund waren Suizidversuche im Rahmen einer akuten Belastungssituation. Er wurde am 02.10.2019 ohne Hinweise auf akute Suizidalität entlassen und wurde die Einnahme von Medikamenten empfohlen.

5.2. Die 2. BF suchte am 16.09.2019 die Ambulanz des Landesklinikums XXXX zu einer Kontrolle auf. Als Diagnose wurde festgehalten:

"Deutliche Hinweise auf emotionale instabile Persönlichkeitsstörung im Rahmen einer komplexen Traumafolgestörung."

Die 2. BF befand sich vom 07.10.2019 bis 25.10.2019 im Landesklinikum XXXX . Als Aufnahmegrund wurde festgehalten: "Die Patientin kommt nach telefonischer Vorankündigung aus der Psychiatrie XXXX an unsere Abteilung. In einem Dolmetschgespräch erzählt sie perseverierend von aufdrängenden Suizidgedanken und Hoffnungslosigkeit, das Leben habe keinen Sinn, sie habe keinen Antrieb. Sie berichtet von verschiedenen Suizid versuchen in der Vergangenheit und von traumatisierenden Erlebnissen. Sie ist letztlich aber Paktfähig, weswegen zunächst eine informelle Aufnahme erfolgte."

Als Diagnosen bei Entlassung wird im Entlassungsbrief festgehalten:

"F 60.3 emotional instabile Persönlichkeitsstörung, F 43.1 Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion."

Bei der Entlassung werden regelmäßige Kontrollen bei einem niedergelassenen Facharzt für Psychiatrie, eine ambulante Psychotherapie in der Muttersprache sowie eine konsequente Medikamenteneinnahme sowie diverse Untersuchungen alle drei Monate beim Hausarzt empfohlen. Festgehalten wird, dass das Verhalten der Patientin insgesamt im Rahmen der Grunderkrankung nachvollziehbar sei, die Patientin akzeptiere Schrittweise, dass das Asylverfahren unabhängig vom Krankenhausaufenthalt zu sehen sei.

6. Mit Bescheiden vom 05.11.2019 hat das Bundesamt die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 12 Abs. 4 iVm Art. 22 Abs. 7 der Dublin III Verordnung zur Prüfung der Anträge zuständig sei, sowie gemäß § 61 Abs. 1 FPG eine Außerlandesbringung der Beschwerdeführer angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung nach Italien zulässig sei.

Die Feststellungen zur Lage in Italien (Stand: 09.10.2019) wurden im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (nunmehr gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

1. "Allgemeines zum Asylverfahren

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Im Oktober 2018 gab es mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 (auch als "Salvini-Dekret" bzw. "Salvini-Gesetz" bekannt) einige legislative Änderungen (siehe dazu insbesondere Abschnitte 6. und 7. in diesem LIB, Anm.):

Bild kann nicht dargestellt werden

(AIDA 4.2019; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).

Mit Stand 27. September 2019 waren in Italien 49.014 Personen in einem Asylerfahren, davon haben 26.240 Personen ihren Asylantrag im Jahr 2019 gestellt (MdI 27.9.2019).

Im Jahre 2019 haben die italienischen Asylbehörden bis zum 7. Juni

42.916 Asylentscheidungen getroffen, davon erhielten 4.605 Personen Flüchtlingsstatus, 2.790 subsidiären Schutz, 672 humanitären Schutz,

2.340 waren unauffindbar und 32.304 wurden negativ entschieden (MdI 7.6.2019). Mit Anfang Oktober 2019 waren in Italien 50.298 Asylanträge anhängig (SN 2.10.2019).

Die Asylverfahren nehmen, inklusive Beschwerdephase, bis zu zwei Jahre in Anspruch (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 27.8.2019

-

MdI - Ministero dell'Interno (27.9.2019): Commissione Nazionale per il Diritto di Asilo, per E-Mail

-

MdI - Ministero dell'Interno (7.6.2019): Commissione Nazionale per il Diritto di Asilo,

https://www.camera.it/application/xmanager/projects/leg18/attachments/upload_file_doc_acquisiti/pdfs/000/001/795/REPORT_FINO_AL_07.06.2019_.pdf, Zugriff 24.9.2019

-

SN - Salzburger Nachrichten (2.10.2019): Zahl der Migrantenankünfte in Italien 2019 stark rückläufig, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/zahl-der-migrantenankuenfte-in-italien-2019-stark-ruecklaeufig-77097958, Zugriff: 9.10.2019

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004308.html, Zugriff 23.9.2019

2. Dublin-Rückkehrer

Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Mit dieser ist dann ein Termin zu vereinbaren. Die Quästuren sind oft weit von den Ankunftsflughäfen entfernt und die Asylwerber müssen auf eigene Faust und oft auch auf eigene Kosten innerhalb weniger Tage dorthin reisen, was bisweilen problematisch sein kann (AIDA 4.2019).

Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:

1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch. Der Rückkehrer könnte aber auch als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert werden. Derartige Fälle wurden 2018 vom Flughafen Mailand Malpensa berichtet (AIDA 4.2019).

2. Wenn das Verfahren eines Antragstellers suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann der Rückkehrer binnen 12 Monaten ab Suspendierung einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als 12 Monate vergangen und das Verfahren wurde beendet, kann nur ein Folgeantrag gestellt werden, für den seit Oktober 2018 verschärfte Regelungen gelten (AIDA 4.2019).

3. Wurde das Verfahren des Antragstellers in der Zwischenzeit negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Wenn dem Antragsteller die negative Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht werden konnte, gilt diese seit Oktober 2018 nach 20 Tagen als zugestellt und ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich (AIDA 4.2019). (Für weitere Informationen, siehe Kapitel 6.2. "Dublin-Rückkehrer", Anm.)

Mit Gesetz 132/2018 wurde der humanitäre Schutzstatus stark überarbeitet und der Zugang zu dieser Schutzform eingeschränkt. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen, werden nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen in einen anderen Titel umgewandelt werden (Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung, etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage) (VB 25.2.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019). (für nähere Informationen zu diesem Thema siehe Abschnitt 7. "Schutzberechtigte", Anm.) Wenn Dublin-Rückkehrer im Besitz eines humanitären Aufenthaltes waren, der nicht fristgerecht in einen der neuen Aufenthaltstitel umgewandelt wurde, sind sie zum Aufenthalt in Italien nicht mehr berechtigt und damit von der Versorgung ausgeschlossen (SFH 8.5.2019).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 27.8.2019

-

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019

-

VB des BM.I Italien (25.2.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

-

VB des BM.I Italien (22.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

3. Non-Refoulement

Medienberichten zufolge wurden 2018 über 100 auf See aufgelesene Migranten nach Libyen zurückgebracht. Italienische Gerichte haben Überstellungen von afghanischen Asylwerbern in EU-Mitgliedsstaaten, in denen Asylverfahren der besagten Afghanen bereits negativ erledigt worden waren, unter Verweis auf ein Ketten-Refoulement-Risiko nach Afghanistan annulliert (AIDA 4.2019).

Mit Gesetz 132/2018 wurde auch das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten in Italien eingeführt. Da aber bislang keine entsprechende Liste sicherer Herkunftsstaaten beschlossen wurde, wird das Konzept in der Praxis derzeit nicht angewendet (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über ignorierte Versuche Asyl zu beantragen und kollektive Kettenabschiebung nach Slowenien und weiter bis nach Bosnien-Herzegowina (AI 1.3.2019). Quellen:

-

AI - Amnesty International (1.3.2019): Italy: Refugees and migrants' rights under attack: Amnesty International submission for the UN Universal Periodic Review, 34th Session of the UPR Working Group,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2007541/EUR3002372019ENGLISH.pdf, Zugriff 30.9.2019

-

AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 29.8.2019

4. Versorgung

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als "Salvini-Dekret" bzw. "Salvini-Gesetz" bekannt) gibt es auch weitgehende Änderungen im Unterbringungssystem. Das bisherige System (CARA als Erstaufnahme, SPRAR als kommunal organisierte Unterbringung und Integration für Asylwerber und Schutzberechtigte, CAS als Notmaßnahme für Bootsflüchtlinge) wird völlig neu organisiert und nur noch zwischen einer Erstaufnahme und einer sekundären Versorgungsschiene unterschieden (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Erstaufnahmeeinrichtungen ("prima accoglienza") werden CAS und CARA ersetzen. Zielgruppe dieser Einrichtungen sind Asylwerber (auch in einem Beschwerdeverfahren oder in Dublin-out-Verfahren bis zur Überstellung), ausdrücklich auch Dublin-Rückkehrer (VB 19.2.2019) und Vulnerable (mit Ausnahme von UMA) (SFH 8.5.2019). Fremde, die in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, werden in jener Region untergebracht, in welcher der Antrag ursprünglich eingebracht wurde. In allen anderen Fällen ist jene Region zuständig, in der sich der Flughafen befindet, an dem der Fremde ankommt. Für diese Erstaufnahmeeinrichtungen wurden seitens des italienischen Innenministeriums neue Ausschreibungsspezifikationen ausgearbeitet, die bereits durch den italienischen Rechnungshof genehmigt und an die Präfekturen übermittelt wurden. Die Ausschreibung und staatliche Verwaltung/Kontrolle der Einrichtungen obliegt nach wie vor den Präfekturen. Seitens des italienischen Innenministers wurde betont, dass die Einhaltung sämtlicher europarechtlicher Bestimmungen (hier insbesondere die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU) unter Wahrung der menschlichen Würde jedenfalls sichergestellt ist. Herkunft, religiöse Überzeugung, Gesundheitszustand, Vulnerabilität sowie die Familieneinheit finden Berücksichtigung. Bei den Kernleistungen (Sozialbetreuung, Information, soziokulturelle Mediation, sanitäre Einrichtungen sowie Startpaket, Taschengeld und Telefonkarte) soll es zu keiner Kürzung oder Streichung kommen. Integrationsmaßnahmen werden im neuen System nur noch Schutzberechtigten zukommen. Bei den Ausschreibungsspezifikationen wird zwischen kollektiven und individuellen (z.B. Selbstversorger) Unterbringungsplätzen unterschieden. Die Versorgung sieht unter anderem folgende Leistungen vor:

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Unterbringung, Verpflegung

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Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation

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notwendige Transporte

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medizinische Betreuung: Erstuntersuchung, ärztliche Betreuung in den Zentren zusätzlich zum allgemeinen Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst

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Hygieneprodukte

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Wäschedienst oder Waschprodukte

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Erstpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte)

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Taschengeld (€ 2,50/Tag/Person bis zu € 7,50/Tag für eine Kernfamilie)

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Schulbedarf

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usw.

Nach Auskunft des italienischen Innenministeriums sind Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen. In den Spezifikationen sind Personalschlüssel, Reinigungsintervalle, Melde- und Aufzeichnungsverpflichtungen des Betreibers in Bezug auf Leistungen an die Bewohner, An-/Abwesenheiten etc. festgelegt. Die Präfekturen sind zu regelmäßigen, unangekündigten Kontrollen berechtigt und verpflichtet (VB 19.2.2019).

Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für die Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (Italienisch-Kurse, Orientierungskurse, Berufsausbildungen oder Freizeitaktivitäten). Ebenso eingespart wird psychologische Betreuung, welche nur noch in Hotspots und Schubhaftzentren verfügbar ist. Rechtsberatung und kulturelle Mediation werden reduziert (AIDA 4.2019; vgl. SFH 8.5.2019).

Die sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR) heißen ab sofort SIPROIMI ("Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati" - Schutzsystem für international Schutzberechtigte und unbegleitete minderjährige Fremde). Asylwerber, mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger, haben dort keinen Zugang mehr (AIDA 4.2019). SIPROIMI stehen nur noch Personen mit internationalem Schutz, unbegleiteten Minderjährigen, sowie Personen zur Verfügung, die nach der neuen Rechtslage einen Aufenthaltstitel wegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände haben ("neue" humanitäre Titel; siehe dazu mehr in Abschnitt 7. "Schutzberechtigte", Anm.). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den oben beschrieben Leistungen auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).

Nur diejenigen asylsuchenden Personen und Inhaber eines humanitären Status, denen vor dem 4. Oktober 2018 ein Platz in einem SPRAR-Zentrum zugesagt wurde, werden noch in einem SPRAR-Zentrum untergebracht (SFH 8.5.2019). Personen mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich mit Stichtag 05.10.2018 noch in einem SPRAR/SIPROIMI befanden, können dort für den vorgesehenen Zeitraum bzw. bis zum Ende des Projektzeitraumes weiterhin bleiben. Jene Fremde mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, verbleiben dort so lange, bis ihnen von der Quästur der Aufenthaltstitel ("permesso di soggiorno") übergeben wurde und werden danach aus dem Aufnahmesystem entlassen (VB 19.2.2019).

In den letzten Jahren war das italienische Aufnahmesystem angesichts der zahlreichen Anlandungen von Migranten von Überforderung und dem Versuch geprägt, möglichst viele Unterbringungsplätze in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Dabei entstanden verschiedene Arten von Unterbringungszentren auf Projektbasis in Gemeinden, Regionen und zentraler Ebene mit nur grob festgelegt Zielgruppen. Mit der Neustrukturierung wurde ein differenziertes Aufnahmesystem geschaffen, das auch der Kritik des italienischen Rechnungshofes Rechnung trägt, der die undifferenzierte Unterbringung bzw. Erbringung insbesondere von kostspieligen Integrationsmaßnahmen an Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltstitel bemängelt hat. So werden Asylwerber zukünftig in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Personen mit Schutzstatus bzw. einer der neuen Formen des humanitären Schutzes sowie allein reisende Minderjährige erhalten Zugang zu den sekundären Aufnahmeeinrichtungen, in denen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden (VB 19.2.2019). Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Durch die neuen Vergabekriterien wurde auch auf den Vorwurf reagiert, dass die Aufnahmeeinrichtungen außerhalb des SPRAR keine einheitlichen Standards sicherstellen. Durch die Staffelung der Strukturen nach Unterbringungsplätzen mit entsprechend angepasstem Personalstand und Serviceleistungen kann seitens der Präfekturen im Rahmen der Vergabeverfahren auf den Bedarf und die Gegebenheiten vor Ort im jeweiligen Fall eingegangen werden, wodurch sich die Kosten von €

35/Person/Tag auf € 21/Person/Tag senken sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019). Dass eine solche Restrukturierung ohne Einbußen bei der Qualität oder dem Leistungsangebot (so der Vorwurf bzw. die Befürchtung der Kritiker) machbar ist, scheint angesichts der vorliegenden Unterlagen aus Sicht des VB nachvollziehbar (VB 19.2.2019). Kritiker meinen hingegen, die neuen Vorgaben würden zu einem Abbau von Personal in den Unterbringungseinrichtungen und zur Reduzierung der gebotenen Leistungen führen. Kleinere Zentren würden unwirtschaftlich und zur Schließung gezwungen, stattdessen würden größere, kostensenkende Kollektivzentren geschaffen (SFH 8.5.2019).

Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten (AIDA 4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In der Praxis haben Asylwerber jedoch Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die anhaltende Wirtschaftskrise, die Sprachbarriere, oder die geografische Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über Diskriminierung und Ausbeutung von Migranten durch Arbeitgeber. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Chancen von Migranten auf legale Anstellung (USDOS 13.3.2019).

Quellen: - AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 19.9.2019

-

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004308.html, Zugriff 23.9.2019

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VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

4.1. Unterbringung

Grundsätzlich sind bedürftige Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatischer aufschiebender Wirkung besteht das Unterbringungsrecht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Bei Rechtsmitteln ohne automatische aufschiebende Wirkung kann diese vom Gericht zuerkannt werden und in einen solchen Fall besteht auch das Unterbringungsrecht weiter. Seit Ende 2018 haben einige Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung mehr. Gemäß der Praxis in den Vorjahren erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione), die bis zu einige Monate nach der Antragstellung stattfinden kann, abhängig von Region und Antragszahlen. In dieser Zeit müssen Betroffene alternative Unterbringungsmöglichkeiten finden, was problematisch sein kann. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. In ganz Italien gibt es auch informelle Siedlungen oder besetzte Häuser, in denen Fremde leben, unter ihnen Asylwerber und Schutzberechtigte (AIDA 4.2019).

Das offizielle italienische Unterbringungssystem für erwachsene Asylwerber stellt sich folgendermaßen dar:

CPSA (Centri di primo soccorso e accoglienza) / Hotspots

Es handelt sich dabei um Zentren an den Hauptanlandungspunkten der Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien kommen. Die CPSA wurden 2006 gegründet und fungieren seit 2016 formell als "Hotspots" (gemäß dem sogenannten "Hotspot-approach" der Europäischen Kommission). Diese dienen der raschen erkennungsdienstlichen Behandlung, Trennung von Asylwerbern und Migranten und ihrer entsprechenden weiteren Behandlung. Ende 2018 gab es in Italien vier Hotspots in Apulien (Taranto) und Sizilien (Lampedusa, Pozzalo, Messina), die zusammen 453 Migranten beherbergten. Zu Identifikationszwecken werden Migranten in den Hotspots oft wochenlang festgehalten, was Kritiker als ungesetzlich bezeichnen (AIDA 4.2019).

Erstaufnahme

Diese soll in den bereits existierenden Zentren (Centri d'accoglienza richiedenti asilo, CARA und Centri di accoglienza, CDA) und in neu festzulegenden Einrichtungen umgesetzt werden. Die Zentren sind meist groß, geografisch isoliert und der Standard der Unterbringungsbedingungen schwankt zum Teil erheblich. Derzeit gibt es 14 Erstaufnahmezentren, aber Anfang 2019 hat das Innenministerium verlautbart, die großen Zentren schließen und durch kleinere ersetzen zu wollen, weil diese leichter zu kontrollieren seien. Im Falle von Platzmangel kann auch auf temporäre Strukturen (Centri di accoglienza straordinaria, CAS) zurückgegriffen werden, das sind Notunterkünfte der Präfekturen. Die Unterbringung in einem CAS soll so kurz als möglich dauern, bis zur Unterbringung des Betreffenden in einem Erstaufnahmezentrum. Doch es gibt derzeit über 9.000 CAS in ganz Italien und sie bilden damit die Mehrheit der im Land verfügbaren Unterbringungsplätze. Auch in den CAS ist der Unterbringungsstandard stark von der betreibenden Präfektur abhängig. In der Vergangenheit wurden einige CAS stark für die dortigen Zustände kritisiert. In Zukunft sollen die Ende 2018 veröffentlichten amtlichen Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen (AIDA 4.2019).

Die Erstaufnahmezentren müssen seit Oktober 2018 alle Asylsuchenden, einschliesslich Vulnerabler, mit Ausnahme von UMA, aufnehmen. Die Aufnahmezentren der ersten Stufe haben infolge der neuen Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen mit erheblichen Budgetkürzungen zu kämpfen. Diese Kürzungen führen zu einer Verringerung des Personalbestands und somit einer Verschlechterung der Betreuung der Asylsuchenden (SFH 8.5.2019).

Die Integration der Asylsuchenden beginnt erst nach Zuerkennung eines Schutztitels und Verlegung in ein SIPROIMI. Die Erstaufnahmeeinrichtungen bieten keine Integrationsprojekte, wie Berufsorientierung, etc. (AIDA 4.2019).

(Für Informationen zu SIPROIMI siehe Abschnitt 7. "Schutzberechtigte", Anm.)

Private Unterbringung / NGOs

Außerhalb der staatlichen Strukturen existiert noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben von karitativen Organisationen bzw. Kirchen. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie speziell in Notfällen oder als Integrationsmittel. Im April 2017 beherbergten außerdem über 500 Familien in Italien einen Fremden. In einer Initiative der Caritas waren im Mai 2017 rund 500 weitere Migranten privat untergebracht (AIDA 4.2019).

Im Feber 2018 waren in ganz Italien geschätzt mindestens 10.000 Personen von der Unterbringung faktisch ausgeschlossen, darunter Asylwerber und Schutzberechtigte. Sie leben nicht selten in besetzen Gebäuden, von denen mittlerweile durch Involvierung von Regionen oder Gemeinden aber auch viele legalisiert wurden (MSF 8.2.2018). Informelle Siedlungen gibt es im ganzen Land, wenn auch Ende 2018 einige von den Behörden geräumt wurden (AIDA 4.2019). Auch Vertreter von UNHCR, IOM und anderer humanitärer Organisationen und NGOs, berichteten über tausende von legalen und illegalen Migranten und Flüchtlingen, die in verlassenen Gebäuden und in unzulänglichen und überfüllten Einrichtungen in Rom und anderen Großstädten leben und nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung, Rechtsberatung, Bildung und anderen öffentlichen Dienstleistungen haben (USDOS 13.3.2019).

Mit Stand 30.9.2019 befanden sich in Italien 99.599 Migranten in staatlicher Unterbringung (VB 30.9.2019).

CPR (Centri di Permanenza per il Rimpatrio)

Italien verfügt außerdem über sieben Schubhaftzentrum (CPR) mit zusammen 751 Plätzen. Unbegleitete Minderjährige und Vulnerable dürfen nicht in CPR untergebracht werden, Familien hingegen schon. In der Praxis werden aber nur sehr selten Kinder in CPR untergebracht. Wenn Migranten in den Hotspots die Abgabe von Fingerabdrücken verweigern, können sie zu Identifikationszwecken für max. 180 Tage in CPR inhaftiert werden (AIDA 4.2019).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 19.9.2019

-

MSF - Médecins Sans Frontières (8.2.2018): "Out of sight" - Second edition, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424506.html, Zugriff 8.10.2019

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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004308.html, Zugriff 23.9.2019

-

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019

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VB des BM.I Italien (30.9.2019): Bericht des VB, per E-Mail

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VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

4.2. Dublin-Rückkehrer

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als "Salvini-Dekret" bzw. "Salvini-Gesetz" bekannt) wird festgelegt, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen ("prima accoglienza"), welche CAS und CARA ersetzen sollen, ausdrücklich auch die reguläre Unterbringungsmöglichkeit für Dublin-Rückkehrer sind (VB 19.2.2019), da für Asylwerber kein Zugang zu den Zentren der zweiten Stufe (SIPROIMI-Zentren) vorgesehen ist (AIDA 4.2019).

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte Italien im Februar 2015 in einem Rundbrief eine Liste von Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind, welche als Dublin-Rückkehrer nach Italien kommen. Im Sinne der neuen Rechtslage im Land hat Italien am 8. Jänner 2019 einen neuen Rundbrief versendet und auf die geänderten Gegebenheiten reagiert. Es wird darin bestätigt, dass in Übereinstimmung mit dem neuen Gesetz 132/2018, gemäß der Dublin-VO rücküberstellte Antragsteller nicht in SIPROIMI, sondern im Rahmen der Erstaufnahme (s.o.) untergebracht werden. Italien garantiert, dass diese Zentren dafür geeignet sein werden, um alle Arten von Betroffenen zu betreuen und die Einhaltung ihrer Grundrechte zu gewährleisten, vor allem die Familieneinheit und den Schutz Minderjähriger (MdI 8.1.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Genauer sollen Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt hatten, bevor sie das Land verließen, vom Flughafen in die Provinz der Antragstellung überstellt werden. Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Die Familieneinheit sollte dabei immer gewahrt bleiben. (AIDA 4.2019).

Bezüglich des Verlustes des Rechtes auf Unterbringung gelten noch immer die Regeln aus dem Dekret 142/2015: Verlässt eine Person unerlaubt eine staatliche Unterbringung, so wird von einer freiwilligen Abreise ausgegangen und sie verliert das Recht auf Unterbringung. Dies gilt auch nach einer Dublin-Rückkehr (SFH 8.5.2019). Die Präfektur kann eine neuerliche Unterbringung verweigern (AIDA 4.2019). Solche Personen sind gegebenenfalls auf private oder karitative Unterbringungsmöglichkeiten bzw. Obdachlosenunterkünfte angewiesen. Hat der Rückkehrer vor der Weiterreise kein Asylgesuch in Italien gestellt und tut dies erst nach der Rückkehr, besteht das Recht auf Unterbringung ohne Einschränkung. Da sich die formelle Einbringung des Antrags aber oftmals über Wochen verzögern kann, kann bis zur Unterbringung eine entsprechende Lücke entstehen (SFH 8.5.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 29.8.2019

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MdI - Ministero dell'Interno (8.1.2019): Circular Letter, per E-Mail

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SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019

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VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

4.3. Medizinische Versorgung

Mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als "Salvini-Dekret" bzw. "Salvini-Gesetz" bekannt) ist die medizinische Versorgung von Asylwerbern weiterhin gewährleistet. Es wurde oft kritisiert, dass durch das neue Gesetz Asylwerber von der medizinischen Versorgung abgeschnitten würden, weil deren Registrierung bei den Gemeinden ("residenza") nicht mehr vorgesehen ist. Letzteres ist grundsätzlich richtig, allerdings unterscheidet Italien beim "Wohnsitz" zwischen "residenza" und "domicilio" (VB 19.2.2019). Nach der neuen Rechtslage ist die Einschreibung beim Nationalen Gesundheitsdienst für Asylwerber auf Basis des "domicilio" garantiert (CILD 1.2.2019), welcher üblicherweise im Aufn

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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