Entscheidungsdatum
03.12.2019Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G314 2225968-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des türkischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX2019,
Zl. XXXX, betreffend die Anordnung der Schubhaft zu Recht:
A) Der Beschwerde gegen die Anordnung der Schubhaft wird Folge
gegeben und diese für rechtswidrig erklärt.
B) Der Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von EURO 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
C) Der Antrag der Behörde auf Ersatz ihrer Aufwendungen wird
abgewiesen.
D) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF) verbüßte ab XXXX2019 eine Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX.
Mit dem Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 04.09.2019 wurde ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in die Türkei festgestellt, ein dreijähriges Einreiseverbot erlassen, keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Da dieser Bescheid nur dem BF, nicht aber seinem im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ausgewiesenen Vertreter zugestellt worden war, wurde die Beschwerde dagegen mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 15.10.2019, L502 1236686-3, als unzulässig zurückgewiesen und ausgeführt, dass der Bescheid mangels Zustellung keine Rechtswirkung entfalte. Eine ähnliche Entscheidung war zuvor auch schon über die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des BFA vom 29.07.2019 ergangen, der ebenfalls nur ihm, nicht aber seinem Vertreter zugestellt worden war.
Mit dem Schreiben vom 28.10.2019 forderte das BFA den BF auf, sich zur beabsichtigten Anordnung der Schubhaft nach der Verbüßung der Strafhaft zu äußern und dazu konkrete Fragen zu beantworten. Am 07.11.2019 erstattete der BF eine entsprechende Stellungnahme.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ordnete das BFA unter Berufung auf die seit 15.10.2019 "zweitinstanzlich rechtskräftige" Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG über den BF die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung an und sprach aus, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheids nach seiner Entlassung aus der derzeitigen Haft eintreten würden. Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX2019 zugestellt.
Dagegen richtet sich die am 29.11.2019 beim BVwG eingebrachte Schubhaftbeschwerde des BF, mit der er beantragt, die Anordnung der Schubhaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung für rechtswidrig zu erklären und den Bund zum Ersatz seiner Kosten (Schriftsatzaufwand EUR 737,60) zu verpflichten. Die Beschwerde wird unter anderem damit begründet, dass keine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gegen den BF bestünde, weil der Bescheid vom 04.09.2019 nicht (durch Zustellung an den ausgewiesenen Vertreter des BF) erlassen worden sei.
Mit dem Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.11.2019, der dem Rechtsvertreter des BF am 02.12.2019 zugestellt wurde, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in die Türkei festgestellt, ein dreijähriges Einreiseverbot erlassen, keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Der angefochtene Schubhaftbescheid wurde bislang noch nicht vollstreckt.
Am 02.12.2019 übermittelte das BFA dem BVwG auftragsgemäß die Akten des Verwaltungsverfahrens und erstattete eine Stellungnahme zur Schubhaftbeschwerde, in der darauf hingewiesen wird, dass der BF mittlerweile aus der Justizanstalt XXXX geflohen sei. Die Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot vom 29.11.2019 sei durchsetzbar; die aufschiebende Wirkung sei bislang noch nicht zuerkannt worden. Die Behörde beantragt den Ersatz ihrer Aufwendungen gemäß § 35 VwGVG iVm § 1 Z 3 bis 5 VwG-AufwErsV.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die relevanten Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahren sowie der Gerichtsakten des BVwG. Mangels widerstreitender Beweisergebnisse erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 22a Abs 1 Z 3 FPG hat der BF das Recht, das BVwG mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids anzurufen, weil gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.
Die Schubhaft wurde gemäß § 76 Abs 4 FPG nicht mit Mandatsbescheid angeordnet, sodass der angefochtene Bescheid nicht als widerrufen gilt, obwohl er noch nicht vollstreckt wurde.
Gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG darf die Schubhaft - soweit entscheidungswesentlich - nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.
Hier wurde die Schubhaft (nur) zum Zweck der Sicherung der Abschiebung zu einem Zeitpunkt angeordnet, zu dem kein durchsetzbarer Titel für die Außerlandesbringung des BF vorlag. Die Anordnung der Schubhaft mit dem angefochtenen Bescheid war daher rechtswidrig (vgl. VwGH 29.06.2017, Ro 2016/21/0007).
Es ist der Behörde unbenommen, gegen den BF bei Vorliegen der Voraussetzungen und unter Berücksichtigung zwischenzeitig eingetretener Änderungen allenfalls (basierend auf der durch Zustellung an den Rechtsvertreter des BF am 02.12.2019 erlassenen Rückkehrentscheidung) wieder die Schubhaft anzuordnen.
Gemäß § 22a Abs 1a BFA-VG iVm § 35 VwGVG hat die Behörde dem vollständig obsiegenden BF antragsgemäß den Schriftsatzaufwand in der Höhe des verzeichneten Pauschalbetrags gemäß § 1 Z 1 VwG-AufwErsV von EUR 737,60 zu ersetzen. Die Behörde als unterlegene Partei hat dagegen keinen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen, sodass der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.
Die beantragte mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die Anordnung der Schubhaft rechtswidrig war.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil das BVwG keine Rechtsfrage von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.
Schlagworte
Aufwandersatz, Rechtswidrigkeit, SchubhaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2225968.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020