TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 G314 2195981-1

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z8

Spruch

G314 2195981-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des kosovarischen StaatsangehörigenXXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2018, Zahl XXXX, betreffend internationalen Schutz beschlossen und zu Recht erkannt:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt IV. zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 8 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen".

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) gelangte Anfang Mai 2015 von seinem kosovarischen Wohnort XXXX über Serbien und Ungarn nach Österreich, wo er am 19.05.2015 internationalen Schutz beantragte. Am 22.05.2015 erfolgte seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, bei der er als Fluchtgrund angab, dass sein Vater einen Mann umgebracht und er selbst den Kosovo wegen Problemen mit der Familie des Getöteten verlassen habe. Im Dezember 2014 sei er von Unbekannten bei der Arbeit bedroht worden. Bei einer Rückkehr in den Kosovo befürchte er, umgebracht zu werden.

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 28.09.2015 gab der BF dagegen an, er habe seine Heimat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, weil er im Kosovo keine oder nur schlecht bezahlte Arbeit gefunden habe. Die Angaben bei der Erstbefragung habe er nur wegen der Asylantragstellung gemacht. Er sei mittlerweile mit einer in Österreich lebenden ungarischen Staatsangehörigen verheiratet und "benötige das Asylverfahren nicht mehr".

Am XXXX2015 wurde dem BF aufgrund der Ehe mit einer ungarischen Staatsangehörigen eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Nach seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen der Eingehung einer Aufenthaltsehe wurde er am 07.02.2017 neuerlich im Asylverfahren vor dem BFA vernommen. Er berief sich nunmehr wieder darauf, dass er seine Heimat habe verlassen müssen, weil sein Vater von Blutrache betroffen sei. Die Angaben am 28.09.2015 habe er gemacht, weil er von Mitarbeitern der Niederlassungsbehörde aufgefordert worden sei, das Asylverfahren abzuschließen.

Am XXXX2017 wurde die Ehe des BF als nichtig aufgehoben. Nach einer weiteren Einvernahme vor dem BFA am 07.03.2018 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo festgestellt (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 8 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 1 Z 1 und 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, mit der der BF primär die Zuerkennung von Asyl, in eventu von subsidiärem Schutz, anstrebt. Hilfsweise beantragt er die Behebung der Rückkehrentscheidung, die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG sowie die Behebung des Einreiseverbots und stellt letztlich einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Er begründet dies zusammengefasst damit, dass sein Vater 1995 jemanden umgebracht habe. Die Familie des Getöteten wolle unter anderem am BF Rache nehmen. Blutrache werde im Kosovo nach wie vor angewendet und vom Staat weitgehend toleriert. Bei Rückkehr des BF in den Kosovo bestünde die Gefahr, dass er von der Familie des Opfers seines Vaters misshandelt, gefoltert oder getötet werde. Der Staat sei weder schutzwillig noch schutzfähig. Die Rückkehrentscheidung verletze Art 8 EMRK, weil er in Österreich, wo er 2015 lebe, ein schützenswertes Privatleben habe. Er sei (aufgrund seiner Zulassung zum Arbeitsmarkt wegen der Ehe mit einer EU-Bürgerin) berufstätig und selbsterhaltungsfähig. Er sei Mitglied in einem Fitnessclub, habe gute Deutschkenntnisse und einen Freundeskreis und sei bestens in die österreichische Gesellschaft integriert. Er lebe nach wie vor in einer Lebensgemeinschaft mit der ungarischen Staatsangehörigen, mit der er verheiratet gewesen sei; es handle sich nicht um eine Scheinehe. Sein Onkel halte sich in XXXX auf.

Das BFA legte die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 22.05.2018 (und am folgenden Tag in der zuständigen Gerichtsabteilung der Außenstelle Graz) einlangte. Am 25.06.2018 erstattete der BF auftragsgemäß eine Stellungnahme zu dem ihm vom BVwG übermittelten Bericht der Staatendokumentation über Blutrache im Kosovo.

Feststellungen:

Der BF kam in XXXX im heutigen Kosovo zur Welt. Seine Muttersprache ist Albanisch. Er ist Moslem und gehört der albanischen Volksgruppe an.

Der BF besuchte in seinem Heimatstaat von 1997 bis 2007 die Schule und machte eine Ausbildung zum Automechaniker. Danach war er im Kosovo in diesem Beruf, aber auch als Bauarbeiter erwerbstätig. Er lebte vor seiner nunmehrigen Ausreise nach Österreich in XXXX, wo sich seine Eltern, ein Bruder und zwei seiner Schwestern nach wie vor aufhalten. Sie leben dort im Elternhaus des BF in einem gemeinsamen Haushalt, wo sie eine kleine Landwirtschaft betreiben. 2013 hielt sich der BF in Ungarn auf, von wo er nach kurzer Zeit wieder in den Kosovo zurückkehrte, ohne internationalen Schutz zu beantragen.

Eine Schwester des BF lebt mit ihrer Familie in Deutschland, eine andere in der Schweiz. Der BF hat noch weitere, entferntere Angehörige, die im Kosovo leben. Einige leben auch in anderen europäischen Staaten (Deutschland, Schweiz).XXXX, ein Onkel des BF, der sich viele Jahre lang in Österreich aufhielt und den BF unterstützte, als dieser in das Bundesgebiet einreiste, hat das Bundesgebiet mittlerweile verlassen.

Der BF verließ den Kosovo Anfang Mai 2015 aus wirtschaftlichen Gründen, weil er dort nur schlecht bezahlte Arbeit fand und in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollte. Am 19.05.2015 beantragte er internationalen Schutz. Danach war er einige Tage lang in einem Grundversorgungsquartier untergebracht und bezog Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Am XXXX2015 verließ er das Bundesgebiet und hielt sich mehrere Monate lang in Ungarn auf. Am 03.07.2015 wurde das Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 24 AsylG eingestellt, weil sein Aufenthalt unbekannt war. Ab September 2015 hielt er sich wieder in Österreich auf, wo er am XXXX2015 die ungarische Staatsangehörige XXXX heiratete. AmXXXX2015 wurde dem BF aufgrund dieser Ehe eine bis XXXX2020 gültige Aufenthaltskarte ausgestellt. Nach seiner Rückkehr nach Österreich wurde das Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz fortgesetzt.

Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX2016, XXXX, wurden der BF und XXXX wegen des Vergehens des Eingehens und Vermittlung von Aufenthaltsehen gemäß § 117 Abs 1 FPG jeweils zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt, wobei bei beiden ein Strafteil von 30 Tagessätzen für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung lag zugrunde, dass sie miteinander die Ehe eingegangen waren, ohne ein gemeinsamen Familienleben iSd Art 8 EMRK führen zu wollen, wobeiXXXX wusste oder wissen musste, dass sich der BF für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthalts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahme auf diese Ehe berufen wollte und der BF als Beteiligter gemäß § 117 Abs 4 FPG angesehen wurde. Sowohl bei XXXX als auch beim BF wurde die Unbescholtenheit als mildernd gewertet; besondere Erschwerungsgründe lagen nicht vor.

Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX,XXXX, wurde die Ehe des BF mit XXXX rechtskräftig gemäß § 23 EheG als nichtig aufgehoben, weil sie zu dem Zweck geschlossen worden war, ihm den unbeschränkten Aufenthalt und den unbeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er war im Bundesgebiet von Februar 2016 bis März 2017, einige Tage im April 2017, zwischen August und November 2017 und von Dezember 2017 bis April 2018 geringfügig beschäftigt. Im April und Mai 2016, von Juni bis Dezember 2016, von April bis Juli 2017, im August 2017, von September bis November 2017 und im März und April 2018 ging er einer vollversicherten Erwerbstätigkeit als Arbeiter nach. Dazwischen bezog er immer wieder Arbeitslosengeld, so zwischen Dezember 2016 und Februar 2017, von Februar bis April 2017, einige Tage im Juli 2017, im September 2017 und von Dezember 2017 bis März 2018. Er war in Österreich von 04.05.2015 bis 26.05.2015 und von 05.10.2015 bis 27.09.2018 mit Hauptwohnsitz gemeldet; seither besteht keine Wohnsitzmeldung mehr.

Ab Juni 2016 war der BF Mitglied in einem Fitnessstudio in XXXX. Er ist gesund und arbeitsfähig. Er hat einen Freundeskreis in Österreich. Im Februar und März 2017 besuchte er einen Deutsch-Integrationskurs für das Sprachniveau A1 und von Dezember 2017 bis März 2018 einen für das Sprachniveau A2, legte aber keine Deutschprüfung ab. Er absolvierte im Bundesgebiet keine anderen Kurse oder Ausbildungen und ist weder ehrenamtlich noch in anderen Vereinen engagiert. Er ist nicht verheiratet und kinderlos. Er besitzt einen am 11.04.2013 ausgestellten und bis 10.04.2023 gültigen kosovarischen Reisepass. Abgesehen von der Verurteilung durch das Bezirksgericht XXXX im Mai 2016 weist er keine weiteren strafgerichtlichen Verurteilungen auf.

Am 01.06.2018 wurde die Aufenthaltskarte des BF widerrufen, weil sich herausgestellt hatte, dass seine Ehe mit XXXX eine Aufenthaltsehe gewesen war. XXXX hält sich mittlerweile nicht mehr im Bundesgebiet auf.

Der BF hat bei seiner Rückkehr in den Kosovo dort keine Sanktionen zu befürchten. Er wird dort weder strafrechtlich noch politisch noch aus anderen Gründen verfolgt. Er hatte keine Probleme mit den dortigen Behörden; solche sind auch bei seiner Rückkehr nicht zu befürchten. Ebensowenig ist zu befürchten, dass er nach seiner Rückkehr in den Kosovo dort in eine unmenschliche oder erniedrigende Lage geraten wird.

Zur allgemeinen Lage im Kosovo:

Der Kosovo ist eine Republik mit parlamentarischer Demokratie und Gewaltenteilung. Das politische System hat sich seit der Unabhängigkeitserklärung vom 17.02.2008 gefestigt. Die Verfassung enthält neben den Grundwerten moderner europäischer Verfassungen und dem Prinzip der Gewaltenteilung umfassenden Schutz, zum Teil auch Privilegien, für die im Kosovo anerkannten Minderheiten. Die EU-Rechtsstaatsmission EULEX hat den Auftrag, die kosovarischen Behörden beim Aufbau eines multiethnischen Justiz-, Polizei- und Zollwesens zu unterstützen und an rechtsstaatliche EU-Standards heranzuführen, und wurde zuletzt bis Juni 2020 verlängert.

Im Norden Kosovos (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) hat sich die Lage seit den gewalttätigen Zusammenstößen Ende Juli 2011 weitgehend beruhigt, sie bleibt aber angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es erneut zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt. Im restlichen Teil Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil.

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor. Ein effizientes Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte ist vorhanden. Das Justizwesen weist trotz gewisser Fortschritte noch erhebliche Mängel auf. Es gibt immer wieder Berichte über Korruption, politische Einflussnahme und mangelnde Effizienz im Gerichtswesen.

Insbesondere außerhalb der größeren Städte sind nicht selten Racheakte aus verschiedenen Gründen zu beobachten, die landläufig als "Blutrache" bezeichnet und ohne Beachtung der einschränkenden Regeln des Kanun, des albanischen Gewohnheitsrechts, das Eröffnung, Ablauf und Beendigung regelt, beharrlich betrieben werden, zum Teil mit blutigen oder tödlichen Folgen. Beteiligte an solchen Taten werden verfolgt, angeklagt und verurteilt. Die Praxis der Blutrache ist durch die Verfassung und die geltenden Gesetze verboten. Exekutivorgane sind verpflichtet, Schutz für bedrohte Personen zu gewährleisten. Blutrachemotivierte Verbrechen werden von Gerichten als erschwerende Umstände bei der Bestrafung berücksichtigt. Bei einer Bedrohung aufgrund einer Blutfehde kann man sich an die Polizei, die im Kosovo einen guten Ruf verfügt, wenden, die jedoch keinen 24-Stunden-Schutz anbieten kann. Die Polizei behandelt Morde im Zusammenhang mit einer Blutfehde wie jeden anderen Mord auch; die Mörder werden unter verschärfte Kontrolle gestellt, um damit ein Exempel zu statuieren. Blutrachemorde werden untersucht und verfolgt, wobei die Strafen üblicherweise zwischen 15 und 25 Jahren Gefängnis liegen.

Die innere Sicherheit des Kosovo beruht auf drei Komponenten: der Kosovo Police, den unterstützenden internationalen EULEX-Polizeikräften und den KFOR-Truppen, die auch den Aufbau und das Training der multiethnischen Kosovo Security Force innehaben. Die Kosovo Police hat eine Stärke von ca. 9.000 Personen und ist im ganzen Land vertreten. EULEX-Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im ganzen Land. Eigentums-, Körperverletzungs- und Tötungsdelikte sind auf niedrigem Niveau. Organisierte Kriminalität und Korruption befanden sich laut UNDOC (United Nations Office on Drugs and Crime) aus 2013 weiterhin auf hohem Niveau. Die Kosovo Police wird als die vertrauenswürdigste rechtsstaatliche Institution angesehen. Es gibt Polizeistationen im ganzen Land, wo man Anzeigen erstatten kann. Es können auch Anzeigen beim Büro der Staatsanwaltschaften, bei der EULEX-Staatsanwaltschaft und beim Ombudsmann eingereicht werden. Die Kriminalität, mit Ausnahme der organisierten Kriminalität und der Korruption, ist rückläufig und niedriger als im gesamteuropäischen Vergleich. Das Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung ist in der Verfassung verankert. Fälle von Folter und von unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung sind nicht bekannt.

Analysen und Indikatoren weisen auf ein sehr hohes Korruptionsniveau im Kosovo hin, das selbst im regionalen Vergleich überdurchschnittlich ist. Der Kosovo hat strenge Antikorruptionsgesetze und es gibt zahlreiche Antikorruptionsinstitutionen. Die Behörden waren allerdings nicht fähig, Fälle von Korruption erfolgreich zu untersuchen, zu verfolgen und zu bestrafen.

Zahlreiche heimische und internationale Menschenrechtsorganisationen können ohne Einschränkungen durch die Regierung ihren Aufgaben nachgehen, Menschenrechtsfälle untersuchen und die Ergebnisse darüber publizieren.

Das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrechten ist in der Verfassung verankert. Viele internationale Menschenrechtsabkommen gelten unmittelbar und haben Anwendungsvorrang. Seit November 2000 gibt es die Einrichtung einer Ombudsperson, die für alle Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen oder Amtsmissbrauch durch die zivilen Behörden des Kosovo zuständig ist. Die Ombudsperson geht Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen nach und gibt in einem Jahresbericht an das Parlament Empfehlungen für deren Behebung ab.

Es gibt keine Hinweise auf staatliche Repression oder Menschenrechtsverletzungen. Probleme beim Aufbau eines funktionierenden Justizsystems sowie einer effizienten Verwaltung, aber auch das hohe Maß an Korruption beeinflussen jedoch den Schutz zentraler Menschenrechte. Das Anti-Diskriminierungsgesetz wird nicht konsequent angewendet. Es kommt immer wieder zu einzelnen Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen, denen in der Regel durch Nichtregierungsorganisationen, den Ombudsmann, aber auch andere staatliche Stellen nachgegangen wird.

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die kosovarische Verfassung garantiert und können generell ohne staatliche Einschränkungen wahrgenommen werden, vereinzelt kommt es zu Einschüchterungsversuchen, Bedrohung oder versuchter Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und organisierte Kriminalität. Die politische Opposition wird in ihrer Betätigung nicht eingeschränkt.

Die Verhältnisse in den neueren Gefängnissen und Vollzugsanstalten entsprechen im Allgemeinen internationalen Standards, es gibt aber noch sehr viele alte Haftanstalten, die diesen nicht mehr entsprechen (z.B. Zellengröße, Ausstattung). Die kosovarische Regierung versucht, dies durch entsprechende bauliche und organisatorische Maßnahmen zu verbessern.

Das Verbot der Anwendung der Todesstrafe ist in der kosovarischen Verfassung verankert. Sie ist für alle Straftaten abgeschafft. Im Kosovo herrschen keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Kosovo ist ein säkularer Staat. Die Religionsfreiheit ist in der Verfassung garantiert; Einschränkungen sind nicht bekannt.

Es gibt keine Hinweise auf intendierte staatliche Repressionen oder Menschenrechtsverletzungen aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit. Die Teilhabe ethnischer Minderheiten an der Gesellschaft ist trotz grundrechtlicher Fundierung nur unzureichend gesichert und wird nicht ausreichend gefördert. Insbesondere Roma, Ashkali und "Ägypter" sind sozial stark marginalisiert, sie sind von Armut überproportional betroffen. Die Exklusion am Arbeitsmarkt ist evident. Auch die Inanspruchnahme von Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen durch Minderheiten (mit Ausnahme der serbischen Minderheit) ist unterdurchschnittlich. Alle Ethnien können sich im Kosovo grundsätzlich frei bewegen.

Obwohl die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist und viele Kosovaren in Armut leben, ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet. Staatliche Sozialhilfeleistungen werden aus dem Budget des Sozialministeriums finanziert. Sie sind bei der jeweiligen Gemeindeverwaltung zu beantragen und werden für die Dauer von bis zu sechs Monaten bewilligt. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen wird durch Mitarbeiter der Kommunen und des Sozialministeriums geprüft. Jede Gemeinde verfügt über ein Zentrum für Soziales. Die Freizügigkeit wird für Sozialhilfeempfänger nicht eingeschränkt, der Wohnortwechsel ist der bisherigen Gemeinde anzuzeigen. Die von der bisherigen Kommune ausgestellte Registrierungsbestätigung ist innerhalb einer Frist von sieben Tagen bei der Kommune des neuen Wohnsitzes bei der Anmelderegistrierung vorzulegen. Für den weiteren Sozialhilfebezug ist im neuen Wohnort ein entsprechender Antrag zu stellen. Der Umzug wird durch Mitarbeiter des Sozialministeriums überprüft. Wohnraum - wenn auch mitunter auf niedrigem Niveau - steht ausreichend zur Verfügung. Kosovo gehört zu den ärmsten Staaten der Region und ist auf die Hilfe der EU und der im Ausland lebenden Kosovo-Albaner angewiesen. Der Anteil der informellen Wirtschaftsleistung ist immens - schätzungsweise zwischen 27 und 45 %. Zuverlässige Zahlen über die tatsächliche Höhe der Arbeitslosigkeit liegen nicht vor.

Das Sozialsystem ist nur rudimentär ausgebaut und bietet keine angemessene Versorgung. Ein Gesetz zum Aufbau einer staatlichen Krankenversicherung wurde verabschiedet, aber noch nicht umgesetzt. Ein Altersversorgungssystem ist eingerichtet, die Renten bewegen sich aber auf niedrigem Niveau. Wegen der strengen Anspruchsvoraussetzungen oder mangels Registrierung erhalten nur wenige Familien staatliche Leistungen in Form vor Sozialhilfe oder Renten. Das wirtschaftliche Überleben dieser Familien sichern in der Regel der Zusammenhalt der Familien und die im Kosovo noch ausgeprägte gesellschaftliche Solidarität. Eine große Rolle spielen dabei die Schattenwirtschaft, Spenden und die Unterstützung durch die Diaspora.

Die staatlich finanzierte medizinische Grundversorgung der Bevölkerung erfolgt in einem öffentlichen dreistufigen Gesundheitssystem. Es besteht aus Erstversorgungszentren, Krankenhäusern auf regionaler Ebene sowie einer spezialisierten medizinischen Versorgung durch die Universitätsklinik in Pristina, die umfassende, auch komplexe medizinische Dienstleistungen, verbunden mit hohen Kosten, anbietet. Die Bettenkapazität zur stationären Behandlung von Patienten in Krankenhäusern ist ausreichend. Problematisch bleiben der schlechte bauliche Zustand von Krankenhäusern und Gesundheitsstationen mit teilweise veralteter Ausstattung. Die medizinische Infrastruktur bleibt trotz erheblicher Investitionen lückenhaft. Trotz kontinuierlicher Verbesserungen der meisten Gesundheitsindikatoren bleibt die Situation hinsichtlich Morbidität und Mortalität alarmierend.

Die Medikamentenversorgung und -beschaffung im staatlichen Gesundheitssystem wird zentral vom Gesundheitsministerium gesteuert. Auf seiner Homepage veröffentlicht das Gesundheitsministerium die aktuellen Listen der unentbehrlichen Arzneimittel, in denen alle staatlich finanzierten Basismedikamente und -wirkstoffe, Verbrauchsmaterialien sowie Zytostatika aufgelistet werden. Für medizinische Leistungen sowie für Basismedikamente aus der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel zahlen Patienten Eigenbeteiligungen, die nach vorgegebenen Sätzen pauschal erhoben werden. Von der Zuzahlungspflicht sind ua Invalide und Empfänger von Sozialhilfeleistungen, Rentner, Schwangere, chronisch Kranke sowie Personen über 65 Jahre befreit. Das Gesundheitsministerium verfügt über ein Budget, um Personen ohne ausreichende finanzielle Mittel Medikamente zur Verfügung stellen zu können, die nicht in der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel angeführt sind. Die Bewilligung erfolgt nur, wenn der Patient ansonsten in eine lebensbedrohliche Situation geraten würde.

Seit 01.01.2011 unterstützt die kosovarische Regierung Rückkehrer aus Drittstaaten mit Geld-, Sach- und Beratungsleistungen. Die "Nationale Strategie zur Reintegration von Rückkehrern im Kosovo" sah für die Haushaltsjahre 2014 bis 2017 Mittel von EUR 3,2 Mio. pro Jahr vor. Damit keine Anreize für eine Ausreise aus Kosovo bestehen, erhalten nur diejenigen Rückkehrer Leistungen aus dem Reintegrationsprogramm, die vor dem 28.07.2010 Kosovo verlassen haben. Ausnahmen gelten bei aufgrund von Alter, Krankheit, Behinderung, familiären oder sozialen Problemen besonders gefährdeten Personen. Die erste Kontaktaufnahme zu Rückkehrern findet bereits unmittelbar nach deren Ankunft am Flughafen Pristina statt. Falls erforderlich, werden Transporte in die Heimatgemeinde oder eine befristete Unterkunft in Pristina angeboten und Ansprechpartner in den Kommunen benannt. Im Bedarfsfall können individuelle medizinische Versorgungsmöglichkeiten über die Abteilung für die Reintegration von Rückkehrern im kosovarischen Innenministerium in Zusammenarbeit mit dem kosovarischen Gesundheitsministerium organisiert werden. Es liegen keine Erkenntnisse vor, wonach abgelehnte Asylwerber bei der Rückkehr in den Kosovo allein wegen der Beantragung von Asyl im Ausland mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Identität des BF wird durch seinen unbedenklichen Reisepass, aus dem dem BVwG eine Kopie vorliegt, belegt. Daraus geht auch sein Geburtsort hervor. Die Muttersprache, die Religion und die Volksgruppenzugehörigkeit des BF werden anhand seiner glaubhaften und konsistenten Angaben dazu festgestellt, ebenso seine Ausbildung, seine Erwerbstätigkeit und seine Herkunftsfamilie im Kosovo.

Die Feststellungen zum Aufenthalt des BF in Ungarn 2013 basiert auf seinen Angaben bei der Erstbefragung und den entsprechenden EURODAC-Treffern, die aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) hervorgehen.

Die im Kosovo und in anderen europäischen Staaten lebenden Angehörigen des BF werden anhand seiner Angaben dazu festgestellt. Sein Onkel XXXX war laut dem Zentralen Melderegister (ZMR) von Juli 2005 bis August 2019 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet; aktuell weist er keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet mehr auf, sondern ist laut ZMR in den Nicht-EU-Raum verzogen, sodass davon auszugehen ist, dass er das Bundesgebiet verlassen hat. Der BF erwähnte vor dem BFA weitere in Österreich lebende Angehörige, nämlich seinen Cousin XXXX und seine Tante XXXX, die mit ihrem Mann XXXXund den gemeinsamen Kindern in XXXX lebe. Für letztere konnten im ZMR keine Wohnsitzmeldungen ermittelt werden; ein XXXXist laut ZMR seit 2013 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Da der BF weder vor dem BFA noch in der Beschwerde konkrete Kontakte zu diesen Seitenverwandten erwähnt, werden dazu mangels Entscheidungsrelevanz keine Feststellungen getroffen.

Der BF machte während des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz divergierende Angaben zu den Gründen, aus denen er den Kosovo verlassen hatte. Das BVwG folgt dabei nicht seiner Behauptung, er werde dort wegen Blutrache verfolgt, sondern den am 28.09.2015 getätigten Angaben, wonach er den Kosovo aus wirtschaftlichen Gründen und zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verlassen habe. Die damalige Schilderung wurde auch vom Bezirksgericht XXXX im Strafurteil gegen den BF als authentisch eingestuft. Gegen eine Verfolgung des BF aus Blutrachegründen spricht nicht zuletzt sein Verhalten während des Asylverfahrens, weil er nicht gleich nach seiner Ankunft in Österreich internationalen Schutz beantragte, das Bundesgebiet vor dem Abschluss des Verfahrens für etliche Monate verließ und eine Aufenthaltsehe einging. Eine Gesamtschau des Verhaltens und der Aussagen des BF ergibt, dass es ihm nicht darum ging, Schutz vor Verfolgung zu erhalten, sondern um eine Aufenthaltsgenehmigung und um einen möglichst schnellen Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt. Das BVwG folgt seiner Darstellung vom 28.09.2015, bei der er das auch unumwunden zugab, und nicht den vorher bei der Erstbefragung und danach bei den Einvernahmen am 07.02.2017 und vom 07.03.2018 getätigten Aussagen.

Der kurze Bezug von Grundversorgungsleistungen wird anhand des Auszugs aus dem GVS-Betreuungsinformationssystem festgestellt. Der mehrmonatige Aufenthalt des BF in Ungarn im Jahr 2015 ergibt sich aus seinen Angaben vor dem BFA. Dies steht im Einklang damit, dass er zwischen 26.05.2015 und 05.10.2015 laut ZMR im Bundesgebiet nicht gemeldet war. Die zunächst erfolgte Einstellung des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz wird anhand der entsprechenden Eintragung im IZR festgestellt und wurde dem BF bei der Einvernahme am 28.09.2015 vorgehalten.

Die Eheschließung des BF mit XXXX ergibt sich aus seiner Aussage vom 28.09.2015, die Ausstellung und der Widerruf der Aufenthaltskarte sind im IZR dokumentiert. Die Urteile des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX.2016 und des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX.2017 sind aktenkundig.

Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit des BF ergeben, zumal er sich stets als gesund bezeichnete und sogar ein entsprechendes ärztliches Attest vorlegte. Er war hier auch immer wieder erwerbstätig, wie sich aus dem Versicherungsdatenauszug ergibt, aus dem auch der Bezug von Arbeitslosengeld hervorgeht. Die Wohnsitzmeldungen des BF werden anhand des ZMR-Auszugs festgestellt. Der BF legte Urkunden, aus denen seine Fitnessstudio-Mitgliedschaft und die von ihm besuchten Deutschkurse hervorgehen, vor. Es ist aufgrund des mehrjährigen Inlandsaufenthalts und der Erwerbstätigkeit plausibel, dass der BF in Österreich freundschaftliche Kontakte geknüpft hat. Im den Akten finden sich keine Hinweise auf weitere im Bundesgebiet absolvierte Ausbildungen, Deutschprüfungen, Engagement in Vereinen oder im Ehrenamt, sodass von deren Fehlen auszugehen ist. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF wieder geheiratet hat oder Kinder hat. Im Strafregister ist nur die Verurteilung durch das Bezirksgericht XXXX im Mai 2016 dokumentiert; Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen des BF in anderen Staaten liegen nicht vor.

XXXXwar im Bundesgebiet laut ZMR von 03.12.2009 bis 15.01.2010 und von 23.04.2015 bis 10.04.2019 mit Hauptwohnsitz gemeldet; seither besteht keine Wohnsitzmeldung mehr, sodass davon auszugehen ist, dass sie sich derzeit nicht mehr in Österreich aufhält.

Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich.

Die Feststellungen, dass der BF bei seiner Rückkehr in den Kosovo keine Sanktionen zu befürchten hat, dort nicht strafrechtlich oder politisch verfolgt wird und dass keine Probleme mit den dortigen Behörden bestehen, beruhen auf den Feststellungen zur allgemeinen Lage dort zusammen mit dem Umstand, dass der BF Probleme mit Behörden oder ähnlichen Institutionen ausdrücklich in Abrede stellte und als Grund für das Verlassen des Kosovo einmal die dortige wirtschaftliche Situation, bei anderen Gelegenheiten eine Verfolgung durch Privatpersonen im Rahmen von Blutrache, nannte. Außerdem hielt er sich 2013 in Ungarn auf, ohne internationalen Schutz zu beantragen, wie dies bei einer asylrelevanten Verfolgung in seinem Herkunftsstaat zu erwarten gewesen wäre, und verließ auch Österreich zunächst, ohne den Ausgang seines Asylverfahrens abzuwarten. Es sind keine Hinweise für eine Verfolgung des BF durch staatliche Stellen im Kosovo aktenkundig.

Der BF hat im Kosovo familiäre Anknüpfungspunkte, lebte dort bis 2015, absolvierte eine mehrjährige Schul- und Berufsausbildung und kam durch eigene Erwerbstätigkeit für seinen Lebensunterhalt auf. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur allgemeinen Lage im Kosovo kann festgestellt werden, dass nicht zu erwarten ist, dass er bei seiner Rückkehr in eine unmenschliche oder erniedrigende Lage geraten wird.

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage im Kosovo beruhen auf den Länderinformationen der Staatendokumentation, die unter detaillierter Angabe der jeweiligen Quellen in den angefochtenen Bescheid aufgenommen wurden. Dabei wurden Berichte verschiedener allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt, die ein übereinstimmendes Gesamtbild ohne entscheidungswesentliche Widersprüche ergeben. Es besteht kein Grund, an der Richtigkeit und Aktualität dieser Angaben zu zweifeln. Die in den angefochtenen Bescheid aufgenommenen Länderfeststellungen werden in dieser Entscheidung zur Wahrung der Übersichtlichkeit nur auszugsweise wiedergegeben. Zu den Quellenangaben im Einzelnen wird auf den angefochtenen Bescheid verwiesen. Aufgrund der stabilen Situation im Kosovo sind die vom BFA herangezogenen Länderinformationen weiterhin ausreichend aktuell.

Die Feststellung, dass im Kosovo keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen herrschen, beruht auf dem Fehlen von Berichten über derartige Konflikte und auf der grundsätzlich stabilen Sicherheitslage dort. Die Fortsetzung der EULEX-Mission nach Juni 2018 wurde anhand öffentlich zugänglicher Quellen (siehe insbesondere https://www.eulex-kosovo.eu/?page=2,60 [Zugriff am 27.11.2019]) ergänzt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Einerseits hat der BF keine asylrelevante Verfolgung im Kosovo glaubhaft gemacht, weil ihm dort keine Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention, GFK) droht, zumal er seine Heimat aus wirtschaftlichen Gründen verließ, um in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ihm ist daher gemäß § 3 Abs 1 AsylG der Status des Asylberechtigten nicht zuzuerkennen.

Andererseits wäre auch dann nicht von einer asylrelevanten Verfolgung des BF im Kosovo auszugehen, wenn man seinem Vorbringen, er werde im Kosovo von Privatpersonen im Rahmen einer Blutrachefehde verfolgt, weil sein Vater jemanden getötet habe, folgen würde, weil insoweit von einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und -willigkeit der kosovarischen Behörden auszugehen ist. Aus den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Kosovo ergibt sich, dass dort grundsätzlich ein staatliches Sicherheitssystem eingerichtet ist. Von Straftaten Betroffene können sich an die Sicherheitsbehörden wenden und Anzeige erstatten; die entsprechenden Taten werden untersucht und verfolgt. Der Staat lehnt Blutrache ab und ist bestrebt, sie zu verhindern. Sie ist gesetzlich verboten und wird bei der Strafzumessung als erschwerender Umstand berücksichtigt. Von Blutfehden Betroffene können sich an die Polizei wenden; die entsprechenden Straftaten werden untersucht, verfolgt und bestraft. Somit besteht im Kosovo eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt zum Schutz vor Übergriffen im Rahmen von Blutrachefehden. Dafür spricht nicht zuletzt, dass der Kosovo als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 19 BFA-VG iVm § 1 Z 2 HStV gilt, zumal bei der Festlegung sicherer Herkunftsstaaten insbesondere auf das Bestehen oder Fehlen von staatlicher Verfolgung, Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Menschenrechtsverletzungen Bedacht zu nehmen ist (siehe VwGH 10.08.2017, Ra 2017/20/0153). Es ist nicht erkennbar, warum gerade dem BF der im Kosovo grundsätzlich vorhandene staatliche Schutz nicht zuteilwerden würde (vgl. VwGH 10.08.2017, Ra 2017/20/0153-0154). Er hat nicht einmal behauptet, dass er versucht hat, in seinem Herkunftsstaat Schutz vor der behaupteten Verfolgung durch die Familie des von seinem Vater Getöteten zu finden, was aufgrund des vorhandenen System polizeilicher Gefahrenabwehr nicht von vornherein aussichtslos gewesen wäre.

Da somit keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung des BF im Kosovo hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass keine solche besteht. Die Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten durch das BFA ist daher nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Nach der Abweisung des Antrags des BF auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist über die Zuerkennung von subsidiärem Schutz zu entscheiden. Dieser ist gemäß § 8 Abs 1 AsylG dann zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Dabei ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, die eine ganzheitliche Analyse der möglichen Gefahren erfordert und sich auf die persönliche Situation des BF in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob er im Herkunftsstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Dies ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen; die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK reicht nicht aus.

Hier besteht kein Grund dafür, dem BF subsidiären Schutz zuzuerkennen. Im Kosovo ist die Todesstrafe abgeschafft. Es herrscht kein internationaler oder innerstaatlicher Konflikt; die Sicherheitslage ist vielmehr grundsätzlich stabil. Bei der Rückführung des BF in den Kosovo droht ihm dort keine konkrete Gefahr, das Leben zu verlieren, der Folter oder einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt zu sein. Es wurde bereits dargelegt, dass die kosovarischen Behörden ausreichend schutzfähig und -willig sind. Der BF ist ein gesunder, erwerbsfähiger, alleinstehender junger Erwachsener, der mit der Landessprache und den kulturellen Gepflogenheiten im Kosovo vertraut ist und über eine mehrjährige Schul- und Berufsausbildung sowie über eine entsprechende Berufserfahrung verfügt. Er ist als nicht besonders schutzbedürftig anzusehen, sodass es ihm möglich sein wird, im Kosovo wieder durch eigene Erwerbstätigkeit für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Im Bedarfsfall kann er mit der Unterstützung seiner Herkunftsfamilie rechnen oder die vorhandenen, wenn auch geringen staatlichen Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen. Es ist nicht zu befürchten, dass ihm bei der Rückkehr in den Kosovo jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, zumal er auch wieder - wie vor seiner Einreise nach Österreich - in seinem Elternhaus wohnen können wird. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen könnte, liegt aktuell im Kosovo - auch bei Berücksichtigung der schwierigen wirtschaftlichen Lage dort - jedenfalls nicht vor.

Dem BF droht im Kosovo weder durch direkte Einwirkung noch durch die Folgen einer substantiell schlechten oder fehlenden Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der gemäß § 8 Abs 1 AsylG zu berücksichtigenden, von der EMRK gewährleisteten Rechte. Daher ist auch die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz laut Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids nicht korrekturbedürftig.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wird, ist gemäß § 58 Abs 1 AsylG von Amts wegen die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG zu prüfen. Gemäß § 58 Abs 3 AsylG ist darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs 1 AsylG sind hier nicht erfüllt, weil der Aufenthalt des BF in Österreich zu keiner Zeit geduldet war. Er wurde weder Zeuge oder Opfer strafbarer Handlungen noch Opfer von Gewalt.

Aufgrund der Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz ist gegen den BF gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, zumal ihm nach dem Widerruf der Aufenthaltskarte kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Zwar kommt Ehegatten von EWR-Bürgern, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, die Stellung als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG auch dann zu, wenn die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist, wobei gegen begünstigte Drittstaatsangehörige gemäß § 52 Abs 2 letzter Satz FPG keine Rückkehrentscheidung erlassen werden kann. Da die Ehe des BF aber für nichtig erklärt wurde, sind die für begünstigte Drittstaatsangehörige geltenden Bestimmungen auf ihn nicht anzuwenden (siehe VwGH 15.06.2010, 2010/22/0074 zur damals geltenden, aber insoweit vergleichbaren Rechtslage).

Die Rückkehrentscheidung greift in das Privatleben des BF ein, ist aber gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG zulässig, weil sie zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele, namentlich zum Schutz der öffentlichen Ordnung durch die Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen (wie Aufenthaltsehen) dringend geboten ist. Ein Eingriff in das Familienleben des BF liegt dagegen nicht vor, weil im Inland kein schützenswertes Familienleben besteht. Das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Aufenthaltsehe ohne gemeinsames Familienleben iSd § 30 Abs 1 NAG wurde von den ordentlichen Gerichten bindend festgestellt. Da sich XXXX gar nicht mehr im Bundesgebiet aufhält, führt auch eine allenfalls danach begründete Lebensgemeinschaft mit ihr nicht zu einem schützenswerten Familienleben des BF im Inland.

Bei Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art 8 EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (siehe VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120). Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass sich der BF seit mehr als vier Jahren kontinuierlich in Österreich aufhält, wobei einer unter fünfjährigen Aufenthaltsdauer für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070). Er hat hier einen Freundeskreis aufgebaut und Deutsch-Integrationskurse besucht hat. Seine Erwerbstätigkeit wurde allerdings nur durch eine strafbare Aufenthaltsehe ermöglicht, was die dadurch erlangte soziale Integration maßgeblich relativiert.

Der BF ist strafgerichtlich nicht unbescholten und hat noch starke Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte und ein familiäres Netzwerk hat. Er ist mit den Gepflogenheiten in seiner Heimat vertraut und sprachkundig, sodass es ihm möglich sein wird, sich ohne größere Probleme wieder in die kosovarische Gesellschaft zu integrieren und dort durch eigene Erwerbstätigkeit und mit der Unterstützung seiner Herkunftsfamilie wieder für seinen Lebensunterhalt aufzukommen.

Das Gewicht des Privatlebens des BF wird dadurch gemindert, dass es zu einer Zeit entstand, zu der sich die Beteiligten seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren. Der BF kann den Kontakt zu seinen Freunden und Verwandten auch nach der Rückkehr in den Kosovo durch diverse Kommunikationsmittel (Telefon, Internet) und bei Besuchen im Kosovo oder in anderen Staaten, für die das Einreiseverbot nicht gilt, pflegen.

Dem persönlichen Interesse des BF an einer Fortsetzung seines Privatlebens in Österreich steht das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu.

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt - insbesondere aufgrund der starken Bindungen des BF zu seinem Herkunftsstaat, seines relativ kurzen Inlandsaufenthalts und des Eingehens einer Aufenthaltsehe - das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die gegenläufigen privaten Interessen des BF. Durch die Rückkehrentscheidung wird Art 8 EMRK im Ergebnis nicht verletzt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen oder wurden in der Beschwerde behauptet, die eine Rückkehrentscheidung (vorübergehend oder auf Dauer) unzulässig erscheinen ließen. Die Rückkehrentscheidung ist daher nicht zu beanstanden; die amtswegige Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG kommt nicht in Betracht.

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Wird in einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung eine amtswegige Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG getroffen, so ist diese Feststellung, soweit sie sich auf den Herkunftsstaat bezieht, (wegen der inhaltlichen Übereinstimmung des Prüfungsmaßstabs) nur die Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und von subsidiärem Schutz. In dieser Konstellation kommt ihr demnach nur die Funktion zu, den Zielstaat der Abschiebung festzulegen (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

Angesichts der vollinhaltlichen Abweisung des Antrags des BF auf internationalen Schutz ist die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo nicht zu beanstanden, zumal ein Drittstaat als Zielstaat der Abschiebung ohnehin nicht zur Debatte steht.

Die Aussprüche in Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids sind somit im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG kann das BFA bei einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach (soweit entscheidungswesentlich) dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige eine Ehe geschlossen hat und sich für den Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts und für den Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten kein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK geführt hat (§ 53 Abs 2 Z 8 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Der Umstand, dass der BF eine Aufenthaltsehe ohne gemeinsames Familienleben mit XXXX einging und sich darauf zum Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts und zum Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt berief, verwirklicht den Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 8 FPG und gibt als schwere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens Grund für die in § 53 Abs 2 FPG umschriebene negative Prognose für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet (vgl. VwGH 28.08.2008, 2008/22/0727). Das Eingehen einer Aufenthaltsehe bewirkte eine maßgebliche Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenrechts (Vgl. VwGH 17.06.2019, Ra 2019/22/0096). Der BF wurde wegen der rechtsmissbräuchlich eingegangenen Ehe strafgerichtlich verurteilt; die Ehe wurde aufgehoben. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbots sind erfüllt, zumal insoweit ein Missbrauch des unionsrechtlichen Rechts auf Freizügigkeit zur Umgehung fremdenrechtlicher Vorschriften vorliegt.

Die erheblichen öffentlichen Interessen an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften, insbesondere an der Verhinderung strafrechtlich verpönter Scheinehen, überwiegen das persönliche Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich. Die Erlassung eines Einreiseverbots ist daher dem Grunde nach nicht zu beanstanden.

Da sich das strafrechtlich relevante Fehlverhalten des BF jedoch im Eingehen der Aufenthaltsehe erschöpft und das Strafgericht mit der Verhängung einer teilbedingten Geldstrafe im unteren Bereich des Strafrahmens das Auslangen fand, ist die Dauer des Einreiseverbots auf zwei Jahre zu reduzieren, weil dies dem vorliegenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung und den persönlichen und familiären Verhältnissen des BF entspricht, auch wenn man die offene Probezeit betreffend den bedingt nachgesehenen Strafteil und die fünfjährige Maximaldauer des Verbots berücksichtigt. Spruchpunkt IV. ist in teilweiser Stattgebung der Beschwerde insoweit abzuändern.

Zu Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids:

Das BFA kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (§ 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG) oder wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt (§ 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG). Diese Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht zwingend, sondern setzt eine Abwägung der für und gegen die zu treffende Anordnung sprechenden Interessen voraus. Dabei ist das öffentliche Interesse an der raschen Aufenthaltsbeendigung von Asylwerbern, die aus einem sicheren Herkunftsstaat kommen, den im Einzelfall allenfalls entgegenstehenden privaten Interessen gegenüberzustellen (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146).

Gemäß § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 Z 2 HStV gilt der Kosovo als sicherer Herkunftsstaat. Anhaltspunkte dafür, dass hier konkret zu berücksichtigende private Interessen vorliegen, die das öffentliche Interesse an einer raschen Aufenthaltsbeendigung allenfalls überwiegen, sind - insbesondere angesichts der strafgerichtlichen Verurteilung des BF wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe - nicht hervorgekommen, zumal er auch nach der Verurteilung und der Aufhebung der Ehe weiterhin im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nachging.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Solche Gründe wurden hier nicht vorgebracht. Die Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG liegen nicht vor. Es wurde bereits dargelegt, dass keine Gefährdung der Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur EMRK anzunehmen ist. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist daher nicht zu beanstanden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC.

Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt und der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte, kann eine Beschwerdeverhandlung entfallen, von deren Durchführung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten ist.

Zu Spruchteil C):

Erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG stellten sich nicht, weshalb die Revision an das Höchstgericht nicht zuzulassen ist.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, Einreiseverbot, Herabsetzung,
Interessenabwägung, Milderungsgründe, öffentliche Interessen,
private Interessen, Resozialisierung, Rückkehrentscheidung,
Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2195981.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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