Entscheidungsdatum
12.12.2019Norm
AsylG 2005 §53 Abs1Spruch
G313 1247896-3/25E
Beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über den Antrag von XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die RIHS Rechtsanwalt GmbH, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, G313 1247896-3/22E erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen:
Der Revision wird gemäß § 30 Abs 2 VwGG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit dem Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 06.08.2018 wurde dem oben genannten Revisionswerber der Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.), der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), die Zulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo festgestellt (Spruchpunkt V.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.) und eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VII.). Der vom Revisionswerber dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung am 22.11.2018 mit dem Erkenntnis vom 02.09.2019 nur insoweit Folge, als die Dauer des Einreiseverbots auf vier Jahre reduziert wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen; die Revision wurde nicht zugelassen.
Mit Schriftsatz vom 11.12.2019 brachte der Revisionswerber eine außerordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis ein und beantragte gleichzeitig die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Dazu brachte er Folgendes vor:
"Der Revisionswerber verfügt mittlerweile über eine ordentliche Vollzeitbeschäftigung. Er ist aktuell erwerbstätig. Er ist auf den seelischen Beistand und die Unterstützung seiner nahen Angehörigen (Eltern), zu denen er ein besonders enges Verhältnis aufweist, angewiesen. Er befindet sich zudem auch (noch) in Suchtgifttherapie. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Revisionswerber wäre für diesen mit schwerwiegenden persönlichen Folgen (Herausreißen aus der gewohnten Umgebung, Beendigung der Erwerbstätigkeit, Beendigung der laufenden Therapie) verbunden. Die Konsequenzen wären für den Revisionswerber irreversibel. Der Revisionswerber würde dadurch entwurzelt bzw. seiner Chancen auf eine Wiedereingliederung/Resozialisierung in die Gesellschaft genommen.
Die Gründe in der Sphäre des Revisionswerbers, die sein Privat- und Familienleben betreffen, wiegen schwer. Dem gegenüber besteht kein öffentliches Interesse an der Abschiebung des Revisionswerbers. Eine Abschiebung würde zudem an dessen Staatenlosigkeit scheitern. Der Revisionswerber ist nicht straffällig, hält sich derzeit im Kreis seiner Familie auf und ist dabei/daran interessiert, eine bürgerliche Existenz aufzubauen und ein ordentliches und geregeltes Leben zu führen. Die Gegenüberstellung der Interessen des Revisionswerbers mit den öffentlichen Interessen zeigt, dass im vorliegenden Fall die Rechtsposition des Revisionswerbers, der Schutz dessen Privat- und Familienlebens schwerer wiegen müssen als allenfalls entgegenstehende öffentliche Interessen.
Die Vollstreckung des angefochtenen Erkenntnisses wäre mit irreversiblen und schwerwiegenden Folgen für den Revisionswerber verbunden. Im Fall einer zwangsweisen Rückkehr in den Kosovo käme es zu einem massiven Eingriff in das grundrechtlich verbürgte Privat- und Familienleben des Revisionswerbers. Überwiegende öffentliche Interessen, die eine umgehende Außerlandesbringung des Revisionswerbers verlangen, sind nicht ersichtlich."
Gleichzeitig legte er eine Bestätigung der Suchtberatungsstelle der XXXX in XXXX vom XXXX2019, eine Bestätigung des Arbeitgebers vom 22.11.2019 und zwei Bestätigungen gemäß § 15 Abs 5 SMG über den Verlauf gesundheitsbezogener Maßnahmen im Zeitraum April 2012 bis Juli 2013 sowie Dezember 2014 bis Februar 2018 vor.
Gemäß § 30 Abs 1 erster Satz VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 30 Abs 2 VwGG ist einer Revision die aufschiebende Wirkung jedoch auf Antrag des Revisionswerbers zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Bis zur Vorlage der Revision ist dafür das Verwaltungsgericht zuständig, das gemäß § 30a Abs 3 VwGG über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden hat.
Der Revisionswerber gelangte 2003 gemeinsam mit Eltern und Geschwistern in das Bundesgebiet; mit dem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 29.07.2004 wurde ihm aufgrund eines von seiner Mutter für ihn gestellten Asylerstreckungsantrags Asyl gewährt.
Der Revisionswerber wurde im Bundesgebiet sieben Mal strafrechtlich verurteilt. Im April 2008 wurde wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und Suchtgifthandels als Jugendstraftat eine zunächst für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von neun Monaten verhängt. Nach einer Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre 2010 wurde die bedingte Strafnachsicht im Juni 2011 widerrufen. Im Jänner 2014 wurde die Freiheitsstrafe erneut für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF zwischen Dezember 2006 und Mai 2007 Suchtgift (Cannabiskraut) erzeugt, zwischen November 2006 und Juni 2007 Cannabiskraut (zum Teil gewerbsmäßig) anderen überlassen und zwischen Juli 2005 bis Juni 2007 Cannabiskraut und -harz erworben und besessen hatte.
Im Jänner 2010 wurde der Revisionswerber als junger Erwachsener wegen gefährlicher Drohung und Körperverletzung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, weil er jemanden gefährlich bedroht und durch das Versetzen von Faustschlägen und Tritten vorsätzlich am Körper verletzt hatte. 2011 wurde die zunächst dreijährige Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert; Anfang 2016 wurde die Strafe endgültig nachgesehen.
Im Juni 2011 wurde gegen den Revisionswerber wegen des Vergehens des Suchtgifthandels (nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 3 erster Fall SMG) und des teils vollendeten und teils versuchten Verbrechens des Suchtgifthandels (nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 3 zweiter Fall SMG, 15 StGB) eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, die im Jänner 2014 nachträglich bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung lagen zwischen Herbst 2008 und Dezember 2010 in Bezug auf Amphetamine sowie Cannabiskraut und -harz (zum Teil grenzüberschreitend) begangene Suchtgiftdelikte zugrunde, wobei der Revisionswerber an Suchtmittel gewöhnt war und die Straftaten vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.
Im Juni 2013 wurde der BF wegen unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt, wobei im November 2017 die bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde.
Im September 2013 wurde der BF wegen Einbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde bis November 2014 vollzogen.
Im September 2017 (rechtskräftig mit Oktober 2017) wurde der Revisionswerber wegen unbefugten Waffenbesitzes zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, weil er am XXXX2017 einen Schreckschussrevolver samt Munition besessen und auf einer Bahnfahrt eingesteckt hatte, obwohl gegen ihn ein Waffenverbot bestand. Im November 2017 wurde die Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert.
Im November 2017 wurde der Revisionswerber wegen unbefugten Waffenbesitzes, Beteiligung an einem Diebstahl, versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt und gefährlicher Drohung zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er vor dem XXXX2016 trotz eines Waffenverbots einen schwarzen Gasrevolver und ein Springmesser besessen hatte, am XXXX2017 durch Begleitung des unmittelbaren Täters und Assistenz bei der Auswahl der Diebesbeute zum Diebstahl von einem Paar Sportschuhe beigetragen hatte, versucht hatte, die Polizeibeamten, die ihn nach dieser Tat zur Polizeiinspektion eskortieren wollten, durch Drohung und heftige Gegenwehr an einer Amtshandlung, nämlich der Aufrechterhaltung der Festnahme, zu hindern und sie danach mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht hatte.
Der Revisionswerber war zwischen Ende 2011 und April 2012 stationär in einer Einrichtung zur Behandlung suchtkranker Personen und nahm danach bis Ende 2016 wiederholt (und einmal im Februar 2018) die psychosoziale Beratung und Betreuung in einer Suchtberatungsstelle in Anspruch.
Der Revisionswerber war zuletzt von XXXX2017 bis XXXX2019 in der Justizanstalt XXXX inhaftiert; danach wohnte er bei seinen Eltern in XXXX. Laut Versicherungsdatenauszug ging er seit 01.10.2019 einer vollversicherten Erwerbstätigkeit als Arbeiter nach. Laut dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister wurde für ihn am 03.12.2019 von der kosovarischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Laut der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung wurde er am XXXX2019 gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und wird seither im Polizeianhaltezentrum XXXX angehalten.
Vor dem Hintergrund, dass die Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonderes großes öffentliches Interesse gegeben ist und in Anbetracht des insbesondere der letzten Verurteilung des BF zugrunde liegenden massiven Fehlverhaltens stehen der beantragten Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegen (vgl. zuletzt VwGH 12.09.2019, Ra 2019/20/0322), zumal der BF erst vor kurzem aus dem Strafvollzug entlassen wurde und sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht ergibt, dass er sich aktuell einer Suchttherapie unterzieht, sondern nur, dass er das Beratungsangebot einer Suchtberatungsstelle in Anspruch nehmen kann.
Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist daher gemäß § 30 Abs 2 VwGG nicht stattzugeben.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall, außerordentliche Revision,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G313.1247896.3.01Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020