TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/5 96/19/2054

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Veröffentlicht am 05.06.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
MRK Art8;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/2055 96/19/2056

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerden 1.) der 1960 geborenen ZB,

2.) der 1982 geborenen SB, sowie 3.) des 1985 geborenen SB, alle in Linz, alle vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 5. Dezember 1995, 1.) Zl. 304.235/2-III/11/95 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), 2.) Zl. 304.235/3-III/11/95 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), sowie

3.) Zl. 304.235/4-III/11/95 (betreffend den Drittbeschwerdeführer), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der Zweit- und des Drittbeschwerdeführers. Sie beantragte für sich und für ihre Kinder jeweils am 22. Mai 1995 im Weg über die österreichische Botschaft in Prag die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich aufhältigen Ehegatten bzw. Vater. Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens richtete der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz einen Schriftsatz an die Erstbeschwerdeführerin, mit der sie vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt wurde. Dieser Schriftsatz vom 24. Juli 1995 wurde von der Erstbeschwerdeführerin persönlich an einer Linzer Adresse übernommen.

Mit Bescheiden des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 5. September 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 29. Mai 1995 (richtig wohl: 22. Mai 1995) gemäß § 3 und § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Auch diese Bescheide wurden von der Erstbeschwerdeführerin persönlich übernommen. Die Beschwerdeführer erhoben Berufung.

Mit den nunmehr angefochtenen, im wesentlichen gleichlautenden Bescheiden je vom 5. Dezember 1995 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 AufG sowie § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. Die belangte Behörde stellte jeweils fest, die Beschwerdeführer seien seit 31. August 1994 aufrecht an ihrer Wohnadresse in Österreich polizeilich gemeldet. Somit stehe für die Berufungsbehörde fest, daß sich die Beschwerdeführer vor und nach der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten hätten. Dadurch sei das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt. Dieser Umstand werde noch durch die Tatsache erhärtet, daß die Erstbeschwerdeführerin am 26. Juli 1995 einen Brief des Magistrates Linz persönlich an ihrer Wohnadresse übernommen habe. Aufgrund dessen sei der Antrag gemäß § 6 Abs. 2 AufG abzulehnen gewesen. Darüberhinaus bestehe für mazedonische Staatsbürger seit 15. Mai 1995 Sichtvermerkspflicht. Die Beschwerdeführer verfügten über keinen legalen Rechtstitel für ihren Aufenthalt in Österreich, seien aber immer noch im Bundesgebiet aufhältig, weshalb für die Berufungsbehörde feststehe, daß sie sich illegal in Österreich aufhielten. Durch dieses Verhalten zeigten die Beschwerdeführer, daß sie nicht gewillt seien, die österreichische Rechtsordnung zu beachten und zu respektieren; dies sei dem Rechtstatbestand des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG zu subsumieren. Durch das Verhalten der Beschwerdeführer seien die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet und dürfe ihnen gerade wegen der Beispielswirkung in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG zwingend eine Bewilligung nicht erteilt werden. Was die privaten Interessen betreffe, sei festzustellen, daß die Beschwerdeführer eindeutig gegen fremdenrechtliche Bestimmungen verstoßen hätten, weil sie bewußt längere Zeit ohne gültige Aufenthaltsberechtigung in Österreich aufhältig gewesen seien. Die Berufungsbehörde erwarte gerade von Antragstellern, die das Wohl der Republik Österreich genießen wollten, ein den fremdenrechtlichen Bestimmungen adäquates Verhalten. Wegen der Beispielswirkung durch die Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit sei die Berufungsbehörde besonders im Fall der Beschwerdeführer nicht in der Lage, die privaten Interessen zu priorieren. Der Eingriff in das Privat- und Familienleben sei gerechtfertigt, weil die Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen höherwertig anzusehen sei, als die privaten Interessen an der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wegen ihres sachlichen, rechtlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden und hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 AufG lauteten auszugsweise:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

§ 6. ...

    (2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der

Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. .... Eine

Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig .... ;

weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise, ..."

    § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:

    § 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu

versagen, wenn

    ...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Bis 14. Mai 1995 wurde das Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, in vollem Umfang gegenüber der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien pragmatisch weiter angewendet. Art. 1 und 3 dieses Abkommens lauten auszugsweise:

"Artikel 1

(1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der in Artikel 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerk des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

(2) Den Personen, die sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen, können die zuständigen Behörden dieses Vertragsstaates die Aufenthaltsberechtigung verlängern.

...

Artikel 3

...

(3) Der Grenzübertritt aufgrund dieses Abkommens ist jugoslawischen Staatsbürgern, die Inhaber eines der nachstehend angeführten gültigen Reiseausweise sind, gestattet:

a)

Reisepaß (persönlicher oder Familienreisepaß)

b)

Diplomatenpaß ...."

Mit Wirksamkeit vom 15. Mai 1995 wurde die Anwendung des Art. 3 Abs. 3 lit. a, c, d, e, f und g des im beiderseitigen Einverständnis zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien pragmatisch weiter angewendeten Abkommens BGBl. Nr. 365/1965 bis auf weiteres ausgesetzt (BGBl. Nr. 322/1995).

Die Beschwerdeführer verfügten noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung, weshalb ihre Anträge als Erstanträge anzusehen waren. Die Bestimmungen des § 113 Abs. 6 oder 7 FrG finden daher auf die gegenständlichen Beschwerdefälle keine Anwendung.

Die Beschwerdeführer bekämpfen die Feststellung der belangten Behörde, daß sie sich im Bundesgebiet unrechtmäßig aufgehalten hätten und behaupten, die diesbezüglichen Schlußfolgerungen seien aus der Meldung der Beschwerdeführer und der persönlichen Zustellung von Schriftstücken an die Erstbeschwerdeführerin nicht ableitbar. Daß sich die Beschwerdeführer nicht im Inland aufgehalten hätten, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die belangte Behörde stützte sich bei ihren Feststellungen sowohl auf die Tatsache der Meldung der Beschwerdeführer im Inland, als auch im Fall der Erstbeschwerdeführerin darauf, daß dieser am 26. Juli 1995 und am 7. September 1995 Schriftstücke der Behörden eigenhändig zugestellt werden konnten. Auch aus den weiteren Beschwerdeausführungen, wonach die Beschwerdeführer "aufrecht gemeldet und für die Behörde greifbar gewesen seien", geht hervor, daß sich die Beschwerdeführer nach ihrer letzten Einreise weiterhin im Inland aufgehalten haben. Darüberhinaus haben die Beschwerdeführer sowohl in der Berufung als auch in der Beschwerde einen Wohnsitz im Inland angegeben. Den aufgrund der vorliegenden Indizien schlüssigen Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich ihres Inlandsaufenthaltes treten die Beschwerdeführer nicht mit konkreten Argumenten oder auch nur einer gegenteiligen Behauptung entgegen. Insoweit die Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwerfen, sie habe es verabsäumt, weitere Nachforschungen anzustellen, unterlassen sie es darzulegen, zu welch anderen Ergebnissen die belangte Behörde dadurch gelangt wäre.

Die Beschwerdeführer bringen vor, legal ins Bundesgebiet eingereist und keinen "Bescheid auf Ausreise" erhalten zu haben. Eine nähere Darlegung der Art dieser "legalen Einreise" findet sich in der Beschwerde nicht. Die Beschwerde tritt auch der Annahme der belangten Behörde, wonach die Beschwerdeführer persönlich am 29. Mai 1995 von Prag aus einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt und danach wieder nach Österreich eingereist seien, nicht entgegen. Für eine Einreise nach dem 15. Mai 1995 benötigten die Beschwerdeführer als mazedonische Staatsbürger aber nach der oben wiedergegebenen Rechtslage einen Sichtvermerk. Das Vorliegen eines derartigen Einreisetitels wird von den Beschwerdeführern aber weder behauptet, noch ist ein solcher aus den Aktenunterlagen ersichtlich.

Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Ansicht vertrat, daß zumindest die letzte Einreise der Beschwerdeführer ohne aufrechten Einreisetitel und damit unrechtmäßig erfolgte. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, daß eine unrechtmäßige Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet die Annahme rechtfertigen, ein weiterer Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259). Aber selbst wenn die Beschwerdeführer nach einer zulässigen sichtvermerksfreien Einreise vor dem 15. Mai 1995 das Bundesgebiet nicht mehr verlassen haben sollten (wofür die Feststellungen der belangten Behörde in Ansehung des von ihr weiters herangezogenen Abweisungsgrundes des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu sprechen scheinen), hätten sie sich nur für die Dauer von drei Monate rechtmäßig im Inland aufgehalten. Nach Ablauf dieses Zeitpunktes war ihr Aufenthalt nicht mehr durch einen Aufenthaltstitel gedeckt. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG aber auch dann verwirklicht, wenn ein längerdauernder unrechtmäßiger Aufenthalt an einen dreimonatigen rechtmäßigen Aufenthalt nach sichtvermerksfreier Einreise anschließt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0269). Die belangte Behörde konnte somit zutreffenderweise vom Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und damit auch vom Vorliegen eines Ausschließungsgrundes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG ausgehen.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführer handelt es sich im gegenständlichen Fall um einen zulässigen Eingriff in die durch die Anwesenheit des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin und Vater der übrigen Beschwerdeführer im Bundesgebiet begründeten familiären Interessen. Einerseits kommt eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen von Fremden im Fall einer unrechtmäßigen Einreise auch beim Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht in Betracht (vgl. das obzitierte hg. Erkenntnis vom 25. November 1993), andererseits wäre im Fall des unrechtmäßigen Aufenthaltes im Anschluß an eine - vom Gesetzgeber zum Zweck der Einwanderung nicht vorgesehene - sichtvermerksfreie Einreise der Eingriff in die familiären Interessen unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der öffentlichen Ordnung und dem damit verbundenen Recht des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung im Sinn des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0100).

Aus diesen Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Angesichts dieses Verfahrensergebnisses erübrigte sich ein Eingehen auf den von der belangten Behörde ebenfalls herangezogenen Abweisungsgrund des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996192054.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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