Entscheidungsdatum
19.12.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
G314 1263611-4/2Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des serbischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2019, Zl.XXXX, betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen und zu Recht erkannt:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung
(Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde in Österreich seit 2005 zwölf Mal wegen Suchtgift- und Vermögensdelikten strafgerichtlich verurteilt, wobei zuletzt 2017 eine dreimonatige Zusatzfreiheitsstrafe verhängt wurde. Bis zu seiner bedingten Entlassung am XXXX2019 war er in der Justizanstalt XXXX in Strafhaft. Anlässlich der bedingten Entlassung wurde ihm die Weisung erteilt, sich für ein Jahr einer ambulanten Suchtmittelentwöhnungstherapie zu unterziehen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde vom 04.12.2019 gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen wurde (Spruchpunkt VI.).
Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass der Tatbestand des § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG erfüllt sei. Im angefochtenen Bescheid wird dazu weiter ausgeführt:
"Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. § 18 Abs 2 BFA-VG sieht bei Vorliegen des oben genannten Tatbestands zwingend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung vor.
Mangels Vorliegens einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Verfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Verfahrens war im Hinblick auf das Interesse Österreichs an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung nicht zu berücksichtigen. Da infolge der oben angeführten Gründe Ihre sofortige Ausreise erforderlich ist und die aufschiebende Wirkung aus diesem Grund aberkannt wurde, wird Ihnen keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt. Sie haben daher mit Durchsetzbarkeit dieses Bescheids das österreichische Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen."
Eine weitere Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte nicht.
In der Beschwerde, die sich gegen sämtliche Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, beantragt der BF (unter anderem) die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, ohne dies konkret zu begründen. Er bringt vor, er sei im Alter von acht Jahren in das Bundesgebiet eingereist und halte sich hier seit mehr als 30 Jahren auf. Bis 1994 habe er Aufenthaltstitel besessen. Er sei mit einer Österreicherin verheiratet gewesen und für zwei Kinder sorgepflichtig. Sein Bruder und seine Mutter würden im Bundesgebiet leben. Er habe zahlreiche Delikte begangen, bei denen es sich um Suchtmittel- bzw. Beschaffungskriminalität handle. Aufgrund der Drogentherapie sei kein Rückfall zu befürchten; er stelle keine Gefahr für die Sicherheit Österreichs dar.
Das BFA beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Die Beschwerde richtet sich unter anderem gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat darüber gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden iSd § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053).
Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung.
Die kurze, schablonenhafte Begründung der Behörde zu Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Das BFA begründete die Annahme, die sofortige Ausreise des BF sei im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich, nicht konkret, sondern begnügte sich mit allgemein gehaltenen Textbausteinen, ohne auf den vorliegenden Einzelfall einzugehen. Da somit eine nachvollziehbare Begründung, warum der Tatbestand des § 18 Abs 2 Z 1BFA-VG erfüllt ist, fehlt, ist Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids rechtswidrig und daher ersatzlos aufzuheben. Der Beschwerde ist daher die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.1263611.4.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020