Entscheidungsdatum
20.12.2019Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W165 2194356-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 12.04.2018, Zl. Addis-Abeba-ÖB/RECHT/0031/2018, aufgrund des Vorlageantrags von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 08.03.2018, Zl. ET-ADD-OB-SP01-000159-2017, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 35 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) stellte am 02.11.2017 bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba (im Folgenden: ÖB Addis Abeba) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.
Als Bezugsperson wurde die zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige Tochter der BF angegeben, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 17.08.2017, Zl. 1129947203-161281474, der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde. Im Antragsformular wurde das Geburtsdatum der Bezugsperson mit 05.01.2000 angegeben.
Dem Antrag waren diverse Unterlagen in Kopie angeschlossen, ua eine somalische Geburtsurkunde der Bezugsperson, worin deren Geburtsdatum mit 18.12.1999 angeführt ist.
Das von der Bezugsperson im Zuge ihrer Asylantragstellung zunächst angegebene Geburtsdatum vom 05.01.2000 konnte durch ein vom BFA eingeholtes gerichtsmedizinisches Gutachten nicht belegt werden und wurde deren spätestmögliches Geburtsdatum dem Gutachten entsprechend mit 18.12.1999 festgelegt.
Zu den seitens der ÖB Addis Abeba an das BFA weitergeleiteten Antragsunterlagen teilte das BFA mit Schreiben vom 06.02.2018 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens nicht wahrscheinlich sei. In der Stellungnahme zur negativen Wahrscheinlichkeitsprognose wurde angeführt, dass die in Österreich aufhältige Bezugsperson volljährig sei, weshalb die gesetzliche Familieneigenschaft nicht vorliege.
Mit Schreiben vom 08.02.2018, der BF zugestellt am 13.02.2018, übermittelte die ÖB Addis Abeba die Stellungnahme des BFA mit der Aufforderung, den angeführten Ablehnungsgrund innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.
Mit Schreiben vom 20.02.2018 brachte die BF durch ihren bevollmächtigten Vertreter eine Stellungnahme bei der ÖB Addis Abeba ein. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass die Behörde ihre Entscheidung auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.01.2016, Ra 2015/21/0230, stütze, wonach bei Anträgen von Familienangehörigen, die einer minderjährigen Bezugsperson nachziehen wollen würden, nicht mehr das Antrags-, sondern das Entscheidungsdatum zur Beurteilung der Minderjährigkeit relevant sei. Im gegenständlichen Fall sei die Bezugsperson allerdings asylberechtigt, was nicht nur zur vollen Anwendbarkeit der im zitierten Erkenntnis herangezogenen RL 2003/86/EG führen könne, sondern die Anwendbarkeit begünstigender Regelungen nach sich ziehe sowie eine generelle Rücksichtnahme erfordere. Auf die Eltern minderjähriger Asylberechtigter sei somit nicht der seitens des VwGH zitierte Art. 4 Abs. 2 lit. a der RL 2003/86/EG, sondern deren Art. 10 Abs. 3 lit. a, anzuwenden, der den Nachzug der Eltern zwingend vorsehe. Dies stehe im Einklang mit Art. 5 Abs. 5 der RL, welcher vorschreibe, dass das Kindeswohl in allen Fällen zu berücksichtigen sei, sowie der Judikatur des EuGH, wonach die erfolgreiche Familienzusammenführung den Regelfall darstellen solle und die Mitgliedstaaten ihren Spielraum nicht in einer Weise nutzen dürften, der dem Zweck der Richtlinie widerspreche. In Anbetracht der unionsrechtlichen Vorschriften erscheine eine Auslegung, wonach die Gestattung der Familienzusammenführung von der Bearbeitungsdauer durch die Behörden abhängig sei, unzulässig. Weiters sei derzeit ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH anhängig, welches sich mit derselben Thematik wie im vorliegenden Fall beschäftige, weshalb das gegenständliche Verfahren bis zur Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens ausgesetzt oder ebenfalls vorgelegt werden müsse.
Das BFA teilte der ÖB Addis Abeba nach Erhalt der Stellungnahme der BF mit Schreiben vom 07.03.2018 mit, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festzuhalten sei. Bei antragstellenden Eltern komme es darauf an, dass die Bezugsperson in Österreich auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag noch minderjährig sei.
Mit Bescheid der ÖB Addis Abeba vom 08.03.2018 wurde der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen.
Gegen den Bescheid richtet sich die am 04.04.2018 fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in der im Wesentlichen unter Berufung auf das Urteil des EuGH vom 12.04.2018, C-550/16 A und S, vorgebracht wurde, dass die Bezugsperson trotz Erreichen der Volljährigkeit als "unbegleiteter Minderjähriger" im Sinne der RL 2003/86/EG anzusehen sei. Ferner liege eine Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK vor. Die Bezugsperson befinde sich in schlechter körperlicher und seelischer Verfassung und leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer dissoziativen Störung. Nachdem sich die Bezugsperson allein in Österreich befinde, fehle ihr der soziale und familiäre Rückhalt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.04.2018 wies die ÖB Addis Abeba die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab. Neben der Wiedergabe des Verfahrensganges und der vorgenommenen rechtlichen Begründung wurde ausgeführt, dass die Bezugsperson in Österreich volljährig sei und deshalb keine gesetzliche Familieneigenschaft vorliege. Betreffend die Ausführungen zu Art. 8 EMRK werde darauf hingewiesen, dass das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens unter Gesetzesvorbehalt stehe.
Am 17.04.2018 wurde bei der ÖB Addis Abeba ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht und ausgeführt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union nunmehr mit Urteil vom 12.04.2018 festgestellt habe, dass unter den Begriff "unbegleiteter Minderjähriger" im Sinne der RL 2003/86/EG auch eine Person falle, welche zum Zeitpunkt der Asylantragstellung minderjährig gewesen sei, im Laufe des Asylverfahrens volljährig geworden sei und der nach Erreichen der Volljährigkeit Asyl gewährt worden sei. Nach Ansicht des EuGH wäre die praktische Wirksamkeit von Art. 10 Abs. 3 lit. a der Richtlinie in Frage gestellt, wenn das Recht auf Familienzusammenführung davon abhängen würde, zu welchem Zeitpunkt die Behörde förmlich über die Anerkennung des Betroffenen als Flüchtling entscheiden würde. Die Bezugsperson sei daher trotz Erreichen der Volljährigkeit als "unbegleitete Minderjährige" anzusehen und der Antragstellerin die Einreise zu gewähren sei.
Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 26.06.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 28.06.2018, wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt werden der unter I. dargelegte Verfahrensgang und Sachverhalt.
Eine Familienangehörigeneigenschaft der BF zur Bezugsperson im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 kann nicht festgestellt werden. Die am 18.12.1999 geborene Bezugsperson ist während des Verfahrens über den am 02.11.2017 gestellten Einreiseantrag der BF volljährig geworden.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt der ÖB Addis Abeba, den vorgelegten Unterlagen und dem Bescheid des BFA vom 17.08.2017, Zl. 1129947203-161281474, womit der Bezugsperson der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Das Geburtsdatum der Bezugsperson ergibt sich aus einem im Asylverfahren eingeholten gerichtsmedizinischen Gutachten, wonach der 18.12.1999 als spätestmögliches Geburtsdatum ermittelt wurde. Das von der Bezugsperson in deren Asylverfahren zunächst angegebene und auch von der BF im Einreiseantrag genannte Geburtsdatum vom 05.01.2000 ist laut gerichtsmedizinischem Gutachten nicht mit dem ermittelten Geburtsdatum vereinbar. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die BF ohnedies auch selbst eine Geburtsurkunde der Bezugsperson mit darin ausgewiesenem Geburtsdatum 18.12.1999 in Vorlage gebracht hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF lauten:
Familienverfahren im Inland
§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind."
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des BFA) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uvam).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem abweichenden Ergebnis:
Verfahrensgegenständlich stellte die BF am 02.11.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 und machte als Bezugsperson ihre in Österreich seit dem 17.08.2017 den Status einer Asylberechtigten genießende Tochter namhaft.
Aus der Aktenlage und den zur Bezugsperson einliegenden Unterlagen, aus denen sich das Geburtsdatum 18.12.1999 ergibt, folgt, dass die Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der Vertretungsbehörde über den Einreiseantrag der BF mit Bescheid vom 08.03.2018 bereits volljährig war. Die Bezugsperson hat ihre Volljährigkeit am 18.12.2017, somit nur knapp einen Monat nach Einbringung des Einreiseantrags durch die BF erreicht, womit der Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 (Elternteil eines minderjährigen Kindes) in Bezug auf die BF nicht erfüllt ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 nicht mehr vor, wenn die minderjährige Bezugsperson während des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig wird (vgl. VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0253-0254 und die in Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung ergangenen Erkenntnisse des VwGH vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10 und vom 24.05.2018, Ra 2017/01/0430, sowie VwGH vom 13.12.2018, Ra 2018/18/0076-0084).
Im Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10, hat der VwGH festgehalten, dass sich auch aus der Entscheidung des EuGH C-550/16 vom 12.04.2018 im Hinblick auf den dortigen nicht vergleichbaren Ausgangssachverhalt, dass ein Asylwerber während seines Asylverfahrens die Volljährigkeit erreicht hat, keine abweichende Beurteilung ergibt.
War somit, wie auch im konkreten Fall, die Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde über den Einreiseantrag zweifellos (und unstrittig) nicht mehr minderjährig, ist die Mutter der Bezugsperson sohin nicht als Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 anzusehen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung weiters bereits darauf hingewiesen hat, stellt die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und diesen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Diesem Zweck wird aber - beispielsweise - nicht entsprochen, wenn den Eltern eines im Laufe des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet würde, da diese bei Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen würden. Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweist sich daher (etwa) in einer solchen Konstellation von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen eines Fremden auf Familienzusammenführung mit seiner in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Tochter zu entsprechen. Es ist auf andere - im NAG und im Fremdenpolizeigesetz 2005 eröffnete - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Erteilung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0253, 0254).
Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 18.09.2015 zu E 360-361/2015-21, keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf eine im Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) vorliegende Eigenschaft von Antragstellern nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 als Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gesehen.
Anzumerken ist, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung, die vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet wurden, im gegenständlichen Fall nicht vorliegen. Bei Erteilung eines Einreisetitels ist zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK im Allgemeinen kein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land gewährt (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00, newsletter 2001, 159 uva). Art. 8 EMRK gewährt auch kein unmittelbares Zuwanderungsrecht und lässt den Mitgliedstaaten der EMRK bei der Regelung der Einwanderungspolitik einen breiten Ermessensspielraum (vgl. VfSlg 17.013/2003 und 18.613/2008). Die - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen.
Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen). Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z. B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C-558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.
Zusammenfassend erweist sich der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 im vorliegenden Fall als ungeeignetes Instrument, um dem Anliegen der BF auf Familienzusammenführung mit ihrer in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Tochter zu entsprechen. Die BF ist vielmehr auf die anderen im NAG und FPG vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung entsprechender Einreisetitel zu verweisen.
Im Hinblick darauf, dass im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels besteht, war spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erlassen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Einreisetitel, Entscheidungszeitpunkt, Familienangehöriger,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W165.2194356.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020