TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/27 W176 2135496-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.12.2019

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W176 2135496-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 09.2016, Zl. 1073835508-150686851, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 33/2013 (VwGVG), stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer brachte am XXXX 09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am gleichen Tag brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes vor: Er sei syrischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens und arabischer Volksgruppenzugehörigkeit, stamme aus Damaskus und sei legal aus Syrien ausgereist. Als Fluchtgrund gab er an, es gebe in Syrien wegen des Kriegszustandes keine Sicherheit mehr; er wolle in Österreich bleiben und hier arbeiten und heiraten. Sonst habe er keine weiteren Fluchtgründe.

2. Am 11.01.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) erstmalig niederschriftlich einvernommen, führte der Beschwerdeführer - zusammengefasst - Folgendes an:

Er habe nach Abschluss der Grundschule im Damaszener Bezirk XXXX als XXXX verkäufer gearbeitet; er sei aber auch XXXX und XXXX gewesen. Bis XXXX habe er bei seinem Vater - seine Eltern seien getrennt - in XXXX gelebt. Als der Vater nach Ausbruch des Krieges nach XXXX gegangen sei, habe der Beschwerdeführer bei seiner Mutter und seinem Großvater in Damaskus gewohnt.

Wehrdienst habe er in Syrien nicht geleistet; er sei das einzige Kind und daher sei sein Militärdienst verschoben worden. Befragt, ob er in Syrien Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt habe, erwiderte er, er sei einmal bei der Rekrutierungsbehörde gewesen, die ihn wegen einer Namensähnlichkeit befragen habe wollen; er habe die Sache erklärt und damit sei alles erledigt gewesen. Er sei nie politisch aktiv gewesen und habe auch nicht an Demonstrationen teilgenommen.

Aufgefordert seine Fluchtgründe anzugeben, brachte der Beschwerdeführer vor, dass der Krieg ausgebrochen sei und er gerne in Sicherheit leben wolle. Er sei das einzige Kind und sei an Kontrollpunkten von Soldaten oft gefragt worden, warum er nicht freiwillig beim Militär diene. Er wolle aber keine Waffe tragen und niemanden töten.

Auf die Frage, ob er im Falle einer Rückkehr nach Syrien zum syrischen Militär einrücken müsste, entgegnete er, dass der Aufschub bis Ende XXXX gültig gewesen sei; es sei ihm immer gesagt worden, dass er trotzdem zum Militär müsse. Die Frage, ob er in Syrien je persönlich verfolgt oder bedroht worden sei, verneinte er. Es gebe aber keine Sicherheit und es werde jeden Tag bombardiert. Die Anhaltungen bei den Kontrollpunkten seien immer seltsam gewesen, da er das einzige Kind sei. Er sei oft zu Fuß gegangen, um den Kontrollstellen auszuweichen.

Die Frage, ob er somit Syrien wegen der allgemeinen Folgen des Bürgerkrieges verlassen habe, bejahte er; es sei wegen der Folgen des Krieges und der ständigen Bombardierungen gewesen. Er habe Syrien nicht bereits früher verlassen, da er auf seinen Reisepass gewartet habe, der dann am XXXX ausgestellt worden sei; danach habe er die Reise gebucht.

Die Frage, ob ihm im Falle der Rückkehr nach Syrien Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen würde, verneinte er mit dem Hinweis, dass er aber vielleicht rekrutiert werden würde.

3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Zur Abweisung des Antrags im Asylpunkt wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen glaubhaft gemacht habe. Vielmehr habe er vorgebacht, Syrien wegen der allgemeinen Folgen des Bürgerkrieges verlassen zu haben. Zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verwies die belangte Behörde auf die Situation in Syrien.

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er Syrien entgegen der Annahme der belangten Behörde aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Einerseits befürchte er, im Bürgerkrieg zwischen die Fronten zu geraten, andererseits laufe er Gefahr, zwangsweise zum Militär eingezogen zu werden.

5. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verfahrensunterlagen - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

6. Am XXXX 2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche Beschwerdeverhandlung statt, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm und der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes angab:

Er habe Syrien verlassen, weil er den Druck seitens der syrischen Regierung nicht mehr ausgehalten habe. Das Militär habe immer junge Leute mitgenommen, ohne zu fragen, ob man Einzelkind sei oder nicht. Der Beschwerdeführer sei für seine Mutter das einzige männliche Kind. Er sei immer an den Checkpoints kontrolliert worden und habe Angst gehabt, dass sie ihn zum Militär mitnehmen würden. Der Grund, warum er nicht nach Syrien zurückkehren könne sei, dass der Aufschub seines Militärdienstes vor XXXX Jahren abgelaufen sei; wenn ich jetzt zurückkehre, gelte er daher als Deserteur. Auch sei die Scheidung seiner Eltern beim Registeramt nicht registriert worden;

der Vater habe wieder geheiratet, weshalb er nicht mehr als Einzelkind gelte. Bis er erklärt habe, dass er bezüglich seiner Mutter einziges männliches Kind sei, werde er sicher eingesperrt;

Gleiches drohe ihm aufgrund des Umstandes, dass er im Ausland sei und für die syrische Regierung daher als Oppositioneller gelte. Außerdem lebe sein Vater lm Ausland, gelte als Oppositioneller und könne ihm daher keinerlei Dokumente besorgen; deswegen sei es für den Beschwerdeführer schwer gewesen, in Syrien zu bleiben, und es sei für ihn auch schwer, wieder nach Syrien zurückzukehren. Seine Eltern hätten sich vor ca. XXXX Jahren getrennt und der Vater lebe seit XXXX oder XXXX nicht mehr in Syrien. Bei der letzten Registrierung des Aufschubs des Wehrdienstes habe man dem Beschwerdeführer gesagt, dass das der letzte Aufschub sei, da seine Mutter noch jung sei und Kinder bekommen könne. Der Beschwerdeführer habe versucht, die Scheidung seiner Eltern registrieren zu lassen; dies sei aber nicht gelungen, weil das nur der Vater machen könne.

Befragt, wann er versucht habe die Scheidung registrieren zu lassen, erwiderte der Beschwerdeführer, er sei XXXX alt gewesen, als die Leute von der Regierung gekommen seien und ihn hätten mitnehmen wollen; er habe sich im Schrank versteckt und habe dann die Scheidung eintragen lassen wollen, habe dies aber nicht mehr machen können. Dann habe seine Mutter durch einen ihr bekannten Offizier diesen Aufschub auf XXXX erreicht.

Das Militär habe dem Beschwerdeführer keine Befreiung gegeben, weil seine Mutter noch jung sei und die Scheidung nicht im Familienbuch eingetragen sei. Das heiße, seine Mutter könne noch Kinder bekommen; wäre seine Mutter XXXX Jahre alt, würde er eine endgültige Befreiung bekommen. Das Militär brauche Soldaten und sie fänden eine Ausrede, dass man nicht befreit werde.

Auf Vorhalt, er habe vor der belangten Behörde angegeben, er sei nicht persönlich verfolgt oder bedroht worden, während er in der Verhandlung vorgebracht habe, er habe sich im Kasten verstecken müssen, entgegnete der Beschwerdeführer, er habe damit gemeint, dass er politisch nicht verfolgt worden sei, sondern nur militärisch; er habe sich versteckt, weil er nicht zum Militär habe gehen wollen.

7. Mit Erkenntnis vom 22.05.2019, Zl. W176 2135496-1/11E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung stellte es im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien weder mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufe, zum syrischen Militär eingezogen zu werden, noch dass er einer hinreichend wahrscheinlichen Gefährdung aufgrund (unterstellter) oppositioneller Gesinnung ausgesetzt wäre, wobei es beweiswürdigend Folgendes festhielt:

"Wie sich aus den Seiten XXXX des Militärbuches des Beschwerdeführers ergibt, wurde ihm zwei Mal eine befristete Befreiung vom Wehrdienst gewährt und zwar deshalb, weil er der einzige Sohn seiner Mutter ist. Die Begründungen bringen zum Ausdruck, dass jeweils geprüft wurde, ob seine Mutter mittlerweile einen zweiten Sohn hat, was jeweils verneint wurde. Dabei kann einerseits nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer - wie vom ihm erstmals in der Beschwerdeverhandlung vorgebracht - bezüglich der Befreiung insofern ein Problem hat, als die Scheidung seiner Eltern nicht registriert worden sei. Denn während es in der vom XXXX datierenden Eintragung auf Seite XXXX des Militärbuches noch heißt, das der Wehrdienstpflichtige "behauptet", Einzelsohn zu sein, ist in den Verfügungen auf Seite XXXX ausdrücklich davon die Rede, dass der Beschwerdeführer einziger Sohn seiner Mutter ist, wobei bei letzterer Verfügung angeführt wird, dass dies laut Familienbuch so sei. Weiters kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer anlässlich der ihm zuletzt gewährten Befreiung gesagt worden sei, dass diese die letzte derartige Befreiung sei. Denn er hatte Derartiges bei seiner Befragung vor der belangten Behörde noch nicht vorgebracht. Weiters zeigt nach Ansicht des Gerichtes der Umstand, dass der Beschwerdeführer, der vor der belangten Behörde auf die Frage nach Problemen mit staatlichen Stellen nur eine Vorladung zur Rekrutierungsstelle wegen einer Namensähnlichkeit, bei der er die Sache habe klären können, genannt und die Frage, ob er persönlich verfolgt oder bedroht worden sei, verneint hatte, in der Beschwerdeverhandlung einen Vorfall schilderte, bei dem er sich in einem Schrank verstecken habe müssen, um nicht zum Militär mitgenommen zu werden, dass das in der Verhandlung erstattete Vorbringen zur Gefahr einer Rekrutierung als gesteigert erachtet werden muss. Bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde hatte er nur angegeben, dass er "vielleicht" rekrutiert werde. Da der Beschwerdeführer nicht vorgebracht hat, dass seine Mutter inzwischen einen weiteren Sohn geboren habe oder mit einem solchen schwanger sei, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer weiterhin als einziger Sohn seiner Mutter den entsprechenden Befreiungsgrund geltend machen könnte. Auch wurde der Beschwerdeführer im XXXX nicht eingezogen, obwohl das syrische Militär damals an deutlich mehr Fronten Personalnachschub benötigte, als dies in Hinblick auf die Länderfeststellungen zum Entscheidungszeitpunkt anzunehmen ist.

[...]

Dass dem Beschwerdeführer von der syrischen Regierung keine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird, ergibt sich zunächst daraus, dass nicht vorbrachte, sich in irgendeiner Weise regierungskritisch betätigt zu haben. Insbesondere gab er ausdrücklich an, nie politisch aktiv gewesen zu sein und auch nicht an Demonstrationen teilgenommen zu haben.

Außerdem muss vor dem Hintergrund der zuvor getroffenen Länderfeststellungen, wonach die syrische Regierung die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert, verweigert, angenommen werden, dem Beschwerdeführer, der Syrien im XXXX mittels seines wenige Monate zuvor ausgestellten Reisepasses legal verlassen konnte, angenommen werden, dass ihm von den syrischen Behörden eine solche Gesinnung eben nicht unterstellt wird.

Schließlich kann auch aus dem Umstand, dass die dem Beschwerdeführer befristet gewährte Befreiung vom Militärdienst inzwischen abgelaufen ist, nicht gefolgert werden, dass ihm von den syrischen Behörden eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt wird; denn sogar im Fall, dass eine Person den Wehrdienst verweigert und ins Ausland flieht (und nicht nur wie der Beschwerdeführer das Land legal verlässt und dann die Befreiung ausläuft), besteht nach den Länderfeststellungen die Möglichkeit, den Status zu ‚regularisieren'".

Es sei daher nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien asylrelevanter Verfolgung von hinreichender Intensität ausgesetzt wäre.

8. Dieses Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof über Revision des Beschwerdeführers mit Erkenntnis vom 13.11.2019, Zl. Ra 2019/18/0274, infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, wobei er im Wesentlichen Folgendes ausführte:

Das Bundesverwaltungsgericht habe asylrechtlichen Schutz für den Beschwerdeführer insbesondere mit der Begründung abgelehnt, dass diesem überhaupt keine Einberufung in die syrische Armee drohe. Diese Schlussfolgerung habe es vor allem aus dem Umstand gezogen, dass dem Beschwerdeführer in der Vergangenheit (befristete) Befreiungen vom Wehrdienst gewährt worden seien, weil er der "einzige Sohn seiner Mutter" sei. Davon könne auch in Zukunft ausgegangen werden. Die Revision mache zu Recht geltend, dass diese Tatsachenannahme des Bundesverwaltungsgerichtes in einem unaufgeklärten Widerspruch zu den Länderfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis stehe. Denn insbesondere aufgrund der diesen zu entnehmenden Unklarheit der derzeitigen Handhabung von Wehrdienstaufschüben lasse sich aus den zitierten Länderfeststellungen nicht ableiten, dass dem Beschwerdeführer eine solche Befreiung nach Rückkehr wiederum gewährt werden würde. Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, der Beschwerdeführer werde auch weiterhin Aufschub vom Wehrdienst erhalten, sei daher mangelhaft begründet.

Dieser Begründungsmangel sei auch relevant, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer im Falle einer künftigen Rekrutierung und der weiterhin aufrechten Ablehnung des Wehrdienstes mit staatlichen Sanktionen belegt werden könnte, die nach der höchstgerichtlichen Judikatur Asyl rechtfertigen würden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur hier relevanten Situation in Syrien:

Aktuelle Lage:

Die syrische Regierung unter Präsident Bashar al-Assad hat mit der Unterstützung Russlands seit Jahresbeginn 2018 große Gebiete zurückerobert und kontrolliert nun etwa 60 Prozent des syrischen Staatsgebietes und zwölf von vierzehn Provinzen.

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention des Iran in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden. Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt.

Am Beginn des Jahres 2019 sind noch drei größere Gebiete außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung: die Provinz Idlib und angrenzende Gebiete im Westen der Provinz Aleppo und Norden der Provinz Hama; die Gebiete im Norden und Osten Syriens, die unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) stehen; außerdem die Konfliktschutzzone (de-confliction zone) bei Tanf in Homs bzw. in der Nähe des Rukban Flüchtlingslagers.

Trotz weitreichender militärischer Erfolge des syrischen Regimes und seiner Unterstützer sind Teile Syriens noch immer von Kampfhandlungen betroffen, allen voran die Provinzen Idlib, Teile Aleppos, Raqqas und Deir ez-Zours (AA 13.11.2018).

Rechtsschutz/Justizwesen:

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Behörden sind in der Praxis jedoch oft politischen Einflüssen ausgesetzt. Die Ergebnisse von Fällen mit politischem Kontext scheinen oft schon vorbestimmt zu sein.

Wenn Personen, von denen angenommen wird, dass sie Regierungsgegner sind, vor Gericht gebracht werden, so ist es wahrscheinlich, dass es sich dabei um ein Anti-Terror-Gericht, welches 2012 eingerichtet wurde, oder ein Militärgericht handelt, obwohl es gegen die internationalen Standards für faire Prozesse verstößt, einen Zivilisten vor einem Militärgericht zu verurteilen. Das Anti-Terror-Gericht hält sich in seiner Arbeitsweise nicht an grundlegende Bedingungen einer fairen Gerichtsverhandlung. Manchmal dauern die Verhandlungen nur wenige Minuten und "Geständnisse", welche unter Folter gemacht wurden, werden als Beweismittel akzeptiert. Außerdem wird das Recht auf Rechtsberatung stark eingeschränkt. In Militärgerichten haben Angeklagte kein Recht auf einen Anwalt. Manchmal werden Angeklagte auch nicht über ihr Urteil informiert. In den ersten zweieinhalb Jahren seit seiner Errichtung soll das Anti-Terror-Gericht mehr als 80.000 Fälle behandelt haben.

Folter und unmenschliche Behandlung:

Willkürliche Festnahmen, Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen durch die Einheiten der Regierung sind weit verbreitet und systemisch in Syrien und geschehen zudem in einem Klima der Straflosigkeit. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren. Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken. Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weit verbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt. Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder weil sie nicht als ausreichend regimetreu wahrgenommen werden. Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen werden auch Opfer von Folter. Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen. Menschenrechtsgruppen zufolge hat das Regime seit März 2011 zwischen 17.500 und 60.000 Männer, Frauen und Kinder zu Tode gefoltert oder exekutiert. Die Toten werden häufig in Massengräbern begraben oder verbrannt und nur selten ihren Verwandten überstellt. Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern.

Korruption:

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von 2015 von Transparency International liegt Syrien auf Platz 173 von 176 untersuchten Ländern. Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für amtliche Korruption vor, die Regierung setzt die diesbezüglichen Regelungen jedoch nicht effektiv durch. Beamte üben regelmäßig korrupte Praktiken aus, ohne dafür bestraft zu werden. Korruption ist weiterhin ein allgegenwärtiges Problem bei Polizei, Sicherheitskräften, Regierung und anderen Behörden. Milizen verlangen beispielsweise für das Passieren von Checkpoints, die sie kontrollieren, Bestechungsgelder. In der syrischen Armee gibt es eine Tradition der Bestechung, und es gibt die Möglichkeit, durch Bestechung eine bessere Position oder einfachere Aufgaben zu erhalten.

Korruption war bereits vor dem Bürgerkrieg weitverbreitet und beeinflusste das tägliche Leben der Syrer. Bürger müssen häufig Bestechungsgelder zahlen, um bürokratische Angelegenheiten abschließen zu können. Seit der Krieg in Syrien ausgebrochen ist, vermeiden Syrer, die Verfolgung durch den Staat befürchten, den Kontakt zu offiziellen Institutionen. Stattdessen müssen sie - z.B. im Falle wichtiger Dokumente - auf den Schwarzmarkt zurückgreifen.

Wehrdienst und Rekrutierung:

Rekrutierung durch die syrischen Streitkräfte:

Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst.

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen.

Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zur Zeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden. Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein. Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden.

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt.

Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Regierungsangestellte können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Auch medizinische Gründe können Befreiung oder Aufschub bedingen. Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, in der Praxis gibt es jedoch mittlerweile mehr Beschränkungen und es ist unklar, wie die entsprechenden Gesetze derzeit umgesetzt werden. Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (BFA 8.2017; vgl. FIS 14.12.2018). Das Risiko der Willkür ist immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden.

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, und wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde. Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert. Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden z.B. mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert.

Das Militärbuch zeigt lediglich Informationen über den verpflichtenden Wehrdienst und nicht, ob eine Person Reservist ist oder nicht. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten würden dies jedoch nur auf informellem Weg tun, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird.

Medienberichte kündigten an, dass Ende Mai 2018 erstmals seit Beginn des Krieges Rekruten vom Wehrdienst entlassen werden sollten. Al-Watan, einer regierungsnahen syrischen Tageszeitung zufolge, sollten die Offiziere und Reservisten der Rekrutierungsklasse 102 von 2010 mit 1.6.2018 nach acht Jahren Militärdienst entlassen werden. Die syrischen Staatsmedien berichteten nicht über diese Entscheidung und lokale Zeitungen gaben auch nicht bekannt, wie viele Soldaten davon betroffen sein sollten.

Konsequenzen von Wehrdienstverweigerung und Desertion:

Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden.

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster.

Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung.

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt.

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch. Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen.

Allgemeine Menschenrechtslage:

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt.

Die syrische Regierung, regierungstreue Einheiten und Sicherheitskräfte führen weiterhin willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen und Folter an Häftlingen durch, von denen viele in der Haft umkommen bzw. getötet werden. Das Regime und seine Verbündeten führten willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten durch. Sie führten Angriffe mit Fassbomben, Artillerie, Mörsern und Luftangriffe auf zivile Wohngebiete, Schulen, Märkte und medizinische Einrichtungen durch, was zu zivilen Opfern führte.

Die staatlichen Sicherheitskräfte halten nach wie vor Tausende Menschen ohne Anklageerhebung über lange Zeit in Untersuchungshaft. Viele von ihnen sind unter Bedingungen inhaftiert, die den Tatbestand des Verschwindenlassens erfüllen. Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Es fehlt an Nahrung, Trinkwasser, Platz, Hygiene und Zugang zu medizinischer Versorgung.

Bewegungsfreiheit:

Die steigende Anzahl an Checkpoints der verschiedenen bewaffneten Konfliktparteien, die schweren Kämpfe und die generelle unsichere Lage im Land schränken stark die Bewegungsfreiheit der syrischen Bevölkerung und den Transport von lebensnotwendigen Gütern ein. Das syrische Regime blockiert systematisch Regionen, welche von den Rebellen kontrolliert werden, und die Rebellen und der sogenannte Islamische Staat (IS) wenden dieselbe Taktik auf von der Regierung kontrollierte Gebiete an.

Die syrische Regierung verweigert die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert. Das syrische Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum und schloss regelmäßig den Flughafen Damaskus und Grenzübergänge. Über Menschenrechtsaktivisten oder andere Aktivisten der Zivilgesellschaft, deren Familien oder Bekannte werden häufig Ausreiseverbote verhängt. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Grund oder Gültigkeitsdauer werden häufig nicht genannt.

Die Landgrenzen werden durch die Nachbarstaaten streng überwacht, und es gibt strikte Bedingungen für Einreisevisa, um in den Libanon oder die Türkei einreisen zu können.

Zu den Folgen einer rechtswidrigen Ausreise:

Grundsätzlich genießen syrische Staatsbürger Reisefreiheit; sie können Syrien frei verlassen, wenn sie einen gültigen Reisepass besitzen und über einen funktionierenden Grenzübergang - etwa auch am Flughafen von Damaskus - ausreisen. Die Ausreise ist mit einer Gebühr verbunden (UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR's Country Guidance on Syria, Februar 2017, S. 3).

Eine Ausreisegenehmigung benötigen Beamte (iSv Angestellten des Staates), Berufssoldaten und wehrpflichtige Männer zwischen 18 und 42 Jahren (UNHCR, ebendort, S. 3 f).

Im Falle der Rückkehr einer nicht rechtmäßig ausgereisten Person drohen Geld- und Haftstrafen, die insbesondere bei Nichtbenützen eines Grenzüberganges bis zu zwei Jahre sein können (UNHCR, ebendort, S. 3). Insbesondere am Flughafen von Damaskus werden zurückkehrende Syrer auch hinsichtlich ihrer Ausreise (UNHCR, ebendort, S. 4) und hinsichtlich allfälliger Fahndungen (etwa wegen Verbrechen, regimekritischer Aktivitäten oder Ansichten, Einberufungsbefehlen - UNHCR, ebendort, S. 4 f) überprüft.

1.2. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger sowie sunnitischer Muslim, gehört der arabischen Volksgruppe an, stammt aus Damaskus und ist am XXXX geboren.

1.2.2. Der Beschwerdeführer hat im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung zu befürchten.

1.2.3. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Situation in Syrien stützen sich auf das - auch weiterhin - aktuelle Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation vom 13.05.2019. Da dieser Bericht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

2.2.1. Die Feststellungen zur Punkt 1.2.1. basieren auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen, insbesondere seinem syrischen Reisepass, und seinen diesbezüglichen Angaben. Seine Angaben zu seiner Person decken sich mit den vorgelegten Unterlagen und sind vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht gleichgeblieben.

2.2.2. Die Feststellung zu Punkt 1.2.2. ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Wie oben dargestellt, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes zur fehlenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Einziehung des Beschwerdeführers zur syrischen Armee sei mangelhaft begründet. Da dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes eine Auseinandersetzung mit dem vom Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Argument, der Beschwerdeführer sei 2014 nicht zum syrischen Militär eingezogen worden, obwohl dieses damals an deutlich mehr Fronten Personalnachschub benötigt habe, als dies in Hinblick auf die Länderfeststellungen zum Entscheidungszeitpunkt des damaligen Verfahrens anzunehmen gewesen sei (was für den nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt in gleicher Weise gilt), nicht zu entnehmen ist, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass ein solcher Schluss nicht als valides Argument erachtet wird. Weiters kann nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im genannten Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer künftigen Rekrutierung und der weiterhin aufrechten Ablehnung des Wehrdienstes mit staatlichen Sanktionen belegt werden könnte. Daher kommt das Bundesverwaltungsgericht in Bindung an die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zum Ergebnis, dass eine asylrelevante Bedrohung des Beschwerdeführers in Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist.

2.2.3. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers stützt sich auf eine aktuelle Abfrage des Strafregisters.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 i. d.F. BGBl. I Nr. 70/2015, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf inter-nationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zu-rückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/-20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).

Im Umstand, dass im Heimatland des Beschwerdeführers Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine Furcht kann vielmehr nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in derselben Situation auch fürchten würde. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132).

3.2.2. Wie bereits oben ausgeführt, war in Bindung an die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes in dem unter Punkt I.8. dargestellten Erkenntnis davon auszugehen, der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefe, in Syrien asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt zu sein.

Es ist ihm daher gelungen, eine drohende Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK glaubhaft zu machen.

Vom Vorliegen einer zumutbaren innerstaatliche Fluchtalternative kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, da die Annahme einer solchen im Widerspruch zum aufgrund der Situation in Syrien bereits gewährten subsidiären Schutz stünde (vgl. VwGH 25.3.2015, Ra 2014/18/0168; 29.6.2015, Ra 2014/18/0070).

Da sich auch kein Hinweis auf einen der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe ergeben hat, war dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

3.2.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B):

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung (vgl. die oben unter Punkt 3.2. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes); schließlich ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

3.3.2. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

3.3.3. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren,
begründete Furcht vor Verfolgung, Bindungswirkung, Bürgerkrieg,
erhebliche Intensität, Fluchtgründe, Flüchtlingseigenschaft,
Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, inländische Zweigniederlassung,
innerstaatliche Fluchtalternative, maßgebliche Wahrscheinlichkeit,
mündliche Verhandlung, Nachvollziehbarkeit, Schutzfähigkeit des
Staates, staatlicher Schutz, Unzumutbarkeit, Verfolgungsgefahr,
Verfolgungshandlung, wohlbegründete Furcht, Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W176.2135496.1.01

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten