TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/27 G314 2226296-1

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Veröffentlicht am 27.12.2019
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Entscheidungsdatum

27.12.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch

G314 2226296-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des albanischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Nikolaus RAST, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2019, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu Recht:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und Spruchpunkt V.

des angefochtenen Bescheids dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen".

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Bei einer sicherheits- und fremdenpolizeilichen Kontrolle am XXXX.2018 in XXXX wurde festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer (BF) bereits seit 14.06.2017 ohne Aufenthaltsberechtigung im Schengenraum aufhielt. Er besaß einen am 22.04.2011 ausgestellten und bis 21.04.2021 gültigen albanischen Reisepass. Nach seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde er in Schubhaft genommen. Mit dem Bescheid vom 17.09.2018, Zl. XXXX wurde ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung nach Albanien festgestellt, keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Nach der Zustellung dieses Bescheids, gegen den kein Rechtsmittel erhoben wurde, kehrte der BF am XXXX2018 freiwillig nach Albanien zurück.

Bei einer polizeilichen Kontrolle am XXXX.2019 in XXXX wurde festgestellt, dass sich der BF seit 20.10.2018 wieder ohne Aufenthaltsberechtigung im Schengenraum aufhielt. Er wurde wegen seines nicht rechtmäßigen Aufenthalts angezeigt. Er besaß einen neuen albanischen Reisepass, der am 11.10.2018 ausgestellt worden und bis 10.10.2028 gültig war. Nach der Einvernahme vor dem BFA wurde ihm mit dem Bescheid vom 21.06.2019, Zl. XXXX, kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung nach Albanien festgestellt und eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Nach der Zustellung dieses Bescheids, gegen den kein Rechtsmittel erhoben wurde, reiste der BF am XXXX2019 freiwillig nach Albanien aus.

Am XXXX.2019 wurde der BF in XXXX bei einer polizeilichen Lenker- und Fahrzeugkontrolle aufgegriffen. Er besaß wieder einen neuen albanischen Reisepass, ausgestellt am 10.09.2019 und gültig bis 09.09.2029. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Albanien festgestellt (Spruchpunkt III.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 und 7 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den Bescheid zu beheben. Hilfsweise stellt der BF einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er erst am 12.10.2019 in den Schengenraum eingereist sei und die zulässig visumfreie Aufenthaltsdauer daher nicht überschritten habe. Er sei nicht mittellos iSd § 53 Abs 2 Z 6 FPG, sondern habe bei der Einreise EUR 800 bis 1.000 in bar besessen. Er habe am 25.10.2019 noch EUR 300 gehabt und sei im Begriff gewesen, Österreich zu verlassen. Auch der Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FPG sei nicht erfüllt, weil er nicht bei der Schwarzarbeit betreten worden sei. Seine Lebensgefährtin halte sich in Tschechien auf, wo sie ein ausreichendes Einkommen erziele. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot sei daher verfehlt.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.

Feststellungen:

Die BF kam am XXXXin der albanischen Stadt XXXX zur Welt. Er ist albanischer Staatsangehöriger und spricht Albanisch. In seinem Herkunftsstaat, wo seine Eltern und sein Bruder nach wie vor leben, war er nach dem Schulbesuch und dem Studium der Sportwissenschaften zuletzt 2016 als Fitnesstrainer und Rettungsschwimmer erwerbstätig.

Dem BF wurde nie eine Aufenthaltsberechtigung erteilt; er hat auch keine beantragt. Er war im Bundesgebiet von 10.08.2017 bis 24.10.2017 geringfügig beschäftigt; weitere Zeiten der Sozialversicherung in Österreich liegen nicht vor.

Nach den Aufenthalten im Schengenraum zwischen 14.06.2017 und 21.09.2018 und zwischen 20.10.2018 und 09.07.2019, die jeweils durch die freiwillige Ausreise des BF nach Albanien nach der Erlassung einer Rückkehrentscheidung endeten, reiste er am 12.10 2019 neuerlich über Ungarn in das Bundesgebiet ein, wo er ohne Wohnsitzmeldung in XXXX Unterkunft nahm. Vor seiner Einreise hatte er in Albanien in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern in XXXX gelebt. Bei seiner Einreise hatte er ca. EUR 1.000 bei sich. Als er am XXXX2019 aufgegriffen wurde, hatte er noch EUR 300 in bar. Die Herkunft dieser Mittel kann nicht festgestellt werden. Ebensowenig können weitere finanzielle Mittel festgestellt werden.

Der BF ist mit einer tschechischen Staatsangehörigen liiert, die in XXXX lebt und dort auch arbeitet. Das Paar möchte in absehbarer Zeit heiraten. Der BF hatte am XXXX2019 nicht vor, den Schengenraum zu verlassen, sondern wollte mit seiner Freundin nach Tschechien weiterreisen. Er ist gesund und arbeitsfähig, ledig und kinderlos sowie in strafrechtlicher Hinsicht unbescholten.

Der BF wurde in Österreich nie bei einer Nachschau durch die dafür berufenen Behörden bei einer Beschäftigung betreten, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen.

In Österreich hat der BF keine besonderen familiären oder sozialen Bindungen. Er spricht ein bisschen Deutsch, ist hier aber weder beruflich noch gesellschaftlich integriert. Abgesehen von seiner Freundin in XXXX bestehen auch in andern Vertragsstaaten keine maßgeblichen familiären oder sonstigen privaten Bindungen.

Albanien ist seit 2009 NATO-Mitglied und seit 2014 EU-Beitrittskandidat. Die Todesstrafe ist abgeschafft. In Albanien herrschen keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen. Rückgeführte Staatsangehörige werden nicht diskriminiert und haben nicht mit staatlicher Repression zu rechnen. Es sind keine Fälle von Misshandlungen bekannt. Eine Festnahme erfolgt nur, wenn gegen eine Person aufgrund anderer Delikte ermittelt wird. Albanien kommt seinen im Rücknahmeabkommen mit der EU kodifizierten Verpflichtungen nach.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche in den Beweisergebnissen liegen nicht vor. Die Angaben des BF bei den Einvernahmen vor dem BFA waren grundsätzlich schlüssig und plausibel und können der Entscheidung daher zugrunde gelegt werden.

Die Identität der BF wird durch seine Angaben dazu, die mit den vorliegenden Kopien aus seinen Reisepässen übereinstimmen, belegt. Alle drei Reisepässe lauten auf ein- und dieselbe Person; auch die Personalnummer ist jeweils dieselbe. Die früheren Ein- und Ausreisen des BF in den bzw. aus dem Schengenraum und die beiden vor dem angefochtenen Bescheid gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidungen sind im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) dokumentiert. Die Beschwerdebehauptung, er sei erst am 12.10.2019 in das Schengengebiet eingereist und es sei nicht richtig, dass er sich schon vorher hier aufgehalten habe, ist auch aufgrund der Grenzkontrollstempel in den Reisepässen widerlegt. Vielmehr zeigt sich, dass der BF jeweils nach der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in seinen Herkunftsstaat reiste und sich dort einen neuen Reisepass ausstellen ließ, mit dem er dann nach kurzer Zeit wieder in den Schengenraum einreiste.

Albanische Sprachkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft und der in Albanien absolvierten Ausbildung plausibel, zumal eine Verständigung mit Dolmetschern für diese Sprache problemlos möglich war. Seine Ausbildung und Erwerbstätigkeit sowie seine familiäre Situation in Albanien werden anhand seiner konsistenten Angaben dazu festgestellt.

Weder dem Akteninhalt (insbesondere dem IZR) noch den Behauptungen des BF lässt sich entnehmen, dass ihm einmal eine Aufenthaltsberechtigung oder eine Beschäftigungsbewilligung in Österreich erteilt wurde. Die geringfügige Beschäftigung im Jahr 2017 geht aus dem Versicherungsdatenauszug hervor, in dem keine darüber hinausgehenden Versicherungszeiten gespeichert sind.

Die neuerliche Einreise des BF in das Bundesgebiet wird anhand des entsprechenden Grenzkontrollstempels in seinem zuletzt ausgestellten Reisepass festgestellt. Dies steht im Einklang mit seiner Aussage vor dem BFA am 26.10.2019.

Aus dem ZMR geht hervor, dass der BF nur zwischen XXXX und XXXX.2018 im PAZ XXXX meldebehördlich erfasst war. Jedenfalls ab Oktober 2019 hielt er sich demnach ohne Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf.

Die finanziellen Mittel des BF werden anhand seiner Darstellung vor dem BFA am XXXX2019 festgestellt. Anhaltspunkte für weitere Mittel ergeben sich weder aus den Akten noch aus dem Beschwerdevorbringen. Der BF hat keine Angaben zur Herkunft seiner Mittel gemacht, zumal er nach eigenen Angaben seit längerem in Albanien weder erwerbstätig noch krankenversichert ist und bei den Einvernahmen am 16.09.2018 und am 21.06.2019 jeweils angab, dass seine Eltern für seinen Lebensunterhalt aufkämen. Zu dieser Frage können daher keine Feststellungen getroffen werden. Anhaltspunkte für weitere finanzielle Mittel sind weder den Verwaltungsakten noch der Beschwerde zu entnehmen.

Die Feststellungen zur Beziehung des BF zu einer tschechischen Staatsangehörigen, die Heiratsabsicht und das Vorhaben, zu ihr nach Tschechien weiterzureisen, basieren auf den nachvollziehbaren Angaben des BF vor dem BFA, der die Beziehung auch schon bei der Einvernahme am 21.06.2019 schilderte.

Beweismittel für eine Betretung des BF bei einer nach dem AuslBG unzulässigen Beschäftigung im Rahmen einer Nachschau durch die dafür berufenen Behörden liegen nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass er im Bundesgebiet einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sein könnte, ergeben sich zwar aus dem Anhalteprotokoll und der Anzeige vomXXXX2019, wo ausgeführt wird, dass der Lenker des Fahrzeugs, in dem der BF und zwei andere albanische Staatsangehörige aufgegriffen wurden, angab, er habe diese bei einer Baustelle gesehen und mitgenommen, dass sich in einem mitgeführten Rucksack und einer Umhängetasche Arbeitskleidung befand und dass einer der Albaner eine Hose mit Farbflecken, die vermutlich von Malerarbeiten stammten, trug. Außerdem habe einer der Albaner angegeben, sich seit ca. einem Monat zum Zweck der Schwarzarbeit im Bundesgebiet aufzuhalten. Abgesehen davon, dass weder die Arbeitskleidung noch die verschmutzte Hose noch die Aussage, er halte sich seit ca. einem Monat zur Schwarzarbeit in Österreich auf, eindeutig dem BF zugeordnet werden können (der sich ja erst seit 12.10.2019 wieder hier aufhielt), belegt nichts davon eine "Betretung" bei einer nach dem AuslBG unzulässigen Beschäftigung durch dazu berufene Behörden.

Der BF gab gegenüber dem BFA an, ledig und kinderlos zu sein. Beweisergebnisse für gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit liegen nicht vor. Seine Unbescholtenheit in Österreich geht aus dem Strafregister hervor; Anhaltspunkte für strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten bestehen nicht.

Es sind keine Anhaltspunkte für eine besondere Integration des BF in Österreich zutage getreten, der die Frage nach Familienangehörigen hier verneinte. Auch der Beschwerde sind (abgesehen von der tschechischen Freundin des BF) weder relevante private oder familiäre Bindungen in Österreich oder anderen Vertragsstaaten zu entnehmen, sodass von deren Fehlen auszugehen ist.

Die Feststellungen zur Lage in Albanien beruhen auf den vom BF nicht beanstandeten Länderinformationen, die im angefochtenen Bescheid unter Angabe konkreter Quellen angegeben wurden. Die Behörde hat dabei Berichte verschiedener allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Es wurden im Verfahren keine Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit dieser Informationen Bedenken aufkommen ließen. Auch in der Beschwerde werden weder die Aktualität noch die inhaltliche Richtigkeit dieser Informationen in Zweifel gezogen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 12a Abs 6 AsylG bleibt eine Rückkehrentscheidung 18 Monate ab Ausreise aufrecht. Diese Anordnung ist zwar nicht mit einem Einreiseverbot gleichzusetzen, weil damit keine 18-monatige Sperrfrist hinsichtlich der Erteilung eines Aufenthaltstitels verbunden ist, jedoch wird die Rückkehrentscheidung durch die Ausreise nicht konsumiert (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0131). Die Wirkung einer Rückkehrentscheidung geht daher auch nach der Ausreise des betroffenen Drittstaatsangehörigen im Fall seiner neuerlichen Einreise nach Österreich nicht ins Leere (siehe VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

Gegen den BF wurde zuletzt mit dem Bescheid vom 21.06.2019 eine Rückkehrentscheidung erlassen, die aufgrund seiner Ausreise am XXXX2019 derzeit noch aufrecht ist. Er durfte daher nicht schon wieder am 12.10.2019 im Rahmen des visumfreien Aufenthalts einreisen.

Außerdem gehört zu den Voraussetzungen des visumfreien Aufenthalts gemäß Art 6 Abs 1 lit c der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex [SGK]; vgl. § 2 Abs 4 Z 22a FPG) und Art 5 Abs 1 lit c Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ; vgl. § 2 Abs 4 Z 6 FPG), dass er den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen kann, über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben.

Gemäß Art 6 Abs 4 SGK werden die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts nach der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts und unter Zugrundelegung der Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung in dem betreffenden Mitgliedstaat nach Maßgabe eines mittleren Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte bewertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage multipliziert werden. Die Feststellung ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts kann anhand von Bargeld, Reiseschecks und Kreditkarten erfolgen, die sich im Besitz des Drittstaatsangehörigen befinden. Sofern in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen, können auch Verpflichtungserklärungen und - im Falle des Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen bei einem Gastgeber - Bürgschaften von Gastgebern im Sinne des nationalen Rechts Nachweise für das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellen.

Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Den BF trifft daher insoweit eine Beweislast. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass er einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).

Hier hat der BF das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht nachgewiesen, weil er nur EUR 300 bei sich hatte, als er aufgegriffen wurde. Da er schon mangels eines entsprechenden Aufenthaltstitels im Schengenraum keiner Erwerbstätigkeit nachgehen darf, kann er auf legalem Weg keine weiteren Mittel erwerben. Da er nicht vorhatte, das Gebiet der Schengen-Staaten in absehbarer Zeit zu verlassen, sondern sich vielmehr nach dem Verlassen des österreichischen Bundesgebiets zu seiner Freundin nach Tschechien begeben wollte, sind die vorhandenen Barmittel von EUR 300 nicht ausreichend für die beabsichtigte weitere Dauer seines Aufenthalts und die Rückreise nach Albanien. Der BF hat keinen Rechtsanspruch auf eine finanzielle Unterstützung durch seine Freundin; ebensowenig besteht ein Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern, weil er volljährig ist, eine abgeschlossene Ausbildung hat und bereits in seinem Herkunftsstaat erwerbstätig war, sodass von seiner Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen ist. Da der BF in letzter Zeit keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, ist nicht erkennbar, ob die vorhandenen Barmittel aus legalen Quellen stammen.

Da der BF somit die Bedingungen und Befristungen für den visumfreien Aufenthalt nicht einhielt, ist das BFA zu Recht davon ausgegangen, dass sein Aufenthalt nicht rechtmäßig iSd § 31 Abs 1a FPG war. Es lag keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG für einen rechtmäßigen Aufenthalt vor.

Es liegen auch keine Gründe für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG ("Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz") an den BF vor, weil sein Aufenthalt nie geduldet iSd § 46a FPG war und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er Zeuge oder Opfer strafbarer Handlungen oder Opfer von Gewalt wurde. Die in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG erfolgte daher zu Recht.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das BFA eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn sich ein Drittstaatsangehöriger nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Eine Rückkehrentscheidung, die in das Privat- oder Familienleben eingreift, ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs 1 BFA-VG). Bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (siehe z.B. VwGH 25.04.2019, Ra 2019/19/0114).

Hier hält sich der BF erst seit Mitte Oktober 2019 wieder im Bundesgebiet auf. Die Rückkehrentscheidung greift nicht in sein Familienleben iSd § 9 Abs 2 Z 2 BFA-VG, zumal kein gemeinsamer Haushalt mit seiner tschechischen Freundin besteht. Es bestehen keine privaten, sozialen, beruflichen oder gesellschaftlichen Anknüpfungen in Österreich oder anderen Vertragsstaaten, die der Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot entgegenstehen, zumal der BF die Beziehung zu ihr gemäß § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG in Kenntnis seines unsicheren Aufenthaltsstatus einging. Dazu kommt, dass sogar bei einer Ausschreibung des Einreiseverbots im Schengener Informationssystem nicht ausgeschlossen ist, dass die tschechischen Behörden dem BF wegen dort bestehender privater und familiärer Bindungen die Einreise nach Tschechien gestatten (vgl. Art 25 SDÜ und Art 11 Abs 4 der Rückführungsrichtlinie).

Der BF hat starke Bindungen iSd § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG zu seinem Heimatstaat Albanien, wo er einen großen Teil seines Lebens, insbesondere die prägenden Jahre der Kindheit und Jugend, verbrachte, eine Ausbildung absolvierte, einer Erwerbstätigkeit nachging und familiäre Anknüpfungen hat. Da er ein erwachsener, gesunder Mann mit einer mehrjährigen Ausbildung hat, wird es ihm möglich sein, sich nach der Rückkehr nach Albanien dort auch wieder eine Existenzgrundlage zu schaffen.

Die gemäß § 9 Abs 2 Z 6 BFA-VG zu berücksichtigende strafrechtliche Unbescholtenheit des BF vermag weder sein Interesse an einem Verbleib zu verstärken noch das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Aufgrund der wiederholten massiven Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer in der Vergangenheit, der Einreise entgegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung und der Missachtung melderechtlicher Vorschriften sind ihm Verstöße gegen die öffentliche Ordnung iSd § 9 Abs 2 Z 7 BFA-VG anzulasten. Den Behörden zurechenbare überlange Verfahrensverzögerungen iSd § 9 Abs 2 Z 9 BFA-VG liegen nicht vor.

In einer Gesamtbetrachtung ergibt sich bei der nach § 9 BFA-VG iVm Art 8 Abs 2 EMRK vorzunehmenden Interessenabwägung, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF schwerer wiegt als persönliche Interessen am Verbleib, zumal der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt. Das BFA ging somit im Ergebnis zu Recht davon aus, dass Art 8 EMRK durch die Rückkehrentscheidung nicht verletzt wird; Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist nicht korrekturbedürftig.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Für die gemäß § 52 Abs 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Hier trifft keine dieser Voraussetzungen zu. Konkrete Gründe für die Unzulässigkeit der Abschiebung gehen weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vorbringen des BF hervor. Unter Berücksichtigung der stabilen Situation in Albanien sowie der Lebensumstände des gesunden und erwerbsfähigen BF ist die Feststellung der Zulässigkeit seiner Abschiebung, die hier in erster Linie die Funktion hat, den Zielstaat der Abschiebung festzulegen (vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0044), zu bestätigen.

Zu den Spruchpunkten IV. und VI. des angefochtenen Bescheids:

Da sich der BF ohne ausreichende Mittel und ohne Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet aufhielt, von wo aus er nach Tschechien weiterreisen wollte, obwohl gegen ihn zuletzt vor weniger als 18 Monaten eine Rückkehrentscheidung erlassen worden war und er zuvor zwei Mal massiv die zulässige visumfreie Aufenthaltsdauer überschritten hatte, ist nicht zu beanstanden, dass einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG aberkannt wurde. Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG liegen nicht vor. Daran anknüpfend wurde gemäß § 55 Abs 4 FPG zu Recht von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgesehen.

Zu Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn er die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG) oder bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des AuslBG für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (§ 53 Abs 2 Z 7 FPG). In diesen Fällen kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Hier ist der vom BFA zur Begründung des Einreiseverbots herangezogene Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FPG nicht erfüllt, weil der BF nicht bei einer Beschäftigung ohne die erforderlichen Bewilligungen "betreten" wurde. Dafür bedarf es zumindest der Feststellung der nach dem AuslBG nicht zulässigen Beschäftigung aufgrund einer Nachschau durch die dafür berufenen Behörden (siehe VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311), was hier nicht erfolgt ist. Der Beschwerde ist daher dahingehend zuzustimmen, dass das Einreiseverbot nicht auf § 53 Abs 2 Z 7 FPG gestützt werden kann.

Aus der Mittellosigkeit des BF resultiert dagegen die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs 2 FPG gerechtfertigt ist (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309). Da dem BF neben dem Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel auch zur Last fällt, dass er fremden- und melderechtliche Vorschriften missachtete und versuchte, die Dauer vorangegangener Aufenthalte im Bundesgebiet dadurch zu verschleiern, dass er sich wiederholt neue Reisepässe ausstellen ließ, geht von ihm eine signifikante Gefährdung öffentlicher Interessen aus. Dem BFA ist vor diesem Hintergrund darin beizupflichten, dass für ihn keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden kann und eine erhebliche Wiederholungsgefahr besteht.

Private oder familiäre Interessen des BF stehen der Verhängung eines bis zu fünfjährigen Einreiseverbots nicht entgegen, zumal er den Kontakt zu seiner tschechischen Freundin und zu anderen in Österreich oder anderen Staaten, für die das Einreiseverbot gilt, lebenden Bezugspersonen durch Kommunikationsmittel wie Internet oder Telefon sowie bei Besuchen in Albanien oder in anderen Staaten, für die das Einreiseverbot nicht gilt, pflegen kann. Die Dauer des Einreiseverbots ist aber - in teilweiser Stattgebung der Beschwerde - auf zwei Jahre zu reduzieren, was dem Fehlverhalten des unbescholtenen BF entspricht, zumal nur ein Tatbestand des § 53 Abs 2 FPG erfüllt ist. Dadurch bleibt auch eine Steigerung der Sanktion bei einem neuerlichen, allenfalls noch schwerwiegenderen Fehlverhalten möglich.

Zum Entfall einer Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG die beantragte Beschwerdeverhandlung, von der keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist.

Zu Spruchteil C):

Die Revision ist nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte. Die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorzunehmende Interessenabwägung und die Erstellung einer Gefährdungsprognose können jeweils nur im Einzelfall beurteilt werden (vgl. VwGH 10.07.2019, Ra 2019/19/0186).

Schlagworte

Einreiseverbot, Herabsetzung, Interessenabwägung, Milderungsgründe,
Unbescholtenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2226296.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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