TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/2 L501 2194718-1

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Veröffentlicht am 02.01.2020
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Entscheidungsdatum

02.01.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

L501 2194718-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat. Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX ; SVNR. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 03.01.2018, OB XXXX betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) beantragte mit am 19.09.2017 im Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten Schreiben die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass.

In dem von der belangten Behörde aus dem Bereich der Chirurgie eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 25.04.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung am 20.04.2018, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern, liegen vor: Einschränkung des oberen Sprunggelenkes, Spitzfuß nahezu fixiert; Arthrose des unteren Sprunggelenkes rechts

Die im Hinblick auf die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellte Frage wurde wie folgt beantwortet: Die/der AntragstellerIn in seiner Gehleistung eingeschränkt. Aber es ist ihr/ihm möglich, eine Wegstrecke von 300-400m aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen. Sie/er benötigt eine Stützkrücke, ist auch nicht sturzgefährdet. Es ist ihr/ihm möglich, auch höhere Niveauunterschiede (bis 30 cm) zum Ein-und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel zu überwinden, bei nachsetzen des Beines. Es konnte auch keine Einschränkung der Standhaftigkeit erhoben werden. Diese insbesondere in Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt. Weiters ist die Benützung von Haltegriffen und -stangen möglich, hauptsächlich Belastung des linken Beines. Es konnte überdies keine weiteren erheblichen Einschränkungen festgestellt werden, die die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel rechtfertigen würden.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde bringt die bP mit näherer Begründung vor, körperlich nicht in der Lage zu sein, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Nach Vorlage der Beschwerde samt Verwaltungsakt wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts ein Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Orthopädie eingeholt, in dem basierend auf der klinischen Untersuchung am 12.11.2019 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wird:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB

01

Funktionseinschränkung im rechten Sprunggelenk nach Bruch mit deutlicher Behinderung im rechten oberen Sprunggelenk

02.05.32

40

02

Versteifung im unteren Sprunggelenk rechts nach Bruch mit Funktions-einschränkung..

02.05.35

40

03

Beinverkürzung unter 3 cm

02.05.01

10

04

Narben mit größeren Substanzverlusten mit geringer Funktionsbehinderung

02.05.40

10

05

Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenkes. Konsekutive Folge der dauernden Fehlbelastung

02.05.18

20

06

Funktionseinschränkung der rechten Hüfte. Als Folge der dauernden Fehlbelastung

02.05.07

20

07

Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule und der Lenden- Becken-Hüftregion. Konsekutiv durch die Fehlbelastung

02.01.02

30

08

Funktionseinschränkung beider Beine vom Venensystem her. Bedingt das ständige Tragen von Oberschenkel- und Unterschenkelkompressionsstrümpfen.

05.08.01

30

Gesamtgrad der Behinderung

60 vH

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Die Behinderung des rechten oberen Sprunggelenkes wird durch die Behinderung des rechten unteren Sprunggelenkes um 1 Stufe angehoben auf 50%. In weiterer Folge wird aber durch die ständige Fehlbelastung im Bereich des rechten Beines mit Auswirkungen auf Knie, Hüfte und Lendenwirbelsäule die Gesamtgradbehinderung wiederum um 1 Stufe angehoben auf 60%.

Auszug aus der Stellungnahme zum Vergleichsgutachten: die vorliegenden Beschwerden und Ergebnisse des klinischen Befundes bedingen eine Unzumutbarkeit; im Besonderen die Minderbelastbarkeit vom oberen und unteren Sprunggelenk, die Fehlstellung im Bereich des oberen und unteren Sprunggelenkes mit Auswirkungen in der Gliederkette bis zur Lendenwirbelsäule und Überlastung am linken Bein.

Die im Hinblick auf die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellte Frage wurde wie folgt beantwortet: Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht möglich, da die Gehdistsnz maximal 200- 300 m beträgt. Das nächste öffentliche Verkehrsmittel ist laut seinen Angaben 6 km entfernt. Er ist auf das Auto angewiesen. Er ist auf Parkmöglichkeiten angewiesen. Er ist ständig auf eine Stützkrücke angewiesen

Dauerzustand

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die bP ist österreichische Staatsangehörige, sie hat ihren Wohnsitz im Inland, und ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern, liegen vor: Funktionseinschränkung im rechten Sprunggelenk nach Bruch mit deutlicher Behinderung im rechten oberen Sprunggelenk; Versteifung im unteren Sprunggelenk rechts nach Bruch mit Funktions-einschränkung; Beinverkürzung unter 3 cm; Narben mit größeren Substanzverlusten mit geringer Funktionsbehinderung;

Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenkes;

Funktionseinschränkung der rechten Hüfte; Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule und der Lenden- Becken-Hüftregion.;

Funktionseinschränkung beider Beine vom Venensystem her.

Die bP ist aufgrund der vorliegenden Funktionseinschränkungen nicht in der Lage, kurze Wegstrecken von 300 bis 400 Meter aus eigener Kraft und ohne Pausen zurückzulegen. Sie benötigt stets einen Gehbehelf.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.

Das im Zuge des Beschwerdeverfahrens eingeholte Sachverständigengutachten ist ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen der klinischen Untersuchung erhobenen Befund; es werden Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen beschrieben sowie deren Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel. Die belangte Behörde ist den gutachterlichen Ausführungen im Rahmen des Parteiengehörs nicht entgegengetreten.

Da das Sachverständigengutachten auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehen, wird es in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen (§ 47 BBG).

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]

2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Die Auswirkungen der bestehenden Funktionseinschränkungen bedingen gemäß ständiger Rechtsprechung die Unzumutbarkeit, zumal die Erreichung des mit der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels angestrebten Ziels nicht gewährleistet ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L501.2194718.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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