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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1982 geborenen NJ in Wien, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Mai 1997, Zl. 304.568/3-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einer am 10. Oktober 1996 durch einen Familienangehörigen bei der österreichischen Botschaft in Budapest überreichten Eingabe, welche am 21. Oktober 1996 beim Landeshauptmann von Wien einlangte, beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 21. Mai 1997 wurde dieser Antrag gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Die Beschwerdeführerin halte sich bereits seit Mai 1996 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ihre Antragstellung am 10. Oktober 1996 entspreche daher nicht der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG. Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei daher ausgeschlossen. Zwar bestünden durch den Aufenthalt ihrer Mutter familiäre Interessen der Beschwerdeführerin in Österreich. Diese seien jedoch den öffentlichen Interessen an einem geregelten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK hintanzustellen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 6 Abs. 2 AufG lautete:
"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (17. Juni 1997) ist für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, maßgeblich. § 4 Z. 2 und 4 dieser Verordnung lautete:
"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
2. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,
...
4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."
Die Beschwerdeführerin verfügte nach der Aktenlage nie über eine Aufenthaltsbewilligung. Die belangte Behörde wertete ihren Antrag daher zu Recht als Erstantrag, welcher an § 6 Abs. 2 AufG zu messen ist.
Von dem in dieser Bestimmung enthaltenen Erfordernis, den Bewilligungsantrag im Ausland zu stellen und die Entscheidung hierüber auch im Ausland abzuwarten, wäre nur dann abzusehen gewesen, wenn die Beschwerdeführerin dem in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung umschriebenen Personenkreis angehörte.
Daß dies der Fall wäre, ergibt sich weder aus den Verwaltungsakten noch aus dem Beschwerdevorbringen. Auf die Ausnahmebestimmung des § 4 Z. 2 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997 kann sich die Beschwerdeführerin schon deshalb nicht stützen, weil sie nicht Angehörige im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG, also nicht Ehegattin oder minderjähriges Kind eines Österreichers ist. Ihrem Beschwerdevorbringen, sie sei Schwester einer österreichischen Staatsbürgerin, fehlt es in diesem Zusammenhang an Relevanz.
Die Ausnahmebestimmung des § 4 Z. 4 der in Rede stehenden Verordnung kommt im Falle der Beschwerdeführerin deshalb nicht zum Tragen, weil sie niemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte.
Der Antrag der Beschwerdeführerin war daher an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen. Der Bescheidfeststellung, sie habe sich im Zeitpunkt der Überreichung des gegenständlichen Antrages durch einen Familienangehörigen bei der österreichischen Botschaft in Budapest und auch danach im Bundesgebiet aufgehalten, tritt die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht entgegen. Eine Antragstellung durch einen Vertreter, während der Fremde selbst in Österreich ist, entspricht jedoch nicht der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168). Bei dem in dieser Bestimmung umschriebenen Erfordernis handelt es sich um eine Erfolgsvoraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung des Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zlen. 95/19/0701, 1010).
Wenn die Beschwerdeführerin sich schließlich auf einen ihr behauptetermaßen zustehenden Rechtsanspruch auf Familiennachzug gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG beruft und in diesem Zusammenhang ausführlich darlegt, daß in ihrem Fall kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG vorliege, so fehlt es diesem Vorbringen an Relevanz für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, weil auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 AufG eine Bewilligung nur dann zu erteilen ist, wenn auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG eingehalten sind (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996).
Wenn die Beschwerdeführerin schließlich unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1997, B 592/96-6, die Auffassung vertritt, das Aufenthaltsgesetz sei auf sie als Schwester einer österreichischen Staatsbürgerin nicht anzuwenden, so ist ihr nachstehendes zu entgegnen:
In dem zitierten Erkenntnis vertrat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, daß zur Vermeidung einer Diskriminierung von (Drittstaatsangehörigen von) Österreichern gegenüber (Drittstaatsangehörigen von) EWR-Bürgern auch Angehörigen österreichischer Staatsbürger, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) vorliegen, ein Anspruch auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 29 Abs. 2 FrG zusteht, wenn durch ihren Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet wäre.
Von den in § 29 Abs. 3 FrG umschriebenen Begünstigten sind aber Geschwister nicht umfaßt. Im übrigen kann es dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Erteilung eines Sichtvermerkes nach dem Fremdengesetz hatte, zumal sie nicht einen solchen, sondern die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beantragte.
Unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK verweist die Beschwerdeführerin darauf, daß sowohl ihre Mutter (diese seit sieben Jahren) als auch ihr außerehelicher Vater in Österreich aufhältig seien und beide Elternteile jeweils einen österreichischen Staatsbürger geehelicht hätten. Auch die Schwester der Beschwerdeführerin, welche Österreicherin sei, lebe im Inland.
Diesen Darlegungen ist zu entgegnen, daß der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, mit der in dieser Bestimmung enthaltenen, von der Bundesregierung auch genutzten Verordnungsermächtigung bereits auf die privaten und familiären Interessen sowohl von Angehörigen von Österreichern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0845), als auch von Angehörigen in Österreich aufhältiger Fremder (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0161) Bedacht genommen hat. Aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles sind keine Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes dahin entstanden, daß die Umschreibung der Verordnungsermächtigung zu eng wäre und ihrerseits dem Art. 8 MRK nicht entspräche.
Im Falle der Beschwerdeführerin wäre daher ein Eingriff in ein gedachtes, durch Art. 8 MRK geschütztes Recht auf Familiennachzug zu ihren in Österreich lebenden Angehörigen durch die auf § 6 Abs. 2 AufG gestützte Versagung der Aufenthaltsbewilligung im Interesse der öffentlichen Ordnung gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 88/1997 Abstand genommen werden, zumal die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, und Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegensteht (vgl. in diesem Zusammenhang EKMRK vom 3. Mai 1993, ÖJZ 1994, 34).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997191563.X00Im RIS seit
02.05.2001