TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/5 96/19/1913

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Veröffentlicht am 05.06.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1969 geborenen UU in Wien, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. April 1996, Zl. 116.728/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Nigeria, dessen Asylantrag im Jahre 1991 rechtskräftig abgewiesen worden war, verfügte über Wiedereinreisesichtvermerke vom 15. Juli 1991 bis 30. Oktober 1991 sowie vom 31. Oktober 1991 bis 30. März 1992.

Ein am 19. April 1994 gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. September 1994 rechtskräftig abgewiesen. Der Antragsteller beantragte sodann von Lagos aus am 30. Dezember 1994 neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Zu einem späteren Zeitpunkt legte er eine Bestätigung eines Arbeitsverhältnisses inklusive einer Lohnbestätigung und der Anmeldung bei der Krankenkasse durch dieses Unternehmen, jeweils datiert vom 15. Mai 1995, vor.

Aus einer mit der Ehegattin des Beschwerdeführers aufgenommenen Niederschrift der Aufenthaltsbehörde erster Instanz vom 1. Juni 1995 geht hervor, daß der Beschwerdeführer seit zwei Wochen arbeite und nur für ca. zwei Wochen in seiner Heimat "zum Beantragen der Aufenthaltsbewilligung" gewesen sei. Seit Mai 1995 sei er wieder in Wien gemeldet, er sei nur kurz polizeilich abgemeldet gewesen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Juni 1995 wurde der Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz 1992 (FrG) abgewiesen. Die Behörde stützte ihre Begründung darauf, daß sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er darauf hinwies, daß eine Sonderregelung für mit Österreichern verheiratete Fremde in der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 existiere, worauf die Behörde keine Rücksicht genommen habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. April 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, daß der Beschwerdeführer seit 28. April 1995 an einer Adresse im

2. Wiener Gemeindebezirk und seit 27. März 1996 an einer Adresse im 10. Wiener Gemeindebezirk aufrecht gemeldet sei. Weiters sei er seit 12. Mai 1995 bei einem näher genannten Unternehmen beschäftigt und verfüge über einen Befreiungsschein; er sei aber nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt, weshalb es sich um ein nicht erlaubtes Beschäftigungsverhältnis handle. Aufgrund seines unerlaubten Aufenthaltes im Bundesgebiet sowie des nicht erlaubten Beschäftigungsverhältnisses stelle der Beschwerdeführer eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit dar, da sein Verhalten auch auf andere Fremde durchaus Beispielswirkung haben könnte. Aufgrund seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bestünden private Bindungen zum Bundesgebiet. Nach Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten gelange die erkennende Behörde zum Ergebnis, daß die öffentlichen Interessen unverhältnismäßig schwerer wögen als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Es sei somit dem Art. 8 MRK vollinhaltlich Rechnung getragen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die §§ 5 und 13 Abs. 1 AufG lauteten:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf ihrer Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen."

§ 4 Z. 2 der am 22. Dezember 1995 im Bundesgesetzblatt kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

2. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z. 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,"

Da der Beschwerdeführer noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde seinen Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der Beschwerdeführer verfügte zuletzt über einen vom 31. Oktober 1991 bis 30. März 1992 gültigen Wiedereinreisesichtvermerk; § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG war deshalb nicht anzuwenden, weil sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AufG am 1. Juli 1993 nicht rechtmäßig im Inland aufhielt. Der vorliegende Antrag, der nach rechtskräftiger Abweisung eines auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gerichteten Antrages gestellt wurde, wurde - entgegen der Ansicht der Beschwerde - von der belangten Behörde zu Recht als Erstantrag behandelt.

Die belangte Behörde stützte den abweisenden Bescheid darauf, daß der Beschwerdeführer einerseits infolge des unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, andererseits wegen eines nicht erlaubten Beschäftigungsverhältnisses eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Dazu ist zum einen zu bemerken, daß die Frage, ob eine Erwerbstätigkeit ausländerbeschäftigungsrechtlich rechtmäßig ist, ausschließlich davon abhängt, ob für den Fremden die im § 3 Abs. 2 AuslBG angeführten Berechtigungen ausgestellt wurden oder nicht, nicht jedoch davon, ob der Fremde nach dem Aufenthaltsgesetz zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist. Aus der diesbezüglich unbestrittenen Aktenlage geht hervor, daß dem Beschwerdeführer ein - im Berufungsverfahren vorgelegter - Befreiungsschein mit Gültigkeit vom 28. Dezember 1992 bis 27. Dezember 1997 erteilt wurde. Damit verfügte der Beschwerdeführer über eine im § 3 Abs. 2 AuslBG angeführte Berechtigung, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, daß er einer nicht erlaubten Beschäftigung nachgegangen sei. Soweit sich die Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf das nicht erlaubte Beschäftigungsverhältnis stützt, erweist sie sich als verfehlt.

Der Beschwerdeführer tritt der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, er habe sich nach Ablauf seines letzten Wiedereinreisesichtvermerkes unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, nicht entgegen. Aus den vorliegenden Aktenunterlagen ergibt sich aber, daß der Beschwerdeführer zur ausnahmsweisen Antragstellung vom Inland aus berechtigt war. Dem Beschwerdeführer als Angehörigem einer österreichischen Staatsbürgerin, dem vor seiner letzten Einreise zu Beginn des Jahres 1995 Sichtvermerke in der Gesamtdauer vom 15. Juli 1991 bis 30. März 1992 erteilt worden waren, war gemäß § 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 zur Antragstellung vom Inland aus berechtigt. Der zitierten Verordnung ist nicht zu entnehmen, daß die Ehe bereits im Zeitpunkt der Ausstellung des gewöhnlichen Sichtvermerkes oder der letzten Einreise bestanden habe müsse (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998, Zl. 96/19/1254).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/2066, ausgesprochen, daß bei Fremden, die zur Antragstellung vom Inland aus berechtigt sind und die sich nach rechtskräftiger Abweisung eines Verlängerungsantrages weiterhin in Österreich aufhalten, die Annahme, ihr weiterer Aufenthalt werde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährden, nicht gerechtfertigt sei. Der vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch von der Fallgestaltung, die dem zuletzt zitierten Erkenntnis zugrundelag.

Vorliegendenfalls konnte die belangte Behörde nämlich auf Grundlage der Verwaltungsakten davon ausgehen, daß sich der Beschwerdeführer im Dezember 1994 nach Lagos begab, wo er ca. zwei Monate verblieb, und danach wieder ohne Bewilligung ins Bundesgebiet einreiste. Durch diese Ausreise und unrechtmäßige (Wieder)Einreise unterscheidet er sich aber von der Gruppe von Fremden, die (lediglich) nach Ablauf ihrer Bewilligungen unrechtmäßig im Inland verbleiben. Eine unrechtmäßige (Wieder)Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt verwirklichen aber jedenfalls den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 1998, Zl. 96/19/1637, m.w.N.). Die dem Beschwerdeführer offenstehende Möglichkeit zur Antragstellung vom Inland aus kann in einer derartigen Fallkonstellation die Annahme der belangten Behörde, wonach seine unrechtmäßige Wiedereinreise und sein neuerlicher unrechtmäßiger Aufenthalt die Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirkliche, nicht als rechtswidrig erscheinen lassen.

Insofern der Beschwerdeführer eine mangelhafte Bedachtnahme auf das durch Art. 8 MRK geschützte Privat- und Familienleben durch die belangte Behörde rügt, ist ihm zu entgegnen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen von Fremden bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (bei unrechtmäßiger Einreise) gestützten Entscheidung nicht vorgesehen ist (vgl. wiederum das zitierte hg. Erkenntnis vom 3. April 1998, Zl. 96/19/1637, m.w.N.).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191913.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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