TE Vfgh Erkenntnis 1996/9/23 B2654/95

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Veröffentlicht am 23.09.1996
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

AufenthaltsG §5 Abs1
EMRK Art8

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Versagung einer Aufenthaltsbewilligung wegen nicht gesicherten Lebensunterhaltes infolge Unterlassung der gebotenen Interessenabwägung

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres den Antrag einer jugoslawischen Staatsangehörigen auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung unter Berufung auf §5 Abs1 AufenthaltsG idF vor der Novelle BGBl. 351/1995 ab. Der Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß der zur Verfügung stehende Unterhalt für den dauernden Aufenthalt nicht ausreiche. Zum Versagungstatbestand des für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten Lebensunterhaltes iSd §5 AufG wird folgendes ausgeführt:

"Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, macht es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Ist der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so darf gemäß §5 Abs1 des Aufenthaltsgesetzes eine Bewilligung nicht erteilt werden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Der Bundesminister für Inneres als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene, eine Aufenthaltsbewilligung nach dem AufG versagende Bescheid greift in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin, die sich seit 1989 rechtmäßig in Österreich aufhält, ein.

Ein Eingriff in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Recht wäre dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, auf einer dem Art8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein solcher Fall läge nur vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn sie der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art8 Abs1 EMRK widersprechenden und durch Art8 Abs2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hätte (vgl. VfSlg. 11638/1988).

Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 1995, B2259/94, mit näherer Begründung dargelegt hat, ist die Behörde auch bei der Anwendung der in §5 Abs1 AufG besonders hervorgehobenen Versagungstatbestände der für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten ortsüblichen Unterkunft oder des nicht gesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen wird, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den in Art8 Abs2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die familiären und sonstigen privaten Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen.

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Beschwerdefall, dem ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von einer bereits seit 1989 in Österreich aufhältigen Fremden zugrundelag, das Vorliegen des Versagungstatbestandes des §5 Abs1 AufG mit der Notwendigkeit der sorgfältigen Steuerung der weiteren Zuwanderung von Fremden begründet. Sie hat damit die im Sinne des Art8 EMRK gebotene Interessenabwägung in Wahrheit nicht vorgenommen.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG; in den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer von 3.000 S enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B2654.1995

Dokumentnummer

JFT_10039077_95B02654_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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