TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/10 G305 2190643-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.01.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2190643-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch

ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien, vom 21.02.2018, Zl.:

XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VI. des

angefochtenen Bescheides gerichtete Beschwerden wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX, geb. XXXX, (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz: BF) ist Staatsangehöriger von Irak und stellte er am 28.08.2015, 09:00 Uhr, einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner am selben Tag stattgehabten Erstbefragung gab er zu seinen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates an, dass dies wegen des IS erfolgt sei [Niederschrift über die Erstbefragung vom 28.08.2015, S. 5].

3. Anlässlich seiner am 20.07.2017 stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme durch Organe der belangten Behörde gab der BF im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er in einem Handygeschäft in BAGDAD in der Green Zone gearbeitet habe und dass er und seine Familie ungefähr im April 2015 bedroht worden seien, indem sie ein Kuvert mit zwei Patronen erhalten hätten. Im darin enthaltenen Begleitschreiben seien sie aufgefordert worden, mit den Streitkräften oder mit den staatlichen Behörden nicht mehr zusammenzuarbeiten, oder sie würden getötet werden. Kurz darauf habe er seine Arbeit in der grünen Zone niedergelegt. Am 18.05.2015 sei er mit dem Motorrad nach Hause gefahren und habe ein PKW versucht, ihn anzuhalten. Da er nicht angehalten habe, sei er im rechten Fuß angeschossen worden, zu Boden gefallen und an der rechten Körperseite verletzt worden. Kurz darauf sei die Rettung gekommen und er sei ins Spittal gebracht worden. Als ihm am 09.08.2015 ein Reisepass ausgestellt wurde, sei er am 14.08.2015 ausgereist [BF in Niederschrift des BFA vom 20.07.2017, S. 7 oben].

4. Mit Bescheid vom 21.02.2018, Zl. XXXX, wurde der Antrag des BF auf Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), und ausgesprochen, dass auch sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen werde (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wider ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die zum 23.03.2018 datierte Beschwerde des BF, die er auf die Beschwerdegründe "inhaltliche Rechtswidrigkeit" und "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" stützte und worin er erklärte, dass er den Bescheid der belangten Behörde vollumfänglich anfechte. Die Beschwerde verband er mit dem Begehren, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts anberaumen, den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten zuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid im Umfang der Spruchpunkte II. bis VI. beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid im Umfang der Spruchpunkte III. bis VI. beheben und dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt wird und dem BF einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG erteilen, in eventu eine längere Frist für die freiwillige Ausreise gewähren, in eventu den angefochtenen Bescheid - im angefochtenen Umgang - ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

6. Am 29.08.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der im Spruch genannte BF (XXXX, geb. XXXX) ist Staatsangehöriger von Irak. Er stammt aus Bagdad, gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Seine Muttersprache ist arabisch.

Der BF ist gesund und nimmt keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.

Er hat am 27.11.2019 vor dem Standesamt XXXX die dort zur Zl. XXXX beurkundete Ehe mit der am XXXX.1989 in Wien geborenen XXXX, StA. Österreich, geschlossen. Aus dieser ehelichen Gemeinschaft sind keine Kinder hervorgegangen.

1.2. Zur persönlichen Situation des BF, zu dessen Einreise ins Bundesgebiet und zu seiner persönlichen Situation im Irak:

Im Herkunftsstaat absolvierte der BF die Schule und für die Dauer von 1 1/2 Jahren ein Studium der Politikwissenschaften, das er in der Folge jedoch abbrach. Er erlernte den Beruf eines Handyreparateurs. Den Lebensunterhalt im Herkunftsstaat verdiente er sich mit der Reparatur von Handys. Er lebte im Bagdader Stadtbezirk XXXX und arbeitete in der Grünen Zone zwischen den Bezirken XXXX und XXXX.

Im Herkunftsstaat hatte er weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten Probleme. Er wurde auch nie strafgerichtlich verurteilt bzw. war auch nie das Ziel einer Verhaftung.

Er war auch nie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates.

Er hatte auch nie einen Berührungspunkt mit einer Miliz oder dem IS. Auch war er nie das Ziel einer (versuchten) Rekrutierung durch eine im Herkunftsstaat operierende Miliz oder den IS.

Den Herkunftsstaat verließ er am 14.08.2015, in dem er mit dem Flugzeug von Bagdad nach Erbil flog. Seine Reise setzte er von Erbil aus mit dem Reisebus bis nach Istanbul (Türkei) fort. In der Folge gelangte er über die Balkanroute bis nach Österreich, wo er am 28.08.2015 einen Asylantrag stellte. Bei seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat hatte er keine Probleme.

1.3. Zur Situation der Familie der beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat:

Die Eltern des BF und die Geschwister des BF leben nach wie vor im Herkunftsstaat und zwar im Elternhaus des BF, das sich im Bagdader Stadtteil XXXX befindet.

Zwei von drei Brüdern des BF, XXXX und XXXX, haben geheiratet und sind vom Elternhaus weggezogen. Sie leben mit ihren Familien in der Stadt XXXX in der Provinz DIYALAH. XXXX ist Lehrer und ernärt mit seinen Einkünften seine Familie. XXXX verdient für sich und seine Familie den Lebensunterhalt als Gelegenheitsarbeiter.

Einer der Brüder des BF, XXXX, lebt nach wie vor im Elternhaus und arbeitet als LKW-Mechaniker im Bezirk XXXX außerhalb von Bagdad. Er, wie auch die zu Hause lebenden Schwestern des BF, XXXX und XXXX, leben im Elternhaus und sind unverheiratet und haben keine Kinder.

Drei weitere Schwestern des BF, XXXX, XXXX und XXXX, leben bei ihren Familien in Bagdad. Sie haben Kinder und eine eigene Familie. Die angeführten Schwestern haben studiert und ihr Studium abgeschlossen. Die Ehegatten der drei Schwestern arbeiten, während die Schwestern sich als Hausfrauen der Kindererziehung widmen.

Die Ehegatten von zwei Schwestern sind sunnitische Muslime, während der Ehegatte einer Schwester schiitischer Muslim ist. Wie seine Familie gehören auch die Ehegatten der drei Schwestern des BF der arabischen Ethnie an.

Die Neffen und Nichten des BF besuchen in Bagdad die Schule.

In der Nähe des Elternhauses befindet sich ein Einkaufszentrum, namens XXXX, wo alle benötigten Lebensmittel eingekauft werden. Das Mineralwasser zum Trinken ist in mehreren Einkaufszentren in der Nähe des Hauses der Familie des BF erhältlich. In einer Entfernung von ca. 30 bis 40 Fahrminuten vom Elternhaus entfernt, gibt es nach den Angaben des BF auch Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken. Auch die in XXXX aufhältigen Brüder des BF decken ihren Bedarf an Lebensmitteln und Getränken in einem Einkaufszentrum ihrer Heimatstadt.

Der BF steht mit seinen Eltern in regelmäßigem Kontakt über das Telefon, per WhatsApp und Facebook.

1.4. Der BF hat - außer seine am XXXX.2019 geehlichte Ehegattin, XXXX - keine weiteren im Bundesgebiet aufhältigen Familienangehörigen oder Verwandten.

1.5. Der BF1 stützte sein Motiv für das Verlassen des Herkunftsstaates ("Fluchtgrund") usprünglich auf den IS und in der Folge auf einen einzigen Vorfall, wo er behauptete, dass er von Unbekannten angeschossen worden wäre. Während er vor der belangten Behörde noch behauptet hatte, dass er und seine gesamte (im Irak bis heute aufhältige) Familie bedroht worden sei, hielt er diese Behauptung anlässlich seiner vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgehabten Vernehmung als Partei nicht weiter aufrecht.

Es steht fest, dass der BF bzw. Angehörige seiner (nach wie vor im Irak aufhältigen) Familie zu keinem Zeitpunkt ein Drohschreiben erhielten.

Auf den BF wurde auch nicht von unbekannten Personen ein Schussattentat verübt.

1.6. Fest steht weiter, dass der BF weder einer politischen Partei des Herkunftsstaates, noch einer politisch aktiven Gruppierung, noch einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehörte.

Mit den Verwaltungsbehörden, den Gerichten oder der Polizei des Herkunftsstaates hatten weder er, noch die nach wie vor im Irak aufhältigen Mitglieder seiner Familie ein Problem.

Im Herkunftsstaat war der BF zu keinem Zeitpunkt Adressat eines gegen ihn gerichteten Gerichtsverfahrens, noch wurde er jemals inhaftiert.

Vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat war er zu keinem Zeitpunkt einer individuellen Gefährdung oder einer psychischen und/oder physischen Gewalt durch staatliche Organe ausgesetzt. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass er im Falle seiner Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sein könnte.

Für den Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat droht ihm dort weder die Todesstrafe noch eine sonstige unmenschliche Behandlung.

Für den Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat wird er auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber oder wegen seines Bekenntnisses zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam keiner mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden Gefährdung ausgesetzt sein.

1.7. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich von der staatlichen Grundversorgung.

Er hat einen Deutschkurs auf dem Niveau A1, A1+ und A2 besucht und beherrscht Grundzüge der deutschen Sprache.

1.8. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien in Österreich:

Der BF besucht in Österreich keine Kurse, keine Schule oder eine Universität. Er ist lediglich Mitglied in einem Billardclub.

Der Beschwerdeführer ist - soweit ersichtlich - strafrechtlich unbescholten und weisen diese gegenwärtig eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf.

1.9. Zur allgemeinen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat:

1.9.1. Zur allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, z.B. den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite geprägt. Dabei stand vor allem die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Stadt Mosul, Hauptstadt der Provinz Ninava, im Fokus. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, gemeinsam mit schiitischen Milizen, den Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte die Einheiten des IS sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mosul sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mosul.

Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mosul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht. Im Westteil der Stadt wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mosul eingekesselt.

Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider al-Abadi die Stadt Mosul für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von Mosul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. Aktuell richten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave südlich von Kirkuk. So gab der Premierminister al-Abadi im Dezember 2017 bekannt, dass der IS besiegt sei.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte, sowie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen, als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zur Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und regierungsnahen Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad ist im Wesentlichen nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu dienen solle, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte zu richten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

Offiziell ist nach wie vor das ca. 70.000 Mitglieder umfassende und sich aus Soldaten aus der regulären Armee, der Militärpolizei, der normalen Polizei und den Geheimdiensten zusammensetzende "Baghdad Operations Command" (BOC) für die Sicherheit in der Stadt zuständig. Seitdem der IS im Juli 2017 zurückgedrängt wurde, nahmen die auf Bagdad gerichteten Anschläge kontinuierlich ab. Dennoch kommt es immer wieder zu Selbstmordanschlägen, vor allem in schiitisch dominierten Viertel, wie Sadr City, Shula und Hay al-Amel als auch an Checkpoints und bei militärischen Einrichtungen. Bagdad erlebte im Jahr 2017 einen Rückgang der Gewalt. Diese Entwicklung wird vor allem der BOC zugeschrieben.

Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von durch ethnische oder religiöse Gruppierungen bewohnten Gebiete.

Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Leitung des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks sowie in und um Bagdad und im Umkreis von Kirkuk. Wesentlich ist dabei die Befriedigung elementaren Lebensbedürfnisse sowie die Dokumentation und Relokation der Binnenvertriebenen (IDP). Ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Insgesamt wurden seit 2014 über drei Millionen Binnenvertriebene sowie über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert. Für das Jahr 2017 wurden erstmals mehr Rückkehrer als Vertriebene registriert.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2019).

1.9.2. Zur Lage Angehöriger der sunnitischen Glaubensgemeinschaft in der Stadt Bagdad:

Seitens des irakischen Staates liegt keine systematische Verfolgung und Misshandlung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft vor.

Seit dem Jahr 2003 nahm die Dominanz der schiitischen Gemeinschaft in Bagdad zwar stets zu, doch lassen sich den Länderberichten keine Anhaltpunkte dahin entnehmen, dass die Angehörigen der sunnitischen Glaubensrichtung systematischen Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt wären.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital,

https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital, 17.05.2017 (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet und mit großer Gewalttätigkeit vorgeht. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht.

Obwohl die sunnitische Glaubensgemeinschaft in Bagdad gegenüber der schiitischen Gemeinschaft die Minderheit darstellt, sie sie nach wie vor in der Gesellschaft und in der Regierung präsent.

In Bagdad gibt es Bezirke und Stadtteile, in denen überwiegend Sunniten leben. Als solche werden Adhamiya, Mansour und Abu Ghraib genannt.

Quellen

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

1.9.3. Zu innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Sunniten im Irak:

Für den Süden des Iraks (Babil, Basra, Kerbala, Najaf, Missan, Muthanna, Qaddisiya, Thi-Qar und Wassit) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind Mosul, Tirkit, Al Faluja oder Anbar.

Im Süden des Iraks leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in Basra zudem 80 % der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.

Quellen

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2019).

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 20.02.2019)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen Erbil als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in Erbil frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region Al Sulaymaniyah zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodass den Daueraufenthalt beantragen. In Al Sulaymaniyah ist nach UNHCR kein Bürge notwendig um sich niederzulassen oder eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Berichten der IOM zufolge leben 90 % aller Binnengeflüchteten in Al Sulaymaniyah in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83 % Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in Al Sulaymaniyah am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in Al Sulaymaniyah die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

Quellen

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf

1.9.4. Zur medizinischen Grundversorgung im Irak

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt, so ist im Irak zwar qualifiziertes Ärzte- und Krankenhauspersonal vorhanden, doch sind viele Ärzte und Mitarbeiter im Gesundheitssektor aufgrund der angespannten Sicherheitslage im Irak geflohen oder haben ihre Arbeit niedergelegt. Das Gesundheitsministerium ist der Hauptanbieter im Gesundheitsbereich, das öffentliche Gesundheitssystem basiert auf einem Kostenteilungsmodell, bei dem die Regierung einen Teil der Kosten medizinischer Leistungen übernimmt und den Patienten eine geringe Gebühr in Rechnung gestellt wird. Der Mangel an politischer Stabilität und Staatssicherheit im Irak macht es schwierig, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Neben der öffentlichen Gesundheitsversorgung existiert ein privater Gesundheitssektor, welcher ebenfalls heilmedizinische Leistungen anbietet, diese können jedoch, wenn weitere Leistungen nötig werden (z.B. MRT, Medikamente oder operative Eingriffe) durchaus kostspielig sein.

Einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad sind Untersuchungen und Behandlungen im öffentlichen Sektor kostenfrei verfügbar. Nach einem IOM-Bericht gibt es ebenso öffentliche Gesundheitszentren. Neben Krankenhäusern in Erbil sind dazu das Ainkawa Health Care Center, das Pirzeen Health Care Center oder das Shaqlawa Hospital Safin Health Care Center. Ebenso gibt es in Al Sulaymaniyah eine Reihe öffentlicher Krankenhäuser sowie weitere Gesundheitszentren im Umland, die jedoch im Allgemeinen schlecht ausgestattet sind und oftmals nur die notwendigste Versorgung gewährleisten können, z.B. das Bakrajo Health Center, das Kakamand Health Center oder das Sarchnar Health Center. Medizinische Versorgung ist auch im Südirak gegeben, so sind neben den Krankenhäusern in Basra in diesem Zusammenhang das Hay Al-Mohandesin Typical Healthcare Centre und das Haji Khudair Healthcare Centre, die jedoch ebenfalls schlecht ausgestaltet sind.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad, 30. Jänner 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423351/5209_1517480519_irak-rf-mev-diverse-medikamente-und-behandlung-in-baghdad-2018-01-30-k.odt (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 26.02.2019)

1.10. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

BF hatten mit den Behörden des Herkunftsstaates, der Republik Irak, weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses noch aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der Araber Probleme.

Er war weder wegen seines Bekenntnisses zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft noch wegen seiner beruflichen Tätigkeit im Irak als Reparateur von Handys einer individuellen und aktuellen Verfolgung durch den IS oder schiitische Milizen ausgesetzt.

Den länderspezifischen Informationen zum Irak lassen sich keine länderspezifischen Informationen zu der vom BF1 behaupteten Gefährdungslage von Personen entnehmen, die ihren Lebensunterhalt in der Grünen Zone in einem Handyshop als Reparateur von Handys verdingten bzw. verdingen. Der BF hat selbst angegeben, dass er zu keinem Zeitpunkt Kontakt zu Mitgliedern des IS oder zu Mitgliedern einer Miliz hatte und auch nie von Angehörigen des IS bzw. einer Miliz (wenn auch erfolglos) rekrutiert worden wäre. Auch brachte er vor, dass er zu keinem Zeitpunkt einer politischen Partei oder einer bewaffneten Gruppierung des Irak angehört hätte. Anhaltspunkte dafür, dass er einer individuellen Gefährdungslage ausgesetzt gewesen wäre, sind weder hervorgekommen, noch wurden solche behauptet. Da nach wie vor alle Angehörigen seiner Kernfamilie im Irak leben, ist davon auszugehen, dass weder seine Familie, noch er einer asylrelevaten Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt waren bzw. der BF im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat einer solchen ausgesetzt sein könnte.

Den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Länderberichten lassen sich keine Anhaltspunkte auf eine aktuelle Gefährdungslage von Personen aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen entnehmen, die ihren Lebensunterhalt als Handyreparateur in der Grünen Zone von Bagdad verdienen.

Der BF gehörte keiner der in den Länderinformationen zum Irak erwähnten, als gefährdet bezeichneten Berufsgruppe des Herkunftsstaates an. Demnach betätigte er sich als Handyreparateur in Bagdad. Er hat auch nie mit den Amerikanern kooperiert.

Der BF hat zu keinem Zeitpunkt ein Drohschreiben erhalten, worin er und die Angehörigen seiner Kernfamilie aufgefordert worden wären, die Zusammenarbeit mit den Streitkräften und mit den staatlichen Behörden einzustellen, widrigenfalls sie getötet würden [BF in Verhandlungsniederschrift vom 20.07.2017, S, 7]. Es wurde auch nie ein Schussattentat auf ihn verübt.

Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

Der BF war vor seiner Ausreise aus dem Irak weder einer individuellen noch einer aktuellen Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen ausgesetzt bzw. sind keine Anhaltspunkte dahin hervorgekommen, dass er im Falle seiner Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein könnte.

Im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat wird er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sein. Es liegen auch keine Gründe vor, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

Auch wird er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Personen gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort nicht der realen Gefahr einer Verletzung ihrer durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte ausgesetzt sein oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie der durchgeführten mündlichen Verhandlung und schließlich durch Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat der vier Beschwerdeführer.

2.2. Zur Person und zu den Reisebewegungen der beschwerdeführenden Parteien:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staats- und Religionszugehörigkeit sowie zum Familienstand der beschwerdeführenden Parteien getroffen wurden, beruhen diese auf den eigenen Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, vor der belangten Behörde, den vorgelegten Unterlagen und den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, sowie auf der Kenntnis und der Verwendung der Sprache Arabisch im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme des BF1 und der BF2 vor dem BFA und in der vom erkennenden Gericht am 29.08.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung.

Die Konstatierungen zur grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit des BF und zur Dauer und Art der schulischen Ausbildung sowie zu seiner beruflichen Tätigkeit im Herkunftsstaat gründen auf dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht.

2.2.1. Die zur Ausreise aus dem Irak und zu seiner Einreise in Österreich, sowie die zur Reiseroute getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbestrittenen Akteninhalt.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staatsangehörigkeit, zum Religionsbekenntnis, zur Muttersprache, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Familienstand und zum Verwandtschaftsgrad der bfP untereinander getroffen wurden, beruhen diese auf den in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen, jenen weder in der gegenständlichen Beschwerde noch in der der mündlichen Verhandlung - substantiiert - entgegengetreten wurde.

Die zum Gesundheitszustand des BF getroffenen Feststellungen beruhen auf den übereinstimmenden Angaben in der mündlichen Verhandlung, worin er sich selbst als gesund bezeichnete.

Die Konstatierungen zur Geburt des BF im Irak sowie zu seinem Aufenthalt im Herkunftsstaat bis zur gegenständlichen Ausreise beruhen auf dem Vorbringen des BF vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung. Auf dieser Quelle beruhen auch die dazu getroffenen Konstatierungen, dass sich alle übrigen Mitglieder seiner Kernfamilie nach wie vor im Herkunftsstaat aufhalten.

Die Konstatierungen zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF erschließen sich aus dem Amtswissen des erkennenden Gerichts (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich).

Die zum Gesundheitszustand des BF und zu dessen grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit beruhen einerseits auf den diesbezüglichen Angaben vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht, andererseits auf dem vermittelten persönlichen Eindruck, andererseits auf den vom beigezogenen medizinischen Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen.

Die zur Reisebewegung des Beschwerdeführers Parteien getroffenen Konstatierungen beruhen auf seinen eigenen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde und auf seinen Anhgaben, die er im Rahmen seiner stattgehabten Vernehmung als Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht gemacht hatte.

2.3. Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF im Herkunftsstaat gründen im Wesentlichen auf seinen Angaben, die er im Rahmen seiner stattgehabten PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht gemacht hatte. Auf den angeführten Quellen beruhen auch die Konstatierungen zu der vom BF ausgeübten Berufstätigkeit als Handyreparateur, und zu seiner sozialen Stellung im Herkunftsstaat.

Die Konstatierungen zu den im Herkunftsstaat lebenden bzw. dort aufhältigen Verwandten, zu deren Familienstand, zur gesicherten Versorgungslage der Familie, zum Schulbesuch der minderjährigen Neffen und Nichten des BF, sowie zur ärztlichen Versorgung im Herkunftsstaat gründen auf den eigenen Angaben des BF vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht. Auf dieser Grundlage basieren auch die Feststellungen, dass der BF vor seiner Ausreise asus dem Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung nicht zu befürchten hatte bzw. bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat weder eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten hat.

2.4. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet:

Die Konstatierungen dazu, dass der BF am XXXX.2019 die österreichische Staatsangehörige XXXX geehelicht hat, gründet sich auf der vorgelegten Heiratsurkunde. Dass er außer seiner Ehegattin keine weiteren Angehörigen im Bundesgebiet hat, gründet sich auf seinen Angaben, die er anlässlich seiner PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht gemacht hatte. Auf derselben Quelle beruht die Konstatierung, dass die eheliche Gemeinschaft kinderlos geblieben ist und dass - außer der Ehegattin - keine Verwandten des BF im Bundesgebiet leben.

Die zu den gegenwärtigen Lebensumständen des BF im Bundesgebiet getroffenen Feststellungen, insbesondere jene, dass er Mittel aus der Grundversorgung des Bundes bezieht und davon lebt, gründen auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht. Die Konstatierungen zum Bezug von Mitteln aus der Grundversorgung gründen zudem auf dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in das Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung des Bundes (GVS)).

Die zur Unbescholtenheit und zu den Wohnsitzmeldungen des BF getroffenen Feststellungen gründen auf einem Auszug aus dem österreichischen Strafregister, sowie auf den eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR).

Die integrationsrelevanten Feststellungen beruhen auf den vorgelegten, im Akt einliegenden Beweismitteln und auf den Angaben des BF, die dieser anlässlich seiner Einvernahme vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht gemacht hatte.

Der BF machte weder in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde, bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG konkrete Angaben dahin, die auf eine hinreichende Integration in Österreich in beruflicher Hinsicht schließen ließen.

So ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, dass der BF über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Eine berufliche Tätigkeit oder eine ehrenamtliche Tätigkeit konnte er jedoch nicht nachweisen. Während er eine ehrenamtliche Tätigkeit nicht einmal behauptete, gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass er in einem Betrieb gearbeitet hätte. Allerdings blieb er mit seinen Angaben, in einem Betrieb gearbeitet zu haben, unglaubwürdig, zumal er hinsichtlich dieser angeblich ausgeübten Tätigkeit keine relevanten Angaben zu machen vermochte.

Es waren daher die entsprechenden Konstatierungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.

2.5. Zur Lage BF im Herkunftsstaat in Zusammenhang mit den vorgebrachten Fluchtgründen:

2.5.1. Anlässlich seiner Erstbefragung vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde gab der BF an, den Herkunftsstaat wegen des IS verlassen zu haben. Weitere Fluchtgründe brachte der BF nicht vor.

Anlässlich seiener Befragung durch Organe der belangten Behörde stützte der BF die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates auf eine angebliche Bedrohung seiner Familie, im Zuge dessen diese ein Kuvert mit zwei Patronen erhalten habe, das an der Haustür angebracht gewesen sein soll. Im Begleitschreiben seien er und die Familie aufgefordert worden, die Zusammenarbeit mit den Streitkräften und den staatlichen Behörden einzustellen, oder sie würden getötet werden. So stehe es im Polizeibericht. Den Drohbrief will er seinem Bruder in die amerikanische Botschaft gebracht haben [BF in Niederschrift des BFA vom 20.07.2017, S. 7 oben].

Anlässlich seiner am 29.08.2018 stattgehabten Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete er zwar auch den Erhalt eines Drohschreibens, doch verwickelte er sich hier in derart eklatante Widersprüche mit seinen vor der belangten Behörde gemachten Angaben, sodass ihm die Glaubhaftmachung eines Drohschreibens letztlich nicht gelungen ist.

So behauptete er vor der belangten Behörde noch, dass ein Drohbrief an der Haustür des Elternhauses angebracht worden sei [BF in Niederschrift des BFA vom 20.07.2017, S. 7]. Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte er dagegen vor, dass er selbst nie einen Drohbrief erhalten hätte. Wohl aber habe sein Bruder einen Drohbrief erhalten, den dieser zur amerikanischen Botschaft mitgenommen habe [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 29.08.2019, S. 20 unten]. Während er zum Inhalt des Drohschreibens vor der belangten Behörde noch angegeben hatte, dass darin er und seine gesamte Familie bedroht und aufgefordert worden sei, die Zusammenarbeit mit den Streitkräften und den staatlichen Behörden einzustellen, was auch im Polizeibericht stehe, gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass er sich an den Inhalt des Schreibens nicht erinnern könne. Dies begründete er im Wesentlichen damit, dass sein Bruder den Drohbrief gefunden und ihn gleich zur Arbeit mitgenommen habe und er diesen nicht gesehen habe [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 29.08.2019, S. 20 f].

Damit setzte er sich in Widerspruch zu seinem Vorbringen vor der belangten Behörde, wonach er selbst dem Bruder das Drohschreiben überbracht haben wollte.

Vor der belangten Behörde machte er weiter Angaben dazu, dass der Inhalt des Drohschreibens in einem Polizeibericht dokumentiert worden sei. Bei Wahrunterstellung dieser Angaben ist zu folgern, dass das Faktum des Drohschreibens der Polizei des Herkunftsstaates zur Anzeige gebracht worden sein musste.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF an, selbst nie einen Drohbrief erhalten zu haben [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 29.08.2019, S. 20 unten] und dass der Drohbrief de Polizei des Herkunftsstaates nicht zur Anzeige gebracht worden sei.

In Anbetracht der aufgezeigten Widersprüche erscheint die vor der belangten Behörde gemachte Behauptung des BF, dass er und seine Familie bedroht worden seien, als tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt.

Die vor der belangten Behörde gemachten Angaben, dass er Opfer eines Schussattentats geworden sei. Demnach will er am 18.05.2015, als er mit dem Motorrad nach Hause fuhr, von einem PKW der Marke XXXX angehalten worden sein. Nachdem er nicht anhielt, sei er mit einem Revolver im rechten Fuß angeschossen worden sein und dabei zu Boden gefallen sein und sich an der rechten Körperseite verletzt haben. Mit der Rettung sei er ins Krankenhaus gekommen, wo er zwei Wochen geblieben sei und Medikamente bekommen habe [BF in Niederschrift des BFA vom 20.07.2017, S. 7].

Anlässlich seiner stattgehabten PV vor dem Bundesverwaltungsgericht schilderte der BF noch einmal das angebliche Schussattentat. Ein dem Verfahren beigezogener medizinischer Sachverständiger war damit beauftragt, die Kausalität des vom BF behaupteten Verletzungsbildes nach dem Schussattentat zu beurteilen. Auf die Frage, mit welcher Waffe er beschossen wurde, gab der BF an, dass sich der Vorfall am späten Nachmittag bzw. am frühen Abend ereignet hätte und es finster gewesen sei. Er habe zwar die Schüsse gehört, sich nicht auf die Waffe konzentrieren können [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 29.08.2019, S. 6 unten]. Konkrete Angaben zur Waffe wurden im Gegensatz zu seiner Einvernahme vor der belangten Behörde nicht gemacht. Als er getroffen wurde, sei er mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h auf einer Autobahn unterwegs gewesen. Im Rückspiegel seines Motorrades habe er gesehen, wie eine Person eine Waffe gezogen hatte und mit dem Arm gedeutet hatte, er solle stehen bleiben. Er habe versucht, schneller zu fahren, um zu entkommen, als er plötzich Schüsse hörte. Er habe sich "nur noch am Boden gefunden" [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 29.08.2019, S. 7 oben]. Vergleicht man diese Angaben mit seinen zuvor gemachten Angaben zur Tageszeit und zu den Sichtverhältnissen, so kann der BF bei der von ihm behaupteten Finsternis nicht gesehen haben, dass eine Person mit dem Arm deutete, dass er stehen bleiben solle und wie diese eine Waffe zog.

Der BF behauptete, dass er durch den Sturz an der linken Körperseite verletzt worden wäre. Beim Unfall habe er eine Jeans und ein weißes T-Shirt getragen, wobei "alle Kleidungsstücke zerrissen" worden seien [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 29.08.2019, S. 8 unten]. Die Schilderungen über die dabei erlittenen Verletzungen und die beim BF ersichtlichen Pigmentierungen bzw. blanden Narben bewertete der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene medizinische Sachverständige wie folgt. Zur Frage der Nachvollziehbarkeit der Schussverletzungen auf Grund des behaupteten Tathergangs könne "auf Grund der Narbe medinischerseits nicht nachvollzogen werden, ob die Narbe am rechten Fuß vor dem Außenknöchel von einer Schussverletzung herrührt. Auf Grund der Lage der Narbe ist festzuhalten, dass, falls es sich um eine Schussverletzung handeln sollte, diese auf keinen Fall von hinten erfolgten konnte, da sonst der Außenknöchel (knöchern) zusätzlich verletzt und zerstört worden wäre. Das heißt es müsste der Schuss auf gleicher Ebene abgegeben worden sein."

[med. SV in Verhandlungsniederschrift vom 29.08.2019, S. 10 oben].

Damit sind die Angaben des BF jedoch nicht in Einklang zu bringen; aus diesen lässt sich nicht entnehmen, dass der Schuss auf gleicher Ebene auf ihn abgegeben worden wäre. Vielmehr brachte der BF vor, dass er sich nach dem Sturz gerollt hatte; während das Fahrzeug vorbeifuhr sei auf ihn geschossen worden sein [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 29.08.2019, S. 11 oben]. An einer anderen Stelle heißt es, dass er auf dem Boden gelegen habe, als ihn das Projektil traf [PV des BF, a.a.O.]. Bei Wahrunterstellung dieser Angaben wurde der Schuss nicht auf gleicher Ebene auf den BF abgegeben, sodass die gezeigte Narbe nach den Schlussfolgerungen des med. SV nicht vom behaupteten Schussattentat herrühren konnte.

Die am Knöchel sichtbare Schussverletzung ermochte der med. SV auch dann nicht dem behaupteten Schussattentat und dem geschilderten Hergang zuordnen, als der BF über Aufforderung durch das Gericht den Hergang skizzenhaft darstellte [med. SV in Verhandlungsniederschrift vom 29.08.2019, S. 11 unten]. Der BF gab dazu an, dass bei Unterstellung der Richtigkeit der Angaben des BF die Verletzung am hinteren Knöchel objektivierbar sein müsste, was jedoch nicht der Fall sei. Prinzipiell müsste bei ihm ein Steckschuss vorliegen, der eine Zertrümmerung der Knochen zur Folge gehabt hätte, was sich jedoch nicht objektivieren lasse [med. SV in Verhandlungsniederschrift vom 29.08.2019, S. 11 f.].

Zu den Angaben des BF, dass er nach dem Sturz auf der Autobahn gerollt sei, zog der medizinsiche Sachverständige die Schlussfolgerung, dass sich bei der angegebenen hohen Geschwindigkeit "üblicherweise ein multipler Knochenbruch sämtlicher Knochen des Körpers, ein Polytrauma" einstelle. Eine derart hohe Geschwindigkeit habe "umfangreiche Gewebsdefekte" zur Folge, die "sowohl die Haut, das Bindegewebe und die Muskulatur bis zu den Knochen betreffen" würde. Die Gewebsdefekte würden großflächige Körperregionen betreffen, die auch nach einem langen Zeitraum, wie dem hier beschriebenen, objektivierbar wären. Solche umfangreichen Gewebsdefekte konnte der medizinische Sachverständige beim BF nicht feststellen [med. SV in Verhandlungsniederschrift vom 29.08.2019, S. 13 oben].

Dies alles widerlegt das vom BF behauptete Schussattentat, das der BF damit nicht glaubhaft machen konnte.

Das Fluchtvorbringen des BF erscheint dem erkennenden Gericht daher als unglaubwürdig, weshalb die entsprechenden Feststellungen zu treffen waren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten