Entscheidungsdatum
13.01.2020Norm
BFA-VG §22aSpruch
W117 2227091-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Mag. Gerhard-Josef Seidl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Radetzkystraße 6„ gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2019, Zahl: IFA 1252606008/191180254, sowie die Anhaltung vom 19.11.2019 bis 26.11.2019 in Schubhaft zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 und Z. 3 FPG idgF, § 76 Abs. 3 1. Satz FPG idgF stattgegeben und der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2019, Zahl: IFA 1252606008/191180254, sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 19.11.2019 bis 26.11.2019 für rechtswidrig erklärt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 16.11.2019, von der Bundesrepublik Deutschland kommend, auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein. Am 18.11.2019 wurde der Beschwerdeführer von Organen der Finanzpolizei einer Kontrolle unterzogen und dabei festgestellt, dass der Beschwerdeführer ohne Bewilligung und ohne beim zuständigen Sozialversicherungsträger als Dienstnehmer angemeldet zu sein einer unselbständigen Beschäftigung nachgehen würde.
Der Beschwerdeführer wurde im Anschluss nach einer Kontaktaufnahme der einschreitenden Organe der Finanzpolizei mit dem belangten Bundesamt gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-VG festgenommen.
Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 19.11.2019 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 120 Abs. 1a FPG 2005 iVm §§ 31 Abs. 1 Z. 3 und 31 Abs. 1a FPG 2005 schuldig erkannt und eine Geldstrafe von EUR 600,00 verhängt.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2019, Zahl: IFA 1252606008/191180254, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eine aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2019, Zl. 1252606008-191174335, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt I.). Ferner wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt II.) und wider den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 FPG 2005 ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde außerdem gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFAVG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
In beiden soeben angeführten Bescheiden führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übereinstimmend begründend im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei bei einer unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet betreten worden und habe sich demnach nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. In Ansehung des Beschwerdeführers sei deshalb § 53 Abs. 2 Z. 7 FPG 2005 (ad Spruchpunkte III. und VI. der angefochtenen Rückkehrentscheidung und § 76 Abs. 3 Z 9 FPG (ad Schubhaftbescheid) erfüllt.
In Bezug auf die Rückkehrentscheidung vom 19.11.2019 führte die Verwaltungsbehörde unter anderem entscheidungswesentlich aus, dass aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens sowie im Hinblick darauf, wie der Beschwerdeführer sein "Leben in Österreich insgesamt gestalten" würde, die Annahme gerechtfertigt sei, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen würde. Im Rahmen der Begründung zu Spruchpunkt IV. dieses Bescheides wird auf die Erwägungen zu Spruchpunkt III. verwiesen und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Fall eines weiteren Verbleibes neuerlich "einer Schwarzarbeit" nachgehen würde und deshalb seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei.
In Bezug auf den angefochtenen Schubhaftbescheid schloss die Verwaltungsbehörde aufgrund der vorliegenden Schwarzarbeit im Zusammenhang mit dem Fehlen eines Wohnsitzes und aufgrund des Mangels familiärer und sozialer Anknüpfungspunkte auf das Bestehen von Fluchtgefahr; sie stellte aber selbst fest, dass der Beschwerdeführer unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt sei.
Mit Verfahrensanordnungen vom 19.11.2019 wurde dem Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation für die Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beigegeben und der Beschwerdeführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass er zur Inanspruchnahme eines Rückkehrberatungsgesprächs verpflichtet sei.
Am 26.11.2019 wurde der Beschwerdeführer im Luftweg in die Türkei abgeschoben.
Gegen beide, dem Beschwerdeführer am 19.11.2019 eigenhändig zugestellten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag - siehe oben - richtet sich die im Wege seiner nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht am 17.12.2019 eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer habe sich aufgrund eines ihm von deutschen Behörden erteilten Besuchs-/Geschäftsvisums rechtmäßig seit dem 14.11.2019 im Schengenraum aufgehalten. Nach Verkaufsgesprächen in der Bundesrepublik Deutschland sei er mit weiteren Arbeitskollegen in das Bundesgebiet eingereist, um die Lieferung und den Aufbau einer Salattheke "zu überwachen". Bei seiner Betretung am 18.11.2019 habe er sich bereits auf dem Rückweg in die Bundesrepublik Deutschland befunden, um das dort ausgeliehene Kraftfahrzeug zurückzugeben und in die Türkei zurückzukehren. Weitere Tätigkeiten im Bundesgebiet wären nicht beabsichtigt gewesen, zumal die Rückreise in die Türkei bereits organisiert gewesen sei. Sollte dem Beschwerdeführer im Bundesgebiet eine Rechtsverletzung unterlaufen sein, sei dies nicht vorsätzlich erfolgt. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme habe er im Wege seiner Bankomatkarte über Zugang zu zumindest EUR 6.676,00 gehabt und sich kooperativ verhalten.
Der Beschwerdeführer stellte schließlich den Antrag "das Bundesverwaltungsgericht möge die Rechtswidrigkeit und Menschenrechtswidrigkeit der erlassenen Rückkehrentscheidung und Verhängung der Schubhalt über den Beschwerdeführer sowie dessen Abschiebung und Verhängung des Einreiseverbotes feststellen und den bekämpften Bescheid aufheben".
Die Beschwerdevorlage langte am 30.12.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssachen wurde in weiterer Folge hinsichtlich der verschiedenen Bescheide - Rückkehrentscheidung einerseits, Schubhaftbescheid andererseits - den nun jeweils nach der Geschäftsverteilung zur Entscheidung berufenen Gerichtsbteilungen des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.
Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.01.2019, L521 2227016-1/5Z, wurde der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2019, Zl. 1252606008-191174335 Folge gegeben und Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG ersatzlos behoben. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass der Beschwerde gegen diesen Bescheid somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.
Das Bundesverwaltungsgericht legte den bisher dargestellten Verfahrensgang und Sachverhalt als "Verfahrensgang und Sachverhalt" zugrunde und führte weiters entscheidungswesentlich aus:
"(...)
Der vorstehende Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakten und ist unstrittig.
(...)
"Zum gegenständlichen Verfahren:
Das belangte Bundesamt stützt die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in erster Linie auf das verhängte Einreiseverbot sowie die Einschätzung, dass der Beschwerdeführer im Fall eines weiteren Verbleibes im Bundesgebiet neuerlich "einer Schwarzarbeit" nachgehen würde.
Nach der eingangs zitierten Rechtsprechung erfordert die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind.
Derartige besondere Umstände werden seitens des belangten Bundesamtes nicht aufgezeigt. Insbesondere trifft die Annahme des belangten Bundesamtes, der Beschwerdeführer werde im Fall eines weiteren Verbleibes im Bundesgebiet neuerlich einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, der Lages des Falles nach nicht zu. Der Beschwerdeführer legte bei seiner Einvernahme dar, dass sein Lebensmittelpunkt in der Türkei sei und er lediglich im Auftrag seines (türkischen) Arbeitgebers nach Verkaufsgesprächen in München in Wien Kühlmöbel geliefert und aufgestellt habe. Er wolle nun in die Türkei zurückkehren und mit den Behörden kooperieren.
Für die Annahme des belangten Bundesamtes, der Beschwerdeführer werde - anstatt selbst umgehend freiwillig in die Türkei zurückzukehren, wo er lebt und seinen Arbeitsplatz hat - im Fall einer aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde im Bundesgebiet verbleiben und neuerlich einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen fehlt in Anbetracht der Sachlage jeder Anhaltspunkt. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer über keine finanziellen Mittel für eine freiwillige Ausreise verfüge, ist aktenwidrig. In der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides wird in diesem Zusammenhang nicht dargelegt, weshalb dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu folgen sei, wonach er über eine Bankomatkarte und EUR 6.676,00 verfügen würde.
Da der Beschwerdeführer unwidersprochen über keine Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt und er lediglich über Veranlassung seines türkischen Arbeitgebers in das Bundesgebiet für kurzfristig zu verrichtende Arbeiten einreise und er ebenso unwidersprochen erst auf dem Rückweg in die Bundesrepublik Deutschland mit einem Mietwagen betreten wurde, gebietet sich aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes gerade nicht der Schluss, dass der Beschwerdeführer weiterhin einer unerlaubten Erwerbstätigkeit in Österreich nachgehen würde. Vielmehr wäre nach der Lage des Falles davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer freiwillig die Ausreise in den Herkunftsstaat antritt, um zu seiner Wohnung und zu seinem Arbeitsplatz zurückzukehren. Für gegenteilige Absichten bestehen keine belastbaren Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens.
Die (potentielle) Verwirklichung eines Verwaltungsstraftatbestandes alleine vermag ebenfalls kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer raschen Außerlandesbringung zu rechtfertigen und es lang zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides darüber hinaus auch keine rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers vor, zumal die Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich ebenfalls (erst) am 19.11.2019 erlassen wurde.
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen kann das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennen, dass der Beschwerdeführer eine derartige Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würden, dass die sofortige Ausreise der Beschwerdeführer geboten wäre. Die vom belangten Bundesamt auf § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG gestützte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde erweist sich samt der dazu herangezogenen Begründung als vollkommen verfehlt und beruht darüber hinaus noch auf einer aktenwidrigen Feststellung betreffend die angebliche Vermögenslosigkeit des Beschwerdeführers.
Zusammenfassend zeigt das belangte Bundesamt mit dem von ihm erhobenen Sachverhalt keine besonderen Gründe im Sinn der eingangs zitierten Rechtsprechung auf, weshalb die Aufenthaltsbeendigung sofort ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu erfolgen hätte. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass im gegenständlichen Fall einer der sonstigen Tatbestände des § 18 Abs. 1 oder 2 BFA-VG heranzuziehen wäre. Vielmehr liegt ein im Hinblick auf die Eignung der Vorgehensweise des belangten Bundesamtes, den gerichtlichen Rechtsschutz gegen den angefochtenen Bescheid durch eine übereilte Abschiebung des Beschwerdeführers noch vor dem Ablauf der Beschwerdefrist zu vereiteln, höchst bedenkliche und das hier erkennende Gericht missachtende Vorgehensweise vor.
(...)"
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Sachverhalt:
Obige Ausführungen im Rahmen des Verfahrensganges werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben. Weder zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung noch zu einem späteren Zeitpunkt der Anhaltung bestand Fluchtgefahr.
Entscheidungsgrundlagen:
* gegenständliche Aktenlage;
* Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.01.2020, L521 2227016-1/5Z.
Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Sachverhalt wurden bereits im Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.01.2020, L521 2227016-1/5Z, umfassend dargestellt. In diesem Zusammenhang ist zunächst auch auf die auch im Schubhaftbescheid aktenwidrig zugrunde gelegte Annahme der Mittellosigkeit hinzuweisen - es wird mit keinem Wort dargelegt, weshalb dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu folgen sei, wonach er über eine Bankomatkarte und EUR 6.676,00 verfügen würde.
Die Verwaltungsbehörde setzte sich auch im Schubhaftbescheid nicht einmal ansatzweise mit den (sich nicht als unglaubwürdig darstellenden) Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Schubhafteinvernahme auseinander, wonach er lediglich im Auftrag seines (türkischen) Arbeitgebers nach Verkaufsgesprächen in München in Wien Kühlmöbel geliefert und aufgestellt habe und dass er nun in die Türkei zurückkehren und mit den Behörden kooperieren wolle.
Für die Annahme des belangten Bundesamtes, der Beschwerdeführer werde - anstatt selbst umgehend freiwillig in die Türkei zurückzukehren, wo er lebt und seinen Arbeitsplatz hat - im Fall der Freilassung untertauchen, fehlt in Anbetracht der Sachlage jeder Anhaltspunkt.
Da der Beschwerdeführer, wie bereits das Bundesverwaltungsgericht im angeführten Erkenntnis ausführte, "lediglich über Veranlassung seines türkischen Arbeitgebers in das Bundesgebiet für kurzfristig zu verrichtende Arbeiten einreise und er ebenso unwidersprochen erst auf dem Rückweg in die Bundesrepublik Deutschland mit einem Mietwagen betreten wurde", gebietet sich aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch im gegenständlichen Fall nicht der Schluss, dass der Beschwerdeführer untertauchen und nicht mit den österreichischen Behörden kooperieren werde. "Vielmehr wäre" - auch dies hielt das Bundesverwaltungsgericht bereits im zitierten Erkenntnis fest - "nach der Lage des Falles davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer freiwillig die Ausreise in den Herkunftsstaat antritt, um zu seiner Wohnung und zu seinem Arbeitsplatz zurückzukehren. Für gegenteilige Absichten bestehen keine belastbaren Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens".
In diesem Sinne kann also von einer Fluchtgefahr keine Rede sein.
Rechtliche Beurteilung
Zuständigkeit
Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;
4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und
5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2
Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.
Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Nach der aktuellen Geschäftsverteilung - Anlage 2 - ist die gegenständlich einschreitende Gerichtsabteilung nur für die Frage der Rechtmäßigkeit der Schubhaft zuständig, die übrigen in der einheitlichen Beschwerde angeführten Beschwerdepunkte fallen als Teil des Zuständigkeitsbereiches von AFR-L2 - siehe bereits auch angeführtes Teilerkenntnis der Gerichtsabteilung L 521 - in den Zuständigkeitsbereich der Gerichtsabteilung L 521, welche in der Folge noch über die in Beschwerde gezogenen übrigen Spruchpunkte des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2019, Zl. 1252606008-191174335, betreffend die Frage der Rechtswidrigkeit der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.), der Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt II.) und der Verhängung des Einreiseverbotes (Spruchpunkt III.) abzusprechen hat.
Zu Spruchpunkt A) I. (Schubhaftbescheid, bisherige Anhaltung in Schubhaft):
Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:
§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
Die Bestimmung des §22a BFA-VG idgF bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.
Materielle Rechtsgrundlage:
Darauf aufbauend wiederum folgende innerstaatliche Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005, welche in der anzuwendenden geltenden Fassung lauten:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Den im Rahmen des Verfahrensganges und festgestellten Sachverhaltes unzweifelhaft vorliegenden Sachverhaltselementen, insbesondere jenen
* der Kooperationsbereitschaft und des Willens, Österreich selbständig zu verlassen - er befand sich bereits auf dem Rückweg nach Deutschland;
* des Besitzes nicht unbeträchtlicher Barmittel - der Beschwerdeführer hatte mittels Bankomatkarte die entsprechende Zugriffsmöglichkeit;
* der irrtümlichen Verrichtung einer einmaligen illegalen Tätigkeit - auf Geheiß des türkischen Arbeitgebers vor dem Hintergrund der von der Verwaltungsbehörde selbst angenommenen unionsrechtlichen Aufenthaltsberechtigung (!!)
sind demnach - bezogen auf den Zeitpunkt der Schubhaftanordnung - keine derartigen in § 76 Abs. 3 1. Satz FPG angeführten "bestimmten Tatsachen" zu entnehmen, aus welchen sich die Annahme von Fluchtgefahr ableiten lassen.
Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
(1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. [...]
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Selbst wenn man aber doch von Vorliegen eines bestimmten Sicherungsbedarfes ausginge, hätte sich gerade im gegenständlichen Fall die Anwendung eines gelinderen Mittels in der Form einer Sicherheitsleistung angeboten, da der Beschwerdeführer, wie angeführt, über nicht unbeträchtliche Vermögensmittel verfügt(e).
Der in Beschwerde gezogene Schubhaftbescheid und die darauf aufbauende Anhaltung stellen sich sohin als rechtswidrig dar und war der Beschwerde stattzugeben.
Zu Spruchpunkt B. (Revision):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu obigen Spruchpunkten zu entnehmen ist, warf die ausschließliche Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
finanzielle Mittel, gelinderes Mittel, illegale Beschäftigung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W117.2227091.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020