TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/13 G314 2227012-1

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Veröffentlicht am 13.01.2020
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Entscheidungsdatum

13.01.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1

Spruch

G314 2227012-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2019,

Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen (A) und zu Recht erkannt (B):

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

(Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), der in Österreich geboren wurde und hier seit seiner Geburt niedergelassen ist, die Schule besuchte und eine Tischlerlehre (ohne Lehrabschlussprüfung) absolvierte, verfügt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU"; ein entsprechendes Dokument wurde zuletzt am 13.09.2019 ausgestellt und ist bis 13.09.2024 gültig.

Der BF wurde im Bundesgebiet seit Mai 2013 neun Mal strafgerichtlich verurteilt, wobei zwei Mal eine Zusatzstrafe verhängt wurde. Sechs Mal wurden (vorwiegend wegen Aggressionsdelikten) Geldstrafen verhängt. Im Mai 2013 wurde er wegen Einbruchsdiebstahls zu einer unbedingten Geldstrafe und einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Im September 2016 wurde er wegen Suchtgiftdelikten zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt; gleichzeitig wurde die zuvor gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Der BF verbüßte die Freiheitsstrafen (unter Berücksichtigung der Vorhaft) von XXXX2016 bis zu seiner bedingten Entlassung am XXXX2017 in der Justizanstalt XXXX, wo er danach noch bis XXXX2017 zum Vollzug von Verwaltungsstrafen angehalten wurde. Zuletzt wurde er im Mai 2019 wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), des Hausfriedensbruchs (§ 109 Abs 1 und 3 Z 1 StGB) und der Sachbeschädigung (§ 125 StGB) zu einer Strafenkombination (unbedingten Geldstrafe und bedingte zwölfmonatige Freiheitsstrafe) verurteilt; vom Widerruf der bedingten Entlassung wurde abgesehen. Außerdem wurden gegen den BF zwischen 2013 und 2018 mehrere Geld- und auch primäre Freiheitsstrafen wegen Verwaltungsübertretungen (vorwiegend Verkehrsdelikten) verhängt, darunter wiederholt wegen Alkohol im Straßenverkehr.

Der BF ist ledig und kinderlos. Er leidet an ADHS, ist aber trotzdem grundsätzlich arbeitsfähig. Er lebt in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen ebenfalls in Österreich niedergelassenen Eltern, ist bei einem Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen als Bauhilfsarbeiter beschäftigt und mit einer in Deutschland lebenden Frau liiert. Er hat nie für längere Zeit in Bosnien und Herzegowina, wo seine Eltern ein Haus haben, gelebt, sondern hielt sich dort nur zu Besuchs- und Urlaubszwecken auf. Er hat eine Tante und einen Onkel, die in seinem Heimatstaat leben, zu denen aber wenig Kontakt besteht; abgesehen davon hat er dort keine Bezugspersonen. Er beherrscht sowohl die bosnische als auch die deutsche Sprache.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde vom 20.12.2019 gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 5 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina festgestellt (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 und 4 FPG ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde (Spruchpunkt V.).

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung mit den strafgerichtlichen Verurteilungen und Verwaltungsübertretungen des BF, wobei seine Straftaten zuletzt wieder an Schwere zugenommen hätten. Sämtliche bisherigen Sanktionen hätten weder eine Einsicht noch eine Verhaltensänderung bewirkt. Daher sei die sofortige Umsetzung der Rückkehrentscheidung im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich.

In der Beschwerde, die sich gegen sämtliche Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, beantragt der BF unter anderem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und bringt dazu vor, seine sofortige Ausreise sei nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich. Die Rückkehrentscheidung sei ein massiver Eingriff in sein Privat- und Familienleben, zumal er seit seiner Geburt in Österreich lebe und hier integriert sei. Er mache eine Therapie, habe einen fixen Arbeitsplatz und konsumiere weder Alkohol noch Drogen. Eine Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina, ein Land, mit dem ihn nur die Staatsangehörigkeit verbinde und dessen Sprache er nicht ordentlich beherrsche, ohne finanzielle Mittel und ohne Bezugspersonen würde ihn in eine ausweglose Situation bringen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG, sodass sich eine ausführlichere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Die Beschwerde richtet sich (zumindest implizit) auch gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat darüber gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Zwar weist das BFA in der Begründung des angefochtenen Bescheids zu Recht darauf hin, dass die Voraussetzung des § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG aufgrund der Delinquenz des BF und Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen grundsätzlich erfüllt ist. Da er aber von Geburt an rechtmäßig im Inland niedergelassen und hier daueraufenthaltsberechtigt ist, ist die Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht von der Hand zu weisen, zumal er in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern lebt, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgeht, seine letzten Straftaten nicht die Verhängung unbedingter Freiheitsstrafen notwendig machten und sein Daueraufenthaltstitel noch im September 2019 verlängert wurde. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ist daher Folge zu geben und die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2227012.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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