Entscheidungsdatum
13.01.2020Norm
BFA-VG §18 Abs2 Z1Spruch
G314 2226856-1/4Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des serbischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2019,
Zl. XXXX, betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen (A) und zu Recht erkannt (B):
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung
(Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde vom 20.12.2019 gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem dem Beschwerdeführer (BF) ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gegen ihn gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen wurde (Spruchpunkt IV.).
Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen damit, dass der BF kurz nach seiner Einreise strafgerichtlich verurteilt worden sei, sodass seine sofortige Ausreise nach der Entlassung aus der Strafhaft erforderlich sei. Mangels einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr sei es ihm zumutbar, den Verfahrensausgang in seinem Herkunftsstaat abzuwarten.
Der BF erhob dagegen eine Beschwerde, mit der er die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Er strebt damit die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids, hilfsweise den Entfall oder die Reduktion der Dauer des Einreiseverbots an. Die Behörde habe seine privaten und familiären Bindungen in Österreich nicht ausreichend berücksichtigt. Er spreche gut Deutsch und habe von seiner Geburt bis zur Ausreise gemäß § 133a StVG am XXXX2010 mit seiner Familie in Österreich gelebt. Kurz vor dem Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots sei er zurückgekehrt, um seine Familie bei der Pflege seiner schwerkranken Mutter zu unterstützen, die im September 2019 verstorben sei. Am XXXX2019 sei er wegen am XXXX2019 begangener Straftaten, zu denen er sich unter Drogeneinfluss habe hinreißen lassen, zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Er werde von seinem Vater und seinem ältesten Bruder, die in Österreich lebten, finanziell unterstützt und während der Haft besucht. Er stünde auch in engem Kontakt zu seinen anderen drei Brüdern, seinem Onkel und seinem Cousin, die alle in Österreich lebten. Nach seiner Enthaftung könne er bei seinem Vater wohnen. Seine einzige Bezugsperson in Serbien, seine Großmutter, sei 2019 gestorben. Die Behörde habe sein Recht auf Parteiengehör verletzt, weil ihm nicht die Möglichkeit geboten worden sei, seine private und familiäre Situation bei einer mündlichen Einvernahme darzulegen. Die geregelte Arbeit während der Haft und der lange straffreie Zeitraum seien nicht gewürdigt worden, ebensowenig die Milderungsgründe und der Umstand, dass der Strafrahmen bei der letzten Verurteilung nicht ausgeschöpft worden sei. Die Behörde habe keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose erstellt. Der BF wolle eine Drogentherapie absolvieren und nach der Haft einer geregelten Arbeit nachgehen. Ein zehnjähriges Einreiseverbot sei daher unverhältnismäßig. Die positive Zukunftsprognose und das gute Vollzugsverhalten sprächen ebenfalls dafür, dass seine sofortige Ausreise nicht notwendig sei, zumal er hier ein enges familiäres Unterstützungsnetzwerk habe und aufgrund seiner guten Deutschkenntnisse in angemessener Zeit am Arbeitsmarkt eine Arbeit finden werde.
Das BFA schloss der Beschwerdevorlage eine Stellungnahme an und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Feststellungen:
Der aktuell 30-jährige BF ist serbischer Staatsangehöriger und spricht Serbisch, beherrscht aber auch die deutsche Sprache. Er kam in Österreich zur Welt, wuchs hier auf und besuchte in Wien sieben Jahre lang die Schule. Schon im strafunmündigen Alter trat er gemeinsam mit seinem Bruder XXXX massiv strafrechtlich in Erscheinung.
Im September 2005 wurde der BF wegen Jugendstraftaten (Diebstahl und Raub, zum Teil gemeinsam mit seinem Bruder XXXX begangen) zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, davon wurden neun Monate bedingt nachgesehen. Am April 2006 folgte eine Verurteilung zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe wegen der Verbrechen des Raubes und des schweren Raubes. Nach dem Vollzug dieser Strafe wurde er als junger Erwachsener 2009 zunächst wegen der Vergehen der Hehlerei und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift zu einer sechswöchigen Freiheitsstrafe und anschließend wegen der Verbrechen des Raubes und des schweren Raubes sowie des Vergehens der Körperverletzung (zum Teil begangen mit seinen Brüdern XXXX bzw. XXXX) zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt. Er verbüßte diese Strafen in den Justizanstalten XXXX, XXXX und XXXX.
Aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilungen wurde gegen den BF mit dem Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 03.06.2009 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Nachdem mit dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX2010 gemäß § 133a StVG vorläufig vom weiteren Strafvollzug abgesehen worden war, reiste er am XXXX2010 nach Serbien aus. Mit dem Beschluss der Bundespolizeidirektion XXXX vom 13.03.2012 wurde die Dauer des Aufenthaltsverbots aufgrund einer Novellierung des FPG auf zehn Jahre abgeändert, sodass es bis 03.06.2019 befristet war. Auf diese Gültigkeitsdauer wird in der Bescheidbegründung ausdrücklich hingewiesen.
Nach seiner Ausreise lebte der BF in Serbien in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Großmutter. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 14.03.2019 reiste er entgegen dem Aufenthaltsverbot wieder in das Bundesgebiet ein, wo er sich zunächst ohne Wohnsitzmeldung aufhielt. Am XXXX2019 wurde er verhaftet, weil er nach der Einnahme von Beruhigungs- und Schlaftabletten und dem Konsum von Heroin versucht hatte, in ein Café einzubrechen, sich gegenüber Polizisten mit dem Ausweis seines Bruders XXXX ausgewiesen und die Bankomatkarte eines anderen mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz unterdrückt hatte. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX2019 wurde er deshalb wegen der Vergehen des versuchten Einbruchsdiebstahls, des Gebrauchs fremder Ausweise und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der BF verbüßt diese und die übrigen Strafen, die aufgrund der Rückkehr nach vorläufigem Absehen vom Strafvollzug in Vollzug gesetzt wurden, derzeit in der Justizanstalt XXXX. Das urteilsmäßige Strafende ist am XXXX2021.
Der BF ist ledig und hat drei Kinder, für die er keine Unterhaltszahlungen leistet. Sein Vater und sein ältester Bruder leben in Wien. Seine Mutter, die vor ihrem Tod ebenfalls in Wien gelebt hatte, verstarb im September 2019.
Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und der für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Fremdenregister.
Eine Kopie aus dem abgelaufenen jugoslawischen Reisepass des BF liegt vor. Die Feststellungen zu den von ihm begangenen Straftaten und zu seinen Verurteilungen basieren auf den vorgelegten Strafurteilen und dem Strafregister. Im Urteil vom XXXX2005 wird auf die Taten des BF vor Vollendung des 14. Lebensjahres hingewiesen.
Die familiären Verhältnisse des BF ergeben sich aus dem Urteil vom XXXX2019 und aus der aktuellen Vollzugsinformation. Sein Vater XXXX(geboren am XXXX) und sein Bruder XXXX (geboren am XXXX) sind laut ZMR mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet. Aus dem ZMR geht auch hervor, dass die Mutter des BF, XXXX, die jedenfalls seit 1999 mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet war, am XXXX2019 verstorben ist. Die anderen Brüder des BF, XXXX (geboren am XXXX), XXXX (geboren am XXXX) und XXXX (geboren am XXXX) weisen aktuell in Österreich keine Wohnsitzmeldung auf. XXXX und XXXX waren laut ZMR zuletzt in Justizanstalten gemeldet, XXXX als obdachlos.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Die Beschwerde richtet sich auch gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat über eine derartige Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014). Da die Verwaltungsakten erst am 08.01.2020 beim BVwG einlangten, begann die Entscheidungsfrist erst damit (und nicht schon mit der Vorlage der Beschwerde am 23.12.2019) zu laufen.
Gemäß § 18 Abs 2 BFA-VG ist einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist (Z 1) oder wenn er einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist (Z 2).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, zumal der BF nach dem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug gemäß § 133a StVG während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots, auf die im Bescheid vom 13.03.2012 unmissverständlich hingewiesen wird, in das Bundesgebiet zurückkehrte und sich hier ohne Wohnsitzmeldung und ohne legale Erwerbstätigkeit aufhielt, um wieder Suchtgift zu konsumieren und Straftaten zu begehen.
Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Solche Gründe wurden hier nicht vorgebracht. Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen über die Lage im Herkunftsstaat des BF (Serbien) ergibt keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG, zumal es sich um einen sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 Z 6 HStV handelt. Da der BF zuletzt fast zehn Jahre lang in Serbien lebte und kurz nach seiner Rückkehr in das Bundesgebiet neuerlich delinquierte, erfordern seine privaten und familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht. Es ist ihm zumutbar, den Verfahrensausgang nach seiner Haftentlassung in seinem Herkunftsstaat abzuwarten. Der Beschwerde ist derzeit - vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt - die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen, der zweite Satz von Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist nicht zu beanstanden.
Da das BFA gemäß § 55 Abs 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen hat, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs 2 BFA-VG aberkannt wurde, ist auch der erste Satz von Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids nicht korrekturbedürftig.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - EntfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2226856.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020