TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/15 W159 2199772-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.01.2020
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Entscheidungsdatum

15.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34 Abs3
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §34 Abs5
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W159 2199772-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Äthiopien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.05.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 3, 4 und 5 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 20.12.2020 erteilt.

IV. In Erledigung der Beschwerden werden die Spruchpunkte III. bis

VI. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste mit seiner Ehefrau und seinen minderjährigen Kindern, legal unter Verwendung von Visa mit einer Gültigkeitsdauer vom 15.01.2017 bis zum 13.02.2017, ausgestellt durch die österreichische Botschaft XXXX , in das österreichische Bundesgebiet ein und reisten in Folge weiter in die Schweiz ein. Aufgrund eines von der Schweiz eingeleiteten Konsultationsverfahrens wurde der Beschwerdeführer am 17.07.2017 von der Schweiz nach Österreich überstellt.

Am 18.07.2017 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt, bei der er angab, äthiopischer Staatsangehöriger und verheiratet zu sein. Er gehöre der Volksgruppe der Amhara an und sei orthodoxer Christ. Er habe eine Grundschule, eine allgemeinbildende höhere Schule mit Matura besucht und sei Kraftfahrer gewesen. Er gab an, er habe Äthiopien wegen politischer Probleme verlassen. Er sei im Gefängnis gewesen, sei dort missbraucht worden und habe beschlossen zu flüchten. Er sei verdächtigt worden Kriegsausrüstung zu transportieren. Sein Fahrzeug sei durchsucht worden. Die Konflikte hätten auf die Volksgruppenzugehörigkeit basiert. Sollte er zurückkehren müssen, würde er im Gefängnis sterben müssen.

Am 24.04.2018 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich im Verfahren vor der belangten Behörde einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, er habe sein Heimatland am 23.01.2017 verlassen. Er habe seinen Lebensunterhalt als LKW-Fahrer verdient und sei von Äthiopien bis Djibouti gefahren. Er sei zwei Jahre bei einer Privatfirma angestellt gewesen. Er sei geflüchtet, weil er von der diktatorischen Regierung festgenommen und verhaftet worden sei. Es sei ihm nicht möglich gewesen, normal zu arbeiten, denn überall, wo er unterwegs gewesen sei, sei er angehalten und schikaniert worden, besonders weil er zur Volksgruppe der Amhara gehört hätte. Er hätte ungewollt sein Haus verkaufen müssen, weil er nicht in Ruhe leben hätte können. Nach einem zweimonatigen Gefängnisaufenhalt hätte er sich entschlossen mit Frau und Kinder zu fliehen. Er sei als LKW Fahrer beschuldigt worden, heimlich Waffen zu liefern und der XXXX anzugehören. Um aus dem Gefängnis frei zu kommen, hätte er Geld bezahlen müssen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebungen des Beschwerdeführers nach Äthiopien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde jeweils mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid richten sich die im Wege der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers erhobene Beschwerde, welche fristgerecht bei der belangten Behörde am 26.06.2018 einlangte. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde unzureichende Länderfeststellungen getroffen habe. Auch habe sie sich mit dem Gesundheitszustand der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht ausreichend auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer würde aus politischen Gründen verfolgt werden, weil er aufgrund seiner politischen Einstellung und seiner Unterstützung der Ginbot7 inhaftiert und nur gegen Bezahlung eines Lösegeldes freigekommen sei. Eine erneute Inhaftierung und Folterung könne nicht ausgeschlossen werden, weswegen die Aktualität der Verfolgung gegeben sei. Aufgrund der politisch oppositionellen Zugehörigkeit des Beschwerdeführers drohe bei einer Rückkehr eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung. Zudem würden keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten für die Ehefrau des Beschwerdeführers bestehen. Unter einem wurde ein Länderbericht und ein medizinischer Befundbericht vorgelegt.

Da sowohl der Beschwerdeführer und Vater als auch die Ehefrau und Mutter der mj. Kinder im Verfahren einen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung gem. § 20 AsylG geltend machten, erfolgte hinsichtlich des Beschwerdeführers eine Unzuständigkeitseinrede der Vorsitzenden der Gerichtsabteilung W 254, die in den Verfahren betreffend der Ehefrau des Beschwerdeführers und der mj. Kinder nach einer Verhandlung am 01.10.2019 zu Recht erkannte.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 01.10.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers und der Rechtsvertretung eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der mündlichen Verhandlung teil.

Der Beschwerdeführer brachte vor etwas müde zu sein, weil es seiner Frau nicht gut gehe, er sei jedoch in der Lage der heutigen Verhandlung ohne Probleme zu folgen. Die Rechtsvertretung brachte folgende Dokumente in Vorlage: Bestätigung der XXXX über ehrenamtliche Arbeit, Mitgliedsbestätigung der äthiopisch orthodoxen Kirche sowie ein Bericht des Quartiergebers XXXX .

Die Rechtsvertretung brachte vor, dass der Ausdruck "missbraucht" in der Erstbefragung richtig hätte "misshandelt" lauten müssen (auf AS11). Es sei soweit der Rechtsvertretung bekannt wäre, zu keinem sexuellen Missbrauch gekommen.

Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen und die Beschwerde aufrecht. Er gab an, er sei äthiopischer Staatsangehöriger, gehöre der amharischen Volksgruppe an und sei äthiopisch orthodoxer Christ. Der Schlepper hätte den Reisepass des Beschwerdeführers in der Schweiz an sich genommen.

Der Beschwerdeführer gab an in XXXX in Äthiopien gelebt zu haben. Er sei 12 Jahre in die Schule gegangen und habe seinen Lebensunterhalt als Lastwagenfahrer verdient. Er sei für andere gefahren und hätte keine wirtschaftlichen Probleme gehabt. Er sei kirchlich verheiratet und habe zwei mj. Kinder, die sich auch in Österreich aufhalten würden. Seine Mutter sei Nonne nach dem Tod des Vaters geworden, er habe keinen Kontakt zu seinem Bruder und wisse nicht, wo er sich aufhalte.

Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, er habe sich in Äthiopien politisch betätigt. Er habe eine Partei politisch unterstützt, welche gegen die Regierung gewesen sei. Er sei nie Mitglied dieser Partei gewesen, habe die Partei aber finanziell unterstützt. Er habe vor der belangten Behörde angegeben, dass er Mitglied dieser Partei gewesen sei, weil er sie finanziell unterstützt habe (AS 170). Er hätte keinen Mitgliedsausweis besessen.

Nachgefragt erzählte der Beschwerdeführer, dass diese politische Partei zu unabhängigen Befreiungsbewegungen gegen die herrschende Regierung gehört habe. Sie hätte erkannt, dass die Volksgruppe, welcher der Beschwerdeführer angehöre, in Äthiopien diskriminiert werden würde. Diese politische Partei habe sich für seine Volksgruppe eingesetzt und er hätte als LKW-Fahrer besonders gespürt, dass ein großer Druck auf die Angehörigen dieser Volksgruppe ausgeübt werde. Das Ziel dieser Bewegung sei gewesen, Äthiopien aus der Unterdrückung zu befreien, vor allem die ethnisch unterdrückten Volksgruppen. Zu seiner Zeit sei diese Partei verboten gewesen. Sie habe mit friedlichen Mitteln gekämpft und hätte Äthiopien von den Unterdrückern befreien wollen. Zurzeit wisse er nicht, unter welchen Verhältnissen diese Partei existiere, er hätte sie nur finanziell unterstützt.

Dem Beschwerdeführer wurde vorgehalten, dass seine Ehefrau vor der belangten Behörde angegeben hätte, dass er als LKW-Fahrer auch Transporte für diese Gruppe durchgeführt hätte.

Der Beschwerdeführer antwortete: "Sie ist psychisch gestört, sie weiß nicht, was sie geredet hat." Er sei kein Funktionär dieser Partei gewesen. Hätten die staatlichen Einrichtungen gewusst, dass er diese Partei finanziell unterstützt habe, hätten sie den Beschwerdeführer getötet.

Der Beschwerdeführer gab nachgefragt an, dass er in Äthiopien einmal für etwa zwei Monate 2015/2016 verhaftet worden sei. Er hätte, während er seine Mutter besucht hätte, in einem Hotel gewohnt. Die Sicherheitskräfte hätten ihn mitgenommen, eingesperrt, beschimpft und verprügelt. Sie seien in seine Wohnung eingedrungen und hätten sie durchsucht. So hätten sie herausgefunden, dass er LKW-Fahrer und ein bisschen vermögend sei. Nachdem sie nichts Belastendes gefunden hätten, hätten sie den Beschwerdeführer vor die Wahl gestellt einerseits etwas Geld zu bezahlen und mit der Familie das Land verlassen zu können oder anderseits sein Leben zu verlieren.

Der Beschwerdeführer gab an, dass die Zelle eng und sehr dunkel gewesen sei. Es hätten sich keine Einrichtungsgegenstände, jedoch etwa 120 Personen in ihr befunden. Er sei in einem dunklen Zimmer vernommen worden. Man hätte ihm vorgeworfen, dass er als LKW Fahrer Waffen von Dschibuti nach Äthiopien transportiert hätte und sie der Ginbot 7 gegeben hätte. Er hätte angegeben, dass er keine Beziehung zu Ginbot 7 und, dass die Unterstellungen ihm fremd seien. Die Fragen seien wiederholt gestellt worden und der Beschwerdeführer sei immer wieder bedroht worden. Er sei auch während seiner Haft misshandelt worden, er sei mit einem Stock auf die Finger und den Körper geschlagen sowie mit den Schuhen auf die Beine getreten worden. Es sei gedroht worden ihn zu töten, sollte er nicht die Wahrheit sagen.

Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor, dass er bei der Erstbefragung angegeben hätte, dass er im Gefängnis missbraucht worden sei, jedoch hätte er nichts davon bei der belangten Behörde erwähnt. (AS11). Der Beschwerdeführer antwortete, er hätte alle Misshandlungen bei der belangten Behörde erwähnt. Nachgefragt antwortete er, er sei in der Haft nicht sexuell missbraucht worden, er hätte jedoch davor Angst gehabt.

Er sei zwei Monate in Haft gewesen. Seine Ehefrau könne die genaue Haftdauer nicht angeben, weil sie psychische Schwierigkeiten hätte. Er habe sich durch eine Geldzahlung von 80.000 Birr aus der Haft befreit. Er habe auf seine Ersparnisse zurückgegriffen. Nach seiner Zahlung sei er noch etwa eine Woche in der Haft gewesen, dann hätte man ihn mit dem Auto befreit. Während der Beschwerdeführer inhaftiert gewesen sei, hätten sie sein Zuhause durchsucht. Seine Frau sei nicht vergewaltigt worden, jedoch unter der Belastung der Vorwürfe zusammengebrochen. Aufgrund der Bedrohungen habe er sich entschlossen mit seiner Familie das Land zu verlassen. Er hätte seine Eigentumswohnung verkauft um durch einen Vermittler ein Visum zu erhalten und mit seiner Familie auszureisen.

In Österreich würde es ihm gut gehen. Seine Frau habe paranoide Schizophrenie und würde medikamentös behandelt werden, seine Kinder seien glücklich und zufrieden. Er würde einen Deutschkurs absolvieren, habe das A2 Diplom erworben, auf die Kinder aufpassen und den Haushalt führen, weil seine Frau nicht in der Lage dazu sei. Er sei auch ehrenamtlich bei der Gemeinde beschäftigt, um sich mental auszuruhen. Er sei Mitglied der äthiopisch orthodoxen Kirche und von den Bewohnern seiner Gemeinde sehr gut aufgenommen worden und österreichische Freunde gefunden, mit welchen er Sommer z.B. schwimmen gehen würde.

Er könne nicht nach Äthiopien zurückkehren, er würde eingesperrt und getötet werden. Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor: "In Äthiopien hat bekanntlich ein Machtwechsel stattgefunden, die Oppositionspolitiker wurden enthaftet und werden nicht mehr verfolgt. Warum sollten Sie verfolgt werden?" Der Beschwerdeführer antwortete, die Regierung sei die gleiche geblieben.

Es wurden folgende Dokumente zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von drei Wochen eingeräumt: LIB der Staatendokumentation zu Äthiopien vom 08.01.2019, Wikipedia Ginbot 7 (englische Version), ACCORD Anfragebeantwortung betreffend Ginbot 7 26.01.2018, Eidgenössisches Staatssekretariat Fokus Äthiopien, Seite 16-17 sowie UK Homeoffice Country Policy Information Note Ethipia Opposition tot he goverment vom August 2019 Seite 35-37.

In der Stellungnahme vom 12.12.2019 wurde darauf hingewiesen, dass es nach einer Phase der Beruhigung wieder zu einer Verschärfung der Gewalt und zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen den Ethnien gekommen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist männlich, volljährig, Staatsbürger von Äthiopien, der Volksgruppe der Amhara zugehörig und christlich orthodoxen Glaubens. Er ist kirchlich verheiratet und hat mit seiner Ehefrau zwei minderjährige Kinder. Er ist mit seiner Familie am 17.07.2017 in das Bundesgebiet eingereist und hat gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im Bundesgebiet hält er sich mit seiner Ehefrau und seinem Sohn und seiner Tochter auf. Diese sind ebenso Staatsbürger von Afghanistan.

Der Beschwerdeführer hat die oppositionelle Partei Ginbot 7 finanziell unterstützt, eine darüberhinausgehende Tätigkeit oder gar eine Parteimitgliedschaft konnte nicht festgestellt werden. Er ist auf dem Weg zu seiner Mutter verhaftet worden, wobei der nähere Festnahmegrund nicht festgestellt werden kann. Gegen Bezahlung eines Lösegeldes ist er wieder entlassen worden. Als der Beschwerdeführer inhaftiert gewesen ist, wurde das Zuhause des Beschwerdeführers von staatlichen Akteuren durchsucht. Im Zuge dieser Hausdurchsuchung kam es auch zu physischen Übergriffen auf die Ehefrau des Beschwerdeführers. Diese Ereignisse lösten die aktuell bestehende psychische Erkrankung bei der Ehefrau des Beschwerdeführers aus.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer allfälligen Rückkehr nach Äthiopien seitens der Regierung keine Verfolgung mehr aufgrund der finanziellen Unterstützung der Ginbot 7 oder aufgrund seiner Verhaftung, da es zwischenzeitlich zu einem Regierungswechsel in Äthiopien gekommen ist.

Der Beschwerdeführer ist unbescholten.

Der Ehefrau und den Kindern des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihnen subsidiärer Schutz zukommt.

Zur maßgeblichen Situation in Äthiopien wird festgestellt

Zur letzten Kurzinformation des BFA zum Länderinformationsblatt über Unruhen, Gewalt und Proteste vom 8.111.2019:

Ende Juni 2019 kam es zu mehreren Angriffen auf führende Politiker landesweit. Der Regionalpräsident von Bahir Dar wurde, gemeinsam mit zwei weiteren Regionalregierungsmitgliedern und Dutzender weiterer Personen bei einem "Putschversuch" durch den Sicherheitsregionalleiter am 22.6.2019 getötet. Am 20.6.2019 wurde der Bürgermeister von Dembir Bolo angeschossen und schwer verletzt. In Guba wurden bei einem Angriff einer Amhara-Miliz am 23.6.2019 mehr als 50 Personen getötet. In Addis Abeba wurde der Militärstabschef durch seinen eigenen Personenschützer erschossen (ACLED 16.7.2019; vgl. TNH 16.10.2019, Standard 23.6.2019).

Die Ereignisse von Juni 2019 stehen in scharfem Kontrast zum Rückgang der Gewalt seit der Amtseinsetzung von Premierminister Abiy im April 2018 (ACLED 16.7.2019). Abiy schlug danach eine härtere Linie ein (TNH 16.10.2019; vgl. ACLED 16.7.2019). Das Internet wurde für vier Tage landesweit blockiert und hunderte Personen wurden in Zusammenhang mit der Gewalt verhaftet (ACLED 16.7.2019; vgl. TNH 16.10.2019); der Druck der Regierung hat seitdem nicht nachgelassen (TNH 16.10.2019). Amnesty International verurteilt die Regierung dafür, dass es seit Juni 2019 im Namen von Anti-Terror-Maßnahmen zu willkürlichen Festnahmen, darunter auch von Journalisten, kam (AI 4.10.2019; vgl. TNH 16.10.2019). Ende Oktober 2019 kam es nach Gerüchten über die Misshandlung des Abiy-Kritikers und Internetaktivisten Jawar Mohammed durch Sicherheitskräfte zu Protesten und Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden (Standard 24.10.2019; vgl. Standard 25.10.2019). Aus den Protesten entwickelten sich in der Folge ethnisch und religiös motivierte Unruhen (taz 26.10.2019; vgl. EN 26.10.2019, Guardian 1.11.2019). In den darauffolgenden Tagen kam es in vielen Städten zu gewaltsamen Sicherheitsmaßnahmen, gewalttätigen Konfrontationen und Kämpfen (AS 28.10.2019). Im Zuge dieser gewaltsamen Zusammenstöße zwischen verschiedenen Volksgruppen wurden nach Angaben des Premierministers 86 Menschen getötet, darunter zehn Tote durch Sicherheitskräfte (BBC 4.11.2019; vgl. RIA 3.11.2019). Stand 25.10.2019 wurden von offizieller Seite mindestens 67 Todesopfer gemeldet (Standard 25.10.2019; vgl. Zeit 26.10.2019, EN 26.10.2019) und im Zusammenhang mit den Unruhen wurden 409 Personen verhaftet (Guardian 1.11.2019; vgl. RIA 3.11.2019). Premierminister Abiy kündigte an, dass die Behörden gegen all jene vorgehen würden, die "den Frieden und die Stabilität Äthiopiens bedrohen" (RIA 3.11.2019).

In zahlreichen Städten in der Provinz Oromia kam es zu Angriffen von Mitgliedern der Volksgruppe der Oromo. Die Opfer entstammen der ethnischen Gruppen der Oromo, Amhara und Sidama (EN 26.10.2019). Etwa 55 Menschen sind bei Kämpfen zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien in der Region Oromia ums Leben gekommen (Standard 25.10.2019; vgl. Zeit 26.10.2019, EN 26.10.2019); der Großteil der Todesopfer geht auf Gewalt zwischen Zivilisten zurück (EN 26.10.2019), die übrigen Personen wurden von der Polizei getötet (Zeit 26.10.2019). Die Armee wurde in die Region Oromia entsandt (AS 28.10.2019; vgl. ZDF 26.10.2019, OKA 28.10.2019), bei deren Einsatz kamen sieben Personen ums Leben (AS 28.10.2019). Es gibt Berichte über Angriffe gegen Mitglieder und Glaubensstätten religiöser Minderheiten (EN 26.10.2019; vgl. Guardian 1.11.2019, Sputnik 29.10.2019). Die Spannungen zwischen den Regionen Somali und Oromia sind besonders hoch, während Tigray und Amhara weiterhin über ihre gemeinsame Grenze streiten (TNH 16.10.2019). Die politische Öffnung und Zulassung vieler Parteien hat auch dazu geführt, dass viele Regionen und Völker nach Unabhängigkeit streben und ihren eigenen Staat gründen wollen. Viele Rebellen haben ihre Waffen niedergelegt, andere tun sich schwer damit, Konflikte plötzlich friedlich auszutragen (BAZ 12.10.2019). Die Proteste der Oromo haben viele Menschen dazu veranlasst, ein unabhängiges Oromia zu fordern und sich von Äthiopien zu lösen, während seit langem von der Unabhängigkeit der Tigray gesprochen wird (TNH 16.10.2019).

Am 14.10.2019 griff eine nicht identifizierte bewaffnete Gruppe in der Region Afar, an der Grenze zu Dschibuti und Eritrea, ein Dorf an, tötete 17 Zivilisten und verletzte mindestens 34 weitere. Die Beweggründe der Gruppe, die Berichten zufolge von Dschibuti aus nach Äthiopien gekommen sein soll, sind unklar. Die Regierung von Dschibuti erklärte, dass das dschibutische Militär an dem Angriff nicht beteiligt war. Als Reaktion auf die Angriffe versammelten sich Demonstranten in mehreren Städten der Region Afar, um gegen die Angriffe zu protestieren (ACLED 23.10.2019). Die Auseinandersetzungen zwischen der Bodi-Gemeinschaft und äthiopischen Soldaten in Jinka gehen weiter, da Umsiedlungsprogramme die Einheimischen vertreiben, um Platz für den neuen Gibe III-Staudamm und die Zuckerplantagen zu schaffen. Schätzungsweise vierzig Menschen sind seit dem 15.9.2019 in diesem Streit gestorben (ACLED 23.10.2019).

Zur politischen Lage (nachfolgend Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Äthiopien, vom 08.01.2019, welche im Zuge der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht wurden):

Entsprechend der Verfassung ist Äthiopien ein föderaler und demokratischer Staat. Die Grenzen der Bundesstaaten orientieren sich an sprachlichen und ethnischen Grenzen sowie an Siedlungsgrenzen. Seit Mai 1991 regiert in Äthiopien die Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF), die sich aus vier regionalen Parteien zusammensetzt: Tigray People's Liberation Front (TPLF), Amhara National Democratic Movement (ANDM), Oromo People's Democratic Organisation (OPDO) und Southern Ethiopian Peoples' Democratic Movement (SEPDM). Traditionellen Führungsanspruch in der EPRDF hat die TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hat (AA 17.10.2018).

Auf allen administrativen Ebenen werden regelmäßig Wahlen durchgeführt, zu denen Oppositionsparteien zugelassen sind. Bei den Parlamentswahlen im Mai 2015 gewannen die regierende EPRDF und ihr nahestehende Parteien nach Mehrheitswahlrecht alle 547 Parlamentssitze. Auf allen administrativen Ebenen dominiert die EPRDF. Auch in den Regionalstaaten liegt das Übergewicht der Politikgestaltung weiter bei der Exekutive. Staat und Regierung bzw. Regierungspartei sind in der Praxis nicht eindeutig getrennt (AA 17.10.2018).

Äthiopien ist politisch sehr fragil (GIZ 9.2018). Zudem befindet sich das Land derzeit unter Premierminister Abiy Ahmed in einem politischen Wandel (GIZ 9.2018a). Abiy Ahmed kam im April 2018 nach dem Rücktritt von Hailemariam Desalegn an die Macht. Seitdem hat er den Ausnahmezustand des Landes beendet, politische Gefangene freigelassen, umstrittene Kabinettsmitglieder und Beamte entlassen, Verbote für Websites und sozialen Medien aufgehoben und ein Friedensabkommen mit dem benachbarten Eritrea geschlossen (RI 14.11.2018; vgl. EI 12.12.2018, JA 23.12.2018). Bereits seit Anfang des Jahres waren noch unter der Vorgängerregierung erste Schritte einer politischen Öffnung unternommen worden. In der ersten Jahreshälfte 2018 wurden ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Personen vorzeitig entlassen. Oppositionsparteien wurden eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren, und wurden entkriminalisiert. Abiy Ahmed hat eine Kehrtwende weg von der repressiven Politik seiner Vorgänger vorgenommen. Er bemüht sich seit seinem Amtsantritt mit Erfolg für stärkeren zivilgesellschaftlichen Freiraum und hat die Praxis der Kriminalisierung von Oppositionellen und kritischen Medien de facto beendet. Im Mai 2018 gab es mehrere Dialogformate in Addis Abeba und der benachbarten Region Oromia, unter Beteiligung von Vertretern der Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft. Abiy hat zudem angekündigt, dass die für 2020 angesetzten Wahlen frei und fair und ohne weitere Verzögerungen stattfinden sollen (AA 17.10.2018).

Unter der neuen Führung begann Äthiopien mit dem benachbarten Eritrea einen Friedensprozess hinsichtlich des seit 1998 andauernden Konfliktes (JA 23.12.2018). Im Juni 2018 kündigte die äthiopische Regierung an, den Friedensvertrag mit Eritrea von 2002 vollständig zu akzeptieren (GIZ 9.2018a). Mithilfe der USA, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate begann Abiy Ahmed Gespräche und begrüßte den eritreischen Präsidenten Isaias Afeworki im Juli 2018 in Addis Abeba (JA 23.12.2018). Nach gegenseitigen Staatsbesuchen sowie der Grenzöffnung erfolgte Mitte September 2018 die offizielle Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrages zwischen den beiden Ländern (GIZ 9.2018a). Die Handels- und Flugverbindungen wurden wieder aufgenommen, und die UN-Sanktionen gegen Eritrea wurden aufgehoben (JA 23.12.2018).

Am 7.8.2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der Oromo Liberation Front (OLF) in Asmara ein Versöhnungsabkommen und verkündeten am 12.8.2018 einen einseitigen Waffenstillstand (BAMF 13.8.2018). Am 15.9.2018 kehrten frühere Oromo-Rebellen aus dem Exil in die Hauptstadt Addis Abeba zurück. Die Führung der OLF kündigte an, nach der Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen. Neben OLF-Chef Dawud Ibsa und anderen Funktionären kamen auch etwa 1.500 Kämpfer aus dem benachbarten Eritrea zurück. Obwohl die Feier von einer massiven Sicherheitspräsenz begleitet wurde, kam es zu Ausschreitungen (BAMF 17.9.2018). Nach offiziellen Angaben wurden nach den Ausschreitungen rund 1.200 Personen inhaftiert (BAMF 1.10.2018).

Abiy Ahmeds Entscheidung Frauen in Führungspositionen zu befördern, wurde weitgehend begrüßt. Die Hälfte der 20 Ministerposten der Regierung wurden an Frauen vergeben, darunter Schlüsselressorts wie das Ministerium für Handel und Industrie und das Verteidigungsministerium. Abiy hat u. a. die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt, die ehemalige UNO-Beamtin Sahle-Work Zewde wurde einstimmig vom Parlament zur Präsidentin gewählt (BAMF 29.10.2018; vgl. BBC 18.11.2018, EZ 25.10.2018, GIZ 9.2018a). Die Präsidentin hat vor allem eine repräsentative Funktion, da die politische Macht beim Ministerpräsidenten liegt (BAMF 29.10.2018; vgl. BBC 18.11.2018). Aisha Mohammed ist nun Verteidigungsministerin, Muferiat Kamil Friedensministerin. Letzterer sind Polizei und Geheimdienste unterstellt. Die Ernennung der beiden Frauen ist auch deshalb historisch, weil es sich um Muslime aus ethnischen Minderheiten (Oromo) handelt, die noch nie zuvor so mächtige Ämter bekleideten. Ihre Anwesenheit im Kabinett hilft Abiy Ahmed nicht nur, Geschlechterparität zu erreichen, sondern auch, seine Unterstützungsbasis unter ethnischen Minderheiten und Muslimen zu erweitern, die sich manchmal über politische Ausgrenzung beklagen (BBC 18.11.2018).

Darüber hinaus ging die Regierung gegen Offizielle vor, die der Korruption und Rechtsverletzungen verdächtigt wurden. 60 Personen wurden verhaftet, darunter der ehemalige Leiter eines militärisch geführten Geschäftskonzerns und ehemalige stellvertretende Leiter des Geheimdienstes, Getachew Assefa. Dieser wurde wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen verhaftet (BBC 18.11.2018; vgl. EI 12.12.2018). Assefa war einführendes Mitglied des Tigray-Flügels der regierenden EPRDF. Vertreter der EPRDF - darunter die Führung der TPLF - haben erklärt, dass es einen allgemeinen Konsens darüber gibt, dass Kriminelle vor Gericht gestellt werden sollten. Ältere Vertreter der TPLF fordern, dass derartige Verhaftungen nicht politisch motiviert und nur auf Tigray abzielen dürfen. Aktivisten von Tigray erachten die Verhaftungen allerdings als politisch motiviert - mit dem Ziel, die Tigray zu schwächen. Auf einen Protest in neun Großstädten in Tigray folgte am 8.12. und 9.12.2018 eine große Kundgebung in Mekele, bei der Zehntausende teilnahmen. Die Spannungen zwischen der Bundesregierung und der Region Tigray haben sich verschärft (EI 12.12.2018). Es bleibt abzuwarten, ob diese Säuberungen den Staat nicht zu destabilisieren drohen. Zudem sind die Gewaltkonflikte in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle, und Abiy weigert sich, Gewalt anzuwenden. Sein Ruf nach Ruhe und Einheit bleibt jedoch ungehört. Die Zahl der IDPs ist gestiegen, und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (JA 23.12.2018).

Seit seinem Amtsantritt im April 2018 als äthiopischer Premierminister, hat Abiy Ahmed tiefgreifende Reformen angeschoben. Trotzdem bleiben die Herausforderungen zahlreich. Die Restriktionen gegen Bürgerrechtsorganisationen sind noch nicht aufgehoben und das Antiterrorismusgesetz muss noch reformiert werden. Für seinen Umgang mit diesen fundamentalen Problemen steht der neue Premierminister in Kritik. Das Versprechen von freien Wahlen stößt auf die Realität eines Landes, das von einer Koalition von Rebellen kontrolliert wird - der EPRDF. Diese ist seit 1991 an der Macht und behält sämtliche Institutionen im Griff (SFH 5.12.2018).

Quellen: [...]

Opposition

Mit der Amtseinführung von Abiy Ahmed Ali als Premierminister wuchsen zunächst die Hoffnungen auf eine nationale Aussöhnung zwischen den ethnischen Gruppen. Abiy, selbst ethnischer Oromo, erteilte im Rahmen seiner Dialog- und Aussöhnungsstrategie einer OLF-zugehörigen Oppositionsgruppe Amnestie (GIZ 9.2018a). Oppositionsparteien wurden eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren. Die Ogaden National Liberation Front (ONLF) und die Oromo Liberation Front (OLF) wurden entkriminalisiert (AA 17.10.2018). In der ersten Jahreshälfte 2018 wurden ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Personen vorzeitig entlassen (AA 17.10.2018; vgl. AA 4.2018a). Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 größtenteils offensichtlich aus politischen Gründen Inhaftierte freigelassen worden, darunter der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba sowie andere, teilweise seit mehreren Jahren inhaftierte Regierungskritiker, die v.a. auf Grundlage der drakonischen Anti-Terror-Gesetzgebung verurteilt worden waren. Premierminister Abiy hat diese Politik fortgesetzt: Am 26.5.2018 ist der britische Staatsbürger Andargachew Tsige, Führungsmitglied der von Äthiopien als Terrorgruppe angesehenen Organisation "Ginbot 7", überraschend begnadigt worden. Am 30.5.2018 hat er sich, direkt nach seiner Freilassung, öffentlichkeitswirksam mit Premierminister Abiy getroffen. Gleichzeitig sind die bestehenden Anklagen gegen Ginbot 7-Chef Berhanu Nega sowie gegen den Leiter des aus Minnesota operierenden Oromia Media Network (OMN), Jawar Mohamed, fallengelassen worden. Alle drei Personen galten bislang als prominente Staatsfeinde. Schon eine öffentliche Sympathiebekundung für einen von ihnen hätte bis zum Amtsantritt von Abiy zu einer sofortigen Verhaftung geführt (AA 17.10.2018).

Am 7.8.2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF ein Versöhnungsabkommen. Die ONLF, die für eine Autonomie des in der Region Somali gelegenen Ogaden kämpft, verkündete am 12.8.2018 einen einseitigen Waffenstillstand (BAMF 13.8.2018).

Die Führung OLF kündigte an, nach der Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen. Mehr als 20 Jahre hatte die OLF im Untergrund gewirkt und regelmäßig Anschläge begangen. Sie war deshalb auch als terroristische Vereinigung verboten. Am 15.9.2018 haben Zehntausende Menschen in der Hauptstadt Addis Abeba, die Rückkehr früherer Oromo-Rebellen aus dem Exil gefeiert. Neben Oromo-Chef Dawud Ibsa und anderen Funktionären kamen auch etwa 1.500 Kämpfer aus dem benachbarten Eritrea zurück. Obwohl die Feier von einer massiven Sicherheitspräsenz begleitet wurden, soll es vereinzelt zu Ausschreitungen zwischen der größten Volksgruppe in Äthiopien, den Oromo und Minderheiten gekommen sein (BAMF 17.9.2018; vgl. BAMF 1.10.2018); rund 1.200 Personen wurden verhaftet (BAMF 1.10.2018).

Die Neuaufteilung von ministeriellen Ressorts und die Neubesetzung seines Kabinetts, sowie seine Bereitschaft zum Dialog mit der Opposition, können als Zeichen politischer Veränderung gedeutet werden. Inwieweit Abiy Ahmed und die gesamte Regierung den massiven Herausforderungen tatsächlich gewachsen sind, bleibt aber abzuwarten. Nicht zu unterschätzen sind jedoch die Kräfte, die weiterhin gegen nationale Einigung und die Regierung arbeiten (GIZ 9.2018a).

Darüber hinaus, wurde es am 22.11.2018 ein starkes politisches Symbol an die Opposition übermittelt. Premierminister Abiy Ahmed kündigte die Ernennung von Birtukan Mideksa, zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission [National Electoral Board of Ethiopia (NEBE)] an. Birtukan Mideksa kehrte Anfang November 2018 aus sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurück (JA 22.11.2018).

Quellen: [...]

Zur Sicherheitslage und allgemeinen Lage in Äthiopien (nachfolgend Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Äthiopien, vom 08.01.2019, welche im Zuge der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht wurden):

Nach der Wahl eines neuen Premierministers hat sich die Sicherheitslage derzeit wieder beruhigt. Der im Februar 2018 ausgerufene Notstand wurde am 5.6.2018 vorzeitig beendet (AA 4.1.2019). Derzeit gibt es in keiner äthiopischen Region bürgerkriegsähnliche Zustände; die Konflikte zwischen Ethnien (z.B. Gambella, SNNPR, Oromo/Somali) haben keine derartige Intensität erreicht (AA 17.10.2018). Laut österreichischem Außenministerium gilt in Addis Abeba und den übrigen Landesteilen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (BMEIA 12.12.2018). Ein Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land (EDA 10.12.2018; vgl. BAMF 1.10.2018, BAMF 24.9.2018).

Im ganzen Land kann es bei Demonstrationen zu Ausschreitungen kommen und Gewaltanwendung nicht ausgeschlossen werden (BMEIA 12.12.2018). Die politischen und sozialen Spannungen können jederzeit zu gewalttätigen Demonstrationen, Plünderungen, Straßenblockaden und Streiks führen. Auch in Addis Abeba können gewalttätige Demonstrationen jederzeit vorkommen. Zum Beispiel haben Mitte September 2018 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräfte zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 10.12.2018; vgl. BAMF 1.10.2018, BAMF 24.9.2018). Ende September 2018, sollen bei Protesten in Addis Abeba, 58 Menschen getötet worden sein, staatliche Stellen berichteten von 23 Toten. Die meisten Todesopfer habe es gegeben, als jugendliche Banden der Volksgruppe der Oromo am 16.9.2018 andere Ethnien angriffen. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (BAMF 1.10.2018; vgl. BAMF 24.9.2018).

Zusammenstöße zwischen den Gemeinschaften in den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray haben sich fortgesetzt. Dort werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (FEWS 29.11.2018).

Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen und der Kampf um Wasser und Weideland können in den Migrationsgebieten der nomadisierenden Viehbesitzer im Tiefland zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen, die oft erst durch den Einsatz der Sicherheitskräfte beendet werden (EDA 10.12.2018).

Quellen: [...]

Somali Regional State (SRS / Ogaden) und Oromia

Für den SRS gilt laut österreichischem Außenministerium eine partielle Reisewarnung (BMEIA 6.12.2018). Das deutsche Außenministerium warnt vor Reisen südlich und östlich von Harar und Jijiga (AA 4.1.2019). Die Sicherheitslage ist in diesem Landesteil volatil. Lokale Gefechte zwischen der äthiopischen Armee und verschiedenen Rebellengruppen kommen vor. Zum Beispiel forderten bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Armee und einer lokalen Miliz im August 2018 in Jijiga zahlreiche Todesopfer und Verletzte (AA 4.1.2019; vgl. EDA 6.12.2018, DW 8.8.2018). Es kam damals zu interkommunaler Gewalt zwischen ethnischen Somalis und in der Stadt lebenden Hochländern (UNOCHA 25.11.2018) und zur Plünderung von Besitztümern ethnischer Minderheiten (DW 8.8.2018). Angriffe richteten sich gezielt gegen ethnische Nicht-Somalis undgegen orthodoxe Kirchen, darunter auch Priester (AA 17.10.2018). Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten sowie zwischen verfeindeten Ethnien können auch weiterhin vorkommen. Auch besteht das Risiko von Anschlägen. Zudem besteht Minengefahr und das Risiko von Entführungen (EDA 6.12.2018; vgl. BMEIA 6.12.2018).

Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren (AA 4.1.2019). Auch am 12.11.2018 führte Gewalt zwischen den Gemeinschaften Gebra und Garre dazu, dass etwa 15.000 Menschen in der Stadt Moyale, einer Stadt, die sowohl zu Oromia als auch zu Somalia gehört, vertrieben wurden (UNOCHA 25.11.2018).

Im Süden Äthiopiens hatte es in jüngster Vergangenheit mehrfach blutige Zusammenstöße zwischen Angehörigen der Ethnien der Oromo und der Somali gegeben. Hintergrund ist der Streit um Weideland und andere Ressourcen (WZ 16.12.2018). Im Grenzgebiet der Oromo- und Somali-Regionen kommt es schon seit Anfang 2017 verstärkt zu gewaltsamen und teilweise tödlichen Zusammenstößen beider Volksgruppen. Betroffen sind vor allem die Gebiete Moyale, Guji, Bale, Borena, Hararghe und West Guji (AA 4.1.2019). Der Grenzkonflikt zwischen den Regionen Oromia und dem SRS hat sich verschärft (AA 17.10.2018).

Für die Region Oromia wurde ein hohes Sicherheitsrisiko ausgerufen. In den Regionen Oromia und Amhara kann es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und der Polizei kommen. Zudem kommt es häufiger zu Entführungen an der somalisch-kenianischen Grenze, sowie grenzüberschreitender Stammesauseinandersetzungen (BMEIA 6.12.2018). In den Oromo-und Amhara-Regionen kommt es des Öfteren zu teils gewalttätigen Demonstrationen und Protestaktionen (AA 4.1.2019). Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten im SRS geflohen. Damit steigt die Gesamtzahl auf über 700.000, die in den letzten Jahren vor interkommunaler Gewalt geflohen sind, so die neueste Displacement Tracking Matrix für Äthiopien. Die meisten kamen aus der Region Oromia. Insgesamt wurden im SRS fast 1,1 Millionen Menschen vertrieben, wenn auch andere Ursachen wie Dürre und Überschwemmungen berücksichtigt werden (NRC 20.11.2018).

Quellen: [...]

Sicherheitsbehörden

Die Sicherheitsbehörden nehmen in Äthiopien eine starke Position ein (AA 17.10.2018). Die Sicherheitskräfte handeln im Allgemeinen diszipliniert (AA 17.10.2018; vgl. USDOS 20.4.2018), sind aber oftmals schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und besitzen ungenügende Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften. Gewalt wird teilweise unverhältnismäßig eingesetzt (AA 17.10.2018). Straffreiheit ist weiterhin ein ernstes Problem. Allerdings lässt die Regierung Polizisten und Soldaten in Menschenrechten ausbilden (USDOS 20.4.2018).

Der National Intelligence and Security Service (NISS) ist als Sicherheits- und Abwehrbehörde gut aufgestellt und verfügt über ein funktionierendes Netz an Zuträgern in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens. Sein Schwerpunkt richtete sich in erster Linie gegen die politische inländische Opposition, regierungskritische Journalisten und gegen Gruppierungen aus Eritrea und Somalia (AA 17.10.2018).

Die Bundespolizei (Federal Police) untersteht dem Premierminister und unterliegt parlamentarischer Aufsicht. Diese Aufsicht ist allerdings locker. Jeder der neun Regionalstaaten hat eine eigene Staats- oder Sonderpolizeieinheit ["Liyu"], die jeweils den regionalen zivilen Behörden untersteht (USDOS 20.4.2018). Neben den staatlichen bzw. regionalen Polizeibehörden gibt es in allen Regionen staatliche Milizen (AA 17.10.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Dies sind von Gemeindevertretern ausgewählte, bewaffnete Personen, die ehrenamtlich Militär- und Polizeidienste leisten und im Wesentlichen Polizeiaufgaben in (teilweise sehr entlegenen) ländlichen Gebieten erfüllen (vergleichbar mit "Community Police"). In manchen Fällen werden Milizen auch im Kampf gegen bewaffnete Rebellen eingesetzt. Insbesondere im Somali Regional State (SRS) wurden lokale Milizen gegen die - im Juli 2018 entkriminalisierte - Ogaden National Liberation Front (ONLF) eingesetzt. Der Liyu-Police des SRS werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (AA 17.10.2018).

Die Streitkräfte wurden in den letzten Jahren mit dem Ziel umstrukturiert, sie von Aufgaben der inneren Sicherheit, die der Polizei obliegen, zu entbinden. Dies ist noch nicht landesweit umgesetzt. In einigen Regionen (Oromia, SRS, Gambella, Sidamo) gehen Polizei und Militär weiterhin gezielt gegen vermutete und tatsächliche Unterstützer und Angehörige der dort aktiven, z. T. militant bis terroristisch operierenden oppositionellen Gruppierungen OLF (Oromo Liberation Front), ONLF (Ogaden National Liberation Front), Ethiopian National United Patriotic Front (ENUPF) und Sidamo Liberation Front (SLF) vor. Die beiden erstgenannten Gruppierungen wurden allerdings im Juli 2018 entkriminalisiert (AA 17.10.2018). Im Zuge der Proteste, bzw. des Ausnahmezustandes in der Region Oromia wurden hauptsächlich Militär und Bundespolizei gegen Demonstranten eingesetzt (AA 17.10.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Quellen: [...]

Rechtsschutz / Justizwesen

Das äthiopische Rechtssystem enthält Elemente mehrerer westlicher Rechtssysteme und ist schwer zu systematisieren (GIZ 9.2018a). Das Gesetz bzw. die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor (GIZ 9.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018, AA 17.10.2018). In der Praxis ist davon auszugehen, dass die Gerichte nicht immer unabhängig arbeiten, was jedoch kaum nachzuweisen ist (AA 17.10.2018). Obwohl die Zivilgerichte weitgehend unabhängig arbeiten, bleiben die Strafgerichte schwach und überlastet und unterliegen politischem Einfluss (USDOS 20.4.2018). Das Justizwesen wird als korrupt und undurchsichtig wahrgenommen. Richter gelten als schlecht ausgebildet und nicht immer über die geltenden Gesetze ausreichend informiert. Dies schlägt sich entsprechend in den Verfahren nieder (GIZ 9.2018a). Strukturen und Gesetzgebung der Justiz im Hinblick auf Umgang mit straffälligen Jugendlichen entsprechen nicht internationalen Standards (AA 17.10.2018).

Sowohl religiöse als auch traditionelle Gerichte sind verfassungsmäßig anerkannt. Viele Bürger in ländlichen Gebieten haben kaum Zugang zum formalen Justizsystem und sind auf traditionelle Konfliktlösungsmechanismen angewiesen. Scharia-Gerichte können religiöse und Familienrechtsfälle übernehmen, die Muslime betreffen. Sie erhalten finanzielle Unterstützung durch den Staat und urteilen in der Mehrheit der Fälle in den vorwiegend muslimischen Somali- und Afar-Gebieten. Daneben gibt es noch weitere traditionelle Rechtssysteme, wie etwa Ältestenräte (USDOS 20.4.2018).

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht ersichtlich. Die äthiopische Regierung bestreitet zudem Strafverfolgung aus politischen Gründen. Allerdings berichten Oppositionspolitiker, Journalisten und inzwischen auch vereinzelt muslimische Aktivisten von Einschüchterungen, willkürlichen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen (AA 17.10.2018).

Das in der Verfassung verankerte Recht, nach der Verhaftung innerhalb von 48 Stunden einem Richter vorgeführt zu werden, wird unter anderem wegen Überlastung der Justiz häufig nicht umgesetzt. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Berichte über Misshandlungen, insbesondere in Untersuchungshaft, unbekanntem Verbleib zwischen Verhaftung und Vorführung vor Gericht bzw. Einlieferung in ein staatliches Gefängnis oder auch darüber, dass Familienangehörige von Verhafteten unter Druck gesetzt werden. Hinzu kommen weitreichende Befugnisse, die z.B. das Antiterrorgesetz den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden einräumt, z.T. auch ohne gerichtliche Überwachung (AA 17.10.2018).

Das Public Defender's Office bietet kostenlose Rechtsberatung, allerdings sind dessen Ressourcen beschränkt. Zusätzlich gibt es zahlreiche sog. Legal Aid Clinics und in manchen Landesteilen dürfen auch Rechtsstudenten und -Professoren pro bono als Verteidiger auftreten (USDOS 20.4.2018). Pflichtverteidiger können erst dann in Anspruch genommen werden, wenn der Fall bei Gericht anhängig ist (AA 17.10.2018).

Im Juli 2018 wurde ein Amnestiegesetz in Kraft gesetzt, welches Personen, die bis zum 7.6.2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze strafrechtlich verfolgt wurden, die Möglichkeit der Amnestie eingeräumt. Es wurde nicht verlautbart, welche rechtlichen Konsequenzen die Ablehnung eines solchen Antrags zur Folge hätte. Es gibt keine Informationen darüber, ob und in welcher Zahl potenziell Betroffene seit dem 20.7.2018 von dieser befristeten Antragsmöglichkeit Gebrauch machen (AA 17.10.2018).

Quellen: [...]

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter (AA 17.10.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Allerdings wird das in Verfassung verankerte Verbot in der Praxis unterlaufen (AA 17.10.2018). Der Premierminister hat eingestanden, dass Folter angewendet wird (HRW 19.10.2018). Es gibt glaubwürdige Berichte über die Anwendung von Folter bzw. Misshandlung und extralegale Hinrichtungen (AA 17.10.2018; vgl. USDOS 20.4.2018) während der Untersuchungshaft, durch Polizei, Militär und andere Mitglieder der Sicherheitskräfte, insbesondere in Fällen, in denen der Verdacht oppositioneller Tätigkeit oder der Mitgliedschaft in bewaffneten Oppositionsgruppen und ein vermuteter Zusammenhang mit Terrorismus bestehen (AA 17.10.2018). Mehrere Quellen berichteten von allgemeiner Misshandlung von Gefangenen in offiziellen Haftanstalten, in inoffiziellen Haftanstalten, Polizeistationen und Bundesgefängnissen (USDOS 20.4.2018).

Eine Untersuchung derartiger Verbrechen findet in der Regel nicht statt (AA 17.10.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Mechanismen zur Untersuchung von Missbräuchen durch die Bundespolizei sind nicht bekannt und die Regierung gibt die Untersuchungsergebnisse nur selten öffentlich bekannt. Sie bemüht sich aber, Menschenrechtsschulungen für Polizei- und Militärschüler anzubieten (USDOS 20.4.2018). Eine adäquate und konsistente Reaktion der Behörden auf z. B. in Gerichtsverfahren geäußerte Folter- und Misshandlungsvorwürfe ist nicht zu erkennen. Es wird zudem berichtet, dass sich in Einzelfällen die Sicherheitsorgane oder andere Behörden über Gerichtsurteile hinweggesetzt haben sollen (z. B. im Somali Regional State/SRS) (AA 17.10.2018).

Ermittler des Menschenrechtsrates berichten, dass Gefängnisbeamte Häftlinge schlagen und foltern (USDOS 20.4.2018). Die zukünftige Praxis bleibt abzuwarten (AA 17.10.2018).

Quellen: [...]

Korruption

Korruption ist gesetzlich verboten. Der Bundesstaatsanwalt ist angehalten, Korruptionsfälle zu untersuchen und zur Strafverfolgung zu bringen. Das Gesetz verpflichtet alle Regierungsbeamten und Mitarbeiter, ihr Vermögen und ihr persönliches Eigentum zu registrieren. Das Gesetz sieht finanzielle und strafrechtliche Sanktionen wegen Nichteinhaltung vor. Die Bundes-Ethik- und Korruptionsbekämpfungskommission (FEACC) meldete, dass sie zwischen Juli 2016 und Jänner 2017 das Vermögen von 6.638 ernannten Personen, Beamten und Mitarbeitern erfasst hat (USDOS 20.4.2018).

Korruption - auch bei Polizei und Justiz - bleibt ein Problem (USDOS 20.4.2018) bzw. wird diese im Alltag als Problem wahrgenommen (GIZ 9.2018a). Im Corruption Perceptions Index 2017 von Transparency International nimmt Äthiopien Platz 107 von 180 Ländern ein (TI 2017).

Es hat einige spektakuläre Korruptionsfälle gegeben, in die hochrangige Vertreter der Regierung verwickelt waren. In den bekannt gewordenen Fällen hat es Verurteilungen gegeben (GIZ 9.2018a; vgl USDOS 20.4.2018). Am 26.7.2017 nahm die Regierung mehr als 50 Regierungsbeamte und Geschäftsleute wegen Korruptionsvorwürfen und Missbrauchs öffentlicher Gelder im Wert von mehr als vier Milliarden Birr (181 Millionen US-Dollar) fest. Unter den Verhafteten waren ein Brigadegeneral, ein Staatsminister und der Leiter der Rechtsabteilung im Ministerium für Finanzen und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Darüber hinaus beschlagnahmte die Regierung Vermögenswerte und Eigentum von mehr als 200 Personen (USDOS 20.4.2018).

Im November 2018 wurden Dutzende Führungspersönlichkeiten aufgrund von Korruptionsvorwürfen in Zusammenhang mit dem staatlichen Firmenkonglomerat Metals and Engineering Corporation (Metec) festgenommen, darunter der ehemalige stellvertretende Chef des Geheimdienstes, Yared Zerihun (BBC 15.11.2018; vgl. JA 20.11.2018).

Quellen: [...]

Allgemeine Menschenrechtslage

Menschenrechte und Freiheiten sind als unverletzbar und unveräußerlich in der äthiopischen Verfassung von 1995 genannt. Explizit werden Grundrechte wie Religionsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von Angehörigen verschiedener ethnischer Gruppen, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Verbot von unmenschlicher Behandlung und Recht auf Privatheit aufgeführt (AA 17.10.2018). Die Verfassung garantiert also die Menschenrechte, dies deckt sich jedoch nicht mit der Realität (AA 4.2018a).

Trotzdem ist die Menschenrechtssituation in Äthiopien unbefriedigend. Dies gilt vor allem für die Rechtsstaatlichkeit (Vorführung vor Gericht, Verfahrensdauer) und die Behinderung und Verfolgung von Journalisten. Es erfolgen Verhaftungen ohne Haftbefehl und ohne fristgerechte gerichtliche Überprüfung. Lange Gerichtsverfahren sind verbreitet. Hierfür ist auch eine überlastete Justiz verantwortlich (GIZ 9.2018a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsproblemen gehören: willkürliche Tötung, Verschwindenlassen, Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch Sicherheitskräfte; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung durch Sicherheitskräfte; Verweigerung eines fairen öffentlichen Prozesses; Verletzung der Persönlichkeitsrechte;

Beschränkungen der Meinungs-, Presse-, Internet-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Bewegungsfreiheit; mangelnde Rechenschaftspflicht in Fällen von Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen;

Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Orientierung. Die Regierung hat im Allgemeinen keine Schritte unternommen, um Beamte, die andere Menschenrechtsverletzungen als Korruption begangen haben, zu verfolgen oder anderweitig zu bestrafen. Straffreiheit ist ein Problem; es kommt nur zu einer begrenzten Anzahl von Anklagen von Mitgliedern der Sicherheitskräfte oder von Beamten wegen Menschenrechtsverletzungen (USDOS 20.4.2018).

Legale Voraussetzungen zur Verbesserung der Menschenrechte sind erfolgt. Die Menschenrechtskommission des Parlaments ist ebenso wie das Amt des Ombudsmanns eingerichtet. Frauenrechte sind in der Verfassung verankert. Von einer Umsetzung dieser rechtlich festgeschriebenen Menschenrechte ist Äthiopien jedoch weit entfernt:

Weibliche Genitalverstümmelung und sehr frühe Verheiratung sind zwar offiziell verboten, jedoch weiterhin Realität für viele Mädchen und junge Frauen (GIZ 9.2018a).

Bei Protesten und gewaltsamen Auseinandersetzungen in Addis Abeba im September 2018 wurden rund 1.200 Menschen verhaftet. Diese Verhaftungen erfolgten teils willkürlich, was die Fortschritte in Menschenrechtsfragen unter Premierminister Abiy Ahmed ernsthaft gefährden könnte (BAMF 1.10.2018).

Der im vergangenen Jahr mehrmals ausgerufene Ausnahmezustand schränkte die Meinungs- und Versammlungsfreiheiten weitestgehend ein und verlieh den Sicherheitskräften weitreichende neue Befugnisse:

u. a. Durchsuchungen und Verhaftungen ohne richterlichen Beschluss, Unterbindung von Kommunikationswegen und von Versammlungen. Allerdings wurde der Ausnahmezustand im Juni 2018 aufgehoben (AA 17.10.2018).

Die Medienlandschaft Äthiopiens wird dominiert von staatlichen oder regierungsfreundlichen Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern. Die staatlichen Medien werden von der Ethiopian Radio and Television Agency (ERTA) und der Ethiopian Press Agency betrieben. Es gibt private Radiosender, aber nur staatliche Fernsehsender (GIZ 9.2018a). Die Zukunft im Mediensektor ist seit dem Amtsantritt Abiys unklar. Es lassen sich erste Anzeichen einer liberaleren Politik und freieren Berichterstattung beobachten (AA 17.10.2018; vgl. GIZ 9.2018a). Es gibt aber Hinweise darauf, dass die Regierung ihr Anti-Terrorismus-Gesetz dazu nutzt, die Meinungs- und Pressefreiheit auszuhebeln und Oppositionelle mundtot zu machen. Darüber hinaus gibt es Berichte über die politische Instrumentalisierung von Hilfsgütern seitens der Regierung und Zwangsumsiedlungen ganzer Dörfer zugunsten ausländischer Investoren (GIZ 9.2018a).

Internetzensur und -überwachung sind nach wie vor Thema, es ist seit dem Amtsantritt des Premiers Abiy Ahmed aber eine leichte Entspannung zu beobachten. Die Abschaltung des Internets im Zusammenhang mit lokalen gewaltsamen Auseinandersetzungen ist auch unter dem neuen Regierungschef gängige Praxis (GIZ 9.2018a). Im August 2018 wurde als Reaktion auf die Unruhen in der Region Somali das Internet zeitweise abgeschaltet. Im Anschluss wurde Mitte September 2018 im Stadtgebiet das mobile Internet für zwei Tage abgeschaltet (AA 17.10.2018; vgl. GIZ 9.2018a, DW 8.8.2018). Auch das Anti-Terror-Gesetz schränkt die Meinungsfreiheit im Internet ein. Hierfür wird auch der Telefon- und Internetverkehr überwacht. Es ist davon auszugehen, dass sämtliche nicht satellitengestützte Kommunikation abgefangen werden kann (AA 17.10.2018). Die äthiopische Regierung nutzt ihr Monopol in der Telekommunikation und verschiedene modernste Technologien um nicht nur die Bespitzelung bekannter Oppositioneller oder Kritiker im eigenen Land voranzutreiben, sondern ebenso zur Überwachung der äthiopischen Normalbevölkerung und Äthiopiern im Ausland (GIZ 9.2018a).

Stärker als das Medien- und Informationsgesetz wirkt sich das Antiterrorgesetz ("Anti-Terror-Proklamation") auf die Meinungs- und Pressefreiheit in Äthiopien aus, denn es umfasst nicht nur direkte und indirekte Unterstützung von Terrorismus als Tatbestand, sondern auch Berichterstattung über terroristische Gruppen oder Aktivitäten, die von der Öffentlichkeit als Anstiftung bzw. Propaganda aufgefasst werden könnten (AA 17.10.2018). Die Pressegesetzgebung ist restriktiv. Jahrelang hatte die Pressefreiheit in Äthiopien stetig abgenommen. Aus Angst vor Repressalien und Verhaftungen zensierten sich nicht wenige äthiopische Journalisten selbst, veröffentlichten nicht zu sensiblen Themen. Im Worldwide Press Freedom Index der Reporter ohne Grenzen belegt Äthiopien in 2018 Rang 150 von 180 untersuchten Ländern. Erste Maßnahmen des Premiers Abiy Ahmed lassen jedoch auf eine Verbesserung der Situation hoffen: Mehrere hundert bislang gesperrte - überwiegend regierungskritische - Internetseiten sind inzwischen freigegeben worden, mehrere namhafte Journalisten wurden aus Gefängnissen entlassen (GIZ 9.2018a).

Die von der Verfassung garantierte Vereinigungsfreiheit wird behindert. Unabhängige Tätigkeit von nicht partei- bzw. regimetreue Gewerkschaften werden auf unterschiedlichste Art und Weise schikaniert und untergraben (AA 17.10.2018).

Demonstrationen werden häufig gewaltsam beendet und Teilnehmer willkürlich verhaftet. Die Sicherheitskräfte setzten dabei teilweise auch scharfe Munition ein (AA 17.10.2018).

Es gibt Berichte aus der Region Somali über außergerichtliche Hinrichtungen inhaftierter Personen und über außergerichtliche Hinrichtungen von 34 Angehörigen der Wolkait in der Region Tigray. Das in der Verfassung verankerte Verbot von Folter wird in der Praxis offenbar unterlaufen. Von verschiedenen Seiten wurden immer wieder Vorwürfe über Misshandlungen durch Polizei und Militär erhoben. Die zukünftige Praxis bleibt abzuwarten (AA 17.10.2018).

Das äthiopische Parlament hat am Montag, den 24.12.2018, ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet, deren Hauptaufgabe es sein wird, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren. Laut Angaben des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) sind derzeit in Äthiopien mindestens 2,4 Millionen Menschen wegen interkommunaler Gewalt vertrieben worden (JA 25.12.2018).

Trotz der überraschenden Massenfreilassung von Häftlingen ist davon auszugehen, dass weiterhin eine unbekannte Zahl von Menschen, zum großen Teil ohne Anklage, inhaftiert bleibt - Menschenrechtsorganisationen sprechen von mehreren tausend Personen. Verifizieren lassen sich diese Zahlen nicht. Schwerpunktmäßig betroffen sind junge Männer, auch Schüler und Studenten in den Regionen Oromia und Amhara (AA 17.10.2018).

Das 2009 erlassene äthiopische NGO-Gesetz und die damit einhergehenden Verwaltungsvorschriften aus dem Jahr 2011 haben die Aktivitäten von NGOs, die aufgrund des niedrigen wirtschaftlichen Entwicklungsstands Äthiopiens auf ausländische Finanzierung angewiesen sind, fast zum Erliegen gebracht (AA 17.10.2018). Angesichts Antiregierungsproteste im Laufe des Jahres 2016, hatte die äthiopis

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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