TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/16 W140 2226612-2

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Veröffentlicht am 16.01.2020
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Entscheidungsdatum

16.01.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W140 2226612-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl:

1071429706-190866514/BMI-BFA_KNT_AST_01 über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.12.2019, W171 2226612-1/4E,

wurde die Beschwerde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte u. a. Folgendes aus:

"Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF) reiste illegal in Österreich ein und stellte am 30.05.2015 und am 24.10.2018 je einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Aufgrund des Antrags vom 30.05.2015 wurde im Zuge des Asylverfahrens kein Aufenthaltstitel gewährt und gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hinsichtlich der Person des BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig sei. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und ein auf Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot ausgesprochen. Der Bescheid wurde am 16.05.2017 im Akt hinterlegt und ist in Rechtskraft erwachsen.

1.3. In Folge wurde der BF viermal zu einer Altersfeststellung geladen. Diesen Ladungen kam er jedoch nicht nach. Er entzog sich mehrfach dem Verfahren und stellte am 24.10.2018 einen Folgeantrag, welcher wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.

1.4. Nach einer anfänglichen Ablehnung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die algerische Botschaft wurde am 27.02.2019 neuerlich ein diesbezüglicher Antrag gestellt und in der Folge mehrmals, zuletzt am 09.12.2019, die Ausstellung des Heimreisezertifikates bei der algerischen Botschaft urgiert.

1.5.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes, rechtskräftig am 19.03.2016 wurde der BF nach Bestimmungen des SMG und des StGB (versuchter gewerbsmäßiger Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen) zu einer zehnmonatigen bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

1.5.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes, rechtskräftig am 13.04.2016 wurde der BF nach dem StGB (vollendeter gewerbsmäßiger Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen, Urkundenunterdrückung) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.

1.5.3. Mit Urteil eines Landesgerichts, rechtskräftig am 11.09.2017, wurde der BF nach den Bestimmungen des SMG (Versuch) zu einer neunmonatigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt.

1.5.4. Mit Urteil eines Landesgerichtes, rechtskräftig am 29.11.2019, wurde der BF nach den Bestimmungen des StGB (Urkundenunterdrückung, betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und versuchtem Diebstahl) zu einer achtmonatigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt.

1.6. Am 24.08.2019 wurde der BF festgenommen und zur möglichen Verhängung einer Schubhaft niederschriftlich einvernommen. Dabei führte dieser aus, dass er in Österreich bleiben wolle, gesund sei und keine Medikamente brauche. In Österreich habe er keine Familie und kenne er hier ein paar Österreicher sowie ein paar Algerier.

1.7. Mit gegenständlichem Bescheid vom 24.08.2019 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Darin wurde ausgeführt, dass in Bezug auf die Person des BF eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG vorliege und festgestellt worden sei, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig sei. Sicherungsbedarf des BF sei gegeben, da dieser mehrfach vorbestraft und unsteten Aufenthalts sei. Er habe keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, war zur Aufenthaltsermittlung eines österreichischen Landesgerichtes ausgeschrieben und sei in Österreich bereits viermal vorbestraft. Der BF habe keinen gesicherten Wohnsitz und habe sich seit der abweisenden Asylentscheidung illegal in Österreich aufgehalten. Er habe sich mehrfach durch Untertauchen dem laufenden Verfahren entzogen und habe auch dem BFA keine ladungsfähige Adresse bekanntgegeben. Seinen Lebensunterhalt habe er sich durch kriminelle Machenschaften verdient und sei er in keiner Weise in Österreich integriert. Die Behörde gehe daher von Fluchtgefahr aus und sei die Verhängung der gegenständlichen Schubhaft auch verhältnismäßig. Die Verhängung eines gelinderen Mittels komme nicht in Betracht und sei die Anordnung der Schubhaft als ultima ratio zu sehen.

1.8. Am 16.12.2019 legte das Bundesamt dem BVwG den Verfahrensakt zur Entscheidung nach § 22 a Abs. 4 BFA-VG hinsichtlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer über die gesetzliche Dauer von vier Monaten dauernden Schubhaftfortführung vor. Mit gleichzeitig überreichter Stellungnahme wurde näher ausgeführt, dass im vorliegenden Fall weiterhin Fluchtgefahr sowie Haftfähigkeit des BF bestehe. Ein Heimreisezertifikatsverfahren sei bereits seit 27.02.2019 anhängig und werde seit dem, zuletzt mit Schreiben vom 09.12.2019, regelmäßig die Ausstellung eines Heimreisezertifikates urgiert. Die Identität des BF stehe noch nicht eindeutig fest und seien noch Nachforschungen im Heimatland im Gange. Der BF habe sich aktuell nicht kooperationswillig gezeigt und die erfolgreiche Beschaffung identitätsbezeugender Dokumente aus dem Heimatstaat bisher nicht tätig unterstützt. Er habe mehrere Aliasidentitäten benützt und sei bereits vier Mal vorbestraft. Von den Staaten Marokko, Tunesien und Libyen sei die Ausstellung eines Heimreisezertifikates abgelehnt worden. Es sei beabsichtigt, unverzüglich nach Zustimmung zur HRZ-Ausstellung ehebaldigst einen Abschiebetermin festzulegen. Weitere rechtliche oder faktische Hindernisse hinsichtlich der Effektuierung der Rückkehrentscheidung seien seitens der Behörden nicht erkennbar.

1.9. Auf Ersuchen des Gerichtes wurde der BF am 17.12.2019 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache zu seinen persönlichen Verhältnissen und den laufenden Haftbedingungen einvernommen. Dabei führte dieser im Wesentlichen aus, es habe sich in Bezug auf seine persönlichen Verhältnisse nichts geändert. Er sei gesund und spreche sich gegen seine weitere Anhaltung in Schubhaft aus, da ihn dies psychisch belaste und keiner gerne in Haft sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Allgemein:

1.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 24.08.2019 in Schubhaft. Die gesetzliche Entscheidungsfrist (§ 22a Abs. 4 BFA-VG, 4 Monate und ein Tag) läuft am 25.12.2019 ab.

1.2. Der gegenständliche Schubhaftbescheid ist nicht in Beschwerde gezogen worden. Eine Änderung der Umstände für die seinerzeitige Verhängung der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben.

1.3. Ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer liegt aktuell nicht vor. Mit einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates ist im Laufe der kommenden Wochen zu rechnen. Eine Identifizierung des BF ist im Gange.

1.4. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor gegeben.

Gesundheitszustand:

2.1. Der BF leidet an keinen unverhältnismäßigen, die Schubhaft unzulässig erscheinenden gesundheitlichen Beschwerden und ist haftfähig.

Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung (Prognose):

3.1. Eine Identifizierung der Person des BF muss noch abgewartet werden. Bei einer zu erwartenden Identifizierung als Algerier ist die Ausstellung des Heimreisezertifikates zeitnah möglich und anzunehmen.

3.2. Nach Erlangung eines Heimreisezertifikates ist von einer baldigen Außerlandesbringung des BF auszugehen.

Sozialer/familiärer Aspekt:

4.1. Der BF verfügt über keinerlei berufliche, familiäre oder sonstige soziale Kontakte in Österreich, hat keinen Wohnsitz und ist in keiner Weise durch die Ausübung einer legalen Tätigkeit selbsterhaltungsfähig.

Öffentliche Interessen:

5.1. Der BF hat in der Vergangenheit mehrmals gegen verwaltungsrechtliche Verbote und gegen die Strafgesetze verstoßen und hat seinen illegalen Aufenthalt durch mehrmaliges Untertauchen rechtswidrig prolongiert. Er war für die Behörden wiederholt und über längere Zeit nicht greifbar und konnte bisher nicht Außerlandes gebracht werden.

2. Beweiswürdigung:

(...)

Zu. 1.2.: Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der seinerzeitige Schubhaftbescheid nicht in Beschwerde gezogen wurde. Ebenso konnte aufgrund der Aktenlage festgestellt werden, dass sich die wesentlichen Umstände im Rahmen der Schubhaft seit der seinerzeitigen Verhängung nicht verändert haben. Die formalen Voraussetzungen für die laufende Schubhaft sind daher unverändert gegeben.

Zu 1.3.: Derzeit wird die Identität des Beschwerdeführers durch die Vertretungsbehörde einer Überprüfung unterzogen. Im Verfahren sind keinerlei Hinweise dafür aufgetreten, dass es im vorliegenden Fall zu einer Verzögerung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF nach der notwendigen Identifizierung kommen könnte. Es ist daher davon auszugehen, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikats nach der zu erwartenden Bestätigung der Staatsangehörigkeit zeitnah erfolgen könnte.

Zu 1.4.: Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung, welche seinerzeit die rechtliche Grundlage für die Erlassung des Schubhaftbescheides darstellte, nach wie vor Durchsetzbarkeit hat.

(...)

Zu 3.1.: Die Staatsangehörigkeit zu Algerien ist sehr wahrscheinlich, die Identität des BF muss allerdings seitens des Staates Algerien noch überprüft werden. Das Gericht geht nunmehr von einer baldigen Klärung der Heimreisezertifikatsfrage und Identifizierung des BF aus.

Zu 3.2.: Im gerichtlichen Verfahren sind keine Anhaltspunkte dafür ans Tageslicht gekommen, dass es nicht möglich wäre, den BF zeitnah nach Erlangung eines Heimreisezertifikates auch tatsächlich in sein Heimatland zu verbringen.

Zu 4.1.: Die Feststellungen zu 4.1. ergeben sich im Wesentlichen aus den bisher unwidersprochen gebliebenen Angaben im Asylbescheid und im Schubhaftbescheid. Der BF hat diesbezüglich in der aktuellen Einvernahme vom 17.12.2019 auch keine Änderungen angegeben. Bereits im abgeschlossenen Asylverfahren wurde festgehalten, dass keine familiären Anknüpfungspunkte des BF in Österreich bestehen würden. Weder das Asylverfahren, noch das behördliche Schubhaftverfahren hat jedenfalls Anhaltspunkte dafür ans Tageslicht gebracht, dass der BF im Inland tatsächlich über derartige Anknüpfungspunkte verfügen würde, die ein abermaliges Abtauchen in die Anonymität auch nur ansatzweise verhindern könnten. Es war daher diesbezüglich seitens des Gerichts im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht angezeigt von familiären Bindungen auszugehen.

Zu 5.1.: Die der Schubhaft zugrundeliegende Rückkehrentscheidung vom 08.05.2017 wurde rechtskräftig. Seither befindet sich der BF illegal in Österreich. Er hat daher gegen fremdenrechtliche Bestimmungen verstoßen und hat er sich in der Vergangenheit auch nicht auf andere Weise gekümmert, einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Auch liegt ein Einreiseverbot für den BF vor. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Akt, dass der BF bereits in Bulgarien und Ungarn zuvor je einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und sich so als höchst mobil gezeigt hat. Im Sinne der Bestrebung der Republik Österreich, ein geordnetes Fremden und Asylwesen zu haben, kommt daher dem öffentlichen Interesse im konkreten Fall ein höherer Stellenwert als den persönlichen Interessen des BF zu. Das öffentliche Interesse an einer gesicherten Außerlandesbringung des BF ist daher unverändert hoch und die Fortsetzung der Schubhaft daher auch weiterhin verhältnismäßig.

3. Rechtliche Beurteilung:

(...)

Der BF war bisher nicht bereit bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates uneingeschränkt mitzuwirken um so einer Verlängerung der Schubhaft entgegenzuwirken und konnte bzw. wollte bisher keine Unterlagen aus seinem Heimatstaat beschaffen. Er hat es sich daher selbst zuzuschreiben, dass er nun auf die Ausstellung eines Heimreisezertifikates warten muss. Aufgrund der dem Gericht vorliegenden Informationen aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass dennoch eine zügige Außerlandesbringung nach Erlangung eines Heimreisezertifikates als wahrscheinlich anzusehen ist. Das Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand durchaus möglich, und auch im Laufe der kommenden Wochen realistisch erscheint.(...)"

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 15.01.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 15.01.2020 übermittelte das BFA folgende Stellungnahme:

"Verfahrensverlauf und Verhalten des Fremden:

Der Fremde ist illegal nach Österreich eingereist und stellte am 30.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag wurde abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung nach Algerien wurde getroffen, die Abschiebung nach Algerien für zulässig erklärt, die aufschiebende Wirkung aberkannt und ein 5jähriges Einreiseverbot erlassen.

Der Bescheid wurde am 16.05.2017 im Akt hinterlegt, und ist in Rechtskraft erwachsen.

Schon kurz nach der Antragstellung wurden er mit einem Betretungsverbot für das gesamte Areal XXXX samt XXXX belegt, da er einem anderen Asylwerber ein Handy gestohlen hatte. Er wurde mittels Ladung vier Mal zu einer Altersfeststellung geladen, er ist dieser Ladung jedoch nie nachgekommen. Er entzog sich mehrfach dem Verfahren und stellte am 24.10.2018 einen Folgeantrag, welcher wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.

In Folge tauchte er wieder unter, wurde in Schubhaft genommen und versuchte sich mehrmals durch Hungerstreik frei zu pressen.

Da er die rechtskräftigen Entscheidungen Österreich zu verlassen erhalten hat, sämtliche Verfahren rechtskräftig abgeschlossen und alle ordentlichen Rechtsmittel ausgeschöpft wurden, sohin alle Voraussetzungen für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates vorliegen, wurde am 27.02.2019 neuerlich ein Ersuchen an die algerische Botschaft gestellt. Einem Vorführtermin am 21.03.2019 blieb er fern und tauchte wieder unter.

Seitens des BFA wurden auch HRZ Verfahren mit Marokko, Tunesien und Libyen eingeleitet, doch gab es von allen 3 Botschaften negative Identifizierungen. Das HRZ Verfahren mit Algerien läuft noch und wurde die letzte Urgenz am 09.12.2019 an die algerischen Behörden übermittelt. Mit Tunesien wurde ebenfalls neuerlich ein HRZ Verfahren eingeleitet, die letzte Urgenz erfolgte am 03.01.2020.

Laut EDE weist er folgende Aliasdaten auf:

XXXX , geb. XXXX , in Halab Syrien / *

XXXX , geb. XXXX , in * * / *

XXXX , geb. XXXX , in Tesiuso Algerien / Algerien

XXXX , geb. XXXX , in Tesiuso Algerien / Algerien

Er wird regelmäßig in immer kürzer werdenden Abständen kriminell und bestehen derzeit insgesamt 28 kriminalpolizeiliche Vormerkungen bezugnehmend auf insgesamt 26 einschlägige Delikte gegen seine Person.

Er weist in der Zwischenzeit insgesamt 4 rechtskräftige Verurteilungen auf.

01) LG XXXX vom 15.03.2016 RK 19.03.2016

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB

§§ 127, 129 (1) Z 1, 129 (1) Z 2, 130 (1) 1. Fall StGB § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 30.01.2016

Freiheitsstrafe 10 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Jugendstraftat

02) LG XXXX vom 13.04.2016 RK 13.04.2016

§§ 127, 129 (1) Z 1 2. Fall, 130 (1) 1. Fall StGB

§ 229 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 19.03.2016

Freiheitsstrafe 12 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 19.03.2017

03) LG XXXX vom 11.09.2017 RK 11.09.2017

§§ 27 (2a) 2. Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 17.08.2017

Freiheitsstrafe 9 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 17.05.2018

04) LG XXXX vom 25.11.2019 RK 29.11.2019

§ 229 (1) StGB

§ 148a (1) StGB

§ 241e (1) StGB

§ 127 StGB § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 01.02.2019

Freiheitsstrafe 8 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Der Fall wurde dem BVwG bereits 1 Mal vorgelegt und bestätigte der BVwG am 18.12.2019 unter W171 2226612-1/4E die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung.

Er war unsteten Aufenthaltes und wurde am 24.08.2019 im Stadtgebiet von Klagenfurt von der Polizei aufgegriffen. Im Zuge einer Persons- und Effektenkontrolle wurden eine unbestimmte Menge Cannabiskraut sichergestellt und beschlagnahmt. Er wurde gem § 34 Abs 3 Ziffer 1 festgenommen und zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen.

Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt: Er gab an, nicht ausreisen zu wollen, gesund zu sein, keine Medikamente zu benötigen, keine Unterkunft und kein Geld zu haben.

Es ist beabsichtigt unverzüglich nach Zustimmung zur HRZ-Ausstellung ehebaldigst einen Abschiebetermin festzulegen. Weitere rechtliche oder faktische Hindernisse hinsichtlich der Effektuierung der Rückkehrentscheidung sind seitens der ho. Behörde nicht zu erkennen. Der Fremde hätte aber auch die Möglichkeit, seine tatsächliche Identität bekannt zu geben und das Verfahren zu beschleunigen oder aber auch aus dem Stande der Schubhaft freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft scheint daher der Behörde aktuell nicht nur geeignet und erforderlich angesichts der bisherigen Unzuverlässigkeit des betroffenen Fremden, einen geordneten Vollzug des Fremdenwesens, durch die - nach dem derzeitigen Verfahrensstand, absolut als wahrscheinlich und auch möglich erscheinende - Effektuierung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung zu gewährleisten, sondern im Lichte des Umstandes, des Beurteilungsmaßstabes der novellierten § 80 Abs 2 und 4 FPG auch weiterhin als adäquat.

Sollte aufgrund des Ergebnisses des laufenden HRZ Verfahrens mit Algerien das mit der Schubhaft verfolgte Ziel nicht mehr erreicht werden, oder sich das weitere Ausstellungsprozedere eines Ersatzreisedokumentes als unverhältnismäßig lang erweisen, wird seitens der ho. Behörde unverzüglich die Entlassung des BF veranlasst werden.

Die Gründe für die Verhängung der Schubhaft liegen daher aus Sicht der Behörde derzeit auch weiterhin vor und ist diese im Hinblick auf den gesteigerten Sicherungsbedarf angesichts des fortgeschrittenen Verfahrensstandes auch weiterhin erforderlich und verhältnismäßig. Eine Effektuierung der Außerlandesbringung innerhalb der gesetzlich zulässigen Höchstdauer der Schubhaft ist nach wie vor als absolut wahrscheinlich anzusehen.

Der im Betreff Genannte befindet sich nach wie vor im PAZ Wien RL

Es wird daher beantragt festzustellen, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiter vorliegen und diese auch weiterhin verhältnismäßig ist."

Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe der Vorentscheidung werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Auch die Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht und nach den Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch erlangt werden kann.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. - Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

§ 80 FPG idgF lautet:

(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Verwaltungsgerichthof führte in seiner Entscheidung vom 30.08.2018 (Ra 2018/21/0111) Folgendes aus: "In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen."

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht - auch verhältnismäßig.

In diesem Zusammenhang war auch die Straffälligkeit des Beschwerdeführers zu berücksichtigen und §76 Abs. 2a FPG anzuwenden:

"(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt."

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine - die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft - ändernden Umstände erkennen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt II. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot, Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, öffentliche
Interessen, Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf,
strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung, Untertauchen,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W140.2226612.2.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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