Entscheidungsdatum
16.01.2020Norm
BFA-VG §18 Abs2 Z1Spruch
G306 2227291-1/3Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2019, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen und zu Recht erkannt:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids
wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde vom 30.12.2019 gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem gegen den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen; festgestellt wurde, dass eine Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist; keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde; gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 und 4 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wurde sowie einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt wurde.
Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass die sofortige Ausreise des BF im Hinblick auf seine strafgerichtlichen Verurteilungen im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich sei um den gesetzlichen Zustand wiederherzustellen. Sein Interesse an einem Aufenthalt in Österreich trete hinter das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit zurück.
Der BF erhob dagegen eine Beschwerde, mit der er die Aufhebung des Bescheids beantragt. Hilfsweise strebt er die Reduktion der Dauer des Einreiseverbotes an; außerdem stellt er einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Sein Fehlverhalten wird nicht thematisiert, sondern vielmehr, dass die belangte Behörde die Erlassung des Einreiseverbotes sowie die Rückkehrentscheidung nicht mit dem Einklang des Art. 8 EMRK erlassen habe. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG zuzuerkennen.
Das BFA beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, und legte sie unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem BVwG vor, wo sie am 13.01.2020 einlangten.
Feststellungen:
Der BF verfügte über eine Rot-Weiß-Rot Karte "plus" und stellte am 15.03.2019 diesbezüglichen, fristgerecht einen Verlängerungsantrag. Der BF ist im Bundesgebiet seit dem 04.07.2011 mittels Hauptwohnsitz gemeldet. Seit dem XXXX.2019 befindet sich der BF in der Justizanstalt XXXX. Der BF ist kinderlos und hat keine Obsorgeverpflichtungen. Der BF lebte bis zur Inhaftierung bei seinen Eltern. Der BF ging bis zur gegenwärtigen Inhaftierung einer Beschäftigung nach. In Bosnien und Herzegowina lebt noch ein Großvater. Der Vater besitzt in Bosnien und Herzegowina ein Haus in XXXX (in der Nähe der kroatischen Grenze). Der BF war in der zweiten Hälfte des Jahres 2019 insgesamt 6 Mal in seiner Heimat auf Urlaub und hielt sich dann auch im Haus des Vaters auf.
Der BF weist im Bundesgebebiet drei rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen auf und zwar wegen Urkundenunterdrückung, Schlepperei, des Vergehens des schweren Diebstahls, des Einbruchdiebstahls, der schweren Körperverletzung, der Veruntreuung sowie des Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Der BF wurde einmal zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätze zu je € 4,- bei Nichterbringung zu 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, ein weiteres Mal zu einer Geldstrafe von € 600 Tagessätze zu je € 15.00, bei Nichterbringung zu 300 Tage Ersatzfreiheitsstrafe sowie letztmalig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten wobei der BF am XXXX.2020 - nach 4 - monatige Haft - als Einzelbegnadigung frühzeitig entlassen wird.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass der Verbleib des BF im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentlich Ordnung oder Sicherheit darstelle. Er habe sich trotz Verurteilungen und Androhungen einer aufenthaltsbeendigenden Maßnahme nicht von seinen delinquenten Verhalten abhalten lassen. Es sei daher davon auszugehen, dass der BF auch nach der Entlassung aus der Strafhaft wieder in sein altes Verhaltensmuster zurückfallen wird.
Im Bundesgebiet halten sich die Eltern sowie ein Bruder des BF auf und weist der BF daher ein Familien- und Privatleben in diesem auf, da er mit den genannten Personen bis zur Inhaftierung in einem gemeinsamen Haushalt wohnte. Der BF ging hier im Bundesgebiet einer Beschäftigung nach absolvierte hier die letzten Pflichtschuljahre und hält sich bereits ca. 9 Jahre im Bundesgebiet rechtmäßig auf.
Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Fremdenregister.
Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerde richtet sich pauschal gegen alle Spruchpunkte und mit dem Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ausdrücklich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.
Zu A) Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen, wobei § 38 VwGG gilt.
Dem BF kommt auf dem Boden der Rechtsprechung des VwGH gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG - insbesondere jedoch auch vor dem Hintergrund dessen Wortlautes "von Amts wegen" (vgl. 2285/A XXV. GP) - kein Antragsrecht zu, sondern hat das Verwaltungsgericht vielmehr - amtswegig - das Wiederzuerkennen einer allfällig aberkannten aufschiebenden Wirkung zu prüfen (vgl VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0284, mwH auf VwGH 13.9.2016, Fr 2016/01/0014 ua).
In Ermangelung der Existenz eines diesbezüglichen Antragsrechtes des BF war der - konkrete - Antrag des BF auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückzuweisen.
Zu B) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung
Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise der BF geboten sei.
Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff).
Da hier angesichts des beinahe 9-jährigen durchgehenden Aufenthalts des BF im Bundesgebiet sowie dass hier seine engsten Verwandten, Eltern sowie ein Bruder leben, der BF hier seine Grundschule abgeschlossen hat und auch einer Beschäftigung nachgegangen ist, wird durch die aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht unerheblich in das Familien- und Privatleben des BF eingegriffen.
Des Weiteren sind die zwei vorangegangen strafrechtlichen Verurteilungen nicht sonderlich schwerwiegend sodass das Strafgericht mit ausgesprochenen Geldstrafen das Auslangen fand. Letztmalig wurde der BF zu einer 12-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei auch hier die ausgesprochene Strafe im untersten Strafrahmen liegt. Da der BF über eine aufrechte Wohnsitzmeldung verfügt, er hier seine gesamte Kernfamilie hat, er eine Einstellungszusagen - nach Haftentlassung - in Vorlage brachte sowie dass der BF bereits nach 4 Monaten Haft eine Einzelbegnadigung erwirkte sind keine Gründe ersichtlich, warum seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Es ist deshalb Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids rechtswidrig und daher ersatzlos aufzuheben. Außerdem ist nach dem derzeitigen Verfahrensstand im Rahmen der vorzunehmenden Grobprüfung nicht auszuschließen, dass die Ausführungen in der Beschwerde berechtigt sind und die aufenthaltsbeendete Maßnahme - durch den seit längerem kontinuierlich Aufenthalt des im Bundesgebiet und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung möglicherweise Art 8 EMRK verletzt.
Der Umstand, dass das BFA davon ausging, dass vom BF eine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, zeigt sich, dass gegen ihn gleichzeitig mit der Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen wurde. Das BFA hat es im Bescheid jedoch unter Spruchpunkt V. nicht dargelegt, warum aktuell eine solche ausgehen soll.
Da das BFA grundlegende Ermittlungen, was das Privat- und Familienleben des BF im Bundesgebiet anbelangt, nicht durchgeführt bzw. nur sehr oberflächlich vorgenommen hat, ist die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG unvermeidlich.
Der Beschwerde wird daher die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.
Zu Spruchteil C):
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2227291.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020