Entscheidungsdatum
17.01.2020Norm
AVG §19 Abs2Spruch
W222 1247060-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas WALDHOF, gegen den Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 19 Abs. 2 und 3 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Mit Ladungsbescheid vom 06.11.2018 wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgefordert, in einer näher genannten Regionaldirektion des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl als Beteiligter persönlich zu erscheinen.
Als Gegenstand der Amtshandlung wurde die "bestehende Ausreiseverpflichtung" angeführt und festgehalten, dass der Beschwerdeführer, im Falle der Nichtfolgeleistung ohne wichtigen Grund, damit rechnen müsse, dass "eine Haftstrafe von Tagen verhängt wird".
Dem Ladungsbescheid war eine Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG beigelegt.
Am 14.11.2018 brachte der Beschwerdeführer folgende Kopien in Vorlage: eine befristete rumänische Aufenthaltsberechtigung in Kartenformat; eine österreichische Heiratsurkunde vom 28.05.2011; Datenblatt eines (abgelaufenen) rumänischen Reisepasses seiner Ehefrau; zwei österreichische Geburtsurkunden seiner beiden minderjährigen Kinder; drei österreichische Anmeldebescheinigungen für EWR-Bürger/-innen zu den Familienan-gehörigen des Beschwerdeführers gemäß dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz.
Gegen den Ladungsbescheid, zugestellt am 09.11.2018, erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung fristgerecht, am 22.11.2018, das Rechtsmittel der Beschwerde, worin der Bescheid in seinem gesamten Umfang angefochten wird. Im Wesentlichen wurde auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet abgestellt und darauf, dass die bestehende Ausreiseverpflichtung keinen Bestand habe.
Mit Schriftsatz vom 26.11.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien. Er ist mit einer rumänischen Staatsbürgerin verheiratet. Das Ehepaar hat zwei gemeinsame Kinder. Die Familie ist im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer ist im Besitz einer befristeten rumänischen Aufenthaltsberechtigung "PERMIS DE SEDERE TEMPORARA" von 13.07.2017 bis 12.07.2022 aufgrund seiner Familienangehörigeneigenschaft. Der Beschwerdeführer ist begünstigter Drittstaatsangehöriger.
Der Beschwerdeführer wurde mittels Ladungsbescheid vom 06.11.2018 für den 22.11.2018, 09:00 bis 09:30 in die Räumlichkeiten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, XXXX persönlich geladen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, den gegenständlichen Ladungsbescheid und Reisepass mitzubringen.
Als Gegenstand der Amtshandlung wurde die "bestehende Ausreiseverpflichtung" festgehalten und im Falle der ungerechtfertigten Nichtfolgeleistung "eine Haftstrafe von Tagen" angedroht.
Der Beschwerdeführer erschien nicht zu dem vorgegebenen Termin.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018 geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 9 Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Zu A)
Im gegenständlichen Fall wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Ladungsbescheid erlassen, wodurch § 19 AVG relevant wird, der wie folgt lautet:
(1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Eine einfache Ladung erfolgt durch Verfahrensanordnung.
Gemäß § 3 BFA-G , BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 56/2018, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3), und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4). Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kommt bundesweite Zuständigkeit gemäß § 3 BFA-VG zu. Ladungen können nicht nur in einem bereits anhängigen Verfahren verfügt werden; die Behörde kann auch Personen laden, um danach zu beurteilen, ob ein Verfahren von Amts wegen einzuleiten ist (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11, Rz 183). Kein Zweifel besteht darin, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Erfüllung ihrer Aufgaben berechtigt war, den Beschwerdeführer vorzuladen.
Der notwendige Inhalt jeder Ladung (einfache Ladung oder Ladungsbescheid) ist in § 19 Abs. 2 AVG präzise festgelegt. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Ladung den Erfordernissen entspricht, ist ein formal strenger Maßstab anzulegen (vgl. VfGH 27.02.1987, B305/86). Dem gegenständlichen Ladungsbescheid sind der genaue Ort und die Zeit der Amtshandlung zu entnehmen, die Eigenschaft in welcher der Geladene vor der Behörde erscheinen soll, dass das persönliche Erscheinen notwendig ist und welche Behelfe und Beweismittel er mitzubringen hat.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum Gegenstand der Amtshandlung ergibt sich, dass ein Ladungsbescheid ua. auch eine kurze und deutliche Bezeichnung eines konkreten Gegenstandes der Amtshandlung zu enthalten hat (VwGH 18.06.2008, 2007/11/0189; 18.12.2007, 2007/11/0191; 26.02.1991, 90/04/0309; 28.03.1980, 2850/79, 0290/80). Die Behörde hat sich einer Ausdrucksweise zu bedienen, die zweifelsfrei klar macht, welche Amtshandlung ihr vorschwebt (VwGH 28.06.2001, 2001/11/0134). Damit soll dem Geladenen die Möglichkeit gegeben werden, sich genügend auf den Gegenstand der Ladung vorzubereiten (VwGH 18.12.2007, 2007/11/0191; 23.10.2001, 2000/11/0342; 26.02.1991, 90/04/0309; 28.03.1980, 2850/79). Inhaltlich rechtswidrig ist ein Ladungsbescheid dann, wenn sich die Behörde mit der bloßen Angabe eines Stichworts (zB. "Auskunfterteilung" [VwGH 28. 3. 1980, 2850/79]; vgl auch VwGH 27. 11. 2001, 2001/11/0215 ["Führerscheinangelegenheit" als "äußerst unpräzise" beschriebener Zweck]) begnügt oder wenn nicht erkennbar ist, ob es sich beim beabsichtigten behördlichen Vorgehen um eine Administrativmaßnahme oder um eine Maßnahme im Zusammenhang mit einem gerichtlichen (VwGH 23. 10. 2001, 2000/11/0342; 18. 12. 2007, 2007/11/0191) bzw. einem Verwaltungsstrafverfahren handelt (VwGH 26. 2. 1991, 90/04/0309), sodass dem Geladenen die Möglichkeit genommen wird, sich ausreichend auf den Gegenstand der Ladung vorzubereiten (siehe dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 19 Rz 14).
Umgelegt auf den gegenständlichen Fall ergibt sich aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Gegenstand der Amtshandlung mit der Wortfolge: "Bestehende Ausreiseverpflichtung" nicht klar und präzise bezeichnet ist. Zweck der Angabe eines Gegenstandes ist - wie sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ergibt - die Möglichkeit der Vorbereitung des Geladenen auf die Amtshandlung. Diese Vorbereitungen müssen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zielorientiert erfolgen können, weshalb es nicht ausreicht, dass der Geladene Mutmaßungen über den Gegenstand der Amtshandlung anstellt und sich in unterschiedlichster Weise vorbereitet. Weshalb das Erscheinen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde erforderlich wird, erschließt sich nicht eindeutig. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Beschwerdeführer mittlerweile um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen, wonach der Bestand einer Ausreiseverpflichtung in weiteren behördlichen Ermittlungen erst zu eruieren sein wird.
Gemäß § 19 Abs. 3 AVG ist die Behörde ermächtigt, den Geladenen, dessen Erscheinen nötig ist, durch die Anwendung eines Zwangsmittels zur Befolgung des Ladungsbefehls zu verhalten. Dabei kommt - je nachdem, welches Zwangsmittel im Bescheid angedroht wurde - entweder die Verhängung einer Zwangsstrafe oder die zwangsweise Vorführung des Geladenen in Betracht (siehe dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 19 Rz 22). Gemäß § 5 Abs. 3 VVG dürfen Zwangsmittel an Geld den Betrag von 726 Euro, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen, wenn diese ihrer Art und Höhe nach in der Ladung angedroht wurden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 19 Rz 23). Das Fehlen dieser Merkmale nimmt einem Ladungsbescheid den Charakter als solchen und schließt die Zulässigkeit der Anwendung von Zwangsmitteln aus (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11, Rz 186).
In gegenständlicher Angelegenheit wurde als Zwangsmittel der ungerechtfertigten Nichtbefolgung des Ladungsbescheids "eine Haftstrafe von Tagen" angedroht. In Ermangelung der Konkretisierung der angedrohten Haftstrafe handelt es sich aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts um einen unklaren Ladungsbescheid, der die Zulässigkeit des angedrohten Zwangsmittels nicht zu begründen vermag.
Abschließend gelangt das Bundesverwaltungsgericht somit zu dem Ergebnis, dass dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anzulasten ist und der angefochtene Ladungsbescheid daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 19 Abs. 2 und 3 AVG ersatzlos zu beheben war.
Aufgrund der ersatzlosen Behebung des angefochtenen Bescheides, war es auch nicht mehr erforderlich, sich mit der Frage der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde näher auseinander zu setzen.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Da dies im gegenständlichen Fall gegeben ist, sah das Bundesverwaltungsgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Amtshandlung, Konkretisierung, Ladungsbescheid, RechtswidrigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W222.1247060.3.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020