TE Bvwg Beschluss 2020/1/20 L517 2226365-1

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Veröffentlicht am 20.01.2020
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Entscheidungsdatum

20.01.2020

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5

Spruch

L517 2226365-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , gegen jenen Spruchpunkt des Bescheides des Arbeitsmarktservice XXXX vom 18.11.2019, Zl. XXXX , XXXX , mit dem die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ausgeschlossen wurde, beschlossen:

A)

Der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und dieser Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr 1/1930 idgF, zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (in Folge belangte Behörde bzw. bB) vom 15.10.2019 wurde ausgesprochen, dass die beschwerdeführende Partei (in Folge bP) gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe vom 26.09.2019 bis 20.11.2019 verloren hat. Eine Nachsicht wurde nicht erteilt.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die bP am 07.11.2019 fristgerecht Beschwerde.

3. Mit gegenständlich bekämpfter Beschwerdevorentscheidung vom 18.11.2019 schloss die bB die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG aus (Spruchpunkt B).

Diesbezüglich führte die bB wörtlich aus:

"Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes wurde mit der vorliegenden Beschwerdevorentscheidung die Entscheidung des AMS XXXX vom 15.10.2019 bestätigt. Damit steht fest, dass der Tatbestand der Vereitelung eines zumutbaren Stellenangebotes erfüllt wurde und damit mangelnde Arbeitswilligkeit in Bezug auf das konkrete Stellenangebot der XXXX GmbH vorliegt. Sie sind seit 01.08.2014 mit kurzen Unterbrechungen arbeitslos und es liegen zahlreiche gescheiterte Vermittlungsversuche vor. Sie haben bereits eine rechtskräftige Ausschlussfrist gemäß § 10 AlVG erhalten, nämlich vom 15.03.2019 bis 25.04.2019.

Das Arbeitslosenversicherungsrecht bezweckt, arbeitslos gewordenen Versicherten durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und in die Lage zu versetzen, den Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Würde aufgrund der gegebenen Umstände die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht ausgeschlossen, ginge der im öffentlichen Interesse liegende Sanktionscharakter verloren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtshofes (W209 2107996-1/2E vom 08.06.2015 und W198 2108951-1 vom 24.06.2015) wird aufgrund der vorliegenden Umstände davon ausgegangen, dass die mit einer Sanktion verbundene Unterbrechung des Leistungsbezuges das am ehesten geeignete Mittel ist, um Sie wieder zur Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung zu bewegen. Das öffentliche Interesse am Ausschluss der aufschiebenden Wirkung überwiegt daher Ihr Interesse an der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde."

Eine Rechtsmittelbelehrung für den Teilbescheid, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, fehlt.

4. Am 02.12.2019 stellte die bP fristgerecht einen Vorlageantrag. Ein ergänzendes Vorbringen im Hinblick auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wurde nicht ausgeführt.

5. Die gegenständliche Beschwerde langte am 10.12.2019 am Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang.

2.0. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

-

Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977, idgF

-

Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930, idgF

-

Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF

3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Eine solche Senatszuständigkeit sieht § 56 Abs. 2 AlVG grundsätzlich vor.

§ 56 Abs. 2 AlVG lautet: Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.

Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senats das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 2008 BlgNR. 24. GP, S.4) bedeutet dies, dass der Senatsvorsitzende "insbesondere die Entscheidung über den Antrag der aufschiebenden Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers" ohne Senatsbeschluss erlassen darf. Da Entscheidungen über Anträge auf aufschiebende Wirkung somit jedenfalls der Einzelrichterzuständigkeit unterliegen, ist anzunehmen, dass auch Entscheidungen über Beschwerden gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung als Einzelrichter zu treffen sind.

3.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Mit der vorliegenden Entscheidung wird die Rechtssache nicht erledigt, sondern lediglich über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung in der Beschwerdevorentscheidung (Spruchpunkt B) abgesprochen. Mangels Erledigung der Rechtsache hat die vorliegende Entscheidung somit durch Beschluss zu erfolgen.

3.4. Beim Ausspruch des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG - gegenständlich in der Beschwerdevorentscheidung - handelt es sich um einen von der Hauptsache trennbaren, selbstständigen Nebenanspruch (Hengstschläger/Leeb, AVG [2007], zu § 64 Rz 36).

Die bP hat fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG gestellt, mit dem die (gegen den ersten Bescheid gerichtete) Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (vgl dazu: Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, §15 VwGVG, K1-K2, sowie Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) [§15 VwGVG, Anm 8]). Anders als in § 64a AVG tritt mit der Vorlage der Beschwerde die Beschwerdevorentscheidung nicht außer Kraft, so dass Beschwerdegegenstand im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung ist (EB zur RV 2009 dB XXIV.GP, S5).

In der Zusammenschau dieser Bestimmungen und im Hinblick auf § 27 VwGVG, wonach das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen hat, ist davon auszugehen, dass die ursprünglich gegen den ersten Bescheid der belangten Behörde gerichtete Beschwerde durch die Vorlage derselben mittels Vorlageantrag nunmehr als Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde anzusehen ist, zumal der Vorlageantrag auch keiner weiteren Begründung bedarf.

Aus § 13 Abs. 2 VwGVG ergibt sich, dass eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung - wie gegenständlich erfolgt - nach Erlassung des in der Hauptsache ergehenden Bescheides grundsätzlich durch Bescheid zulässig ist.

Nun mag zwar der Spruchpunkt, mit dem die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen wurde (Spruchpunkt B) vom Abspruch über die Beschwerde in der Beschwerdevorentscheidung (Spruchpunkt A) rechtlich trennbar sein, doch hätte es diesbezüglich jedenfalls einer gesonderten Rechtsmittelbelehrung bedurft, da gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG eine Beschwerde zulässig ist. In der Beschwerdevorentscheidung ist jedoch unter der Überschrift Rechtsmittelbelehrung lediglich der Hinweis auf den Vorlageantrag zu finden.

Zu A) Aufhebung des bekämpften Bescheides

3.5. Nach dem im vorliegenden Fall anzuwendenden § 15 Abs. 2 VwGVG hat ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat.

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG (vgl. § 64 Abs. 2 AVG) kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

Gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

3.5.1. Der VwGH hat zur aufschiebenden Wirkung in Ro 2017/08/0033 vom 11.04.2018 u. a. aufgezeigt:

Die Entscheidung über Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028). Die vom Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis aufgezeigten Rechtsschutzdefizite bestehen bei der hier anzuwendenden Regelung nicht. § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.

Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).

Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.2.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat.

Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56). Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. zur Erfolgsprognose VwGH 9.5.2016, Ra 2016/09/0035).

Im Hinblick auf die zu erfolgende Interessensabwägung im Einzelfall wäre die aufschiebende Wirkung etwa dann nicht zu gewähren, wenn begründete Zweifel an der späteren Einbringlichkeit der Forderung bestünden, da in diesem Fall das Interesse der Versichertengemeinschaft, somit das öffentliche Interesse, an der Verfügbarkeit von Mitteln für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung überwiegt (VwGH 13.05.2009, 2007/08/0285).

3.5.2. Im Sinne des § 13 Abs. 2 VwGVG ist zu prüfen, ob die sofortige Wirksamkeit des Bescheides und damit der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf öffentliche Interessen oder Interessen anderer Parteien wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Die von der Behörde vorzunehmende Interessenabwägung hat die (nicht dezidiert erwähnten aber immanenten) Interessen des Beschwerdeführers am nicht sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides und in diesem Zusammenhang auch den (möglichen) Erfolg seines Rechtsmittels gegen die berührten öffentlichen Interessen und die Interessen anderer Parteien am sofortigen Vollzug abzuwägen (vgl. Götzl, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Rz 13 zu § 13).

Völlig richtig ist die bB gemäß der Rechtsprechung des VwGH diesfalls davon ausgegangen, dass insbesondere ein öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug bei der Wirksamkeit der Maßnahmen des § 10 AlVG (Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit iVm § 38 AlVG) besteht.

Dem gesamten Akteninhalt ist eine Erörterung der Interessen der bP als Empfängerin von Notstandshilfe am nicht sofortigen Vollzug und einer vorläufigen Weitergewährung der Leistung nicht zu entnehmen. Vorliegend stellte die bB dem gegenüber zur bP lediglich fest, dass die bP die Annahme eines zumutbaren Stellenangebotes vereitelt habe, dass diese seit 01.08.2014 mit kurzen Unterbrechungen arbeitslos sei, dass zahlreiche Vermittlungsversuche und bereits eine rechtskräftige Ausschlussfrist vorliegen. Dabei handelt es sich sämtlich um Feststellungen zum in der Hauptsache ergangenen Bescheid.

Die bB hat demnach weder eine Abwägung der genannten Interessen - der öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug iSd Verhängung der Sperrfrist und der Interessen der bP am nicht sofortigen Vollzug iSd Weitergewährung der Leistung - vorgenommen noch hat die bB sich mit dem Vorliegen von Gefahr im Verzug auseinandergesetzt - ob eben bei Aufschub der Vollstreckung des Bescheides ein gravierender Nachteil für das öffentliche Wohl (=Gefährdung der Einbringlichkeit der Rückforderungsansprüche) droht. Es fehlt sohin für die Annahme, dass Gefahr in Verzug vorliegt, an einer sachverhaltsbezogenen fachlichen Beurteilung durch die bB und hätte das AMS zu ermitteln und aufgrund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der bP festzustellen gehabt, ob eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Rückforderungsansprüche vorliegt.

Dass die bP ihrerseits ein Vorbringen - dass sie der Vollzug des Bescheides über den Verlust der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde - nicht erstattet hat, ist ihr im gegenständlichen Fall nicht vorzuwerfen, zumal der Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erst in der Beschwerdevorentscheidung getroffen wurde, der bP mangels Vorliegen einer Rechtsmittelbelehrung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde in diesem Zusammenhang nicht eingeräumt wurde und darüber hinaus keine Pflicht besteht, den Vorlageantrag zu begründen.

Nach Maßgabe des dem BVwG vorliegenden Sachverhaltes ist, obschon eine Maßnahme nach § 10 AlVG vorliegt, eine Abwägung der öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug der Sperre mit den Interessen der bP an der Weiterzahlung der Notstandshilfe nicht möglich. Angesichts der vom AMS festgestellten Umstände kann folglich nicht von einem so gravierenden Nachteil für die berührten öffentlichen Interessen ausgegangen werden, dass Gefahr im Verzug vorliegt bzw. dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, weshalb der Beschwerde stattzugeben und der Spruchpunkt des gegenständlich bekämpften Bescheides, mit dem die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen wurde, ersatzlos aufzuheben ist.

Der Beschwerde kommt somit aufschiebende Wirkung zu.

Es wird festgehalten, dass mit der gegenständlichen (verfahrensleitenden) Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt B), eine Entscheidung in der die Rechtssache erledigenden Entscheidung nicht vorweggenommen wird.

3.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil im gegenständlichen Fall die Entscheidung als Einzelrichter gemäß § 6 iVm § 9 BVwGG und § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Diesbezüglich liegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes Gründe vor, insbesondere aufgrund der im § 56 Abs. 2 AlVG normierten Senatszuständigkeit, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen.

In diesem Sinne ist die Revision zulässig.

Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Einzelfallprüfung, Interessenabwägung,
Revision zulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L517.2226365.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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