Entscheidungsdatum
20.01.2020Norm
ASVG §410Spruch
L510 2003612-2/17E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter im Beschwerdeverfahren der XXXX , vertreten durch Moore Salzburg GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) vom 03.11.2011, GZ: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid vom 03.11.2011 behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Mit im Spruch genannten Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse, im Folgenden auch kurz bezeichnet als "GKK") sprach diese aus, dass die bP, die XXXX , als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs 1 ASVG verpflichtet werde, die von der GKK mit Beitragsvorschreibung vom 23.08.2010 nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR 23.392,61, sowie Verzugszinsen gemäß § 59 Abs 1 ASVG in der Höhe von EUR 2.477,11, sohin einen Gesamtbetrag von EUR 25.869,72 an die GKK zu entrichten.
Die Verpflichtung werde unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 30, 33, 34, 35 Abs 1, 42 Abs 3, 44 Abs 1,45, 49 Abs 1 und 2, 54, 58 Abs 1 und 2 ASVG und § 6 des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes (BMSVG) ausgesprochen und nehme Bezug auf die Beitragsvorschreibungen vom 23.08.2010 und den Prüfbericht vom 25.08.2010, sowie den Versicherungspflichtbescheid vom 03.11.2011, welche jeweils einen integrierten Bestandteil dieses Bescheids darstellen würden.
Zum Sachverhalt legte die GKK im Wesentlichen dar, dass in gegenständlichem Fall im Zuge der gemäß § 41a ASVG abgeschlossenen Sozialversicherungsprüfung (Prüfzeitraum 01.01.2005 - 31.12.2009) im Betrieb der bP Melde- und Beitragsdifferenzen, die Beschäftigungsverhältnisse der im Spruch des Versicherungspflichtbescheides angeführten Dienstnehmer betreffend festgestellt worden seien.
XXXX sei vom 01.01.2008 bis 14.07.2008 bei der XXXX (früher XXXX ) tätig gewesen; ebenso sei XXXX bis 14.07.2008 dort gemeldet gewesen. Mit 15.07.2009 seien sie auf die hier gegenständliche Dienstgeberin umgemeldet worden.
Nachverrechnet seien gegenständlich das laufende Entgelt, sowie die anteiligen Sonderzahlungen des nachversicherten Dienstnehmers, XXXX , worden; dies auf Basis der Angaben in der Buchhaltung.
Weiter seien nachverrechnet worden die an XXXX ausbezahlten Kilometergelder, welche mangels ausreichender und den Judikaturvorgaben entsprechender Aufzeichnungen nicht als beitragsfrei betrachtet werden könnten.
Bei der XXXX , existiere das Konto mit der Kontonummer XXXX . Hier seien die auf diesem Konto eingegangenen Gelder It. vorgelegten ELBA-Listen nachverrechnet worden; dies als ausbezahltes Entgelt an die Kontoinhaberin und Mitarbeitern der Dienstgeberin XXXX , welche die Tochter von XXXX, dem damaligen Vorstand, ist.
Es würden auf dieses Konto vermeintlich die Gehälter von einigen (angeblich) geringfügig angemeldeten Personen bezahlt werden. Diesen Dienstnehmern sei dieses Konto allerdings unbekannt. XXXX bekomme ihr Gehalt ebenso auf dieses Konto ausbezahlt. Auszahlungsbelege seien im Rahmen der Prüfung keine vorgelegt worden; lediglich vorgelegt worden sei eine ELBA-Liste. Dienstverhältnisse der gegenständlich relevanten (angeblichen) Dienstnehmer XXXX hätten nicht festgestellt werden können. Hier sei auf die Ausführungen im Versicherungspflichtbescheid vom 03.112011 verwiesen.
Die Feststellungen würden auf dem im Rahmen der GPLA festgestellten Sachverhalt sowie auf den Feststellungen des GPLA-Prüfers vor Ort beruhen. Einsicht genommen worden sei in sämtliche Unterlagen, wie Lohnkonten, Betriebssummenblätter, Jahresabschlüsse, Sachkonten der Buchhaltung, Zahlungsbelege, Rechnungen. Überdies seien Niederschriften aufgenommen worden.
2. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde dargelegt, dass in Bezug auf XXXX österreichisches Sozialversicherungsrecht nicht anzuwenden sei. In Bezug auf XXXX wurde u. a. dargelegt, dass auch hier die Rechtsvorschriften dessen Wohnsitzstaates anzuwenden seien und wäre österreichisches Sozialversicherungsrecht nicht anzuwenden. In Bezug auf XXXX wurde dargelegt, dass diese die Beträge anderer Dienstnehmer, welche auf ihrem Konto hinterlegt worden seien, dann an diese Dienstnehmer weitergeleitet habe. Die Beträge seien ihr nicht selbst zugekommen.
3. Am 04.09.2019 wurde beim BVwG eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Parteien wurden ordnungsgemäß geladen. Die Partei Hr. XXXX ist zur Verhandlung erschienen. Hr. XXXX und Hr. XXXX sind unentschuldigt nicht zur Verhandlung erschienen. Fr. XXXX ist ebenfalls unentschuldigt nicht zur Verhandlung erschienen.
Gehört wurden der Geschäftsführer der bP, Herr XXXX , Herr XXXX , der Behördenvertreter der GKK und die Rechtsvertretung der bP.
Das gegenständliche Verfahren wurde gem. § 39 Abs. 2 AVG mit den Verfahren bezüglich der Beschwerden gegen die Bescheide der Salzburger GKK vom 12.03.2012, GZ.: XXXX und GZ.: XXXX , wegen Versicherungspflicht und Nachverrechnung betreffend die XXXX als beschwerdeführende Partei zur gemeinsamen Verhandlung verbunden, da der Sachverhalt zum Teil übergreifend ist.
In der Verhandlung wurde durch die bP weiter dargelegt, dass auch in Bezug auf Frau XXXX deutsches Sozialversicherungsrecht zur Anwendung gelange.
Der Behördenvertreter der GKK äußerte sich dahingehend, dass er es jetzt nicht nachprüfen könne, ob deutsche Rechtsvorschriften in Bezug auf Frau XXXX und Herrn XXXX zur Anwendung gelangen würden. Dies sei eine Frage der Versicherungspflicht, welche man separat zu beurteilen hätte.
4. Mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag wurde in Bezug auf den Versicherungspflichtbescheid der GKK vom 03.11.2011 erkannt, dass
XXXX im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs 1 und 2 ASVG iVm § 1 Abs 1 lit a AlVG unterlag. Bestätigt wurde, dass die Herren XXXX , XXXX ,
XXXX , XXXX und XXXX , XXXX nicht der Pflicht(Teil-)Versicherung in der Unfallversicherung gemäß § 5 Abs 1 Z 2 ASVG unterlegen waren. Eine Beschäftigung dieser Mitarbeiter für die bP lag nicht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Im gegenständlichen Verfahren erfolgten Nachverrechnungen der GKK, welche jedoch voraussetzen, dass eine Dienstnehmereigenschaft betreffend die Personen XXXX , XXXX und XXXX für die bP vorlagen. In Bezug auf XXXX wurde bereits durch Erkenntnis des BVwG rechtskräftig festgestellt, dass eine Dienstnehmereigenschaft nicht vorlag. In Bezug auf XXXX und XXXX ist eine Dienstnehmereigenschaft erst in einem eigenen Verfahren durch die GKK zu klären, diese Frage kann nicht erstmals durch das BVwG entschieden werden. Erst nach Klärung dieser Vorfrage sind etwaige Nachverrechnungen möglich.
2. Beweiswürdigung:
Der gegenständliche Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und wurde auch in der Verhandlung nicht bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt gem. § 414 Abs. 2 ASVG iVm § 410 Abs. 1 ASVG Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gegenständlich war daher mit Beschluss vorzugehen.
Zu A)
3.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2). Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes [VwGH] zu § 28 VwGVG verlangt es das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127; 29.04.2015, Ra 2015/20/0038; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 RS29).
3.2. Gegenständlich erfolgten seitens der GKK Nachverrechnungen bei der bP, welche sich auf die Personen XXXX , XXXX und XXXX bezogen. Diese Nachverrechnungen setzen jedoch ein Dienstverhältnis der nachzuverrechnenden Personen zur bP voraus. In Bezug auf XXXX wurde bereits durch Erkenntnis des BVwG festgestellt, dass kein Dienstverhältnis zur bP vorlag. In Bezug auf die Personen XXXX und XXXX muss die Vorfrage eines Dienstverhältnisses erstmals durch die GKK beurteilt werden, was bisher nicht der Fall war. Diese Vorfrage ist gegenständlich nicht Sache des Beschwerdeverfahrens.
Das BVwG hätte hier nicht bloß Verfahrensergänzungen durchzuführen, sondern wäre die erste Instanz, welche erstmals über das Bestehen einer Versicherungspflicht als Vorfrage entscheiden würde, was rechtlich nicht zulässig wäre. Insbesondere die durchzuführenden Nachverrechnungen setzen voraus, dass zuerst die Versicherungspflicht geklärt wird. In Bezug auf XXXX wurde zudem bereits festgestellt, dass keine Pflichtversicherung vorlag.
Die GKK hat somit in eigenen Verfahren zu klären, ob vom Bestehen einer Versicherungspflicht in Bezug auf die Personen XXXX und XXXX auszugehen ist und gegebenenfalls erst in einem nächsten Schritt etwaige Nachverrechnungen anzustellen. Nachberechnungen in Bezug auf XXXX haben nicht zu erfolgen, was jedoch seitens der GKK im Verfahren vor dem BVwG bereits anerkannt wurde.
Da gegenständlich keine Versicherungspflichtbescheide die maßgeblichen Personen betreffend vorliegen, kann somit nicht beurteilt werden, ob Nachverrechnungen zu Recht erfolgten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung zu § 113 Abs 4 ASVG nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Beitragsnachverrechnung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L510.2003612.2.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020