Entscheidungsdatum
22.01.2020Norm
AlVG §10Spruch
W255 2225701-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta HAIDNER als Beisitzer über die Beschwerde und den Vorlageantrag von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Martin REIHS, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 23.10.2019, GZ XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 11.11.2019, GZ 2019-0566-9-003786, betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und Spruchpunkt II. der Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (in der Folge: AMS) vom 23.10.2019, VN: XXXX , wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) den Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.10.2019 bis 27.10.2019 verloren habe. Der BF habe sich geweigert, bei der Vorauswahl " XXXX " eine zugewiesene, zumutbare Beschäftigung bei verschiedenen renommierten Gastronomie- und Hotelbetrieben in XXXX bzw. XXXX mit möglichem Arbeitsantritt 01.10.2019 anzunehmen. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. hätten nicht berücksichtigt werden können.
1.2. Gegen den unter Punkt 1.1. genannten Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus, dass er sich nicht geweigert habe, die Beschäftigung anzunehmen, sondern nur darauf hingewiesen habe, eine andere Stelle in Aussicht zu haben. Er hätte nichts dagegen, in XXXX zu arbeiten, was er auch schon einmal getan habe.
1.3. Mit Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 11.11.2019, GZ: 2019-0566-9-003786, wurde mit Spruchpunkt I. die Beschwerde des BF abgewiesen. Mit Spruchpunkt II. wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen. Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wurde ausgeführt, dass es sich bereits um die zweite Sanktion nach § 10 AlVG im letzten halben Jahr handle. 30 vom AMS bislang an den BF ausgefolgte Stellenangebote hätten zu keiner Aufnahme einer Beschäftigung geführt. Würde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommen, ginge der im öffentlichen Interesse liegende Sanktionscharakter verloren.
1.4. Mit Schreiben vom 15.11.2019 beantragte der BF fristgerecht die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wiederholte er sein Beschwerdevorbringen, brachte jedoch keine Argumente betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vor.
1.5. Am 22.11.2019 wurde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
1.6. Am 04.12.2019 und am 16.12.2016 langte jeweils ein ergänzender Schriftsatz zum Vorlageantrag beim Bundesverwaltungsgericht ein.
1.7. Am 27.12.2019 langte eine Vollmachtsbekanntgabe sowie ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht ein.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Feststellungen:
Das letzte länger währende Dienstverhältnis des BF dauerte vom 23.11.2009 bis 06.09.2011. Seitdem steht er - unterbrochen durch einige kurze Dienstverhältnisse, von denen keines länger als drei Monate dauerte - im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
Mit Bescheid des AMS vom 23.10.2019, GZ XXXX , wurde festgestellt, dass der BF für den Zeitraum vom 01.10.2019 bis 27.10.2019 den Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren hat. Nachsichtsgründe lagen - so das AMS - nicht vor bzw. konnten nicht berücksichtigt werden.
Gegen den Bescheid des AMS vom 23.10.2019 erhob der BF fristgerecht Beschwerde.
Mit Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 11.11.2019, GZ: 2019-0566-9-003786, wurde mit Spruchpunkt I. die Beschwerde des BF abgewiesen. Mit Spruchpunkt II. wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.
Mit Schreiben vom 15.11.2019 beantragte der BF fristgerecht die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht.
Der BF hat einen mit dem sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides verbundenen unverhältnismäßigen Nachteil nicht substantiiert dargetan.
2.2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts.
Die Feststellung bezüglich des Bezugs von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ergibt sich aus dem Bezugsverlauf des AMS.
Die Feststellung, dass der BF einen mit dem sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides verbundenen unverhältnismäßigen Nachteil nicht substantiiert dargetan hat, gründet sich auf das Beschwerdevorbringen des BF.
Zunächst ist dem BF zu entgegnen, dass das AMS in der Beschwerdevorentscheidung vom 11.11.2019 eine nachvollziehbare Interessenabwägung durchgeführt hat.
Seitens des BF wurden keine Gründe dargebracht, die bei Vornahme einer Interessenabwägung gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sprechen würden. Der Inhalt seiner Beschwerde, des Vorlageantrags sowie der Ergänzungen zum Vorlageantrag richtet sich ausschließlich inhaltlich gegen die Entscheidung des Verlustes des Anspruches auf Notstandshilfe.
2.3. Rechtliche Beurteilung:
2.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
2.3.2. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH vom 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.
Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 13 VwGVG K 12).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 11.04.2018, Ro 2017/08/0033, Folgendes ausgeführt:
"Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH vom 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat."
Wie bereits ausgeführt, erlaubt aber erst eine entsprechende Konkretisierung, die vom Antragsteller bzw. Beschwerdeführer glaubhaft darzutun ist, eine solche Interessenabwägung (vgl. dazu etwa VwGH 18.11.2003, AW 2003/17/0058). Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter - tunlichst ziffernmäßiger - Angaben über die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller bzw. Beschwerdeführer einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte (vgl. z.B. VwGH vom 11.03.1996, 96/17/0071; 27.06.1996, 96/17/0028; 10.08.2011, 2011/17/0028).
2.3.3. Der BF hat im vorliegenden Fall keinen ihn besonders treffenden Nachteil durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dargetan (siehe Beweiswürdigung), sondern richtet sich weitgehend inhaltlich gegen die Entscheidung des Verlustes des Anspruches auf Arbeitslosengeld.
Unter Berücksichtigung des im Rahmen eines Provisorialverfahrens eingeschränkten Prüfungsmaßstabes vermag das erkennende Gericht die Erwägungen der belangten Behörde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen. So hatte sich das AMS insbesondere darauf berufen, dass es sich bereits um die zweite Sanktion nach § 10 AlVG im letzten halben Jahr handle und 30 vom AMS bislang ausgefolgte Stellenangebote zu keiner Aufnahme einer Beschäftigung geführt hätten. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass das letzte länger währende Dienstverhältnis des BF vom 23.11.2009 bis 06.09.2011 dauerte und er seitdem - unterbrochen durch einige kurze Dienstverhältnisse, von denen keines länger als drei Monate dauerte - im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung steht.
Im Ergebnis erfolgte der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde somit zu Recht.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich vergleichbaren Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar zumal die Bestimmung des § 64 Abs. 2 AVG Vorbild für jene des § 13 Abs. 2 VwGVG war (vgl. Lehhofer, aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5ff.). Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es handelt sich bei der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Interessenabwägung vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Interessenabwägung, KonkretisierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W255.2225701.2.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020