TE Bvwg Beschluss 2020/1/22 W255 2211707-1

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Veröffentlicht am 22.01.2020
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Entscheidungsdatum

22.01.2020

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W255 2211707-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta HAIDNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 24.08.2018, VN XXXX , betreffend den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm. § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) beschlossen:

A) Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit

gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice XXXX zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

1. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF) steht seit 04.03.2015 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, unterbrochen durch eine Vielzahl an Krankengeldbezügen.

1.2. Der BF wurde am 08.08.2018 vom AMS XXXX (in der Folge: AMS) eine Stelle als Callcenter-Mitarbeiterin bei der XXXX zugewiesen.

1.3. Am 23.08.2018 nahm das AMS mit der BF eine Niederschrift betreffend die Nichtannahme bzw. dem Nichtzustandekommen der am 08.08.2018 zugewiesenen Beschäftigung auf.

Die BF erklärte hierbei, nach Belehrung über die Rechtsfolgen gemäß § 10 AlVG, dass sie sich schriftlich beworben habe, aber abgelehnt worden sei. Es wäre ihr gutes Recht gewesen, zu kritisieren, dass es sich um eine befristete Stelle handle. Außerdem habe es sich um eine Vollzeitstelle gehandelt, die BF wolle aber nur Teilzeit arbeiten.

1.4. Mit Bescheid des AMS vom 24.08.2018, VN XXXX , wurde festgestellt, dass die BF den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 14.08.2018 bis 24.09.2018 verloren habe. Die BF habe eine vom AMS zugewiesene, zumutbare Beschäftigung als Callcenter-Mitarbeiterin bei der XXXX mit möglichem Arbeitsantritt am 14.08.2018 vereitelt. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. hätten nicht berücksichtigt werden können.

1.5. Gegen den unter Punkt 1.4. genannten Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus, dass sie bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen habe, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nur maximal 30 Wochenstunden arbeiten könne. Sie habe um Anpassung in der Betreuungsvereinbarung gebeten. Eine solche Anpassung sei jedoch noch nicht erfolgt. Ihrer Ansicht nach hätten ihr keine Stellenangebote mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden mehr zugeteilt werden dürfen, dennoch sei dies jedoch geschehen. Auch das verfahrensgegenständliche Stellenangebot sei für 40 Wochenstunden gewesen. Sie gestehe zu, dass sie ihre Bewerbung unglücklich formuliert habe; sie habe sich zu diesem Zeitpunkt bereits massiv unter Druck befunden. Im Falle von Stress komme es bei der BF zu Überforderungssyndromen und ein "klares Denken" werde erschwert.

Der Beschwerde beigefügt war ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie XXXX vom 29.08.2018, aus welchem hervorgeht, dass die BF an Depression und Bornout-Syndrom leide, es bei Stress zu Überforderungssyndromen komme und sie daher nur im Ausmaß von 30 Wochenstunden arbeitsfähig sei.

1.6. Am 27.12.2018 wurde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlageschreiben führte das AMS aus, dass die BF bereits am 08.08.2018 von ihrem AMS-Betreuer zum BBRZ mit Termin am 21.11.2018 um 11:00 Uhr zugebucht worden sei. Es sei daher noch keine Beschwerdevorentscheidung getroffen worden. Die BF befinde sich allerdings seit 11.09.2018 bis dato im Krankenstand.

1.7. Mit Nachreichung zur Beschwerdevorlage vom 06.11.2019 übermittelte das AMS die seit der Weiterleitung neu hinzugekommenen Unterlagen.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2.1. Feststellungen:

Die BF steht seit 04.03.2015 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, unterbrochen durch eine Vielzahl an Krankengeldbezügen.

Zwischen der BF und dem AMS wurde am 08.08.2018 eine Betreuungsvereinbarung mit dem definierten Ziel, die BF bei der Suche nach einer Voll-/Teilzeitstelle als Büroangestellte bzw. erweitert um (Hilfs-)Tätigkeiten entsprechend den Zumutbarkeitsbestimmungen des § 9 AlVG in den Bezirken XXXX , zu unterstützen, abgeschlossen. Vor Erstellung dieser Betreuungsvereinbarung wurde seitens der BF gegenüber dem AMS mehrfach erwähnt, dass sie unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet und daher keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen kann. Im Aktenvermerk des AMS vom 21.02.2018 wurde seitens des AMS ua vermerkt: "ACHTUNG! Betreuungsvereinbarung muss ggf. angepasst werden! Arbeitszeit: 30-35 Stunden"

Der BF wurde durch das AMS am 08.08.2018 die verfahrensgegenständliche, befristete Stelle als Callcenter-Mitarbeiterin beim Dienstgeber XXXX im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung (Arbeitszeit 08:00 Uhr bis 17:00 Uhr) und mit kollektivvertraglicher Entlohnung zugewiesen.

Die BF hat sich per Email für die verfahrensgegenständliche Stelle beworben. In ihrem Bewerbungsmail führte sie aus, sie auf der Suche nach einer Teilzeitstelle im Ausmaß von 30 Wochenstunden sei. Zudem kritisierte sie, dass es sich um ein befristetes Dienstverhältnis handle.

Eine Untersuchung der BF im BBRZ hat bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht stattgefunden.

Mit Bescheid des AMS vom 24.08.2018, VN: XXXX , wurde festgestellt, dass die BF den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 14.08.2018 bis 24.09.2018 verloren hat.

Gegen den Bescheid des AMS vom 24.08.2018, VN XXXX , erhob die BF fristgerecht Beschwerde.

Aus einem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie XXXX vom 29.08.2018, geht hervor, dass die BF nach Ansicht des genannten Facharztes an Depression und Bornout-Syndrom leidet, es bei Stress zu Überforderungssyndromen kommt und sie daher nur im Ausmaß von 30 Wochenstunden arbeitsfähig ist.

In dem vom AMS geführten Verfahren wurden seitens des AMS notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen. Insbesondere führte das AMS keine ausreichenden Ermittlungen hinsichtlich der Zumutbarkeit der Arbeitsstelle durch. Die durchgeführten Ermittlungen des AMS reichen nicht ansatzweise für eine Entscheidung über den vorliegenden Sachverhalt aus.

2.2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts.

Es ist unstrittig, dass der BF am 08.08.2018 eine Stelle als Callcenter-Mitarbeiterin bei der XXXX zugewiesen wurde. Ebenso unstrittig ist, dass sich die BF per Email für die Stelle beworben hat, sie in diesem Email kritisierte, dass es sich um eine befristete Stelle handle und sie ausführte, dass sie auf der Suche nach einer Teilzeitstelle sei.

Der Umstand, dass die BF am 08.08.2018 von ihrem AMS-Betreuer zum BBRZ mit Termin am 21.11.2018 zugebucht wurde, ergibt sich unzweifelhaft aus einem Vermerk des AMS vom 08.08.2018.

Das Unterlassen notwendiger Ermittlungen des Sachverhaltes durch das AMS kommt insbesondere im Vorlageschreiben des AMS vom Dezember 2018 zum Ausdruck. Das AMS schreibt selbst, dass die BF bereits am 08.08.2018 von ihrem AMS-Betreuer zum BBRZ mit Termin am 21.11.2018 zugebucht worden sei. Eine Nachfrage beim AMS kurz vor Erlassung der gegenständlichen Entscheidung ergab, dass die BF bis heute keiner Untersuchung unterzogen wurde. Dabei ist zu betonen, dass das AMS aufgrund mehrfacher Erwähnung seitens der BF gegenüber dem AMS bereits vor Erlassen des Bescheides vom 24.08.2018 über gesundheitliche Probleme der BF Bescheid wusste, zumindest einer der Betreuer der BF beim AMS in einem Aktenvermerk vom 21.02.2018 festhielt, dass in einer Betreuungsvereinbarung die Suche einer Stelle mit einer Arbeitszeit von "nur" 30-35 Stunden vermerkt (angepasst) werden sollte und das AMS daher diesbezügliche Ermittlungsschritte setzen hätte müssen.

2.3. Rechtliche Beurteilung:

2.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

Zu A) Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung:

2.3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2017/24, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

1) wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11).

§ 28 Abs. 3. zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Aus der Judikatur des VwGH zur vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung, d.h. im Tatsachenbereich, zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen und dass die verfahrensrechtliche Möglichkeit einer Rückverweisung nur ausnahmsweise möglich sein soll und hinsichtlich der Voraussetzungen der Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG streng zu prüfen ist (vgl. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0168; VwGH vom 26.01.2011, 2009/07/0094).

Gemäß des Erkenntnisses des VwGH vom 28.03.2008, 2005/12/01878, zu § 66 Abs. 2 AVG ist eine Zurückverweisung nach dieser Norm nur dann zulässig, wenn die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne dieser zitierten Norm kann sich dabei immer nur im Tatsachenbereich stellen, wobei es allerdings nicht maßgebend ist, ob eine Verhandlung im kontradiktorischen Sinn oder nur eine Vernehmung der Partei erforderlich ist. Die Voraussetzung für eine Kassation nach § 66 Abs. 2 AVG ist daher auch dann erfüllt, wenn zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nur die Vernehmung einer Partei erforderlich ist.

In seinem Erkenntnis vom 20.02.2014, 2013/09/0166-10, zu einem Sachverhalt nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz stellte der VwGH zum Umfang der Ermittlungspflicht der belangten Behörde Folgendes fest:

"Gemäß § 60 AVG (...) sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (§§ 37 ff AVG), die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (...). Die genannte Zusammenfassung wird in Bezug auf die Beweiswürdigung kurz ausfallen können, wenn keine einander widersprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorliegen. Bei Widersprüchen zwischen den Behauptungen und Angaben der Verfahrensparteien und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es aber einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung der Behörde auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit überprüfen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. 05.2005, 2002/08/0106). Nicht oder unzureichend begründete Bescheide hindern den Verwaltungsgerichtshof seiner Rechtskontrollaufgabe, wie sie in § 41 Abs. 1 VwGG zum Ausdruck kommt, insoweit zu entsprechen, als derartige Bescheide inhaltlich auch keine Überprüfung "auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes" zulassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26.02.2009, 2007/09/0088, mwN).

Damit stellt der Verwaltungsgerichtshof den Umfang der Ermittlungspflicht der belangten Behörde ausführlich dar.

2.3.3. Im vorliegenden Fall hat es das AMS unterlassen, hinreichende Ermittlungen bezüglich der Zumutbarkeit des Stellenangebots durchzuführen. Die BF wurde bereits am 08.08.2018 von ihrem AMS-Betreuer zum BBRZ mit Termin am 21.11.2018 zugebucht und wusste das AMS sohin vor Erlassen des Bescheides vom 24.08.2018 über gesundheitliche Probleme der BF Bescheid. Zudem wurde seitens der BF wiederholt gegenüber dem AMS auf ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen hingewiesen. Aus einem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie XXXX vom 29.08.2018, geht hervor, dass die BF an Depression und Bornout-Syndrom leide, es bei Stress zu Überforderungssyndromen komme und sie daher nur im Ausmaß von 30 Wochenstunden arbeitsfähig sei.

Macht die arbeitslose Person gesundheitliche Einschränkungen geltend, die sie für die zugewiesene Beschäftigung unter Umständen als nicht geeignet erscheinen lassen könnten, besteht die Verpflichtung der regionalen Geschäftsstelle, dies durch die Veranlassung entsprechender Untersuchungen und durch die Einholung von Gutachten zu klären (vgl. Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz, 15. Lfg (März 2018), § 9, Rz 225). Das AMS hätte daher ermitteln müssen, ob die zugewiesene Stelle in Hinblick auf die körperlichen Fähigkeiten der BF zumutbar ist und ob hierdurch ihre Gesundheit gefährdet wird.

In der Beschwerdevorlage des AMS vom Dezember 2018 bestätigt das AMS selbst, dass die BF am 08.08.2018 zum BBRZ mit Termin am 21.11.2018 zugebucht worden sei, daher noch keine Beschwerdevorentscheidung erlassen worden sei, die BF sich jedoch seit 11.09.2018 bis dato durchgehend im Krankenstand befinde. Der Umstand, dass sich die BF im Krankenstand befindet, vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass es dennoch Aufgabe des AMS gewesen wäre, Ermittlungen zum Gesundheitszustand der BF sowie zur Zumutbarkeit der zugewiesenen Stelle in Bezug auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen durchzuführen.

Es ist in erster Linie die Aufgabe des AMS, zum Zeitpunkt seiner Entscheidung den maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln und diese Aufgabe nicht etwa an die Rechtsmittelinstanz auszulagern. Es kann nicht festgestellt werden, dass der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

Es war somit der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides - nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens - an das Arbeitsmarktservice XXXX zurückzuverweisen.

2.3.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Im vorliegenden Beschwerdefall nimmt das Bundesverwaltungsgericht von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG Abstand, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid "aufzuheben" war. Dieser Tatbestand ist auch auf Beschlüsse zur Aufhebung und Zurückverweisung anwendbar (vgl. zur gleichartigen früheren Rechtslage Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 22). Bei der Ermessensübung war dabei auch ausschlaggebend, dass es der Prozessökonomie und dem Sinn der gesetzlichen Ermächtigung zur Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG jedenfalls entspricht, dass der Aufhebungsbeschluss gefasst wird, wenn sich die grobe Ermittlungslücke bereits aus der Aktenlage und damit noch vor Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergibt. Die Abstandnahme von der Verhandlung steht diesfalls nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 18.725/2009) auch im Einklang mit dem einschlägigen Grundrecht nach Art. 6 EMRK (und folglich auch dem insofern - zufolge Art. 52 Abs. 3 GRC - mit gleichen Rechtsfolgen ausgestatteten Art. 47 GRC).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In der rechtlichen Beurteilung zu Punkt A) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des VwGH ausgeführt, dass im erstinstanzlichen Verfahren notwendige Ermittlungen und Feststellungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil § 28 Abs. 3 zweiter Satz inhaltlich § 66 Abs. 2 AVG (mit Ausnahme des Wegfalls des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) entspricht und die Judikatur des VwGH betreffend die Zurückweisung wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlung heranzuziehen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen Regelung (vgl. OGH vom 22.03.1992, 5 Ob 105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Gesundheitszustand, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Zumutbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W255.2211707.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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