TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/22 W239 2226236-1

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Veröffentlicht am 22.01.2020
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Entscheidungsdatum

22.01.2020

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W239 2226236-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 15.10.2019, Zl.° XXXX , aufgrund des Vorlageantrages von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 19.07.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte am 12.03.2019 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (in der Folge: ÖB Islamabad) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß §°35 Abs. 1 AslyG 2005.

Als Bezugsperson wurde ihr angeblicher Ehegatte XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, genannt, dem mit Bescheid vom 22.10.2018 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Österreich zuerkannt wurde.

Dem Antrag waren folgende Dokumente beigelegt:

Die Beschwerdeführerin betreffend:

-

Reisepass

-

Auszug aus dem Einwohnerregister

-

Eheschließungsurkunde

Die Bezugsperson betreffend:

-

Karte für subsidiär Schutzberechtigung

-

Bescheid, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde

-

e-card

-

Meldebestätigung

-

Versicherungsdatenauszug

-

Mietvertrag

-

Verdienstnachweis

Beim Interview im Zuge der Antragstellung gab die Beschwerdeführerin vor der ÖB Islamabad unter anderem an, bei der Hochzeit 12 oder 13 Jahre alt gewesen zu sein. Weiters erklärte sie, dass es in ihrem Dorf üblich sei, von den Vätern sehr jung verheiratet zu werden; ihr Ehemann habe ihren Vater gefragt und dieser habe der Hochzeit zugestimmt. Sie habe vor 13 Jahren geheiratet, ihr Ehemann sei 38 Jahre alt und habe vier Kinder aus erster Ehe, die zwischen 16 und 20 Jahre alt seien. Nach ihrer Hochzeit sei ihr Ehemann für ein paar Nächte geblieben und habe dann wieder zur Armee zurück müssen. Nach einem Jahr sei er sie besuchen gekommen und sei für zwei Nächte geblieben. Sie habe schon sehr lange nicht mehr mit ihrem Ehemann gesprochen, zuletzt vor einem Jahr. Da habe er sie in Pakistan besucht; das sei auch der letzte Kontakt zu ihm gewesen.

2. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 02.04.2019 führte das BFA aus, dass betreffend die Beschwerdeführerin die Gewährung des Status einer Asylberechtigten oder einer subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits vor Einreise der Bezugsperson bestanden habe, weshalb die Beschwerdeführerin keine Familienangehörige im Sinn des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 sei (§ 35 Abs. 5 AsylG 2005); die behauptete Gültigkeit der Ehe liege nicht vor, da diese gegen den ordre public-Grundsatz verstoße (Doppelehe, Zwangsehe, Kinderehe, Stellvertreter- bzw. Telefonehe); es liege kein tatsächliches Familienleben iSd Art. 8 EMRK (§ 30 NAG) vor. Weiteres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.

In der Stellungnahme vom selben Tag (02.04.2019) führte das BFA aus, dass die Beschwerdeführerin eine Heiratsurkunde, ausgestellt am 14.12.2017, vorgelegt habe. Laut dieser Urkunde sei die Ehe im Jahr 2005 geschlossen worden. Die Bezugsperson habe in ihrer Erstbefragung im Jahr 2011 jedoch angegeben, ledig zu sein. Danach habe die Bezugsperson angegeben, verwitwet zu sein; erst in einer der folgenden Befragungen habe die Bezugsperson angegeben, verheiratet zu sein. Sollte die Ehe - wie in der Heiratsurkunde angegeben - bereits im Jahr 2005 geschlossen worden sein, hätte die Bezugsperson das bereits in der Einvernahme vor der Polizei angeben können bzw. müssen. Sollte allerdings diese Ehe tatsächlich zu diesem Zeitpunkt stattgefunden haben, habe die Beschwerdeführerin in der Befragung bei der ÖB Islamabad angegeben, damals erst 12 oder 13 Jahre alt gewesen zu sein. Dies würde bedeuten, dass es sich um eine Kinderehe handle, welche in Österreich gegen den ordre public-Grundsatz verstoße und somit keine Gültigkeit besitze. Selbst die Tazkira der Beschwerdeführerin sowie die Heiratsurkunde könnten nicht dazu beitragen, die Zweifel auszuräumen, da die Angaben der Beschwerdeführerin im Widerspruch mit dem Inhalt der vorgelegten Urkunden stünden. Sie habe angegeben, sie sei 27 oder 28 Jahre alt; laut ihrer Geburtsurkunde sei sie allerdings schon 30 Jahre alt. Zudem sei es ohne weiteres möglich, im Herkunftsland der Beschwerdeführerin jegliches Dokument mit jeglichem Inhalt widerrechtlich zu erwerben.

Auch ein Familienleben im Herkunftsstaat habe nicht nachgewiesen werden können. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Befragung bei der ÖB Islamabad angegeben, nach der Hochzeit leidglich ein paar Nächte mit ihrem Ehemann verbracht zu haben; er habe sie dann erst ein Jahr später wieder für zwei Nächte besucht. Des Weiteren habe auch kein aufrechtes Familienleben festgestellt werden können, da die Beschwerdeführerin angegeben habe, schon seit einem Jahr nicht mehr mit ihrem Mann gesprochen zu haben und lediglich über die Söhne (aus erster Ehe) ihres Mannes Informationen zu erhalten.

Mit Schreiben vom 17.04.2019, versandt am 10.05.2019, wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit gegeben, dazu eine Stellungnahme abzugeben (Parteiengehör).

3. Mit Stellungnahme vom 27.05.2019 führte der angebliche Ehegatte im Namen der Beschwerdeführerin Folgendes aus: Er habe bereits in seinem Asylverfahren angegeben, dass er kurz nach dem Tod seiner ersten Frau im Jahr 2005 seine jetzige Frau geheiratet habe. Die Beschwerdeführerin sei XXXX geboren. Hinsichtlich seiner Angaben vor der Polizei verweise er auf die bereits gemachten Erklärungen in seinem Asylverfahren und auch auf seine psychische Situation; es sei damals eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden.

Auch aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der im Jahr 2017 ausgestellten Heiratsurkunde, die auf die Eheschließung im Jahr 2005 Bezug nehme, ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin bei der Heirat 17 Jahre alt gewesen sei und laut Reisepass am 26.05. 31 Jahre alt werde. Die Beschwerdeführerin sei nicht in die Schule gegangen, könne nicht lesen und schreiben und sei auch nicht mit dem Kalender vertraut, weshalb sie keine genauen Angaben insbesondere zu ihrem Alter machen könne.

Auch sei nicht richtig, dass sie nach der Hochzeit lediglich ein paar Nächte miteinander verbracht hätten; die Beschwerdeführerin habe hier offenbar "etwas falsch verstanden". Die vorgelegten Dokumente seien echt und nicht widerrechtlich erlangt worden. In Bezug auf die angezweifelte Echtheit der vorgelegten Urkunden hätten von der Behörde alle möglichen Ermittlungsschritte ausgeschöpft werden müssen, um bestehende Bedenken zu beseitigen. Stattdessen habe die Behörde unkonkrete, infundierte und pauschalierte Mutmaßungen angestellt.

Die Ehe sei jedenfalls nach afghanischem Recht gültig, da das afghanische Zivilgesetzbuch beim Mann das vollendete 18 Lebensjahr und bei der Frau das vollendete 16 Lebensjahr vorsehe. Gemäß § 6 IPRG sei eine Bestimmung fremden Rechts nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar sei. Von dieser Ausnahme sei gemäß der Rechtsprechung des VwGH sparsamster Gebrauch zu machen. Keinesfalls sei ein Abweichen von zwingenden österreichischen Vorschriften bereits ein ordre public-Verstoß. Das Verbot der Kinderehe diene vor allem dazu, minderjährigen Personen, die die notwendige Reife nicht besitzen würden, vor einer Zwangsehe und damit verbundener sexueller Ausbeutung, Gewalt und Zwangsarbeit zu schützen. Dies sei in diesem Verfahren nicht der Fall. Die Ehe sei aus freiem Willen geschlossen worden, die Beschwerdeführerin sei damals schon 17 Jahre alt und reif für die Ehe gewesen und es hätten ihre Eltern, als gesetzliche Vertreter, der Ehe zugestimmt. Dies sei sowohl mit der afghanischen als auch mit der österreichischen Rechtsordnung vereinbar. Sie hätten damals eine gültige Ehe geschlossen und inzwischen sei seine Frau längst volljährig und wolle das Familienleben in Österreich fortsetzen.

Ein weiteres Missverständnis sei, dass seine Frau angegeben habe, schon seit einem Jahr nicht mehr mit ihm gesprochen zu haben und lediglich über die Söhne aus der ersten Ehe Informationen erhalten zu haben. Dies sei nicht richtig. Er sei im Dezember 2017 auf Urlaub in Pakistan gewesen und habe seine Frau getroffen und ihr geholfen, eine Operation zu bekommen. Sie hätten selbstverständlich laufend Kontakt. Im Dorf, in dem die Beschwerdeführerin wohne, gebe es kein Signal zum Telefonieren. Deshalb müsse sein Sohn in die Stadt fahren, um Kontakt mit ihr herzustellen. Dort werde dann ausgemacht, wann seine Frau in die Stadt kommen solle, damit sie mit ihm über den "Messenger"-Kontakt seines Sohnes telefonieren könne. Sie hätten ungefähr jede Woche Kontakt und würden miteinander telefonieren. Es liege daher sehr wohl ein entsprechendes Familienleben vor.

4. Nach eingelangter Stellungahme der Beschwerdeführerin prüfte das BFA den Antrag erneut, erließ am 28.06.2019 eine (neuerliche) Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 und teilte abermals mit, dass die Gewährung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten oder einer Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei.

In der Stellungnahme vom selben Tag (28.06.2019) verwies das BFA auf die Stellungnahme vom 02.04.2019 und führte betreffend die Stellungnahme der Beschwerdeführerin aus, dass die Bezugsperson nicht bei der Erstbefragung am 23.06.2011, sondern erst ein Jahr später bei der Befragung durch die Polizei zum Folgeantrag angegeben habe, verheiratet zu sein. Unmittelbar nach seiner Einreise habe die Bezugsperson angegeben, mit einer Frau namens XXXX verlobt zu sein, welche dann im Zuge der Einvernahme vor dem damaligen Bundesasylamt als seine bereits verstorbene Ehefrau bezeichnet worden sei. Konkret auf diese Unstimmigkeit angesprochen, habe die Bezugsperson lediglich gesagt, dass das falsch aufgeschrieben worden sei und sicher nicht von einer Verlobten gesprochen worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Bezugsperson zu diesem Zeitpunkt nicht in den Sinn gekommen sei, zu erwähnen, dass bereits eine neue Ehe geschlossen worden sei. Außerdem sei nach wie vor davon auszugehen, dass es sich - sollte die Ehe tatsächlich im Jahr 2005 geschlossen worden sein - um eine Kinderehe handle und diese gegen den in Österreich geltenden ordre public-Grundsatz verstoße.

Die Bezugsperson habe selbst bei einer Befragung durch die Polizei am 02.06.2014 das Alter der Beschwerdeführerin mit ca. 24 Jahren angegeben. Erst nachdem der Beschwerdeführerin offenbar am 09.08.2015 eine Geburtsurkunde ausgestellt worden sei, wonach sie im Jahr 2015 angeblich 27 Jahre alt gewesen sei, habe die Bezugsperson das Geburtsjahr in einer Befragung vor dem BFA genau angegeben. Es sei amtsbekannt, dass Geburtsurkunden in Afghanistan lediglich aufgrund einer Schätzung ausgestellt würden und diese dadurch nie den vollen Beweiswert entfalten könnten. Des Weiteren sei es untypisch für ein solches Dokument, dass ein konkretes Datum genannt werde, im Falle der Beschwerdeführerin der XXXX . Dieser Umstand und die Tatsache, dass die Dokumente lediglich in Kopie vorgelegt worden seien und zu einem viel späteren Zeitpunkt als dem tatsächlichen Ereignis - nämlich Hochzeit und Geburt der Beschwerdeführerin - ausgestellt worden seien, mache es der Behörde unmöglich, die Dokumente auf ihre Echtheit zu überprüfen. In der Befragung bei der ÖB Islamabad habe die Beschwerdeführerin angegeben, etwa 27 oder 28 Jahre alt zu sein und im Alter von etwa 12 oder 13 Jahren geheiratet zu haben. Bei ihrer Befragung habe die Beschwerdeführerin sehr wohl zeitliche Zusammenhänge herstellen können; dass sie nicht zur Schule gegangen sei und deshalb grundsätzlich keine genauen zeitlichen Angaben machen könne, sei daher nicht richtig.

Bezüglich des Familienlebens wurde ausgeführt, dass die Angaben der Beschwerdeführerin durchaus glaubwürdig seien, da es keiner besonderen Bildung bedürfe, um beantworten zu können, wie oft man seinen Ehemann gesehen habe.

5. Mit Bescheid der ÖB Islamabad vom 19.07.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Einreisetitels abgewiesen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Beschwerdeführerin die in der Aufforderung zur Stellungnahme dargelegten Bedenken nicht entkräften habe können.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in der erneut geltend gemacht wurde, dass die Beschwerdeführerin die Ehefrau der Bezugsperson sei, der in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei.

Als Begründung wurde auf die zuvor eingebrachte Stellungnahme verwiesen und ausgeführt, dass eine tatsächliche Auseinandersetzung mit dieser nicht stattgefunden habe. Außerdem sei der Beschwerdeführerin die Mitteilung des BFA vom 28.06.2019 und die dazugehörige Stellungnahme mit der neuerlichen negativen Wahrscheinlichkeitsprognose nicht zur Kenntnis gebracht worden und sei der Bescheid deshalb mit einem wesentlichen Verfahrens- und Begründungsmangel behaftet. In der ihnen nicht zur Kenntnis gebrachten Stellungnahme des BFA vom 28.06.2019 sei zur vorgelegten Geburtsurkunde insbesondere ausgeführt worden, es sei untypisch für ein solches Dokument, dass ein konkretes Datum genannt werde. Hier sei jedenfalls anzumerken, dass in der Geburtsurkunde selbst kein genaues Datum angegeben worden sei; ein genaues Datum befinde sich nur in ihrem Reisepass. Zudem sei ausgeführt worden, dass die Dokumente lediglich in Kopie vorgelegt worden seien und zu einem viel späteren Zeitpunkt als dem tatsächlichen Ereignis ausgestellt worden seien. Es werde hier jedoch nicht berücksichtigt, dass seitens der ÖB Islamabad auf dem Antrag vermerkt worden sei, dass das BFA die Dokumente gegebenenfalls in Österreich einsehen könne und die ÖB Islamabad in weiterer Folge kein weiteres Parteiengehör gewährt habe und dieses Missverständnis, dass nur Dokumente in Kopie vorliegen würden, somit nicht aufgeklärt werden habe können. Wäre das Parteiengehör gewährt worden, hätte darauf hingewiesen werden können, dass sich die Originalurkunde in Österreich bei der Bezugsperson befinde. Da die Behörde die individuelle Situation trotz ausführlicher Stellungnahme nicht berücksichtigt habe und kein Parteiengehör zur Mitteilung vom 28.06.2019 gewährt worden sein und auch keinerlei Abwägung nach Art. 8 EMRK aus der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose oder dem Bescheid erkennbar sei, würden wesentliche Verfahrensmängel vorliegen und sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft geführt worden, weshalb der Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet sei.

Der Beschwerde beigefügt waren die Übersetzungen folgender Dokumente in deutscher Sprache:

-

Bestätigung der Ehe

-

Personalausweis/Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson

7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 15.10.2019 wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab; dies nach Wiederholung des Verfahrensganges und im Wesentlichen mit Verweis auf die Bindungswirkung der Vertretungsbehörde an die Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA.

Festgehalten wurde, durch den Umstand, dass das BFA in seiner Stellungnahme ausführlich auf die offensichtlichen Widersprüche und Ungereimtheiten hinsichtlich der angeblichen Eheschließung eingegangen sei, sei die Beweiswürdigung des BFA nicht zu beanstanden; die ÖB Islamabad teile die Auffassung des BFA über das Nichtvorliegen der Familieneigenschaft nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005. Die vorgelegte afghanische Heiratsurkunde vom 14.12.2017 bestätige die an diesem Tag vor einem Gericht erstatteten Aussagen von drei namentlich genannten Zeugen in Anwesenheit von weiteren zwei namentlich genannten Zeugen, wonach die 2005 erfolgte Eheschließung der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson bezeugt werde. Die Beweiskraft derartiger allein auf Zeugenaussagen basierender Urkunden sei allerdings gering, weil der Wahrheitsgehalt solcher Zeugenaussagen vor Ausstellung der Urkunden nicht überprüft werde, afghanische Personalstandsurkunden unwahren Inhalts weit verbreitet seien und derartige Dokumente von den afghanischen Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt werden würden. Mangels unbedenklicher Urkunden, die geeignet seien, den behaupteten Eheschluss und somit das rechtsgültige Bestehen der Ehe bereits im Herkunftsstaat zweifelsfrei zu beweisen, könne die Beschwerdeführerin somit zu Recht nicht als Ehegattin der angegebenen Bezugsperson betrachtet werden.

8. Am 13.11.2019 stellte die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Vertretung gemäß § 15 VwGVG einen Vorlageantrag.

9. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 02.12.2019, eingelangt am 06.12.2019, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte am 12.03.2019 bei der ÖB Islamabad einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach §°35 Abs. 1 AsylG 2005. Das konkrete Geburtsdatum der Beschwerdeführerin, insbesondere das Geburtsjahr, kann trotz vorgelegter Urkunden (Reisepass, Geburtsurkunde) nicht zweifelsfrei festgestellt werden.

Als Bezugsperson wurde der angebliche Ehegatte XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, genannt, dem mit Bescheid vom 22.10.2018 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Österreich zuerkannt wurde.

Der Beweis des Vorliegens einer Ehe bzw. eines rechtlich relevanten Verwandtschaftsverhältnisses der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson vor dessen Ausreise konnte im gegenständlichen Verfahren nicht erbracht werden.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen zum Verfahrensgang ergeben sich zweifelsfrei aus den Akten der ÖB Islamabad sowie aus dem Verwaltungsakt zum Asylverfahren der Bezugsperson und wurden nicht in substantiierter Weise bestritten.

Dass das konkrete Geburtsdatum der Beschwerdeführerin trotz vorgelegter Dokumente nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, liegt an den aufgetretenen Widersprüchen bzw. Ungereimtheiten zwischen den Angaben in den Dokumenten und den Angaben der Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Antragstellung vor der ÖB Islamabad am 12.03.2019 sowie den Angaben der Bezugsperson in deren Asylverfahren. Aus dem vorgelegten Reisepass ist der XXXX als Geburtsdatum zu entnehmen, als Ausstellungsdatum ist der 11.02.2018 angeführt. Bei ihrer Befragung vor der ÖB Islamabad gab die Beschwerdeführerin aber an, ihr Geburtsdatum nicht zu kennen, obwohl sie damals bereits im Besitz dieses Reisepasses war. Auch gab die Bezugsperson bei ihrer Erstbefragung zum Folgeantrag am 02.06.2014 an, dass die Beschwerdeführerin etwa 24 Jahre alt sei. Damit wäre sie im Jahr 1990 geboren, was ebenso wenig mit den Angaben in der Dokumenten in Einklang steht. Aufgrund dieser Widersprüche ist an der Echtheit bzw. der Richtigkeit des Inhaltes der vorgelegten Urkunden im höchsten Maße zu zweifeln.

Dem Einwand in der Stellungnahme, dass die Beschwerdeführerin keine Schulbildung besitze und daher keine zeitlichen Angaben machen könne, ist nicht zu folgen, da sie im Zuge ihrer Befragung sehr wohl des Öfteren zeitliche Angaben machte. So gab die Beschwerdeführerin vor der ÖB Islamabad an, dass sie etwa 27 oder 28 Jahre alt sei und dass sie vor 13 Jahren geheiratet habe; folgt man diesen Angaben, so hat die Eheschließung im Jahr 2006 stattgefunden - und nicht wie in der Urkunde angegeben im Jahr 2005 - und war die Beschwerdeführerin damals 12 bzw. 13 Jahre alt. Dies deckt sich auch mit ihren eigenen Angaben und dem Beisatz, dass es in ihrem Dorf üblich gewesen sei, dass Töchter so jung von ihren Vätern verheiratet würden; ihr Ehemann habe den Vater gefragt und dieser habe zugestimmt. Für die Richtigkeit der Aussagen der Beschwerdeführerin vor der ÖB Islamabad spricht auch, dass sie dort völlig korrekt angab, dass die Bezugsperson, die im Jahr XXXX geboren wurde, 38 Jahre alt sei. Es ist nicht plausibel zu argumentieren, aus welchem Grund die Beschwerdeführerin aufgrund fehlender Schulbildung angeblich hinsichtlich ihrer eigenen Person keine zeitlichen Angaben machen können sollte, hinsichtlich der Bezugsperson aber schon.

Auch auf die Angaben der Bezugsperson im Laufe ihres Asylverfahrens ist einzugehen und sind diese zur Beweiswürdigung heranzuziehen. So gab die Bezugsperson bei ihrer Erstbefragung am 23.06.2011 an, ledig zu sein. Erst in der Erstbefragung zum Folgeantrag am 02.06.2014 gab sie an, verheiratet zu sein. Wäre die Ehe - wie in der Heiratsurkunde angegeben - bereits im Jahr 2005 geschlossen worden, hätte die Bezugsperson dies bei ihrer Erstbefragung am 23.06.2011 angeben können bzw. müssen. Die Angaben bzw. das Verhalten der Bezugsperson in ihrem Asylverfahren sind somit ein wesentliches Indiz dafür, dass tatsächlich in Afghanistan keine Ehe zwischen der Bezugsperson und der Beschwerdeführerin geschlossen wurde.

Nur ergänzend ist auszuführen, dass selbst im Falle, dass in Afghanistan im Jahr 2005 tatsächlich eine Eheschließung zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson stattgefunden habe, diese als eine in Österreich nicht gültige Kinderehe zu qualifizieren ist (vgl. dazu die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung).

Die Beschwerdeführerin konnte somit nicht unter Beweis stellen, dass sie vor der Ausreise der Bezugsperson aus dem Herkunftsstaat Afghanistan sowie vor der Einreise nach Österreich eine nach staatlichem Recht gültige Ehe mit dieser geschlossen hatte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§§ 11, 11a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§ 2 Abs. 4 Z 13a) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

§ 35 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

"Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 6 und 16) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten wie folgt:

"Vorbehaltsklausel (ordre public)

§ 6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.

§ 16. (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.

(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des BFA) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen. Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).

Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung (nunmehr) des BFA über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des BFA noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige BFA die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe zu dem Ganzen BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1 ua).

Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG), BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, weil die Prognose des BFA nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend ist:

Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß §°35°Abs.°1 AsylG 2005 gestellt; als Bezugsperson wurde der in Österreich subsidiär Schutzberechtigte angebliche Ehegatte der Beschwerdeführerin genannt. Es bestehen jedoch gravierende Zweifel am Vorliegen einer in Afghanistan geschlossenen und in Österreich gültigen Ehe.

Die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer rechtsgültigen Ehe ist im gegenständlichen Fall unter Heranziehung der entsprechenden afghanischen Bestimmungen zu lösen, zumal die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen ist, wobei die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung genügt. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nur dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist.

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, konnte das Vorliegen einer in Afghanistan geschlossenen gültigen Ehe nicht festgestellt werden, da die Angaben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson mit den vorgelegten Urkunden nicht übereinstimmen (vgl. dazu die Ausführungen oben).

Selbst wenn man aber hinsichtlich des Datums der Eheschließung der vorgelegten afghanischen Heiratsurkunde folgen und davon ausgehen wollte, dass die behauptete Ehe nach afghanischem Recht gültig zustande gekommen wäre, kann daraus für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen werden, da diesfalls eine Kinderehe vorliegt und eine solche mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Auch laut eigenen Angaben war die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der behaupteten Eheschließung erst 12 bzw. 13 Jahre alt. Nach österreichischem Recht ist eine Ehe, die von einer 12 bzw. 13-Jährigen geschlossen wird, mangels vorliegender Ehemündigkeit keinesfalls gültig.

Der Oberste Gerichtshof hat jeweils unter Verweis auf Art. 16 Haager Minderjährigenschutzabkommen und § 6 IPRG in seinen Entscheidungen zu den Zahlen 7 Ob 600/86, 9 Ob 34/10f und 6 Ob 138/13g dargelegt, dass außerhalb der verfassungsrechtlich geschützten Grundwertungen etwa die Einehe, das Verbot der Kinderehe und des Ehezwanges, der Schutz des Kindeswohles im Kindschaftsrecht oder das Verbot der Ausbeutung der wirtschaftlichen und sozial schwächeren Partei zum Inhalt der geschützten Grundwertungen des österreichischen Rechts zählen.

Es ist daher im gegenständlichen Verfahren davon auszugehen, dass keine rechtskonforme Ehe gemäß dem Internationalen Privatrechtsgesetz mit einem subsidiär Schutzberechtigten in Österreich besteht. Nach § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechtes dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Eine Kinderehe widerspricht eindeutig den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung, und folgt aus § 6 IPRG, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete, in Afghanistan geschlossene Ehe hier keinen Rechtsbestand hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt bei einem ähnlichen Sachverhalt in Bezug auf eine traditionell nach islamischem Recht geschlossene Ehe in seiner Entscheidung vom 11.10.2016, Ra 2016/01/0025 bis 0026-11 die Revision gegen eine Entscheidung, in welcher eine "Ehe auf Zeit" als dem ordre public im Sinne des § 6 IPRG widersprechend angesehen wurde, zurückgewiesen.

Auch aus der Entscheidung des EGMR vom 08.12.2009 (Case of Munoz Diaz vs. Spain, No. 49.151/07) geht hervor, dass keine Verpflichtung besteht, Eheschließungen auf Grundlage fremder Rechtsordnungen anzuerkennen, die den Grundwerten der nationalen Rechtsordnung widersprechen.

Da die belangte Behörde über den gegenständlichen Einreiseantrag ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, kam sie aufgrund der zutreffenden Mitteilung des BFA, wonach die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an die Beschwerdeführerin in Bezug auf den in Österreich befindlichen angeblichen Ehemann nicht wahrscheinlich sei, zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen.

Hinsichtlich der Rüge in der Beschwerde, es sei nicht ausreichend auf Art. 8 EMRK Rücksicht genommen worden, ist Folgendes auszuführen: Die Regelung des Art. 8 EMRK schreibt keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa Familienangehörigen von Asylberechtigten unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 46 NAG ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus" erteilt werden).

Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z.B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.

Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Ehe, Einreisetitel, Familienangehöriger, Gültigkeit, Kinderehe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W239.2226236.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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