Entscheidungsdatum
23.01.2020Norm
AuslBG §12bSpruch
W151 2185356-2/10E
W151 2185679-2/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mag. Sandra HUBER und den fachkundigen Laienrichter Sascha ERNSZT als Beisitzer über die Beschwerden des Erstbeschwerdeführers XXXX , sowie des Zweitbeschwerdeführers XXXX , beide vertreten durch Mag. Alexander Henker, Rechtsanwalt, Lainzer Straße 53, 1130 Wien, gegen die Bescheide des Arbeitsmarktservice Tulln an der Donau, XXXX , vom 11.01.2019 betreffend die Versagung der Zulassung des Zweitbeschwerdeführers als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Den Beschwerden wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Vorverfahren:
1.1. Herr XXXX (im Folgenden Zweitbeschwerdeführer oder BF 2), stellte am 20.10.2016 bei der Magistratsabteilung 35 (MA 35) einen Antrag auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als sonstige Schlüsselkraft im Sinne des § 12b Z 1 AuslBG gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 NAG. Dem angeschlossen befand sich die Arbeitgebererklärung von XXXX (im Folgenden Erstbeschwerdeführer oder BF 1) unter der Firma " XXXX ", wonach der BF 2 als "Junior-Berater IT" mit 40 Wochenstunden zu einem Bruttomonatsgehalt (ohne Zulagen) von € 2.950,00 für ein Jahr befristet beschäftigt werden soll. Eine Vermittlung von Ersatzkräften wurde gewünscht. Beigelegt waren weiters:
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eine Urkunde der über den Abschluss der " XXXX " (Bachelor of Science in Information Technology) an der " XXXX " vom 29.06.2010;
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eine beglaubigt übersetzte Apostille des Gouverneursamts in XXXX vom 10.04.2012;
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ein übersetzter Arbeitsnachweis der XXXX für die Zeit von 01.08.2010 bis 21.09.2013;
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eine Bestätigung des Studienerfolges der Fachhochschule XXXX vom 16.03.2015;
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eine Studienbestätigung der technischen Universität Wien für das Bachelorstudium Technische Informatik vom 14.03.2016;
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eine Kopie eines Studienzeugnisses der " XXXX ";
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Eine Einstufung der Sprachkenntnisse durch die Österreichische Orient-Gesellschaft vom 15.03.2013 sowie
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ein Zeugnis über die Absolvierung eines Deutschkurses A1 am cultura wien Sprach- und Kulturinstitut.
1.2. Infolge der Aufforderung AMS Tulln an der Donau (im Folgenden AMS) vom 16.05.2017 wurden mit Schreiben vom 26.07.2017 weitere Unterlagen durch den BF 1 nachgereicht:
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Arbeitszeugnis des BF 2 über seine Tätigkeit bei der XXXX sowie eine entsprechende Versicherungsbestätigung,
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Nachweise über die medizinischen Qualifikationen von XXXX und XXXX (Vater und Onkel des BF 2),
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Dienstvertrag mit unbefristeter Laufzeit, ein ausgefüllter Vermittlungsauftrag, eine aktualisierte Tätigkeitsbeschreibung sowie eine Mitteilung der Steuer- und der UID-Nr. des BF 1.
1.3. Mit den Bescheiden vom 10.10.2017, GZ: XXXX , wies das AMS den Antrag der Beschwerdeführer nach Anhörung des Regionalbeirates gemäß § 12b Z 1 AuslBG ab.
1.4. Gegen diese Bescheide erhoben die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Vorgebracht wurde im Wesentlichen, dass die belangte Behörde vor Ablehnung des Antrags zwingend ein Ersatzkraftverfahren durchzuführen gehabt hätte. Weiters hätte die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend genau erhoben und sei die Bescheidbegründung aufgrund fehlender Subsumtion unter die anzuwendenden Rechtsnormen mangelhaft
1.5. Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 02.01.2018 wurde die Beschwerde vom AMS abgewiesen. Eingangs wurde festgestellt, dass dem BF 2 nunmehr 51 Punkte gemäß Anlage C des AuslBG angerechnet werden können. Betreffend die erforderliche monatliche Mindestentlohnung für sonstige Schlüsselkräfte wurde ausgeführt, dass der in der Arbeitgebererklärung genannte Betrag von € 2.950,-- brutto/Monat der gesetzlichen Mindestentlohnung (2017: € 2.988,-- brutto/Monat bzw. 2018: € 3.078 brutto/Monat 2017) nicht entspreche. Betreffend das nicht durchgeführte Ersatzkraftverfahren führte die belangte Behörde aus, dass das dem Vermittlungsauftrag zu entnehmende Anforderungsprofil auf den BF 2 zugeschnitten und überzogen sei, weshalb ein Ersatzkraftverfahren nicht durchgeführt werden konnte. Das Anforderungsprofil finde - verwiesen wird unter anderem auf die Anforderung der iranischen Sprachkenntnisse - ferner in betrieblichen Notwendigkeiten keine Deckung. Darüber hinaus wurde die unrichtige Entlohnung laut vorgelegtem Dienstvertrag und der Verstoß des BF 1 gegen aufenthaltsrechtliche Meldepflichten vorgebracht.
1.6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.10.2018 wurde die Beschwerdevorentscheidung behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF 2 sämtliche Erfordernisse gemäß § 12 b Z1 erfülle, es daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, ein Ersatzkraftverfahren durchzuführen, was jedoch unterblieben sei. Aus dem Beschluss des VwGH vom 21.03.2018, Ra 2017/09/0040-6, ergebe sich, dass das Ziel der Arbeitsvermittlung durch das AMS von Amts wegen anzustreben ist. Die belangte Behörde habe daher in weiterer Folge eine Prüfung der Arbeitsmarktlage durchzuführen.
2. Mit Schreiben vom 06.12.2018 forderte die Behörde den BF 1 auf, Nachweise für operative Tätigkeit der letzten zwölf Monate in den Ländern Slowakei und Iran zu erbringen und Unterschiede bei den angegebenen Rechtsnamen des Arbeitgebers aufzuklären.
3. Der BF 1 replizierte mit Stellungnahme vom 20.12.2018.
4. Mit den im Spruch bezeichneten Bescheiden wies das AMS den Antrag der Beschwerdeführer nach Anhörung des Regionalbeirates gemäß § 12b Z 1 AuslBG ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschäftigungsort des BF 2 liege nach dem beschriebenen Tätigkeitsbild nicht im Inland. Für eine im Ausland zu leistende Tätigkeit sei eine Anmeldung zur Sozialversicherung in Österreich nicht vorgesehen. Der gegenständliche Antrag gehe ins Leere. Gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 habe die Gewähr gegeben zu erscheinen, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhalte. Eine diesbezügliche Prognoserechnung liege nicht vor.
5. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
6. Am 25.06.2019 wurden die Beschwerden dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Behörde erstattete eine begleitende Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF 2 beantragte am 20.10.2016 bei der Magistratsabteilung 35 (MA 35) eine Rot-Weiß-Rot-Karte als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG für die für ein Jahr befristete berufliche Tätigkeit als "Junior-Berater IT" bei der XXXX , XXXX , im Ausmaß von 40 Wochenstunden zu einem Bruttomonatsgehalt (ohne Zulagen) von €
2.950,00.
Der BF 2 wurde am XXXX geboren und ist iranischer Staatsangehöriger. Er verfügt über ein abgeschlossenes Bachelorstudium (Bachelor of Science in Information Technology) an der XXXX . Dafür sind ihm als Qualifikation 30 Punkte gemäß Anlage C des AuslBG zuzuerkennen gewesen. Der BF 2 war im Zeitraum von 01.08.2010 bis 21.09.2013 bei der XXXX beschäftigt und sind als ausbildungsadäquate Berufserfahrung 6 Punkte anzurechnen. Er befand sich zum Antragszeitpunkt im 34. Lebensjahr weshalb ihm für sein Alter 10 Punkte zuzuerkennen sind. Durch den nachgewiesenen Abschluss des in englischer Sprache gehaltenen Studienganges Information Technology an der XXXX waren dem BF 2 weitere 10 Punkte für Sprachkenntnisse Englisch anzurechnen. Somit erreicht der BF 2 insgesamt 56 Punkte gemäß Anlage C des AuslBG, womit die erforderliche Mindestpunkteanzahl von 55 Punkten überschritten ist.
Da der BF 2 zum Antragszeitpunkt 2016 das 30. Lebensjahr überschritten hatte, sind ihm mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen für die beabsichtigte Beschäftigung von der potentiellen Arbeitgeberin zu bezahlen. Im Jahr 2016 betrug diese monatliche Höchstbeitragsgrundlage € 4860,-, dem BF 2 sind daher mindestens € 2.916,- zu vergüten. In der Arbeitgebererklärung wird eine Bezahlung von € 2.950,- angeführt, womit diesem Erfordernis Rechnung getragen wird.
Der BF 1 erteilte in der Arbeitgebererklärung die Zustimmung zur Vermittlung von Ersatzarbeitskräften. Er reichte ferner einen Vermittlungsauftrag nach, dem detaillierte Angaben zu Tätigkeits- bzw. Anforderungsprofil zu entnehmen waren. Die belangte Behörde führte ein Ersatzkraftverfahren durch, konnte jedoch keine geeigneten Ersatzkräfte namhaft machen.
Es sind keine Umstände vorliegend, die für das in Aussicht genommene Beschäftigungsverhältnis die künftige Einhaltung der in Betracht kommenden allgemeinen und besonderen lohnrechtlichen und arbeitsrechtlichen Vorschriften als zweifelhaft erscheinen lassen
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Alter der BF 2, zu seinem Studium, seiner beruflichen Tätigkeit sowie zu der beabsichtigten Beschäftigung ergeben sich aus dem übermittelten Verwaltungsakt und den im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Urkunden. Dass der vom BF 2 absolvierte Studienganges Information Technology an der XXXX in englischer Sprache gehalten wird, ergab sich aus einer amtswegigen Recherche des betreffenden Studienganges auf der Homepage der genannten Universität.
Die Feststellung zum Vermittlungsauftrag stützt sich auf den übermittelten Verwaltungsakt. Dass ein Ersatzkraftverfahren seitens der Behörde erfolglos durchgeführt wurde, ergibt sich aus ihrer Stellungnahme im Rahmen der Beschwerdevorlage vom 25.06.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß §§ 6 und 7 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) in Verbindung mit § 20g Absatz 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes der zuständige Senat des Bundesverwaltungsgerichts unter Beteiligung fachkundiger Laienrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) lauten i.d.g.F.:
§ 4:
"Voraussetzungen
(1) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und
1. ...
2. die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält,
..."
§ 4 b Abs. 1:
"Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1) lässt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürger, Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmer (§ 4c) und Ausländer mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang (§ 17) zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen."
§ 12b leg. cit:
"Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen
§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie
1. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder
2. [...]
und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Bei Studienabsolventen gemäß Z 2 entfällt die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall.
Anlage C:
Anlage C
Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1
Kriterien
Punkte
Qualifikation
maximal anrechenbare Punkte: 30
abgeschlossene Berufsausbildung oder spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung
20
allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120
25
Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer
30
ausbildungsadäquate Berufserfahrung
maximal anrechenbare Punkte: 20
Berufserfahrung (pro Jahr) Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)
2 4
Sprachkenntnisse Deutsch
maximal anrechenbare Punkte: 15
Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A 1) Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2) Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)
5 10 15
Sprachkenntnisse Englisch
maximal anrechenbare Punkte: 10
Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2) Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)
5 10
Alter
maximal anrechenbare Punkte: 15
bis 30 Jahre bis 40 Jahre
15 10
Summe der maximal anrechenbaren Punkte Zusatzpunkte für Profisportler/innen und Profisporttrainer/innen
90 20
erforderliche Mindestpunkteanzahl
55
§ 20d:
"Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler
§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine "Rot-Weiß-Rot - Karte", Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine "Blaue Karte EU" und ausländische Künstler den Antrag auf eine "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde - je nach Antrag - schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung
1. als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12
2. als Fachkraft gemäß § 12a,
3. als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,
4. als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),
5. als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine "Blaue Karte EU") oder
6. als Künstler gemäß § 14
erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.
(2) Die Zulassung gemäß Abs. 1 gilt für die Beschäftigung bei dem im Antrag angegebenen Arbeitgeber im gesamten Bundesgebiet. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat unverzüglich nach Beginn der Beschäftigung die Anmeldung zur Sozialversicherung zu überprüfen. Entspricht diese nicht den für die Zulassung maßgeblichen Voraussetzungen, ist die nach dem NAG zuständige Behörde zu verständigen (§ 28 Abs. 6 NAG). Bei einem Arbeitgeberwechsel vor Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" (§ 41a NAG) ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(3) bis (5) [...]"
In der Sache folgt daraus:
a) Zur erforderlichen Punkteanzahl gemäß Anlage C des § 12b Z 1
AuslBG:
Der BF 2 wurde am XXXX geboren und ist iranischer Staatsangehöriger. Er verfügt über ein abgeschlossenes Bachelorstudium (Bachelor of Science in Information Technology) an der XXXX . Dafür sind ihm als Qualifikation 30 Punkte gemäß Anlage C des AuslBG zuzuerkennen gewesen. Der BF 2 war im Zeitraum von 01.08.2010 bis 21.09.2013 bei der XXXX beschäftigt und sind als ausbildungsadäquate Berufserfahrung 6 Punkte anzurechnen. Er befand sich zum Antragszeitpunkt im 34. Lebensjahr weshalb ihm für sein Alter 10 Punkte zuzuerkennen sind.
Durch den nachgewiesenen Abschluss des in englischer Sprache gehaltenen Studienganges Information Technology an der XXXX waren dem BF 2 weitere 10 Punkte für Sprachkenntnisse Englisch anzurechnen.
Somit erreicht der BF 2 insgesamt 56 Punkte gemäß Anlage C des AuslBG, womit die erforderliche Mindestpunkteanzahl von 55 Punkten überschritten ist.
b) Zur Erfüllung der Voraussetzungen des geforderten Bruttomonatsentgelts:
Gemäß § 12b Z 1 AuslBG werden Ausländer/innen zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft weiters nur zugelassen, wenn sie für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 ASVG, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt.
Da der BF 2 zum Antragszeitpunkt 2016 das 30. Lebensjahr überschritten hatte, sind ihm mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 ASVG zuzüglich Sonderzahlungen für die beabsichtigte Beschäftigung von der potentiellen Arbeitgeberin zu bezahlen. Im Jahr 2016 betrug diese monatliche Höchstbeitragsgrundlage € 4860,-, dem BF 2 sind daher mindestens € 2.916,- zu vergüten. In der Arbeitgebererklärung wird eine Bezahlung von € 2.950,- angeführt, womit diesem Erfordernis Rechnung getragen wird.
c) Zur Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch den BF 1:
Die belangte Behörde stützt Abweisung des gegenständlichen Antrages im nunmehr bekämpften Bescheid auf § 4 Abs. 1 Z 2 AuslBG. Demnach ist eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält.
Das zu den Tatbestandsvoraussetzungen gehörende rechtserhebliche Tatbestandsmerkmal des "Gegebenerscheinens der Gewähr" bedeutet, daß keine Umstände vorliegen dürfen, die für das in Aussicht genommene Beschäftigungsverhältnis die künftige Einhaltung der in Betracht kommenden allgemeinen und besonderen lohnrechtlichen und arbeitsrechtlichen (die seit der Nov BGBl 1988/231 auch die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften mitumfassen) Vorschriften, insb der gesetzlichen, satzungsgemäßen und kollektivvertraglichen Bestimmungen sowie jener der Arbeitsverfassung und des Arbeitnehmerschutzes, als zweifelhaft erscheinen lassen (VwGH 06.06.2001, 98/09/0016 mit Hinweis E 21.1.1988, 87/09/0236).
Die belangte Behörde führt begründend aus, in seiner Meldung an das Finanzamt Hollabrun/Korneuburg/Tulln vom 06.06.2017 gehe der BF 1 von einem voraussichtlichen Jahresumsatz im Eröffnungsjahr und im Folgejahr von je EUR 15.000,-- und einem voraussichtlichem Gewinn pro Jahr von EUR 3000,-- aus. Die Behörde folgt daraus, dass die Deckung der von der Behörde mit EUR 56.540,13 bezifferten Gesamtkosten einer Beschäftigung des BF 2 über zwei Jahre fraglich sei. Eine Prognoserechnung über die betriebswirtschaftliche bzw. finanzielle Lage des Einzelunternehmens des BF 1 im Hinblick darauf, ob die Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden können, liege demnach nicht vor.
Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde - wie in den Beschwerden zutreffend moniert wird - ihre Zweifel hinsichtlich der Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch den BF 2 erstmalig im bekämpften Bescheid zum Ausdruck brachte und diesem damit jede Möglichkeit verwehrte, zu diesen Vorhalten bereits im behördlichen Verfahren Stellung zu nehmen und diese allenfalls durch Vorlage qualifizierter Unterlagen zu entkräften.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung des Sachverhalts die Behörde trifft und von dieser nicht auf die Parteien überwälzt werden kann. Allerdings befreit die Offizialmaxime die Parteien nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Eine solche Mitwirkungspflicht ist dann anzunehmen, wenn der behördlichen Ermittlung faktische Grenzen gesetzt sind, die Behörde also nicht (mehr) in der Lage ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden bzw. sich relevante Daten amtswegig zu verschaffen, bzw. wenn die im Hinblick auf den gesetzlichen Tatbestand erforderlichen Feststellungen ein entsprechendes Vorbringen und "Bescheinigungsanbieten" der Partei voraussetzen. Jedenfalls ist es gemäß § 39 Abs. 2 AVG Aufgabe der Behörde, der Partei mitzuteilen, welche Angaben noch benötigt werden, sowie sie aufzufordern, für ihre Angaben Beweise anzubieten und damit insofern wiederum eine Mitwirkungspflicht der Partei auszulösen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht keinesfalls so weit, dass sich die Behörde die Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens ersparen könnte, zu der sie gemäß § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen verpflichtet ist (vgl. zu all dem Hengstschläger/Leeb, AVG, § 39 Rz. 9 ff, und die dort wiedergegebene hg. Rechtsprechung) (VwGH 22.10.2013, 2012/10/0150)
Soweit die Behörde in ihrem Bescheid in Zusammenhang mit der Frage der Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch den BF 1 auf einen nicht vorliegenden Businessplan verweist, ist dem somit entgegenzuhalten, dass es der Behörde oblegen wäre, derartige Informationen im Rahmen des behördlichen Ermittlungsverfahrens mittels Parteiengehör zu erheben. Dies hat sie jedoch unterlassen.
Dessen ungeachtet wird die Auffassung der Behörde vom erkennenden Gericht nicht geteilt:
Es ist zutreffend, dass die Verwaltungsbehörde die Einhaltung arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Normen im Rahmen einer Prognoseentscheidung für die diesbezügliche Zuverlässigkeit des Arbeitgebers im Verfahren zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu prüfen hat (vgl. VwG 21.01.1994, 93/09/0406).
Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist § 4 Abs. 1 Z 2 AuslBG jedoch nicht dergestalt auszulegen, dass sich die Prognoseentscheidung der Behörde allein daran zu orientieren hat, ob die Kosten des beabsichtigten Beschäftigungsverhältnisses bereits in der geschätzten Gewinnprognose des Unternehmens vor Aufnahme des ordentlichen Geschäftsbetriebes gedeckt sind. Würde dies doch die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen bzw. die Zulassung von Schlüsselkräften in Fällen von aus Gründen unternehmerischer Vorsicht niedrig gehaltenen Gewinnprognosen für die ersten Geschäftsjahre nach der Aufnahme operativer Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren. Die allein auf einer Gegenüberstellung der zu erwartenden Personalkosten mit der im Rahmen der Meldung der Betriebseröffnung an das Finanzamt geschätzten Gewinnerwartung des BF 1 für die ersten zwei Geschäftsjahre gestützte Beurteilung der (Un-)Zuverlässigkeit des Arbeitgebers durch die belangte Behörde, greift somit jedenfalls zu kurz.
Der vorliegende Sachverhalt lässt jedoch keine Anhaltspunkte erkennen, dass der BF 1 nicht in der Lage wäre, im Fall der beantragten Zulassung des BF 2 als Schlüsselkraft und der nachfolgenden Aufnahme der operativen Geschäftstätigkeit die ihm obliegende Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu gewährleisten.
Es war daher den Beschwerden stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.
Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich, da der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien.
Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art 6. Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 2010/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41), unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. z.B. die VwGH-Erkenntnisse vom 29. Juni 2005, Zl. 2004/08/0044, und vom 19. November 2004, Zl. 2000/02/0269). Des Weiteren hat der EGMR in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 28. September 2010, 2009/05/0160).
Solche Umstände, die ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung rechtfertigen, liegen auch im gegenständlichen Fall vor.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 10.12.2014, Zl. Ra 2014/09/0034, mit Blick auf sein Grundsatzerkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zu § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG festgehalten, dass die Zurückverweisung einer Rechtssache wie im vorliegende Fall wegen der Notwendigkeit der Prüfung der Arbeitsmarktlage gemäß § 4 Abs. 1 und § 4b AuslBG zulässig ist. Zur Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall existiert daher eine Rechtsprechung des VwGH, weswegen im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt.
Schlagworte
Arbeitsbedingungen, Entgelt, Mitwirkungspflicht, Parteiengehör,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W151.2185356.2.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020