TE Bvwg Beschluss 2020/1/27 W265 2225639-1

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Veröffentlicht am 27.01.2020
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Entscheidungsdatum

27.01.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
VOG §1
VOG §10
VOG §2
VOG §3
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W265 2225639-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die Rechtsanwältin XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Salzburg, vom 07.10.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form des Ersatzes des Verdienstentganges beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Sozialministeriumservice zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, rechtsfreundlich vertreten durch die Rechtsanwältin XXXX , stellte am 17.11.2017 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet), einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form von Ersatz des Verdienstentganges. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von Oktober 2005 bis August 2006 sexuell missbraucht worden sei, wofür der Täter gemäß § 206 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt worden sei. Dem Beschwerdeführer seien im darauffolgenden Zivilprozess EUR 5.000 (Teilurteil) und EUR 8.800 an Schmerzengeld zuzüglich Kosten und Zinsen zugesprochen worden, vorerst sei die Einbringlichmachung der Beträge jedoch erfolglos geblieben. Es sei bereits in den Jahren 2012, 2014 und 2017 der Konkurs über das Vermögen des Täters eröffnet worden und seitens des Beschwerdeführers Schmerzengeld inklusive sämtlicher Prozesskosten angemeldet worden. Im Jahr 2014 sei eine Quotenzahlung von EUR 4.034,37 erfolgt. Da die Handlung beim Beschwerdeführer eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach sich gezogen habe, gebühre dem Beschwerdeführer gemäß § 6a eine einmalige Geldleistung in Höhe von EUR 8.000, weshalb um Leistung des Differenzbetrages von EUR 3.965,63 ersucht werde. Der Zustand des Beschwerdeführers habe sich nach dem im Rahmen des Strafverfahrens eingeholten kinder- und jugendpsychiatrischen Sachverständigengutachten im Jahr 2008 verschlechtert. Im Zeitpunkt der Begutachtung sei er 13,5 Jahre alt gewesen und habe ca. 60 bis 65 kg gewogen, aufgrund des Kummers habe er stark zugenommen, bis er 130 kg gewogen habe. Im Jahr 2014 habe er 110 kg gewogen. Er habe eine Klasse wiederholen müssen und sei dann in die Sonderschule gegangen, was sehr belastend für ihn gewesen sei. Nach wie vor sei der Beschwerdeführer als Folge des Missbrauchs depressiv und adipös, habe kaum soziale Kontakte und tue sich schwer, konsequent zu arbeiten. Der Beschwerdeführer habe verschiedene Arbeitsstellen gehabt und sei immer wieder gekündigt worden. Seit etwa einem halben Jahr sei er arbeitslos. Der Beschwerdeführer könnte monatlich EUR 400 mehr verdienen, hätte der Missbrauch mit den daraus folgenden Gesundheitsschädigungen nicht stattgefunden, weshalb der Ersatz des Verdienstentganges in der genannten Höhe beantragt werde. Dem Antrag wurde das Strafurteil vom XXXX , das Teilanerkenntnisurteil vom 15.01.2008, das Endurteil vom 28.07.2008, ein kinder- und jugendpsychiatrische Sachverständigengutachten vom 20.04.2008 und eine Bezugsbestätigung des AMS vom 17.11.2017 sowie die Vertretungsvollmacht angeschlossen.

In der Folge legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Lohn-Gehaltsabrechnungen der letzten Jahre vor.

Mit Bescheid vom 15.05.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 Z 10 und 6a iVm § 16 Abs. 10 VOG ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die Pauschalentschädigung für Schmerzengeld auf Handlungen anzuwenden sei, die nach dem 31.05.2009 begangen worden seien. Da sich das Tatgeschehen im Fall des Beschwerdeführers vor diesem Zeitpunkt ereignet habe, würden die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 16 Abs. 10 VOG nicht vorliegen. Über den Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges werde gesondert eine Entscheidung ergehen.

Nach Ersuchen der belangten Behörde um nähere Informationen betreffend ärztliche Behandlungen und die Schul- und Berufslaufbahn des Beschwerdeführers übermittelte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 21.02.2019 Auszüge des Mutter-Kind-Passes des Beschwerdeführers, die Wiege- und Zahnkarte, den Impfpass, Schulbesuchsbestätigungen und Zeugnisse sowie eine Lehrgangsbestätigung der Union Islamischer Kulturzentren in Österreich über die Teilnahme des Beschwerdeführers am Privaten Ausbildungslehrgang für islamische Theologie. Weiters führte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers mit selbem Schreiben zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer die dritte Klasse Volksschule und die erste Klasse Hauptschule wiederholt habe, wobei er in der Hauptschule die Sonderschule besucht habe. Von 25.09.2009 bis 13.07.2013 habe der Beschwerdeführer in islamischen Kulturvereinen Theologie studiert, zuerst in Telfs, anschließend in Ingolstadt, in den Niederlanden und in Istanbul. Nach den inkriminierten Vorfällen habe sich der Beschwerdeführer nicht mehr konzentrieren können, weder in der Schule noch beim Fußballspielen. Er sei in den Jahren 2003 bis 2006 Torwart gewesen, im Laufe des Jahres 2006 sei er zum Ersatztorwart degradiert worden, in den Jahren 2007 und 2008 sei er dann nur noch gegen Schluss der Spiele in den letzten fünf Minuten als Ersatzspieler eingesetzt worden. Damals habe er auch begonnen, aus Kummer vermehrt zu essen, er habe sich geschämt und zuhause verkrochen. Im Jahr 2008 habe er aufgegeben, Fußball zu spielen und dadurch auch seine Fußballfreunde verloren. Um auf andere Gedanken zu kommen, habe er die Ausbildung zum Imam gemacht. Er sehe sich aber nicht in der Lage als Imam zu predigen und wirken. Der Beschwerdeführer könne sich immer noch nicht bei der Arbeit konzentrieren, sei nicht belastbar und habe Probleme wegen seines Aussehens und des starken Rauchens. Ohne das Verbrechen wäre er in der Lage, bei einem Arbeitgeber zu bleiben und dort zu arbeiten. Er hätte eine Ausbildung/Lehre als Schweißer oder Elektriker gemacht, würde schon lange in einer Firma arbeiten, hätte einen Führerschein und sicherlich auch eine Familie. Der Beschwerdeführer wechsle entweder die Arbeitsstelle, weil er nicht gebraucht werde oder es nicht aushalte. Derzeit sei er arbeitslos und beziehe kein Arbeitslosengeld. Der Beschwerdeführer sei alleinstehend und habe Bedenken, sollte er einmal eine Frau kennenlernen, was diese sagen würde, wenn sie von den Vorfällen erfahren würde. Mit Ausnahme eines Freundes habe der Beschwerdeführer nur Kontakt zu Familienmitgliedern, bei denen er lebe. Im Konkursverfahren des Täters seien nur Schmerzengeld-, aber keinerlei Verdienstentgangsansprüche geltend gemacht worden, deshalb er auch keinen Verdienstentgang vom Täter ersetzt bekommen habe.

Nach Ersuchen um weitere Informationen seitens der belangten Behörde teilte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers am 29.04.2019 mit, dass der Beschwerdeführer nach Abschluss seiner Ausbildung etwa drei Monate als Imam gearbeitet habe, jedoch keine Geduld mit den Kindern gehabt und mit diesen geschrien habe, weshalb er gekündigt worden sei. Danach habe er keine Chance mehr gehabt, als Imam zu arbeiten, weil sofort nachgefragt worden sei, warum er habe gehen müssen. Als Imam zu arbeiten ohne zu unterrichten sei jedoch ebenfalls nicht möglich. Ein Onkel des Beschwerdeführers lebe in Frankreich und sei Elektriker. Bei Besuchen habe der Beschwerdeführer ihm bei der Arbeit zugesehen, was ihn fasziniert habe und weshalb er Elektriker habe werden wollen. Zudem habe der Beschwerdeführer einen Nachbar, der als Schweißer arbeite und immer wieder von seiner Arbeit erzähle, weshalb ihn der Beruf des Schweißers ebenfalls interessiere. Der Beschwerdeführer habe von 10.04. bis 25.04.2019 als Hilfsarbeiter gearbeitet, seit 26.04.2019 beziehe er Arbeitslosengeld in Höhe von ca. 30 Euro täglich.

Mit Schreiben vom 10.07.2019 brachte die belangte Behörde der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Darin führte die belangte Behörde aus, dass aus dem gesamten vorliegenden Akteninhalt keine Arbeitsunfähigkeit oder Minderung der Arbeitsfähigkeit zu entnehmen sei, weshalb ab Antragsfolgemonat, 01.12.2017, keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers festgestellt werden könne. Der Beschwerdeführer sei immer wieder in kurzen Arbeitsverhältnissen beschäftigt gewesen und sei teils aus akausalen Gründen gekündigt worden. In seiner kurzen Tätigkeit als Imam sei er laut eigener Angaben ebenfalls aus akausalen Gründen gekündigt worden. Die Tatsache allein, dass der Beschwerdeführer nicht seine Wunschausbildung als Elektriker oder Schweißer ausüben habe können, reiche nicht aus, um eine Leistung nach dem VOG zu begründen. Das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges zum Zeitpunkt der Antragsstellung bzw. mit Antragsfolgemonat Dezember 2017 im fiktiven schadensfreien Verlauf könne nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

Mit E-Mail vom 23.07.2019 ersuchte die Rechtsanwältin des Beschwerdeführers um Fristverlängerung zur Stellungnahme bis 31.08.2019, was seitens der belangten Behörde gewährt wurde.

Mit Schreiben vom 28.08.2019 teilte die Rechtsanwältin des Beschwerdeführers mit, dass die Schwester des Beschwerdeführers gerne direkt mit der zuständigen Referentin der belangten Behörde sprechen würde, weshalb um erneute Fristverlängerung bis 30.09.2019 gebeten werde. Die belangte Behörde bestätigte mit E-Mail vom 29.09.2019 die Fristverlängerung. Mit E-Mail vom 10.09.2019 teilte die zuständige Referentin mit, zu versuchen, in dieser Woche ein telefonisches Gespräch mit der Schwester des Beschwerdeführers zu führen.

Bis zum 30.09.2019 langte keine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.10.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Z 1, § 3 iVm § 10 Abs. 1 VOG ab und führte begründend aus, dass mit der für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von Oktober 2005 bis August 2006 durch eine mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung am Körper verletzt worden sei. Da der Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges am 17.11.2017 gestellt worden sei, sei der diesbezügliche Anspruch ab Antragsfolgemonat, im vorliegenden Fall mit 01.12.2017, zu prüfen. Aus dem psychiatrischen Gutachten vom 20.04.2008 gehe hervor, dass die Symptomatik zum Untersuchungszeitpunkt auf eine posttraumatische Belastungsstörung hinweisen würde. Zum damaligen Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer mit sonderpädagogischen Förderbedarf unterrichtet worden, was weniger mit dem Trauma in Zusammenhang stehen würde. Der Beschwerdeführer habe zwischen September 2006 und November 2009 psychosoziale Beratung, von Jänner bis August 2007 und von Juni bis Oktober 2014 Psychotherapie in Anspruch genommen. Bis dato sei er nicht in stationärer Behandlung gewesen und habe seit Oktober 2014 keine Psychotherapie mehr in Anspruch genommen. Der Beschwerdeführer sei immer wieder in kurzfristigen Arbeitsverhältnissen beschäftigt gewesen und sei teils aus akausalen Gründen gekündigt worden, seit 18.07.2013 habe er immer wieder Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Überbrückungsbeihilfe bezogen. Der Beschwerdeführer habe eine abgeschlossene Ausbildung als Imam, habe in diesem Bereich kurze Zeit gearbeitet und sei laut eigener Angaben aus akausalen Gründen gekündigt worden. Aus dem gesamten Akteninhalt sei keine Arbeitsunfähigkeit oder Minderung der Arbeitsfähigkeit zu entnehmen. Die Tatsache allein, dass der Beschwerdeführer nicht seine Wunschausbildung als Elektriker oder Schweißer ausüben habe können, reiche nicht aus, um eine Leistung nach dem VOG zu begründen. Das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges zum Zeitpunkt der Antragsstellung bzw. mit Antragsfolgemonat Dezember 2017 im fiktiven schadensfreien Verlauf könne nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht.

Mit Schriftsatz vom 19.11.2019 erhob der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 07.10.2019, mit welchem der Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges nach dem VOG abgewiesen wurde, fristgerecht die gegenständliche Beschwerde. Dabei wurde im Wesentlichen vorgebracht, es sei von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden, dass der Beschwerdeführer als Folge des Missbrauchs depressiv und adipös sei und nicht in der Lage sei, konsequent zu arbeiten, weshalb er immer wieder Arbeitsstellen verliere und arbeitslos sei. Wäre er nicht missbraucht worden, würde er monatlich mindestens EUR 400 mehr verdienen, weil er eine Lehre als Schweißer oder Elektriker oder eine sonstige Ausbildung gemacht hätte, fleißiger wäre, sich nicht so oft zurückziehen würde, nicht adipös wäre und nicht so viele Schwierigkeiten hätte wie jetzt. Er würde konsequent bei einem Arbeitgeber bleiben, hätte dort Aufstiegschancen und müsste nicht immer wieder von vorne anfangen. Zudem sei insbesondere das Arbeitslosengeld wesentlich geringer als der Verdienst bei einem Arbeitgeber. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Ausland eine Ausbildung als Imam gemacht habe, zeige, dass dies im Zusammenhang mit dem Missbrauch stehe, da er sich in der Heimat geschämt habe und depressiv geworden sei. Es sei unrichtig, dass der Beschwerdeführer aus akausalen Gründen gekündigt worden sei, sondern weil er den Anforderungen der Arbeitgeber nicht entsprochen habe, weil er zu langsam gewesen sei und Rauchpausen gemacht habe usw. Dieses Verhalten sei aber sicherlich eine Folge des Missbrauchs. Es sei auch nachvollziehbar, dass er als Imam mit den Kindern ungeduldig gewesen sei, da diese ihn an seine Kindheit bzw. an den Missbrauch erinnern würden. Auch diese Kündigung sei daher nicht akausal erfolgt. Sein beruflicher Werdegang sei daher sehr wohl mit der Missbrauchserfahrung und der damit in Zusammenhang stehenden Depressivität, dem massiven Übergewicht und seiner Menschenscheu in Zusammenhang zu bringen. Aus dem vorliegenden kinder- und jugendpsychiatrischen Sachverständigengutachten vom 20.04.2008 ergebe sich, dass sich beim Beschwerdeführer keine familiären Belastungen und Störungen im Rahmen der frühkindlichen Vorgeschichte gezeigt hätten. Weiters ergebe sich aus diesem Gutachten, dass der Beschwerdeführer eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten habe. Opfer, die jünger als zwölf Jahre seien, wie der Beschwerdeführer, seien in besonderer Weise belastet. Den Beschwerdeführer belaste auch, dass er bis dato keine Partnerschaft gehabt habe, was sich auch auf seine Arbeitsfähigkeit auswirke und jedenfalls zum Teil missbrauchsbedingt sei. Derzeit arbeite er als Nachtwächter, was seiner Depressivität entgegenkomme, da er dabei mit niemandem Kontakt haben müsse. Er verdiene dabei aber relativ wenig verglichen damit, was er ins Verdienen gebracht hätte, wäre er nicht missbraucht worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Gegenständlich liegt daher Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A).

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 leg.cit. verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der angefochtene Bescheid erweist sich vor diesem Hintergrund in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes (VOG) lauten:

"Kreis der Anspruchsberechtigten

§ 1 (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder

3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.

...

Hilfeleistungen

§ 2 Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:

1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;

...

Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges

§ 3. (1) Hilfe nach § 2 Z 1 ist monatlich jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der dem Opfer durch die erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 3) als Verdienst oder den Hinterbliebenen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen als Unterhalt entgangen ist oder künftighin entgeht. Sie darf jedoch zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 den Betrag von monatlich 2 068,78 Euro nicht überschreiten. Diese Grenze erhöht sich auf 2 963,23 Euro, sofern der Anspruchsberechtigte seinen Ehegatten überwiegend erhält. Die Grenze erhöht sich weiters um 217,07 Euro für jedes Kind (§ 1 Abs. 5). Für Witwen (Witwer) bildet der Betrag von 2 068,78 Euro die Einkommensgrenze. Die Grenze beträgt für Waisen bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres 772,37 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 1 160,51 Euro und nach Vollendung des 24. Lebensjahres 1 372,14 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 2 068,78 Euro. Diese Beträge sind ab 1. Jänner 2002 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden Jahres mit dem für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Die vervielfachten Beträge sind auf Beträge von vollen 10 Cent zu runden; hiebei sind Beträge unter 5 Cent zu vernachlässigen und Beträge von 5 Cent an auf 10 Cent zu ergänzen. Übersteigt die Hilfe nach § 2 Z 1 zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 die Einkommensgrenze, so ist der Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges um den die Einkommensgrenze übersteigenden Betrag zu kürzen.

(2) Als Einkommen gelten alle tatsächlich erzielten und erzielbaren Einkünfte in Geld oder Güterform einschließlich allfälliger Erträgnisse vom Vermögen, soweit sie ohne Schmälerung der Substanz erzielt werden können, sowie allfälliger Unterhaltsleistungen, soweit sie auf einer Verpflichtung beruhen. Außer Betracht bleiben bei der Feststellung des Einkommens Familienbeihilfen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, Leistungen der Sozialhilfe und der freien Wohlfahrtspflege sowie Einkünfte, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindenzulage und gleichartige Leistungen). Auf einer Verpflichtung beruhende Unterhaltsleistungen sind nicht anzurechnen, soweit sie nur wegen der Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 gewährt werden.

...

Beginn und Ende der Hilfeleistungen, Rückersatz und Ruhen

§ 10. (1) Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen drei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist. Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs. 5 unterliegen keiner Frist.

..."

Mit Urteil des XXXX vom XXXX wurde festgestellt, dass XXXX am Beschwerdeführer im Oktober 2005 und Ende Mai oder Ende Juni 2006 sowie einen Monat später jeweils einen Analverkehr durchführte und am 20.08.2006 den Beschwerdeführer aufforderte, neuerlich einen Analverkehr zuzulassen, was dieser ablehnte, wodurch er die Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach §§ 206 Abs. 1, 15 StGB begangen hat und rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt wurde.

Im darauffolgenden Zivilverfahren holte das XXXX ein kinder- und jungendpsychiatrisches Sachverständigengutachten ein. Laut diesem Gutachten vom 20.04.2008 geht hervor, dass der Beschwerdeführer - im Untersuchungszeitpunkt - an einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten hat.

Der Beschwerdeführer, ein österreichischer Staatsbürger, hat daher durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten, womit die grundsätzlichen Voraussetzungen für Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz gemäß § 1 Abs. 1 VOG vorliegen.

Im genannten Sachverständigengutachten vom 20.04.2008 führte der Gutachter weiters aus, dass die schlechten Schulleistungen des Beschwerdeführers weniger mit dem Trauma im Zusammenhang stehen würden, nachdem eine leichte Entwicklungsverzögerung aus den anamnestischen Daten erkennbar sei, der Beschwerdeführer die Vorschule besucht und auch in der Volksschule eine Klasse wiederholt habe. "Spätfolgen (wie etwa depressive und selbstzerstörerische Entwicklungen, Beeinträchtigung der sexuellen Befriedigung und Partnerschaftsstörungen, Störungen der Identitätsentwicklung sowie insbesondere Lern- und Leistungsstörungen)" würden sich zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung nicht bestimmen lassen "und müssten allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt überprüft werden". Weiters wurde festgehalten, dass Dauerfolgen eher unwahrscheinlich seien, "sich aber aufgrund der Unvorhersagbarkeit der menschlichen Psyche nie ausschließen" ließen. "Jede spätere psychische Problematik müsste immer im Zusammenhang mit anderen möglichen Stressoren (z.B. erkennbare Lernschwäche) überprüft werden und nicht automatisch als Folge des Missbrauchs bewertet werden."

Zwar führt der Sachverständige die schlechten Schulleistungen und den sonderpädagogischen Förderbedarf beim Beschwerdeführer nicht auf die Missbrauchshandlungen zurück, jedoch ist zumindest ein zeitlicher Zusammenhang des erlittenen Missbrauchs bzw. der darauffolgenden Belastungen im Zuge des Strafverfahrens mit dem Wiederholen der ersten Klasse Hauptschule im Schuljahr 2006/07 auf das Jahr 2007/08 und dem darauffolgenden Wechsel in die Sonderschule gegeben. Der Gutachter hält dabei auch selbst fest, dass bis zum Sommer 2007 ein völliger Rückzug des Beschwerdeführers stattgefunden habe.

Der Sachverständige führte zwar aus, dass jede zu einem späteren Zeitpunkt auftretende psychische Problematik auch immer im Zusammenhang mit anderen möglichen Stressoren überprüft werden und nicht automatisch als Folge des Missbrauchs bewertet werden dürfe, hielt aber ebenso fest, dass sich Spätfolgen zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung im Jahr 2008 nicht bestimmen ließen und allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt überprüft werden müssten.

Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde zur Klärung der Frage, ob beim Beschwerdeführer weiterhin noch eine Gesundheitsschädigung als Spätfolge des Missbrauchs besteht, kein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Stattdessen stützte sich die Behörde auf Teile des Sachverständigengutachtens aus dem Jahr 2008 (der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Erstellung desselben 13 Jahre alt) und ließ andere Teile des Gutachtens, in welchen der Sachverständige eindeutig festhielt, dass allfällige Spätfolgen zu einem späteren Zeitpunkt überprüft werden müssten, unerwähnt.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Antragsstellung im Jahr 2017 23 Jahre alt und kann daher betreffend die Beurteilung, ob und welche Gesundheitsschädigungen beim Beschwerdeführer vorliegen und ob es sich dabei um eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 StGB handelt, ob beim Beschwerdeführer eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sowie ein daraus resultierender Verdienstentgang besteht und ob dies in einem kausalen Zusammenhang mit einer durch den sexuellen Missbrauch in der Kindheit hervorgerufenen Gesundheitsschädigung gebracht werden kann, nicht ein Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2008 herangezogen werden.

Im Verwaltungsakt findet sich ein Entwurf eines Gutachtensauftrags der belangten Behörde an den Ärztlichen Dienst vom 06.11.2018, welcher jedoch nie erfolgte. Es lässt sich aus dem Akt auch nicht nachvollziehen, aus welchem Grund die belangte Behörde von der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens abgesehen hat.

Die belangte Behörde hat daher bisher keine geeigneten Ermittlungsschritte gesetzt, den maßgebenden Sachverhalt im Hinblick auf die Frage des Vorliegens einer ab Antragsfolgemonat bestehenden Gesundheitsschädigung, der Verbrechenskausalität und einer allfälligen Kausalität einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit infolge einer Handlung iSd § 1 Abs. 1 Z 1 VOG zu ermitteln.

Zum Zwecke der Feststellung, ob die vorliegenden strafbaren Handlungen in den Jahren 2005 und 2006 beim Beschwerdeführerin eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB zur Folge hatten, welche in weiterer Folge kausal für eine allfällige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit waren und zu einem Verdienstentgang geführt haben, wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren ein psychologisches bzw. psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen haben.

Wenn im angefochtenen Bescheid ausgeführt wird, dass der sonderpädagogische Unterricht des Beschwerdeführers und seine oft wechselnden Arbeitsverhältnisse mit oftmaligen Kündigungen durch die Arbeitgeber nicht auf das Verbrechen bzw. daraus hervorgehende Trauma zurückzuführen sind sondern akausal seien, fehlt diesbezüglich eine nachvollziehbare Begründung. Auch bei Annahme mehrerer kausaler Ereignisse für die psychischen Probleme und für eine allfällige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ist eine Auseinandersetzung mit der "Theorie der wesentlichen Bedingung" angezeigt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23.5. 2002, Zl. 99/09/0013 und vom 26.01.2012, Zl. 2011/09/0113) dargelegt hat, ist bei der Kausalitätsbeurteilung im Bereich der Sozialentschädigungsgesetze von der "Theorie der wesentlichen Bedingung" auszugehen. Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn die festgestellte Gesundheitsschädigung auf mehrere Ursachen, darunter auch ein vom Gesetz erfasstes schädigendes Ereignis zurückgehen könnte - erforderlich, dass das in Betracht kommende schädigende Ereignis eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist das Ereignis dann, wenn es nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung.

Die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Bedingung (mittels der genannten Theorie) ist keine Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage. Die Zurechnung ist im Wesentlichen davon abhängig, dass die aus dem geschützten Bereich stammende Ursache zu einer Verfrühung oder Erschwerung des Schadens führte. (VwGH vom 26.01.2012, Zl. 2011/09/0113 zu § 2 HVG).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung wäre die Frage zu stellen, ob die beim Beschwerdeführer allfällig vorliegende psychische Beeinträchtigung überhaupt nicht eingetreten wäre, wenn der sexuelle Missbrauch nicht stattgefunden hätte, bzw. ob die psychische Beeinträchtigung zwar auch dann eingetreten wäre, wenn der sexuelle Missbrauch nicht stattgefunden hätte, dies aber zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang. Wenn aber die psychische Beeinträchtigung zwar auch ohne das Ereignis des sexuellen Missbrauches eingetreten wäre, dies aber nur in geringerem Umfang bzw. in geringerer Schwere, so würde dieser sexuelle Missbrauch durchaus die Eignung aufweisen können, im Sinne der Theorie der "wesentlichen Bedingung" eine wesentliche Ursache der Schädigung zu sein. In weiterer Folge wäre zu ermitteln, ob der möglicherweise als wesentliche Ursache der Gesundheitsschädigung erkannte sexuelle Missbrauch eine allfällig vorliegende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit und einen Verdienstentgang des Beschwerdeführers hervorgerufen hat.

Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtenen Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Sozialministeriumservice gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

2.5. Entfall der mündlichen Verhandlung

Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

2.6. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Gesundheitsschädigung, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2225639.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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