TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/27 W140 2224161-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.01.2020
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Entscheidungsdatum

27.01.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W140 2224161-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als

Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: IFA 830158107 + VZ 190224741 über die weitere Anhaltung von XXXX alias

XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.09.2019, Regionaldirektion Oberösterreich, wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung für den Fall der Entlassung aus der Gerichtshaft angeordnet. Dagegen erhob der BF Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in der schriftlichen Ausfertigung, W117 2224161-1/15E, vom 09.12.2019 des in der Verhandlung vom 14.10.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses Folgendes entschieden:

Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF, §76 Abs. 2a FPG idgF, § 76 Abs. 3 Z 1, Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vorliegen (Spruchpunkt II). Das Bundesverwaltungsgericht führte in den Entscheidungsgründen u. a.

Folgendes aus:

"Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer wurde zur beabsichtigten Schubhaftanordnung am 27.09.2019 niederschriftlich einvernommen.

Mit im Spruch angeführten Bescheid der Verwaltungsbehörde wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 01.10.2019, nach Entlassung aus der Strafhaft, in Schubhaft.

Die Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

"(...)

Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Zu Ihrer Person:

Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger.

Sie sind Staatsangehöriger von Marokko.

Sie befinden sich derzeit in der Justizanstalt Linz in Haft.

Sie sind gesund.

Sie sind nicht selbsterhaltungsfähig.

Sie wurden zweimal rechtskräftig zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Die im Asylverfahren erlassene Rückkehrentscheidung ist seit 16.04.2019 durchsetzbar. Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

-

Sie sind nach Österreich illegal eingereist.

-

Sie sind während des laufenden Asylverfahrens in Beschwerde untergetaucht, sodass das Verfahren eingestellt werden musste.

-

Danach sind Sie als Asyltourist durch Europa gereist.

-

Ein Eurodac-Abgleich hat ergeben, dass Sie am 25.06.2014 in Schweden, sowie in der Schweiz am 08.03.2018 erkennungsdienstlich behandelt wurden.

-

Von Schweden wurden Sie am 25.07.2013 und von der Schweiz am 05.03.2019 rücküberstellt.

-

Sie wurden am 05.03.2019 festgenommen.

-

Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie am 29.01.2015 (RK 03.02.2015) nach §§ 83 (1), 84 (2) Z 4 StGB, § 15 StGB, § 269 (1) 1. Fall StGB, § 27 (1) Z 1 8. Fall (3) SMG, § 15 StGB, §§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall, 27 (2) SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt wurden.

Weiters wurden Sie am 14.05.2019 (RK) gem. § 83 (1) StGB, § 142 (1) StGB, §§ 127, 128 (1) Z 5, 129 (1) Z 1, 130 (2) StGB §15 StGB und § 141 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monate, davon 16 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt.

-

Sie gehen in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.

-

Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie unter verschiedenen Aliasdaten reisten und somit bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates in keinster Weise mitwirkten.

-

Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

-

Obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hiezu bestand, verweigerten Sie die Ausreise aus Österreich. Stattdessen reisten Sie unter verschiedenen Identitäten und behinderten die Behörden bei den Ermittlungen.

-

Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

-

Sie haben derzeit keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich, Sie tauchten immer wieder unter und waren für die Behörden nicht greifbar. Letztmalig waren Sie an einer Wohnadresse in Wien, XXXX bis 22.03.2018 gemeldet.

-

Sie sind in keinster Weise integriert, weil Sie sich nur kurz im Bundesgebiet befinden, rechtskräftig zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden und keinerlei schützenswerte Beziehungen im Bundesgebiet bestehen. Sie sprechen kaum Deutsch.

-

Entgegen Ihrer Verpflichtung wurde Ihrerseits kein Reisedokument von Ihrer Vertretungsbehörde eingeholt.

-

Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet war alleine aufgrund der Betreibung eines Asylverfahrens und somit lediglich für die Dauer Ihres Asylverfahrens legalisiert.

-

Das Risiko eines Untertauchens ergibt sich aus den vorangegangenen Rücküberstellungen und aus Ihren getätigten Aussagen.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Wie aus Ihren Angaben in den Einvernahmen ersichtlich haben sie weder Verwandte oder Lebenspartner oder Kinder mit einem dauerhaften Bleiberecht in Österreich. Das Bestehen eines Familienlebens war somit zu negieren.

Darüber hinausgehende Verbindungen konnten von der Behörde nicht festgestellt werden.

(...)

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.

Gegen den im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, und die bisherige Anhaltung erhob der Beschwerdeführer Beschwerde.

(...)

Am 14.10.2019 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt; diese nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

(...)

Eröffnung des Beweisverfahrens

(...)

R: Wieso bedienen Sie so viele Identitäten? Dem BF werden die Aliasnamen vorgehalten.

BF: Als ich das erste Mal nach Österreich kam, war ich noch jung und habe es noch nicht besser gewusst. Da habe ich eine falsche Identität angegeben. Was die anderen Identitäten betrifft, habe ich nicht in Österreich angegeben. Weil ich hier Asyl beantragt hatte und in anderen Länder nicht aufscheinen wollte, dadurch bewirken wollte, dass ich falsche Namen angab, damit ich nicht im Register aufscheine. XXXX das ist der Name meines Vaters, welchen ich nie in meinem Leben erwähnt habe.

R: Wegen Ihrer Abwesenheit musste das Asylverfahren am 20.11.2014 von Seiten des zuständigen Richters des BVwG eingestellt werden. Wo haben Sie sich zu diesem Zeitpunkt aufgehalten?

BF: Ich war in Deutschland und Deutschland hat mich hierher rücküberstellt, wegen meines Fingerabdruckes.

R: Sie haben sich offensichtlich auch den deutschen Behörden entzogen, da eine Rücküberstellung am 15.03.2013 nicht durchgeführt werden konnte. Wo haben Sie sich zu diesem Zeitpunkt aufgehalten?

BF: Ich war nicht untergetaucht, sondern ich war auf den Straßen unterwegs. Ich habe Asyl beantragt und war mit Freunden unterwegs. Ich war nicht untergetaucht, dann hat mich die Polizei aufgehalten und ich wurde nach Österreich rücküberstellt. Ich war noch jung und beherrschte nicht einmal die Sprache.

R: Aber Sie wurden doch eingangs jedes Asylverfahrens belehrt die Wahrheit zu sagen und sich für die Behörden bereit zu halten.

BF: Ich hatte kein Gerichtsverfahren in Deutschland. Ich habe damals Asyl beantragt und habe kein Gerichtsverfahren gehabt.

R: Sie haben sich aber nicht nur in Österreich und in Deutschland aufgehalten, sondern noch in Schweden und in der Schweiz aufgehalten.

BF: Ja, das stimmt.

R: Warum waren Sie dort?

BF: Weil ich von Österreich keine Chance bekommen habe. Ich habe mich hier bemüht die Sprache zu lernen und weiter zu kommen. Bin ich aber nicht, weil ich keine Chance bekommen habe. Ich bin in Marokko in einem Flüchtlingslager für Minderjährige aufgewachsen und mit meinen Bruder nach Europa geflüchtet, um hier eine Zukunft aufzubauen. Mein Bruder hat in Deutschland Asyl beantragt und ich bin hierher nach Österreich im Jahr 2013 gekommen, wurde hier in einem Asylheim untergebracht, jedoch habe ich hier keinen Fortschritt gemacht, weil mir keine Chance gegeben wurde, und auch keine Papiere.

R: Wenn Sie von Chancen und Fortschritt in Österreich sprechen, halte ich Ihnen das eigenverantwortliche Handeln vor. Sie wurden zweimal strafrechtlich verurteilt. Einmal wegen schwerer Körperverletzung und Suchtmitteldelikt. Das zweite Mal wieder wegen Körperverletzung und versuchten Raub. Was sagen Sie dazu?

BF: Das ist nicht der Grund. Wenn ihr mir die Papiere gegeben hättet, dann wären diese Probleme nicht passiert. Das ist nicht der Grund. Ich war alkoholabhängig und war auf den Straßen unterwegs. Mittlerweile war ich in Therapie und habe mich behandeln lassen und habe das Problem nicht mehr.

R: Sie wurden am 27.09.2019 von der Verwaltungsbehörde zu der beabsichtigten Schubhaftbeschwerde befragt und da haben Sie unteranderem angeführt, dass Sie das Land freiwillig verlassen würden, unteranderem ich möchte nach Italien zurück. Wie stellen Sie sich das vor, ohne Papiere und Dokumente? Oder haben Sie einen Pass?

BF: Nein, hätte ich einen Reisepass, dann hätte ich in Österreich kein Asyl beantragt. Aber es stimmt, dass ich das damals gesagt habe, wobei ich hoffe, dass Sie mir eine Chance geben, dass ich in diesem Land weiterleben zu dürfen, weil ich in dieses Land gereist bin, als ich klein war.

R: Bei der Einvernahme haben Sie auch gesagt, dass Sie nach Marokko nicht zurück wollen.

BF: Ich bin als kleiner Junge aus Marokko geflüchtet und zwar aus dem Asyllager für Kinder. Wenn das Gericht entscheidet, mir eine Chance zu geben hier in Österreich leben zu dürfen, dann werde ich hier in Österreich bleiben. Wenn das Gericht aber entscheidet, mich nach Marokko zurück zu schicken dann habe ich nichts dagegen zu machen.

R: Verlesen wird das Erkenntnis des BVwG I4221433547-2 vom 15.04.2019, mit welchem die Beschwerde die (Asyl) Beschwerde in allen Punkten abgewiesen wurde, weil unteranderem auch festgehalten wurde, dass der BF Marokko ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hat. Der BF wird dahingehen belehrt, dass im gegenständlichen Verfahren nur die Schubhaft geprüft wird und nicht ein etwaiger Aufenthaltstitel oder Asylverfahren behandelt wird.

R: Sie haben bei dieser Schubhafteinvernahme eine Lebensgefährtin angeführt, bei der Sie wohnen könnten. Haben aber in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Lebensgefährtin gar nicht weiß, dass Sie einige Zeit in Haft verbracht haben und Sie würden ihr sagen, dass Sie zwischenzeitlich in Italien gewesen sein.

BF: Was hätte ich ihr sagen sollen. Hätte ich ihr sagen sollen, dass ich im Gefängnis bin, wegen Problemen. Ich wollte die Beziehung nicht gefährden. Zumal ich nicht lange in Gefängnis war. Ich habe damals eine Alkoholtherapie gemacht und habe während der Haft gearbeitet. Aus diesem Grund wurde meine unbedingte Haftzeit verkürzt.

R: Sie haben wie viel an Barmittel verfügt in Österreich?

BF: Ich habe 1.500 Franken/Euro. Ich habe 1.500 Franken und 200 Euro an Barmittel. Wobei ich diese legal erwirtschaftet habe.

R: Was haben Sie in der Schweiz gemacht. Sie haben ja auch nicht arbeiten dürfen?

BF: Ich habe im Asylheim gearbeitet.

R: Wie lange?

BF: Dreieinhalb Monate lang. Danach haben sie mir gesagt, ich muss hierher zurück. Sie sagten mir, ich habe nicht das Recht hier weiter aufhältig zu sein. Ich habe der Rückkehr hierher zugestimmt.

R an BehV: Wie schaut es mit der Möglichkeit mit der Überstellung nach Marokko aus? In der Stellungnahme wurde ausgeführt, dass am 24.05.2019 unmittelbar nach der Entscheidung des BVwG in der Asylangelegenheit urgiert wurde, weitere Urgenzen telefonisch wurde mir mitgeteilt am 11., 30. September und am 9 Oktober; wird man ihn vorführen?

BehV: Nach derzeitigen Erkenntnisstand ist wieder ein Vorführtermin mit Marokko geplant. Zuletzt wurde am 09.10.2019 urgiert. 2019 wurden bereits 41 HRZ ausgestellt.

R: Wann wird man wieder urgieren oder vorführen?

BehV: Das sich der BF in Schubhaft befindet, wird besonders darauf geachtet, in regelmäßigen Abständen zu urgieren. Die nächste Urgenz wird in ein oder zwei Wochen erfolgen. Die Problematik im gegenständlichen Fall ist nach wie vor, dass der BF verschiedenste Identitäten angegeben hat. Zudem musste das HRZ Verfahren einmal unterbrochen werden, da der BF einen neuerlichen Asylantrag am 07.03.2019 stellte.

R: Jetzt haben Sie keinen Anspruch mehr auf Grundversorgung. Wenn ich Sie freilassen würde, wie würden Sie dann Ihren Lebensunterhalt bestreiten, Sie haben keine Aussicht auf eine Arbeit und die 1.500 Franken und die 200 Euro sind auch sehr schnell verbraucht. Wie soll es dann ausschauen?

BF: Meine Freundin wird mich finanziell unterstützen. Sie arbeitet mit Tieren, indem Sie GPs für Tiere macht und ich werde sie dabei unterstützen. Ich werde mit ihr Schwarz-Arbeiten, weil ich hier sonst keine andere Möglichkeit habe. 5 oder 20 Euro pro Tag sind besser als nichts. Was soll ich tun?

R: Sie können hier nicht bleiben. Dass wollen Sie nicht einsehen.

BF: Dann sind mir die Hände gebunden, dann bliebt mir nichts Anderes überlassen, als Gott das Schicksal zu überlassen. Ich kann zwar versuchen, meine Lage in diesem Land zu verbessern, aber sonst sind mir die Hände gebunden.

BehV: Haben Sie bisher irgendwelche Schritte unternommen, um selbst an Identitätsdokumente zu kommen?

BF: Ich habe es einmal versucht, wobei ich keine Geburtsurkunde hatte und ich in Marokko niemals ein Personalausweis bzw. ein anderes Personenstandsdokument bekommen habe, da ich, als ich mit meinem Bruder Marokko verlassen habe, dies ohne jegliche Dokumente tat.

R: Wo ist eigentlich der Bruder heute?

BF: Er lebt in Stuttgart, in Deutschland. Er führt ein normales Leben. Er ist zur Schule gegangen und hat Papiere bekommen. Wenn ich etwas brauche, dann hilft er mir und schickt mir etwas, z.B. Geld. Er ist nach Deutschland gereist und hat dort sein Leben aufgebaut. Ich bin hier nach Österreich gekommen und hatte kein Glück.

R: Haben Sie irgendwelche Familienangehörige in Europa?

BF: Wir haben eine "Schwester", welche mit uns im Heim aufgewachsen ist und deswegen nennen wir sie Schwester, die in Deutschland lebt. Ich habe nur meinen Bruder.

R: Und in Marokko?

BF: Ich habe keine Familie in Marokko.

RV: Sie verfügen über eine gültige Meldeadresse in der XXXX in XXXX Wien. Stimmt diese?

BF: Ja.

RV: Nach der Schubhaftentlassung können Sie weiter dort leben?

BF: Ja, ich habe auch noch meine Sachen dort.

RV: Können Sie das Heimreisezertifikatverfahren an dieser Adresse abwarten?

BF: Ja, ich habe gedacht, sobald ich entlassen werde, in meine Wohnung zurückkehren können, aber ich wurde sofort in die Schubhaft gesteckt. Ich habe eine aufrechte Meldeadresse. Alle an mich gerichteten Schreiben sind an diese Adresse zugestellt worden und dies drei Jahre lang.

R: Aber Ihre Lebensgefährtin lebt an einer anderen Adresse, ist das richtig?

BF: Nein, sie wohnt an derselben Adresse. Sie hat einen Sohn, der wo anders lebt, aber sie wohnt dort, wo ich lebe. Hätte ich nicht durchgehend an der Adresse gewohnt, dann würde ich schon längst in Schubhaft gebracht worden sein. Ich habe den weißen Asylzettel gehabt und habe mich an der Adresse XXXX ordnungsgemäß gemeldet und zwar bei dem Gemeindeamt Liesing.

BehV gibt an, dass diese Meldeadresse in das IFA, mit dem die verschiedensten Systeme, unter anderem auch das ZMR Verknüpft sind, seit 22.03.2018 nicht mehr aktiv besteht.

R: Die Aktenlage Seite 85 bestätigt dieses Vorbringen.

RV: Könnten Sie sich wieder an dieser Adresse anmelden, nach der Schubhaftentlassung?

BF: Ich werde das natürlich tun müssen. Ich habe meine weiße Asylkarte an dieser Adresse. Dort müsste ich hingehen und wieder anmelden.

R: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit Ihrer Lebensgefährtin gehabt?

BF: Das letzte Mal hatte ich Kontakt vor neun oder zehn Monaten. Ich wollte nicht, dass sie herausfindet, dass ich in Haft bin. Ich habe ihr lediglich Briefe geschrieben, um zu vermeiden, dass sie herausfindet, dass ich in Haft bin. Ich wollte die Beziehung zu ihr nicht verlieren.

R: Was haben Sie als Absender auf den Brief geschrieben?

BF: Ich habe ihr geschrieben, dass ich in Schubhaft bin und nicht in Strafhaft.

R: Sind Sie jemals in Haft von Ihrer Lebensgefährtin besucht worden?

BF: Nur einmal hat sie mich während dem ich eine Geldstrafe abgesessen habe im Jahre 2018. Damals hat sie mich in der Roßauer Lände besucht.

R: In der aktuellen Schubhaft. Wurden Sie da jemals von Ihrer Freundin besucht?

BF: Ich habe ihnen ja schon gesagt, dass ich ihr nicht erzählt habe, dass ich in Strafhaft war. Also hat sie mich nicht besuchen können.

R: Wurden Sie in der Schubhaft jemals besucht von ihr?

BF: Nein ich habe ihr die Briefe geschickt. Besucht hat sie mich nicht.

R: Hat sie Ihnen geantwortet?

BF: Sie hat mir einmal geantwortet. Ich habe ihr geschrieben, dass ich in Schubhaft bin und sobald ich entlassen werde zu ihr zurückkehren möchte. Ihre Antwort war, ich kann zu ihr in die Wohnung zurück, sobald ich entlassen werde. Ich habe nicht gedacht, dass ich solange in Schubhaft bleiben werde. Ich habe gedacht, dass ich nach einer kurzen Zeit entlassen werde und ich mich dann um mein Weiterkommen kümmern kann.

RV: Würden Sie mit den Behörden kooperieren und allfälligen Ladungen Folge leisten?

BF: Natürlich. Wenn ich das nicht tun würde, werde ich wieder in Haft gebracht, also werde ich das natürlich tun. Bei der kleinsten Kontrolle werde ich sonst in Haft gebracht, also werde ich lieber kooperieren.

RV an BehV: Wurde der BF in der Zwischenzeit der marokkanischen Botschaft vorgeführt, wenn nicht warum?

BehV: Es besteht der Verdacht nach wie vor, dass der BF verschiedenste Aliasidentitäten angibt. Bis jetzt erfolgte noch keine Vorführung.

RV: Ist die Vorgangsweise so zu verstehen, dass nur Personen deren Identität feststeht nur vorgeführt werden?

BehV: Nein. Es ist auch so, dass Personen deren Identitäten nicht feststeht, auch vorgeführt werden.

RV: Warum wurde er nicht vorgeführt, wenn er sich doch seit 05.03. festgenommen wurde bzw. ab diesem Zeitpunkt für die Behörde verfügbar ist.

BehV: Aufgrund des neuerlichen Asylantrages wurde er nicht vorgeführt.

RV: Der wurde doch schon am 13.03. negativ entschieden.

BehV: Seitdem wurde ohnehin urgiert.

RV: Aber nicht vorgeführt!

RV: Wann ist mit einer Ausstellung des Heimreisezertifikates im Hinblick auf die zahlreichen Urgenzen zu rechnen?

BehV: Da der BF bezüglich der HZ Urgenz am 30.09.2019 wieder einen neuen Namen angegeben hat und zwar die Aliasidentität XXXX , geb. XXXX und seine Hauptidentität XXXX , geb. am XXXX , ist, ist die bisherige Verfahrensdauer dem BF zuzurechnen. Das BFA ist bemüht, baldigst ein HRZ zu bekommen.

R: Anlässlich einer Urgenz am 30.09.2019 haben Sie sich laut Behörde einer Aliasidentität und zwar XXXX , geb. XXXX bedient. Ist das richtig?

BF: Zeigen Sie mir bitte einen Zettel auf den ich unterschrieben habe.

R: Die Unterschrift unter die Schubhafteinvernahme haben Sie verweigert.

BF: Wenn ich auf einer Niederschrift nicht unterschreiben wollte, habe ich etwas nicht eben gesagt gehabt. Ich habe immer meinen richtigen Namen, nämlich XXXX angeführt, die Aliasidentitäten kommen von anderen Angaben in andere Länder her.

RV: Zuletzt wurde der BF am 27.09.2019 zur Schubhaft einvernommen wurde. Aus der Einvernahme ergibt sich nicht, dass der BF eine neue Identität angegeben hat bzw. ein anderes Geburtsdatum angegeben hat. Es ist damit nachvollziehbar, wenn die Behörde ohne Beweismittel behauptet, er hätte am 30.09.2019 auf einmal eine andere Identität bzw. Geburtsdatum angegeben.

BehV: Wie bereits erwähnt wurde, hat der BF das damalige Schubhaftprotokoll nicht unterschrieben, den Raum einfach verlassen und anagegeben, nicht nach Marokko zurück kehren zu wollen. Für die Behörde ist somit der BF äußerst unkooperativ und davon auszugehen, dass der BF nicht am Verfahren mitwirkt. Außerdem ist es dem BF auch im Stande der Schubhaft möglich, einen Antrag auf freiwillige Ausreise nach Marokko zu stellen.

RV widerspricht den BehV. Der BF ist kooperativ. Er würde auch allfälligen Ladungen Folge leisten. Es besteht keinerlei Fluchtgefahr im Hinblick auf die Möglichkeit der wieder Anmeldung an der Adresse XXXX . Ein HRZ wurde bis jetzt laut zahlreichen Urgenzen nicht ausgestellt. Es liegt zweifellos ein Versäumnis der Behörde vor. Der BF wurde seit April 2019 nicht einmal der marokkanischen Botschaft vorgeführt. Der BehV konnte nicht beweisen, dass mit einer Ausstellung eines HRZ innerhalb der zulässigen 18-monatigen Schubhafthöchstdauer gerechnet werden kann.

RV appelliert an Behörde bzw. an das Gericht: Die Anwendung eines gelinderen Mittels zu erwägen, sollte das Gericht zu Entscheidung gelangen, dass die Beschwerde abgewiesen würde.

BehV: Ich beantrage noch zusätzlich den Verhandlungsaufwand.

Im Anschluss wurde das Erkenntnis spruchgemäß mündlich verkündet:

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Beschwerde wie folgt erwogen:

Sachverhalt:

Die von der Verwaltungsbehörde im Rahmen des Verfahrensganges zitierten Feststellungen des Schubhaftbescheides werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird festgestellt:

Es bestand und besteht erhebliche Fluchtgefahr. Es besteht sowie in der Vergangenheit bereits erfolgt, auch aktuell die Gefahr, dass sich der Beschwerdeführer illegal in einen anderen Staat der Europääischen Union begibt, zumal der Beschwerdeführer nach Italien möchte und einen Bruder sowie auch eine (aus Zeiten seines Heimaufenthaltes als Kind bekannte) Freundin hat, welche beide in Deutschland leben. (Verhandlung v. 14.10.2019)

Außerdem hielt sich der Beschwerdeführer auch noch zusätzlich in Schweden und in der Schweiz auf, weil er für sich in Österreich keine Chancen gesehen hat (Verhandlung v. 14.10.2019).

Im Falle der Freilassung besteht (daher) auch die Gefahr, dass der nicht nach Marokko ausreisewillige Beschwerdeführer, sollte er (doch) in Österreich bleiben, Schwarz-Arbeiten verrichten wird, "weil ich hier sonst keine andere Möglichkeit habe. 5 oder 20 Euro pro Tag sind besser als nichts. Was soll ich tun?" (Verhandlung v. 14.10.2019).

Die Verwaltungsbehörde hatte zuletzt zwei Wochen vor der Schubhaftverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der marokkanischen Botschaft urgiert - im Übrigen urgiert sie seit rechtskräftigem Abschluss des vom Beschwerdeführer am 08.03.2019 initiierten Asylverfahrens - rechtskräftige Finalisierung per Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 15.04.2019 (BVwG I4221433547-2 vom 15.04.2019) - , beginnend am 24.04.2019, zuletzt am 30.09.2019 und 09.10.2019, regelmäßig (Verhandlung v. 14.10.2019; Stellungnahme der Verwaltungsbehörde).

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer Marokko ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hatte (Erkenntnis des BVwG I4221433547-2 vom 15.04.2019)

Im Jahre 2019 stellte die marokkanische Botschaft bereits 41 Heimreisezertifikate aus (Verhandlung v. 14.10.2019).

Der Beschwerdeführer hat es bis dato unterlassen, durch einen Antrag auf freiwillige Rückkehr die Anhaltung in Schubhaft möglichst kurz zu halten (Verhandlung v. 14.10.2019).

Zur behaupteten Lebensgefährtin hat der Beschwerdeführer infolge der Strafhaft nur losen Kontakt (Verhandlung v. 14.10.2019).

Beweiswürdigung:

Zusammenfassend ist zunächst einmal anzuführen, dass die Verwaltungsbehörde ihrer Entscheidung auf der Tatsachenebene entscheidungswesentlich und schlüssig zu Grunde legte, dass der BF während des Asylverfahren untergetaucht war, währenddessen durch Europa reiste und in Schweden und in der Schweiz einen Asylantrag stellte, sowie sich dabei verschiedenster Identitäten bediente. Der BF habe versucht, als Asyltourist durch Europa zu reisen und seine Abschiebung (nach Marokko) zu umgehen. Das laufende Beschwerdeverfahren in der Asylangelegenheit habe gar eingestellt werden. Der BF sei auch massiv straffällig geworden - er sei zweimal rechtskräftig verurteilt worden; unter anderem wegen der Begehung des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstals, Raubes, Einbruchs, sowie auch wegen Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln. Er verfüge außerdem über keinerlei schützenswerte Beziehungen zum Bundesgebiet.

Aufgrund der Schlüssigkeit dieser Bescheidbegründung waren die Feststellungen der Verwaltungsbehörde zum Sachverhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben:

Auch die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führt zum selben Ergebnis:

Die Rechtfertigung des BF in Bezug auf die Führung verschiedenster Aliasidentitäten vermag durch den Hinweis auf das behauptete jugendliche Alter nicht zu überzeugen, denn selbst wenn man im günstigsten Fall davon ausgeht, dass der BF 2013 15/16 Jahre alt war, so befand er sich doch in einem Alter, in welchem der Gesetzgeber so viel an Eigenverantwortlichkeit voraussetzt, dass Personen in dieser Altersgruppe als deliktsfähig angesehen werden oder beispielsweise solche Personen auch zum Abschluss von (Lehr) Verträgen berechtigt sind. Das der BF in seiner Entwicklung derart zurückgeblieben wäre, dass er nicht erkennen hätte können, welche Folgen die Verwendung von Aliasidentitäten zeitigen würde, hat er nicht einmal behauptet. Im Gegenteil er räumte ein, dass er in anderen Ländern nicht aufscheinen wollte. Der BF hat letztlich damit zugestanden, dass er seine Außerlandesbringung erschweren würde.

Auch in Bezug auf die strafrechtlichen Verurteilungen und die diesen Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen fehlt es dem BF aktuell an der notwendigen Einsicht, indem er in der Verhandlung angab, dass diese Probleme nicht passiert wären "wenn ihr mir die Papiere gegeben hättet".

Dass sich der BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der zu erwartenden Rückführung nach Marokko in sein Schicksal fügt, kann nicht als besondere Kooperationsbereitschaft angesehen werden, wenn man bedenkt, dass der BF noch vor nicht allzu langer Zeit, nämlich im März 2019, einen weiteren Asylantrag stellte und noch in der Schubhafteinvernahme ausdrücklich anführte, nicht nach Marokko zurück zu wollen.

Zu Recht hat die Verwaltungsbehörde auch im Hinblick auf diese Fluchtgefahr, aber auch unter dem Aspekt des Fehlens jeglicher Zukunftsperspektiven in Österreich von der Anwendung eines gelinderen Mittels Abstand genommen, wie auch die heute Verhandlung zeigte:

Der BF führte ausdrücklich an, dass er im Falle der Freilassung (und trotz Unterstützung durch seine Freundin) Schwarz-Arbeit verrichten würde, weil er sonst keine andere Möglichkeit hätte - "was soll ich tun?". Dies würde also bedeuten, dass der BF im Falle der Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit (erneut) ein illegales Verhalten an den Tag legen würde.

Vor dem Hintergrund des vom Behördenvertreter in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angeführten Umstandes, dass bereits im heurigen Jahr 41 Abschiebungen stattfanden, konnte und kann die Verwaltungsbehörde von einer Realisierbarkeit der Rückführung nach Marokko in absehbarer Zeit, jedenfalls aber vor Ablauf von 18 Monaten, ausgehen.

Indem sie regelmäßig, beginnend mit 24.04.2019, zuletzt am 30.09.2019 und 09.10.2019, urgiert, hat sie im gegenständlichen Fall auch ausreichend ihre Bemühungen um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates dargelegt - der Beschwerdeausführung "jedoch wurden bis dato keine weiteren Schritte gesetzt, die auf einen zeitnahe Abwicklung schließen lassen", ist damit der Grundlage entzogen.

Nachdem der Behördenvertreter in der Vehandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht die regelmäßige Urgenz darlegte, steigerte die Rechtsvertretung und monierte die Notwendigkeit der Vorführung des Beschwerdeführers vor die marokkanische Botschaft, legte aber nicht dar, warum dies zusätzlich erfolgen soll.

Auch hat die Verwaltungsbehörde den Beschwerdevorwurf der nicht "zeitgerechten Abwicklung der Abschiebung" in der Verhandlung entkräftet, indem sie zutreffend auf die Verzögerungshandlungen des Beschwerdeführers hinwies, der am 08.03.2019 in offensichtlicher Verzögerungsabsicht ein neuerliches Asylverfahren initiierte, welches erst mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes I4221433547-2 vom 15.04.2019 finalisiert wurde, sodass sich die Verwaltungsbehörde erst ab April 2019 um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemühen konnte.

Hinsichtlich der Beschwerdeausführung, der Beschwerdeführer könne an der Adresse XXXX XXXX Wien wohnen, ist zunächst einmal anzuführen, dass der Beschwerdeführer seit 22.03.2018 nicht mehr dort gemeldet ist, wie er ursprünglich in der Verhandlung behauptete; abgesehen davon besteht zu jener Freundin, die an dieser Adresse noch wohnen soll, nur noch eine lose Beziehung besteht, wie sich auch in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gerade aus den Angaben des Beschwerdeführers zur Beziehung zu seiner Freundin herauskristallisierte.

Schon insofern mangelt es auch diesem Beschwerdevorbringen an ausreichender Substantiiertheit. Selbst wenn der Beschwerdeführer aber tatsächlich doch dort wohnen könnte, so scheidet diese alternative Wohnungsnahme sowie jede andere Form eines gelinderen Mittels wegen der erheblichen Fluchtgefahr aus.

Rechtliche Beurteilung

(...)

Die Verwaltungsbehörde hatte völlig zu Recht die von ihr herausgearbeiteten Sachverhaltselemente den Fluchtgefahrtatbeständen des § 76 Abs. 3 Ziffer 1, Ziffer 3 und Ziffer 9 FPG unterstellt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich dieser rechtlichen Beurteilung an - nachfolgend nochmals zitiert - und erhebt diese Beurteilung zu jener des gegenständlichen Erkenntnisses, da die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht keine für den Beschwerdeführer sprechenden Sachverhaltselemente hervorbrachte.

"Zu § 76 Abs. 3 Z 1 FPG:

Sie tauchten während des laufenden Asylverfahrens in Beschwerde unter.

Sie reisten durch Europa und stellten in Schweden un in der Schweiz einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie reisten unter verschiedenen Aliasdaten und verschleierten Ihre wahre Identität. Sie wurden im Bundesgebiet zweimal rechtskräftig verurteilt. Sie versuchen daher als Asyltourist durch Europa zu reisen und Ihre Rückkehr oder Abschiebung zu umgehen oder zu behindern.

Zu § 76 Abs. 3 Z 3 FPG:

Sie sind während des laufenden Asylverfahrens in Beschwerde untergetaucht, sodass das Verfahren am 20.11.2014 eingestellt werden musste. Seit 16.04.2019 (RK in 2. Instanz) besteht eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot.

Zu § 76 Abs. 3 Z 9 FPG:

Sie sind in Österreich in keinster Weise verankert, da weder familiäre oder legale bzw. relevante berufliche Bindungen bestehen. Allfällige soziale Bindungen sind im Hinblick auf Ihre Aufenthaltsdauer nur als relativiert anzusehen.

Sie verfügen über keinerlei schützenswerte persönliche Beziehungen oder Bindungen zum Bundesgebiet. Aufgrund Ihrer Illegalität haben Sie keine Chance auf eine rechtmäßige Erwerbstätigkeit. Ihre Existenzmittel reichen nicht aus um längerfristig für Unterhalt zu sorgen und auch Ihre Wohnsituation ist nicht gesichert. Ihre angebliche Lebensgefährtin bei der Sie nach der Haft unterkommen können, ist an der Adresse XXXX Wien XXXX nicht gemeldet. Auch Sie waren bis zum 22.03.2018 letztmalig dort aufhältig."

Auch der rechtlichen Beurteilung der Verwaltungsbehörde - siehe obige Zitierung - in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit vermochte der Beschwerdeführer nicht einmal ansatzweise entgegenzutreten:

So war schon unter dem Aspekt des § 76 Abs. 2a FPG die bisherige Anhaltung in Schubhaft in Bezug auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers auch als verhältnismäßig anzusehen; ebenso aber auch im Hinblick auf die gesetzlich mögliche Maximaldauer, wobei in diesem Zusammenhang wiederum auf die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers - Initiierung eines Asylverfahrens aus rein wirtschaftlichen Gründen - hinzuweisen ist. Da sich im Übrigen die bisherige Anhaltung im unteren gesetzlichen Bereich bewegte, war sie jedenfalls auch in zeitlicher Hinsicht als verhältnismäßig einzustufen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

§ 77 FPG:

(1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. [...]

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Vor dem Hintergrund des Bestehens erheblicher Fluchtgefahr hatte bereits die Verwaltungsbehörde auch zu Recht zu keinem Zeitpunkt ein gelinderes Mittel angewendet.

Unzweifelhaft überwog daher (schon bis zur gegenständlichen Entscheidung) das Interesse des Staates an der Sicherstellung und Effektuierung der Rückführung des straffälligen Beschwerdeführers das Interesse des Beschwerdeführers, in Freiheit zu leben, welche er wiederum dazu verwenden hätte, sich illegal - Schwarzarbeit - zu verhalten.

Der in Beschwerde gezogene Schubhaftbescheid und die darauf aufbauende Anhaltung stellen sich sohin als rechtmäßig dar und war die Beschwerde abzuweisen.

Zu Spruchpunkt A) II. (Fortsetzung der Anhaltung):

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Da der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Verhandlung (in Schubhaft) angehalten wurde, war auch über die Fortsetzung der Anhaltung abzusprechen.

Die Bestimmung des §22a Abs. 3 BFA-VG idgF bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Das soeben zu Spruchpunkt I. Gesagte gilt auch für den Ausspruch der Fortsetzung der Schubhaft.

Der BF hat insgesamt ein derartig vertrauensunwürdiges Verhalten in Europa und in Österreich gesetzt, dass nicht angenommen werden kann, dass er sich tatsächlich in Freiheit für die Abschiebung nach Marokko bereithalten würde - siehe obige Ausführungen zum Umstand seines sich in das Schicksal fügen.

In diesem Sinne ist auch von der Anwendung eines gelinderen Mittels bis zur Abschiebung Abstand zu nehmen.

Unzweifelhaft überwiegt daher (auch ab dem Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung) das Interesse des Staates an der Sicherstellung und Effektuierung der Rückführung des straffälligen Beschwerdeführers das Interesse des Beschwerdeführers, in Freiheit zu leben, welche er wiederum dazu verwenden würde, sich illegal - Schwarzarbeit - zu verhalten.(...)"

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 22.01.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 22.01.2020 übermittelte das BFA folgende Stellungnahme:

" (...) Oa. Fremde befindet sich seit 01.10.2019 in Schubhaft.

Übersicht zum Verfahren:

Die Verfahrenspartei stellte bereits im Jahr 2013 in Österreich einen Asylantrag, welcher von der EASt-Ost negativ entschieden wurde. Das Beschwerdeverfahren wartete der BF nicht ab, sondern tauchte unter, weshalb der BVwG das Beschwerdeverfahren einstellen musste.

Die VP missachtete in weiterer Folge die Rechtsvorschriften mehrerer MS und reiste offensichtlich als Asyltourist durch Europa.

Eine Überstellung am 15.03.2013 aus Deutschland konnte nicht durchgeführt werden, da die VP auch vor den deutschen Behörden untertauchte.

Nur 4 Monate später befand sich der Genannte in Schweden und wurde von dort nach Österreich am 15.07.2013 überstellt.

Die VP tauchte jedoch abermals vor den österreichischen Behörden unter und wurde erst im Jahr 2019 vom MS Schweiz wieder nach Österreich rücküberstellt. Im Zuge der Rückübernahme stellte der Genannte am 08.03.2019 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde negativ entschieden und bestätigte am 15.04.2019 der BVwG die Entscheidung des BFA.

Die VP ist massiv straffällig und wurde bereits im Jahr 2015 nach §§ 83 (1), 84 (2) Z 4 StGB, § 15 StGB, § 269 (1) 1. Fall StGB, § 27 (1) Z 1 8. Fall (3) SMG, § 15 StGB, §§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall, 27 (2) SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt

Nach seiner Rückübernahme vom MS Schweiz, wurde der Genannte abermals aufgrund von Strafrechtsdelikten festgenommen und am 14.05.2019 rechtskräftig gem. § 83 (1) StGB, § 142 (1) StGB, §§ 127, 128 (1) Z 5, 129 (1) Z 1, 130 (2) StGB §15 StGB und § 141 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monate, davon 16 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt.

Wie oben ausgeführt erfolgte bereits am 24.04.2019, somit unmittelbar nach Entscheidung durch den BVwG eine Urgenz im HRZ-Verfahren. Weitere Urgenzen am die marokkanische Botschaft erfolgten am 08.07.2019, 11.09.2019, 30.09.2019, 09.10.2019, 08.11.2019, 05.12.2019, 02.01.2019 und am 10.01.2019.

Am 07.10.2019 erhob die VP Beschwerde gegen die Schubhaft. Mit Erkenntnis des BVwG W117 2224161-1/12Z vom 14.10.2019 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Am 28.10.2019 ging beim BFA die Mitteilung ein, dass Genannter in Hungerstreik sei, diesen hat er jedoch am 06.11.2019 wieder beendet, was ebenfalls mitgeteilt wurde.

Weiters wurde dem BFA ein Schreiben des Bundeskriminalamtes übermittelt, wonach die VP durch die Interpol Rabat identifiziert wurde und aus dem sich seine derzeitige Verfahrensidentität ergibt.

Aufgrund vorangeführter Übersicht zum Verfahren erlaubt sich das BFA folgendes Auszuführen:

Wie ausgeführt konnte die Behörde aufgrund wiederholten Untertauchens das Schutzverfahren der VP nicht führen bzw. zu einem Abschluss bringen. Nachdem die VP im Jahr 2019 für die Behörde greifbar wurde, konnte eine Außerlandesbringung aufgrund neuerlicher Asylantragstellung nicht vorangetrieben werden. Unmittelbar nach Rechtskraft im INT-Verfahren wurden die weiteren notwendigen Schritte zur HRZ-Erlangung gesetzt und erfolgten wiederholt und bis dato fortlaufend Urgenzen in diesem Verfahren.

Dazu muss angemerkt werden, dass eine Beschleunigung in diesem Verfahren und eine damit verbundene Verkürzung der Anhaltedauer auch in der Person der VP gelegen ist, indem er bei der Erlangung eines Reisedokumentes oder Ersatzreisedokumentes mitwirkt bzw. selbstständig Schritte zur Erlangung solcher setzen kann!

Das Gesamtverhalten vor und während der Schubhaft lässt für die Behörde keinen anderen Rückschluss zu, als dass eine erhebliche Fluchtgefahr besteht.

Aufgrund der Anhaltedauer erlaubt sich das BFA die Vorlage gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG samt dem Original-Schubhaftakt zu übermitteln.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge 1. die Schubhaft zu o.a. Verfahrenszwecke weiter aufrechterhalten."

Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang sowie die zitierten Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere dem zitierten Vorerkenntnis.

Auch die Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich nach Durchführung einer Verhandlung umfassend mit dem damaligen Beschwerdev

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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