TE Bvwg Beschluss 2020/1/28 W226 2225158-1

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Veröffentlicht am 28.01.2020
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Entscheidungsdatum

28.01.2020

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W226 2225158-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. WINDHAGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Dr. Angela Lenzi, Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2019, Zl. 770132302-190007155:

A) Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz

VwGVG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (in der Folge auch: BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste nach Aktenlage am 06.02.2007 als Minderjähriger mit seiner Schwester XXXX , geb. XXXX , in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit der notariell beglaubigten Einverständniserklärung vom XXXX (AS 131ff) übertrug der Vater des BF die Sorgfaltspflichten für seinen Sohn auf seine Tochter XXXX . Die Schwester war daher auch bei sämtlichen Einvernahmen des BF als gesetzliche Vertreterin/Vertrauensperson anwesend.

Am 06.02.2007 wurde der Beschwerdeführer von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Der BF gab, auf Russisch befragt, an, am 01.10.2006 mit dem Zug sein Heimatland legal verlassen zu haben. Sein Reisepass befinde sich bei der Asylbehörde in Polen. Die Reise habe 4 Tage gedauert und über Weißrussland geführt, sodass der BF am 05.10.2006 mit seiner Schwester XXXX in Polen ankam. Dort habe der BF auch um Asyl angesucht, habe jedoch kein Interview gehabt. Am 05.02.2007 seien sie dann schlepperunterstützt mit einem PKW vom Polen zu einem Bahnhof in XXXX gebracht worden. Die Schleppung sei von der Schwester organisiert worden und habe EUR 1.300,-- gekostet. In XXXX hätten sie dann ihre Tante angerufen, bei der sie auch übernachtet hätten. Am 06.02.2019 seien sie dann von einer Verwandten nach XXXX geschickt worden. Als Fluchtgrund gab der BF an, dass russische Soldaten seine Mutter und seinen Bruder verschleppt hätten, ein weiterer Bruder sei von ihnen ermordet worden. Daraufhin habe der Vater beschlossen, der BF und seine Schwester müssten das Land verlassen.

Mit Mitteilung vom 09.02.2007, erhalten am 12.02.2007, wurde dem BF bekannt gegeben, dass das Bundesasylamt (BAA) beabsichtige, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§ 29 Abs. 3 AsylG). Der BF habe nämlich angegeben immer bei seiner Schwester XXXX gewesen zu sein, unter anderem auch, als diese am 04.10.2006 in Polen um Asyl ersucht habe. Am 12.02.2007 wurde sogleich ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Bezug auf den BF eingeleitet.

Mit Schreiben vom 13.02.2007 bestätigte das polnische Asylamt seine Zuständigkeit für den BF gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e) der Dublin-II-Verordnung (VO 343/2003) und diesen daher wiederaufnehmen zu wollen.

Am 14.02.2007 wurde der BF durch eine Fachärztin für Psychotherapie, XXXX , untersucht. Dabei gab er erneut an mit seiner Schwester in Österreich zu sein. In die Schule sei er aufgrund des Krieges sehr selten gegangen. Daher seien auch seine Russisch-Kenntnisse schlecht. Zu seinem Fluchtmotiv gab der BF gekannt, dass seine Mutter "mitgenommen" und ein Bruder ebenfalls verschwunden sei, der andere Bruder sei getötet worden. Er selbst sei mitgenommen und ca. 3 Tage festgehalten worden. Dabei sei er geschlagen, mit Strom gefoltert und nach Rebellen gefragt worden. Dies habe sich 4-5 Monate vor der Untersuchung zugetragen.

Bei seiner Einvernahme durch das BAA am 19.02.2007 gab der BF an, dass seine Muttersprache Tschetschenisch sei, er aber auch Russisch spreche. Der BF legte auch noch einen Bericht der International Helsinki Federation for Human Rights (IHF) vor, welchen er zwei Tage zuvor per Fax erhalten habe. Während des Gesprächs wurde dem BF auch mitgeteilt, dass sich Österreich aufgrund des Ergebnisses seiner psychologischen Untersuchung für sein Asylverfahren für zuständig erklärt habe. Weiters hielt der BF seine Aussagen in der Erstbefragung aufrecht und führte weiter aus, dass seine Tante und drei Onkel mit ihren Kindern in Österreich leben würden. Eine verheiratete Schwester lebe noch im Heimatland. Er sei auch nicht vorbestraft, sei aber einmal mitgenommen und drei Tage festgehalten worden. Er befürchte bei einer Rückkehr in das Heimatland mit Sicherheit auch zu verschwinden.

In dem vorgelegten Bericht (AS 67ff) wird von einem Interview mit dem BF und seiner Schwester im Rahmen einer IHF Feldmission in XXXX , Tschetschenien, am 11.09.2006 berichtet. Nachdem kurz die Familiengeschichte wiederholt wurde, wird ausführlich die Entführung des BF durch "Kadyrowzy" am XXXX beschrieben. Der BF sei ins Hauptquartier der Gruppe in XXXX verschleppt worden und dort drei Tage lang geschlagen worden. Am 4. Tag sei er auch mit Strom gefoltert worden. Es sei damit versucht worden den BF dazu zu bringen Informationen über Rebellen, insbesondere seinen Cousin XXXX , preiszugeben. Der Kommandant der Gruppe, XXXX , sei persönlich in die Folter involviert gewesen. In der an den Bericht angeschlossenen Stellungnahme des Menschenrechtszentrums "Memorial" wird auch erwähnt, dass der BF auch mit einem Billard-Stab geschlagen worden sei. Der Vater des BF und weitere Verwandte hätten gewusst wo der BF gefangen gehalten wurde und hätten gebeten ihn freizulassen. Die Kadyrowzy hätten den BF aber nur im Tausch gegen seine Schwester XXXX freigelassen, was die Familie abgelehnt habe. Durch Kontakte im russischen Militär habe am Abend des vierten Tages schließlich eine Freilassung des BF erwirkt werden können. Der Familie sei nahegelegt worden den BF und seine Schwester an einen sicheren Ort zu bringen um weitere Probleme in Zukunft zu vermeiden. Daraufhin seien die Geschwister zu Verwandten nach XXXX gezogen, wo sie sich für über ein Monat versteckt halten konnten. Beide hätten gehofft wieder zur Schule gehen zu können. Am XXXX sei jedoch XXXX für ein paar Stunden von einer Gruppe Kadyrowzy nach XXXX entführt und verhört worden. Danach hätten die Geschwister jede Nacht an einem anderen Ort verbracht und hätten in ständiger Angst gelebt.

Am 19.02.2007 wurde sogleich das Ausweisungsverfahren gemäß § 27 Abs. 4 AsylG eingestellt, weil der Asylantrag des BF zugelassen wurde, und ihm eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG ausgehändigt.

Am 10.01.2008 erhielt der BF erneut einen Ladungsbescheid für eine Einvernahme vor dem BAA am 05.02.2008. Dies diesbezügliche Niederschrift ist nicht im Akt enthalten.

Am 13.11.2008 wurde der BF erneut vom BAA einvernommen. Der BF erklärte, nicht in ärztlicher oder therapeutischer Behandlung zu sein und sich wohlzufühlen. Der BF schilderte XXXX im Dorf XXXX , im Bezirk XXXX , geboren zu sein und dort auch fünf Jahre lang die Schule besucht zu haben. Er habe hauptsächlich in XXXX und XXXX gelebt. In XXXX habe er bei seinem Onkel XXXX im Stadtteil XXXX gelebt. Im Alter zwischen acht und zehn Jahren habe er den Krieg in XXXX miterlebt. Die Russen hätten die Schule "und alles" bombardiert. Mit seinem Vater habe der BF keinen Kontakt mehr, er habe schon lange nicht mehr mit ihm telefoniert. Dieser wohne nicht mehr zuhause. Nach der Mutter gefragt, gab der BF an sich erinnern zu können, dass diese als er neun Jahre alt war in der Nacht mitgenommen worden war. Der BF konnte auch Nachbarn nennen, die den Vorfall gesehen hätten. Der Vater sei nicht zuhause gewesen.

Befragt nach seiner eigenen Entführung gab der BF an, zuhause mit Freunden gespielt zu haben. Als zwei Autos vorfuhren sei er zu den Autos gegangen um nachzusehen wer da gekommen war. Seine Freunde seien nach Hause gegangen. Die Personen im Auto hätten ihn gefragt wer er sei, worauf der BF geantwortet habe, dass sie dies schon wissen, da sie jeden Tag dort vorbeifahren würden. Bei den Personen habe es sich um Russen und Tschetschenen gehandelt. Der BF sei aufgefordert worden mitzukommen, weil ihm eine Person gezeigt werden sollte. Als dieser sich weigerte sei er von zwei Personen ins Auto gesetzt und mit zum Stützpunkt in XXXX genommen worden. Der Stützpunkt habe sich auf der Straße nach XXXX , XXXX und XXXX befunden. Hierzu fertigte der BF auch eine Zeichnung an. Dort sei er befragt worden, ob er "Banditen" helfe, was er verneint habe. Daraufhin sei er geschlagen und weiterhin nach den "Banditen" gefragt worden. Er habe nur den Kommandanten, XXXX , gekannt. Den Nachnamen wisse er nicht, doch habe dieser mit seinem verstorbenen Bruder Isa gekämpft, bevor er auf die russische Seite übergegangen sei. Er sei drei Tage lang geschlagen worden. Am vierten Tag hätten die Entführer Telefonkontakt zu einem Cousin, der beim russischen Militär arbeite, gehabt. Von diesem sei mitgeteilt worden, dass der BF unschuldig sei und freigelassen werden solle. Auf die Misshandlungen angesprochen, führte der BF aus auch mit einem Billiardstab geschlagen worden zu sein. Weiters seien ihm auch Stromstöße versetzt worden. Er habe den Draht in den Händen halten müssen, wobei seine Entführer angemerkt hätten, dass er zwar klein sei aber dies schon aushalten werden. An einem kleinen schwarzen Block seien zwei Drähte befestigt gewesen, die der BF in den Händen gehalten habe. Als daran gedreht wurde, sei Strom entstanden und er habe nicht mehr loslassen können. Der Kommandant habe schließlich gesagt damit aufzuhören, da der BF zu klein sei und dies nicht aushalten würde.

Anzumerken ist, dass in der Niederschrift "an den Füßen" protokoliert wurde (AS 153). Vom BF wurde aber kurz später klargestellt, dass er gemeint habe an den Füßen mit dem Billiardstab geschlagen worden zu sein, die Stromkabel habe er in den Händen halten müssen.

Der BF habe keine Informationen geliefert und sei nach einem Anruf seines Cousins freigekommen. Dann sei er mit seiner Schwester zum Onkel nach XXXX gegangen. Dort sei er aber auch verfolgt und die Schwester schließlich auch entführt worden. Am Tag der Entführung der Schwester sei der BF bei einem Cousin in XXXX gewesen. Die Schwester habe sich dann an das Rote Kreuz in XXXX gewandt, welches ihnen geraten habe nach Österreich zu fahren, weil ihre Tante hier lebe.

Der BF wurde auch noch über den Aufenthaltsort seines Vaters zum Zeitpunkt seiner und der Entführung der Mutter befragt. Sonst seien nur ältere Jugendliche aus dem Dorf mitgenommen worden.

Zu seinen Verletzungen nach der Entführung befragt, gab der BF an, aufgrund von Schmerzen in den Beinen, vom Billiardstab, nicht normal gehen gekonnt zu haben. Er sei aber nicht in ärztlicher Behandlung gewesen.

Befragt zu den Kämpfern im Dorf gab der BF an zu wissen, dass diese sich im Wald in der Nähe seines Elternhauses aufgehalten und auch Wache gehalten hätten. Sie seien immer zu ihnen gekommen um sich Nahrungsmittel zu nehmen. Der BF habe aber keinen Kontakt zu den Kämpfern gehabt, sondern diese hätten immer am Dorfrand, wo er gelebt habe, gegen die Russen gekämpft, was der BF auch gesehen habe.

Schließlich gab der BF noch an, nicht zu wissen, wo sich sein Vater derzeit aufhalte und sich vor denen die ihn "mitgenommen" hätten zu fürchten. In Österreich habe er Onkel, Tante und Cousins, außerdem besuche er die Schule am Kienzerplatz. Nach seinen Deutschkenntnissen gefragt gab er an, die Hausübungen machen, aber nur wenig sprechen zu können. Er habe auch schon Freunde in Österreich gefunden.

Mit Beschluss vom XXXX (AZ: XXXX ) übertrug das zuständige Bezirksgericht XXXX die gesamte und alleinige Obsorge des, damals noch minderjährigen, BF an seine Schwester XXXX (AS 181).

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.06.2009 (AS 185ff) wurde dem Antrag auf internationalem Schutz stattgegeben und dem BF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Im diesbezüglichen Verwaltungsakt liegen - in Form eines Aktenvermerks (AS 199ff) - Begründungen des zuständigen Organs des Bundesasylamtes auf, aufgrund welcher Überlegungen von einer asylrelevanten Verfolgung des BF im Herkunftsstaat ausgegangen wurde. Verkürzt wiedergegeben wird ausgeführt, dass der Bruder des BF Kämpfer im Tschetschenien Krieg gewesen sei und 2002 getötet worden war. 2004 sei auch der zweite Bruder spurlos verschwunden. Auch die Eltern des BF seien Verfolgungen ausgesetzt gewesen und die Mutter sei nach Mitnahme nun unbekannten Aufenthalts. Zuletzt sei auch der BF selbst, und seine Schwester, mitgenommen und von der Polizei festgehalten und geschlagen worden. Somit sei die Verfolgung von Mitarbeitern des Machthabers Kadyrov ausgegangen. Dies sei auch durch ein authentifiziertes Schreiben der Menschenrechtsorganisation "Memorial" und die Einvernahme der Schwester des BF bestätigt worden. Der BF gehöre daher zur sozialen Gruppe seiner Familie, die aus persönlichen Gründen verfolgt würde. Verwandten der Rebellen oder Personen, die mit keiner pro-russischen tschetschenischen Gruppierung verbunden seien, würden besondere Repressalien drohen. Dem BF habe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen gestanden.

Am XXXX wurde der BF am Landesgericht XXXX (AZ: XXXX ) wegen des Verbrechens des Raubes (§ 142 Abs. 1 StGB) und der Vergehen des Diebstahls (§ 127 StGB) und des unbefugten Besitzes einer verbotenen Waffe (§ 50 Abs. 1 Z 2 WaffG) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Zehn Monate wurde ihm unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen (AS 247ff).

Am XXXX wurde der BF von der Staatsanwaltschaft XXXX zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben (AZ: XXXX ). Der BF stand im Verdacht sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben (§ 278b Abs. 2 StGB).

Am 04.01.2019 leitete das BFA ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein.

Mit Schreiben vom 08.01.2019 regte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) beim zuständigen Bezirksgericht XXXX die Bestellung eines Kurators für den BF gemäß § 11 AVG an, weil gegen ihn ein Aberkennungsverfahren eingeleitet worden war und der Aufenthaltsort des BF unbekannt sei. Er habe keine Meldeadresse im Inland mehr und eine ausländische Adresse sei auch nicht bekannt. Mit Beschluss vom XXXX (AZ: XXXX ) wurde Dr. Angela Lenzi, Rechtsanwältin, zur Kuratorin des BF im anhängigen Verfahren vor dem BFA bestellt (AS 245).

Mit Schreiben des BFA vom 22.03.2019 wurde der BF, über seine Kuratorin, aufgefordert zu seinen Familienverhältnissen, seiner Ausbildung und Integration in Österreich sowie seinen Befürchtungen im Zusammenhang mit einer Rückkehr in die Russische Föderation schriftlich Stellung zu nehmen. Er sollte sich ebenso zu seiner offenkundigen Abwesenheit aus dem Bundesgebiet äußern und eine aktuelle Wohnanschrift bekanntgeben. Eine solche Stellungnahme wurde nie abgegeben.

Am 28.12.2018 bat das BFA via E-Mail das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien (LVT XXXX ) um Informationen bzgl. des BF. Mit E-Mail vom 16.07.2019 erklärte ein Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), dass - nicht gesicherte - Informationen vorliegen würden, dass der BF bei Kampfhandlungen in Syrien ums Leben gekommen sei. Es würde mehrere Aussagen diesbezüglich und auch Fotos der Leiche im Leichentuch geben. Zwar seien keine Verletzungen sichtbar gewesen, jedoch sei aufgrund der Umstände eine Tötung sehr wahrscheinlich. Sowohl die Schwester XXXX als auch ein Cousin, XXXX, hätten den Tod bestätigt.

Aus einem Aktenvermerk des BFA vom 06.08.2019 ergibt sich, dass der belangten Behörde Informationen bezüglich eines Verdachts auf Terrorismus durch das BVT zugegangen seien. Daraus hätten sich Anhaltspunkte ergeben, dass der BF eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.08.2019, Zl. 770132302-190007155, erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den mit Bescheid vom 25.06.2009 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 und 6 FPG wurde gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Schließlich betrug gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VII.).

Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid die Identität des Beschwerdeführers nicht fest, da er weiterhin abwesend war.

Hinsichtlich der Beweismittel verwies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf den Akteninhalt des ursprünglichen Asylverfahrens, das Parteiengehör vom 22.03.2019, die landeskundlichen Feststellungen zur Russischen Föderation der Staatendokumentation sowie den Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX zur Bestellung der Abwesenheitskuratorin.

Die belangte Behörde stellte bezüglich des BF seinen Namen, sein Geburtsdatum, seine Staatsbürgerschaft sowie den Status des Asylberechtigten seit Juni 2009 fest. Er sei ein erwachsener Mann mit Berufserfahrung, der im Fall einer Rückkehr seinen Lebensunterhalt durch Arbeit bestreiten werde können. Weiters sei der BF strafrechtlich verurteilt worden und würde derzeit wegen Verdacht auf Terrorismus von der Staatsanwaltschaft mittels Festnahmeauftrag gesucht werden. Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten führte das BFA die strafgerichtliche Verurteilung des BF vom XXXX und den aktuellen Festnahmeauftrag der Staatsanwaltschaft an. Außerdem stellte das BFA fest, dass der BF an Kampfhandlungen in Syrien teilgenommen habe. Der Status des Asylberechtigten sei dem BF aufgrund des Krieges zugesprochen worden und es könne nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat einer unmenschlichen Behandlung oder einem diesem gleichkommenden Zustand ausgesetzt sein würde. Zur Lage in der Russischen Föderation führte das BFA den Länderbericht der Staatendokumentation an. Außerdem stellte das BFA fest, dass der BF sich seit 2007 im Bundesgebiet befinde und seit 06.03.2014 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet sei. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Schwester und anderen entfernten Verwandten in Österreich habe nicht festgestellt werden können. Des Weiteren habe sich der BF von seinen Verwandten getrennt und Österreich verlassen. Daher habe auch keine intensive Bindung zu Österreich festgestellt werden können.

Im Rahmen der Beweiswürdigung wurde ausgeführt, dass die Gründe für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sich aus dem Festnahmeauftrag der Staatsanwaltschaft XXXX und der Anklageerhebung sowie aufgrund von Berichten des LVT XXXX ergeben würden. Der BF sei wegen Verstoß gegen § 278b Abs. 2 StGB angeklagt und werde diesbezüglich auch gesucht. Der BF habe sich, nachdem er im Bundesgebiet untergetaucht sei, nach Syrien begeben um an Kampfhandlungen teilzunehmen. Hinsichtlich seiner Zukunft könne keine positive Prognose erstellt werden, weil er bereits vorbestraft sei und wiederholt keinen Willen gezeigt habe sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen.

Im Falle einer Rückkehr sei aufgrund des Endes des Tschetschenien Krieges nicht mehr von einer asylrelevanten Verfolgung auszugehen. Laut eigenen Angaben sei er in Russland unbescholten und der Landessprache mächtig. Auch aufgrund seiner Berufsausbildung und zur Verfügung stehender Unterstützung von sozialen Dienst werde es dem BF möglich sein im Heimatland seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben würden sich aus der Aktenlage ergeben. Der BF sei seit 2014 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet und habe sich aus freien Stücken von seinen in Österreich aufhältigen Verwandten getrennt.

In rechtlicher Hinsicht schloss die belangte Behörde daraus, dass kein Grund zur Gewährung des Asylstatus mehr vorliege, denn es liege ein Endigungsgrund gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG vor. Der BF sei wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden. Der BF sei dreimal rechtskräftig verurteilt worden, zuletzt am XXXX wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation. Aus diesem Urteil sei ein absoluter Asylausschlussgrund abzuleiten, da zu prüfen sei ob der BF aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit Österreichs anzusehen sei. Aufgrund von Berichten des BVT stehe fest, dass sich der BF der terroristischen Vereinigung des Islamischen Staat (IS) angeschlossen habe, um diese bei Kampfhandlungen zu unterstützen. Dies sei durch Verwandte in Österreich bestätigt worden. Aus diesem Grund werde er auch von der Staatsanwaltschaft mittels Festnahmeauftrag gesucht. Zu einem Gerichtsverfahren diesbezüglich habe es aufgrund der Abwesenheit des BF aus dem Bundesgebiet nicht kommen können. Der BF stelle daher eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar und sei zudem vorbestraft.

Auch auf ein mögliches Verbot der Ausweisung gemäß Art. 33 Z 1 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) könne sich der BF nicht stützen, weil der sogenannte "Transnationale Dschihad" für die Sicherheitspolitik in Österreich relevant sei und daher im Fall des BF Art. 33 Z 2 GFK zur Anwendung kommen würde.

Zur Frage des subsidiären Schutzes führte die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung aus, dass der BF keine Gründe oder Beweismittel für eine konkrete Gefährdung der Rechte aus Art. 2 und Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorgebracht habe. Es stehe ihm frei sich im gesamten russischen Staatsgebiet niederzulassen und in den größeren Städten wie Moskau oder St. Petersburg sei eine Gefährdung bei Rückkehr ausgeschlossen. Es würde auch keine Berichte gebe die auch nur auf die Möglichkeit schließen lassen würden, dass der BF in eine ausweglose Situation geraten könne, insbesondere da er erwerbsfähig sei.

Zur "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG stellte das BFA im Rahmen der rechtlichen Beurteilung fest, dass sich der BF erst seit 2015 (!) im Bundesgebiet aufhalten würde und lediglich durch seinen Asylantrag vorübergehend zum Aufenthalt berechtigt sei. Die Voraussetzung für die Erteilung dieser Berechtigung seien daher nicht gegeben.

Zur Rückkehrentscheidung führte die belangte Behörde erneut aus, dass zwar die Schwester und weitere entfernte Verwandte in Österreich leben würden, aber ein schützenswertes Familienverhältnis nicht festgestellt werden könne. Er habe beschlossen sich dem IS anzuschließen und sei seit fünf Jahren nicht mehr im Bundesgebiet aufhältig. Auch zum Recht auf Achtung des Privatlebens führte die Behörde die Abwesenheit aus dem Bundesgebiet an und verneinte daher eine Verbundenheit zu Österreich. Das BFA verkenne nicht, dass sich der BF sieben Jahre lang (2007-2014) rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sich während dieser Zeit ein Privatleben aufgebaut habe, doch sei er 2014 freiwillig ausgereist.

Für das erlassene Einreiseverbot seien die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 Z 6 FPG beim BF gegeben. Er habe sich einer terroristischen Organisation gemäß § 278b StGB in Syrien angeschlossen. Die belangte Behörde wies auch drauf hin, dass der BF "aller Vorrausicht in Syrien bei Kampfhandlung ums Leben gekommen" sei (AS 378). Das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sei daher indiziert und basiere auf einer Beurteilung des Gesamtverhaltens des BF. Das BFA habe diesbezüglich eine Abwägungsentscheidung zwischen dem öffentlichen Interesse an Ordnung und Sicherheit und dem Interesse des BF an Privat- und Familienleben in Österreich getroffen.

Gegen diesen Bescheid hat der BF, durch die bestellte Kuratorin, fristgerecht Beschwerde erhoben und sich dabei auf mangelhaften Ermittlungen und darauf aufbauenden unrichtigen Feststellung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützt. Der angefochtene Bescheid leide an schweren Begründungsmängeln und sei auch inhaltlich widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde gehe einerseits vom Tod des BF aus, andererseits gehe sie davon aus, dass er noch lebe. Die Behörde hätte vielmehr das Verfahren aufgrund des Ablebens des BF schon in erster Instanz einstellen müssen. Eine verstorbene Person könne auch unmöglich noch eine Gefahr für die Republik Österreich darstellen. Weiters habe die belangte Behörde zwar zu den Beweisergebnissen bis 22.03.2019 Parteiengehör gewährt, bzgl. der Mitteilung des LVT vom 16.07.2019, dass der BF ums Leben gekommen sei, sei dies jedoch nicht geschehen. Dies stelle eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar. Hätte die belangte Behörde Zweifel am Ableben des BF gehegt, so wäre sie auch von Amts wegen verpflichtet gewesen weitere Erhebungen durchzuführen. Die Behörde unterstellte ihrer rechtlichen Beurteilung die aktenwidrige Annahme, dass er BF noch lebe. Sie traf dazu aber nie eine dezidierte Feststellung. Dabei handle es sich um eine gesetzwidrige und unrichtige Beweiswürdigung. In der Beschwerde wurde unter anderem auch der Antrag gestellt den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und aufgrund des Todes des BF das Verfahren einzustellen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und anzuwendendes Recht:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11 mwN).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten ausgeführt: "Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zum unabhängigen Bundesasylsenat und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. das E 16.4.2002, Zl. 99/20/0430). Die dem unabhängigen Bundesasylsenat in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" (Art. 129c Abs. 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen (vgl. in einem etwas anderen Zusammenhang schon das E 21.11.2002, Zl. 2000/20/0020). Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

Nach der aktuellen - restriktiven - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu § 28 Abs. 3 VwGVG ist die Zurückverweisung dann gerechtfertigt, wenn sich die Behörde offenkundig notwendiger Erhebungen entledigen und auf das BVwG übertragen wollte (VwGH vom 06.11.2018 Ra 2017/01/0292) bzw. seitens des BVwG in Relation zu den Ermittlungsanstrengungen des Bundesamtes nicht "lediglich ergänzende Ermittlungen" vorzunehmen wären (VwGH vom 10.09.2018, Ra 2018/19/0172).

Außerdem muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Begründung eines Bescheids erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, zu § 60 AVG unter E 19 angeführten Erkenntnisse). Zu einer lückenlosen Begründung gehört nicht nur die Feststellung des Sachverhalts, sondern auch die Anführung der Beweismittel (im Einzelnen), auf die die Feststellungen gegründet werden (vgl. VwGH vom 28. März 2007, Zl. 2006/12/0115). Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (vgl. VwGH vom 23.11.1993, Zl. 93/04/0156, vom 13.10.1991, Zl. 90/09/0186, Slg. Nr. 13.520/A, und vom 28.7.1994, Zl. 90/07/0029).

Im Fall des Beschwerdeführers erweist sich der Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus den folgenden Gründen als mangelhaft:

Die belangte Behörde bezog sich an mehreren Stellen des Bescheids auf einen Bericht des BVT (bzw. LVT XXXX ), wonach der BF in Syrien bei Kampfhandlungen verstorben sei. Das BFA ging aber offensichtlich bei seinen Feststellungen grundsätzlich davon aus, dass der BF noch am Leben sei. Im übermittelten Akt der belangten Behörde fand sich ein solcher Bericht auch nicht.

Nach Verfahrensanordnung des Bundesverwaltungsgerichts wurde diesem nur die bereits erwähnte E-Mail-Kommunikation zwischen einer Mitarbeiterin des BFA und einem Mitarbeiter des BVT vorgelegt (OZ 3). Diese war jedoch nicht aussagekräftig, zumal auch dem BVT nur "nicht gesicherte" Informationen vorliegen sollen. Ein offizieller Bericht wurde nicht beigebracht und auch der Akt der Staatsanwaltschaft XXXX zu den Terrorismusvorwürfen scheint vom BFA nicht beigezogen worden zu sein. Eine Anklage des BF, wie von der belangten Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung festgestellt, ergibt sich nicht aus dem Akteninhalt. Es scheinen auch keine Einvernahmen der Schwester oder anderer Verwandter von Seiten des BFA bzgl. dem möglichen Tod des BF durchgeführt worden zu sein. Im Akt sind jedenfalls keine Niederschriften oder ähnliches diesbezüglich vorhanden.

Die belangte Behörde hat zweifellos von Amts wegen, vorzugsweise am Beginn des Verfahrens, zu prüfen ob die Person, der sie den Status des Asylberechtigten aberkennen will, überhaupt noch am Leben ist. Dies insbesondere, wenn Indizien für das Gegenteil (den Tod) bekannt werden. Die Beschwerde ist daher insoweit begründet, als im Falle des Ablebens des Asylberechtigten das Aberkennungsverfahren einzustellen wäre (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 9, Rz 11).

Sollte die belangte Behörde - nach noch durchzuführenden Ermittlungsschritten - doch zu dem Schluss kommen, dass der BF noch lebt, so wären die diesbezüglichen Anhaltspunkte ausführlich darzulegen und das Abweichen von der Meinung des BVT zu begründen.

Hervorzuheben ist auch, dass die belangte Behörde zwar angab die Gründe für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten in der Anklageerhebung und dem Festnahmeauftrag der Staatsanwaltschaft sowie Berichten des LVT XXXX gefunden zu haben, diese Akten aber - wie bereits erwähnt - offensichtlich nicht beigeschafft wurden. Diese nicht vorliegenden Berichte sind anscheinend auch der einzige Anhaltspunkt, dass sich der BF dem IS angeschlossen und an Kampfhandlungen in Syrien teilgenommen haben soll. Allein aus einem kurzen informellen E-Mail, ohne jegliche Nachweise und Quellen, bzw. einem (Polizei-)Registerauszug können üblicherweise noch keine substantiierten Gründe zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten herausgelesen werden. Es wären vielmehr die vollständigen Akten herbeizuschaffen gewesen, zumal auch nur so eine begründete Zukunftsprognose im Zusammenhang mit einer möglichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den BF möglich wird.

Weiters stellte die Behörde - vollkommen aktenwidrig - auf Seite 70 ihres aberkennenden Bescheids (AS 366), im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, fest, dass der BF dreimal und zuletzt im Jahr XXXX verurteilt worden war. Diese Verteilungen scheinen nicht nur im Strafregister nicht auf, eine Verurteilung im Jahr XXXX wäre wohl auch aufgrund der (wahrscheinlichen) Abwesenheit (bzw. des Todes) des BF in Österreich schwer möglich gewesen.

Bei der rechtlichen Beurteilung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.) stellte die belangte Behörde andererseits fest, dass der BF sich erst seit 2015 im Bundesgebiet aufhalten würde. Auch dies ist vollkommen aktenwidrig.

Der Beschwerde ist auch in dem Punkt zu folgen, als der Rechtsvertretung nur zu den Beweisergebnissen bis zum 22.03.2019, jedoch nicht zur Mitteilung des LVT XXXX vom 16.07.2019 bzgl. des möglichen Todes des BF Parteiengehör eingeräumt wurde.

Bei Gesamtbetrachtung aller dargelegten Umstände hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher in Bezug auf den Aberkennungsgrund bzw. den Tod des Beschwerdeführers kaum Ermittlungsschritte gesetzt, sodass das Bundesverwaltungsgericht beinahe sämtliche Ermittlungen selbst nachholen müsste.

Aus den dargelegten Gründen hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts nur völlig ungeeignete Ermittlungen gesetzt bzw. eigentlich überhaupt keine Ermittlungsschritte vorgenommen, der rechtlichen Beurteilung aktenwidrige Inhalte zugrunde gelegt und dadurch letztendlich versucht, Ermittlungsschritte an das Bundesverwaltungsgericht zu delegieren.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Die belangte Behörde würde durch ihre Verfahrensführung die wesentliche Ermittlungs- und Begründungstätigkeit quasi an die Rechtsmittelinstanz delegieren (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. 2014/03/0063). Würde in diesem konkreten Fall das Bundesverwaltungsgericht - jene Instanz die zur eigentlichen Rechtskontrolle eingerichtet wurde - die Instanz sein, die im Verfahren erstmals einen begründeten Bescheid mit den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes erlässt, so wäre damit der Rechtsschutz des Beschwerdeführers de facto eingeschränkt. Es ist in erster Linie die Aufgabe der belangten Behörde als Tatsacheninstanz zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung sich sachgerecht mit dem Antrag auseinanderzusetzen, den maßgeblichen Sachverhalt vollständig festzustellen und ihre Begründung im Bescheid nachvollziehbar darzustellen.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, nach entsprechender Durchführung der gebotenen Ermittlungsschritte, insbesondere der Beischaffung des Aktes des BVT bzw. LVT XXXX sowie des Ermittlungsaktes der Staatsanwaltschaft XXXX und der Heranziehung von aktuellen einzelfallspezifischen Länderberichten, mit der Frage auseinanderzusetzen haben, welche möglichen Endigungsgründe konkret vorliegen. Dabei wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, insbesondere, vorab zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer überhaupt noch am Leben oder das Verfahren wegen seines Todes einzustellen ist. Nach Durchführung entsprechender Abklärungen wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zudem in Bezug auf den Abspruch von § 8 AsylG zu begründen haben, warum ein der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation Verdächtiger "keiner Gefährdung ausgesetzt" sei, es ihm frei stehe, sich im gesamten russischen Staatsgebiet niederzulassen (Seite 76 des angefochtenen Bescheides).

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unzureichende Ermittlungsschritte gesetzt hat und der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu

A) wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W226.2225158.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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