TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/28 W117 2226955-2

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Veröffentlicht am 28.01.2020
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Entscheidungsdatum

28.01.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W117 2226955-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1113595508 / 190894569, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF) ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er stellte in Österreich bereits 2016, 2017 und im Jänner 2019 - jeweils unter einer anderen Identität - erfolglos Anträge auf internationalen Schutz. Im September 2019 wurde er aus den Niederlanden nach Österreich rücküberstellt, wobei er umgehend einen weiteren - insgesamt vierten - Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Mit Bescheid vom 03.09.2019 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG angeordnet.

Die Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) bezüglich des Asylantrags erging - verbunden mit einer Rückkehrentscheidung - am 18.09.2019 und enthielt eine Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a AsylG. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese mit Beschluss vom 23.09.2019 für rechtmäßig erklärt. Gegen diese Entscheidung wurde kein (außerordentliches) Rechtsmittel an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

Am 27.12.2019 langte der Verfahrensakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass das HRZ-Verfahren noch im Laufen sei und verwies auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers sowie die wiederholte illegale Ausreise und das bewusste Verschleiern der Identität.

Das Bundesverwaltungsgericht sprach mit Erkenntnis vom 30.12.2019, W137 2226955-1, die Zulässigkeit der Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft aus - das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

"Feststellungen:

Betreffend den Beschwerdeführer liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung hinsichtlich seines Herkunftsstaates Marokko vor. Dem Beschwerdeführer kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Die negative Entscheidung im jüngsten Asylverfahren (vom September 2019) erwuchs mangels Einbringung einer Beschwerde in Rechtskraft. Es liegen somit rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahmen vor. Das im Juli 2019 eingeleitete HRZ-Verfahren ist aktuell noch im Laufen und bewegt sich im üblichen Zeitrahmen hinsichtlich des hier relevanten Herkunftsstaates.

Der Beschwerdeführer war in Österreich seit Mai 2016 (erste Antragstellung) nur sporadisch gemeldet und setzte sich dreimal illegal ins Ausland ab (von wo er jeweils behördlich rücküberstellt wurde). Der Beschwerdeführer zeigte sich während seines Asylverfahrens nicht kooperativ und machte im Rahmen seiner Asylanträge bewusst tatsachenwidrige Angaben zu seiner Identität (Name, Geburtsjahr). Insgesamt wurden zwei unterschiedliche Namen und drei unterschiedliche Geburtsjahre verzeichnet. Das Bundesamt hat die gesetzlich vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und entsprechende Aktenvermerke verfasst. Der Beschwerdeführer wurde wegen der Begehung von (qualifizierten) Vermögensdelikten 2019 zunächst zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt - mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im ersten Halbjahr 2020 ist jedenfalls realistisch. Das Erfordernis einer HRZ-Ausstellung und die dadurch bedingte Anhaltedauer sind dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

Der Beschwerde ist nicht Asylwerber; es kommt ihm kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Von 19.11.2019 bis 25.11.2019 war er im Hungerstreik, den er freiwillig beendete. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nicht Deutsch und verfügt über keine substanziellen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft und lediglich über Barvermögen in Höhe von rund 100€. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen - insbesondere zum Fehlen eines faktischen Abschiebeschutzes und zum Bestehen rechtskräftiger und durchsetzbarer Rückkehrentscheidungen - ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten zu seinem Asylverfahren (BVwG-GZ 2223362-1 und -2). Die Feststellungen bezüglich der Meldeadressen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem rezenten Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung sind dem Strafregister entnommen. Der Beschwerdeführer hat im Asylverfahren nachweislich unterschiedliche Angaben zu seiner Identität gemacht - was aus den Akten ersichtlich ist.

Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Abschiebungen finden regelmäßig statt. Ebenso regelmäßig muss diesen ein Ermittlungsverfahren im Herkunftsstaat vorangehen, weil die Betroffenen keine Personal- oder Reisedokumente vorweisen können. Diese benötigen üblicherweise einige Monate. Angesichts der Einleitung des HRZ-Verfahrens im September 2019 ist damit eine HRZ-Ausstellung und eine Abschiebung im ersten Halbjahr 2020 realistisch.

Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die in besonderem Maße geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer im Asylverfahren bewusst getätigten falschen Angaben zu seiner Person und dem wiederholten Aufenthalt im Verborgenen sowie der dreifachen illegalen Ausreise zur Stellung weiterer Anträge auf internationalen Schutz. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gröbere gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten.

Rechtliche Beurteilung:

"(...)

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete (Ziffern 1, 3 und 8 des § 76 Abs. 1 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch bewusst falsche Angaben zu seiner Identität im Rahmen des Asylverfahrens und durch bewusstes Entziehen vor einem behördlichen Zugriff - durch Aufenthalt im Verborgenen sowie wiederholte Absetzung ins Ausland - erfüllt.

Mit der Verhängung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts (in besonderem Umfang) fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer durch seine illegale Einreise unter Zurücklassung von Personal- und Reisedokumenten selbst zu verantworten. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Es wurde auch laufend bei der Botschaft urgiert.

Die übliche Ermittlungszeit von mehreren Monaten seitens der marokkanischen Behörden im HRZ-Verfahren ist gerichtsbekannt und allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Insofern ist mit einem Verfahrensabschluss in der oben festgestellten Zeit zu rechnen. Diese liegt jedenfalls noch deutlich unter der höchstzulässigen Anhaltedauer und ist unter Berücksichtigung des Vorverhaltens des Beschwerdeführers auch verhältnismäßig.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen."

Die Verwaltungsbehörde legte mit Schreiben vom 27.01.2220 den Akt vor und gab folgende Stellungnahme ab:

"(...)

Verfahrensgang und Stellungnahme des zuständigen Referenten:

-

(...)

-

Am 30.09.2019 wurde das bereits am 27.07.2018 gestartete Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für XXXX bei der Abteilung Dublin und Internationale Beziehungen des Bundesamtes urgiert. Seit diesem Zeitpunkt wurde durch die Abteilung am 02.10.2019, 09.10.2019, 05.11.2019, 08.11.2019, 06.12.2019 und zuletzt am 10.01.2020 mündlich oder schriftlich bei der marokkanischen Botschaft urgiert.

-

Zwischen 19.11.2019 und 25.11.2019 befand sich XXXX im PAZ Hernalser Gürtel im Hungerstreik.

-

Bis zum heutigen Tag stellte XXXX keinen Antrag auf freiwillige Rückkehr obwohl er bei seiner letzten Rückkehrberatung am 04.09.2019 angab, dass er rückkehrwillig sei.

-

Am 15.11.2020 verweigerte XXXX zum zweiten Mal die Schubhaftbetreuung,

-

Am 23.01.2020 verweigert XXXX den Röntgentermin wie schon viermal davor seit 12.12.2019. Er ließ den Röntgentermin nur einmal am 05.09.2019 über sich ergehen.

Zur Fluchtgefahr:

-

(...)

Es darf lediglich hervorgehoben werden, dass der Fremde laut Eurodac-Abgleich im Zeitraum von 09.03.2016 bis 09.05.2018 bereits einmal in Ungarn, einmal in Deutschland, einmal in den Niederlanden, einmal in der Schweiz und zum vierten mal in Österreich einen Asylantrag stellte. Er wurde bereits zum dritten Mal gemäß Dublin III Verordnung nach Österreich rücküberstellt.

-

Der Fremde hat wiederholt illegale Grenzverletzungen innerhalb des Schengen-Raumes begangen.

-

Im Zuge seiner Verfahren hat er zumindest acht verschiedene Identitäten verwendet.

-

Aufgrund des festgehaltenen persönlichen Verhaltens erweist sich der Fremde als nicht vertrauenswürdige und rechtschaffene Person bei der erhebliche Fluchtgefahr besteht. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass er seiner Verpflichtung das Bundesgebiet auf legalem Weg zu verlassen aus eigenem nachkommen wird. Im Hinblick auf die wiederholten Asylanträge in verschiedenen Schengen-Staaten und seinen Verstößen gegen gültige Gesetze und Rechtsvorschriften, ist erhebliche Fluchtgefahr und die Fortsetzung der Anhaltung in der Schubhaft jedenfalls zur Sicherung der Abschiebung dringend geboten

(...)."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Feststellungen der Vorentscheidung werden übernommen und zu Feststellungen der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen, gleichfalls im Rahmen des Verfahrensganges zitiert.

Ergänzend wird festgestellt:

Auf der Tatsachenebene liegt (daher) keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Die Verwaltungsbehörde ist sehr um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht.

Es sind keine Umstände hervorgekommen, wonach die weitere Anhaltung in Schubhaft unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere der zitierten Vorentscheidung sowie aktuellen Stellungnahme.

Die ergänzende Feststellung ergibt sich aus den bisherigen Feststellungen im Zusammenhang mit der auch aktuell von der Verwaltungsbehörde mitgeteilten mangelnden Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers in Bezug auf die Verweigerung der Wahrnehmung des Röntgentermins:

"Am 23.01.2020 verweigert XXXX den Röntgentermin wie schon viermal davor seit 12.12.2019. Er ließ den Röntgentermin nur einmal am 05.09.2019 über sich ergehen."

Aus der Vorentscheidung und der angeführten aktuellen mangelnden Kooperationsbereitschaft ergibt sich daher jedenfalls die erhebliche Fluchtgefahr zum Entscheidungszeitpunkt.

Die Verwaltungsbehörde hat mit der Darlegung ihrer Urgenz der Ausstellung eines Heimreisezertifikates ausreichend ihre diesbezüglichen Bemühungen aufgezeigt.

Zu Spruchpunkt A. (Fortsetzung der Schubhaft):

Gesetzliche Grundlagen:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Vor dem Hintergrund des aktuell unbestritten feststehenden Sachverhaltes, welcher bereits umfassend dem angeführten Vorerkenntnis und der Aktenvorlage zugrunde gelegt wurde, waren, wie ausgeführt, keine für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren; dies aber bedeutet, dass die im Vorerkenntnis seitens des Bundesverwaltungsgerichtes vorgenommene und im Rahmen des Verfahrensganges zitierte rechtliche Beurteilung, welche von erheblicher Fluchtgefahr und der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung ausgeht, weiterhin volle Gültigkeit aufweist.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nochmals auf die aktuelle mangelnde Kooperationsbereitschaft während der Anhaltung in Schubhaft hinzuweisen - siehe ergänzende Feststellung. Auch bewegt sich die bisherige Anhaltung in Schubhaft im unteren Bereich des gesetzlich Möglichen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und sich diese zudem weiterhin als verhältnismäßig erweist.

Zu Spruchpunkt II. (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Identität, Kooperation,
Mittellosigkeit, Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf,
strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W117.2226955.2.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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