TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/29 W137 2126969-1

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Veröffentlicht am 29.01.2020
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Entscheidungsdatum

29.01.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
Dublin III-VO Art. 28 Abs1
Dublin III-VO Art. 28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W137 2126969-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Südsudan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2016, Zl. 1002633304/160484130, sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 06.04.2016 bis zum 18.04.2016 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG (in der damals geltenden Fassung) stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft von 06.04.2016 bis 18.04.2016 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG hat der Bund (Bundesminister für Inneres) der beschwerdeführenden Partei zu Handen des ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in der Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Am 15.03.2016 wurde versucht, den Beschwerdeführer aufgrund eines Festnahmeauftrags festzunehmen. Der Beschwerdeführer wurde an der vom Bundesamt herangezogenen Adresse in 1030 Wien jedoch nicht angetroffen.

2. Am 05.04.2016 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Beschwerdeführer ein Festnahmeauftrag erlassen.

3. Am 05.04.2016 wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer Schengenkontrolle im Grenzgebiet aufgegriffen und aufgrund der Anordnung zur Außerlandesbringung in die nächstgelegene Polizeidienststelle verbracht.

4. Am 06.04.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

5. Das Bundesamt hat mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 06.04.2016 die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründet wurde dies insbesondere mit der Behinderung einer Abschiebung durch Untertauchen, einer angeordneten Außerlandesbringung und einer für zulässig erklärten Abschiebung nach Italien.

6. Am 18.04.2016 wurde der Beschwerdeführer mittels Linienflug nach Italien abgeschoben.

7. Am 30.05.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde ein. In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, dass ein Sicherungsbedarf im gegenständlichen Fall nicht nachvollziehbar begründet sei. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe einen allfälligen Sicherungsbedarf nicht ausreichend ermittelt und gehe von unzutreffenden Sachverhaltselementen aus. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer untergetaucht sei und sich dadurch einem behördlichen Zugriff entzogen habe, sei nicht korrekt, da der Beschwerdeführer bis zum Tag seiner Festnahme in Grundversorgungsquartieren und Wien gemeldet und aufhältig gewesen sei, was durch eine Nachschau im Zentralen Melderegister bzw GVS-System ersichtlich gewesen sei.

Beantragt wurde daher, a) der Beschwerde gemäß § 22 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, b) eine mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts durzuführen, c) den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die Anhaltung des Beschwerdeführers von 06.04.2016 bis 18.04.2016 in rechtswidriger Weise erfolgt sei, d) der belangten Behörde der Ersatz der Aufwendungen des Beschwerdeführers aufzuerlegen, e) in eventu die ordentliche Revision zuzulassen.

8. Am 31.05.2016 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Zum beschwerdevorbringen wurden seitens der Behörde keine Stellungnahme abgegeben.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Südsudan. Seit 04.02.2016 (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zur Zahl W184 2010444-2/5E) besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare Außerlandesbringung (bezogen auf Italien) gegen den Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer wurde am 18.04.2016 außer Landes gebracht.

Der Beschwerdeführer verfügte über keine familiären Anknüpfungspunkte an das Bundesgebiet. Er verfügte auch nicht über besonders ausgeprägte soziale Anknüpfungspunkte in Österreich. Seine Existenz in Österreich war nicht gesichert; er ging in Österreich nie einer legalen Beschäftigung/Erwerbstätigkeit nach und bezog zum Zeitpunkt der Außerlandesbringung Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung, der Inschubhaftnahme und der Schubhaft gesund und haftfähig. Es gab keinen stichhaltigen Hinweis für substanzielle gesundheitliche Probleme körperlicher oder psychischer Natur.

Am 15.03.2016 wurde an einer Anschrift in 1030 Wien versucht, den Festnahmeauftrag gegen den Beschwerdeführer zu vollziehen. Der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt an dieser Adresse weder aufhältig noch gemeldet, weshalb eine Festnahme des Beschwerdeführers nicht gelang. Der Beschwerdeführer war seit 14.03.2016 an einer Adresse in 1020 Wien gemeldet.

Der Beschwerdeführer wurde am 05.04.2016 festgenommen; am Tag danach wurde gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Der Beschwerdeführer befand sich vom 06.04.2016 bis zum 18.04.2016 in Schubhaft, ehe er am 18.04.2016 nach Italien abgeschoben wurde.

Das Bundesamt ging im Bescheid vom 06.04.2016 nicht auf die zum Zeitpunkt der versuchten Festnahme aktuelle Adresse des Beschwerdeführers ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 10002633304-160484130 sowie den vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere zur Zahl 2126969-1. Er ist überdies unstrittig. Dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung bis zu seiner Abschiebung nicht nachgekommen ist, ist evident und ebenfalls unstrittig.

1.2. Familiäre Anknüpfungspunkte an das Bundesgebiet wurden vom Beschwerdeführer ausdrücklich verneint und sind der Beschwerde auch nicht zu entnehmen. Hinweise auf eine legale Beschäftigung/Erwerbstätigkeit haben sich aus der Aktenlage nicht ergeben und wurde eine solche vom Beschwerdeführer auch nie behauptet.

Hinweise für eine besonders ausgeprägte soziale Integration sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Glaubhaft sind soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, die allerdings nicht besonders ausgeprägt sind.

Unstrittig ist schließlich, dass der Beschwerdeführer durchgehend in Österreich polizeilich gemeldet war. Dies ergibt sich auch aus einer Einsichtnahme ins Zentrale Melderegister. Dass sich die Behörde im Bescheid nicht mit der zum Zeitpunkt des Festnahmeversuchs aktuellen Adresse auseinandergesetzt hat ergibt sich aus dem Bescheid selbst. Hätte sich die Behörde damit auseinandergesetzt, wäre für sie ersichtlich gewesen, dass der Festnahmeversuch an der nicht aktuellen Adresse stattgefunden hat. Zu der daraus resultierenden Folge ist auf die rechtliche Beurteilung zu verweisen.

1.3. Für substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers gab es bei Schubhaftanordnung keinen Hinweis und sind solche auch in der Beschwerde nicht behauptet worden. Auch gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme selbst an, gesund zu sein.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung vom 04.06.2016, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung vom 06.04.2016, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft vom 06.04.2016 bis zum 18.04.2016:

3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die "Fluchtgefahr" ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Es lag eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bezogen auf Italien vor.

3.2. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit Umgehung der Rückkehr durch Aufenthalt im Verborgenen, der rechtskräftigen Entscheidung im Asylverfahren und dem Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar auf die Ziffern 1 und 3 des § 76 Abs. 3 FPG.

Dem Vorliegen der Kriterien der Ziffer 3 wurde auch in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten.

Hinsichtlich Ziffer 1 ist die Argumentation des Bundesamtes jedoch - unter Berücksichtigung der behördlichen Ermittlungen und angesichts einer mangelhaften Begründung - nicht nachvollziehbar. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützte sich darauf, dass der Beschwerdeführer untergetaucht und daher seine Festnahme nicht möglich gewesen sei. Hier verkennt das Bundesamt jedoch, dass der Beschwerdeführer zu jeder Zeit polizeilich gemeldet war und für die versuchte Festnahme am 15.03.2016 schlicht eine veraltete Adresse herangezogen worden war. Dass die Festnahme nicht möglich war, ist also zunächst schlicht darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer an der Adresse, an welcher die Festnahme hätte vollzogen werden sollen, gar nicht mehr gewohnt hat. Die Behörde ging - da dieses Problem im angefochtenen Bescheid in keiner Form erörtert wurde - daher fälschlicherweise davon aus, dass der Beschwerdeführer untertauchte um dadurch einer Außerlandesbringung zu entgehen.

Das Bundesamt hat es unterlassen, sich hier mit dem Grund der mangelnden Anwesenheit des Beschwerdeführers an der Adresse zu befassen. Vielmehr hat es die Abwesenheit schlicht als "Untertauchen" definiert und insbesondere in keiner Form eine Abwägung mit dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers vorgenommen. Es gibt auch keinen Hinweis, dass sich das Bundesamt in irgendeiner Form mit der tatsächlichen Meldeadresse auseinandergesetzt hätte. Wenn im angefochtenen Bescheid "ein beträchtliches Risiko des Untertauchens" gerade "aufgrund ihres bisherigen Verhaltens" behauptet wird, müsste aber eben dieses auch entsprechend gewürdigt werden. "Bisheriges Verhalten" beinhaltet überdies die gesamte Anwesenheit im Bundesgebiet - nicht bloß die letzten Tage vor Anordnung der Schubhaft.

3.3. Diese mangelhafte Begründung in Bezug auf ein besonders entscheidungsrelevantes Sachverhaltselement (Vorliegen der Ziffer 1), belastet den angefochtenen Bescheid insgesamt mit Rechtswidrigkeit. Insbesondere gelingt es dem Bundesamt in diesem Zusammenhang nicht, die zur Anordnung der Schubhaft erforderliche ultima-ratio-Situation schlüssig darzulegen.

Zudem ist - vor dem Hintergrund des unstrittigen Sachverhalts - der "Verzicht" auf die Anordnung des gelinderen Mittels nicht hinreichend begründet. Gerade wenn - wie im gegenständlichen Fall - die Annahme der Fluchtgefahr nur auf wenige (und/oder schwach ausgeprägte) Kriterien des § 76 Abs. 3 FPG gestützt ist, müsste ein solcher "Verzicht" besonders ausführlich argumentiert sein.

3.4. Aus diesen Gründen erweist sich auch die auf den Bescheid gestützte Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

5. Kostenersatz

5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

5.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch der Fortsetzungsausspruch in die Beurteilung des "Obsiegens" einzubeziehen. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als (vollständig) obsiegender Partei daher Kostenersatz im gesetzlich vorgesehenen Umfang, die belangte Behörde hat als unterlegene Partei keinen Anspruch auf Kostenersatz. Das Bundesamt hat allerdings ohnehin keinen Kostenersatz beantragt.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Hinsichtlich der fehlenden Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird auf die Ausführungen in Abschnitt II.4. verwiesen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Außerlandesbringung, Begründungsmangel, Fluchtgefahr,
Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2126969.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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