Entscheidungsdatum
30.01.2020Norm
AVG §18 Abs4Spruch
L503 2005680-2/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Aigner Fischer Aigner Rechtsanwaltspartnerschaft, gegen die als Bescheid bezeichnete Erledigung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Regionalbüro Oberösterreich, vom 31.7.2017, Ordnungsbegriff XXXX , betreffend Beitragspflicht, Höhe der Beitragsgrundlage und Vorschreibung eines Beitragszuschlages, beschlossen:
A.) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG, § 9 Abs 3 ZustG und § 18 Abs 4 zweiter Satz AVG mangels Vorliegen eines Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.
B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Zum Verfahrensgang im ersten Rechtsgang wird auf den hg. Beschluss vom 3.11.2015, L513 2005680-1/2E, verwiesen und ergänzend wie folgt ausgeführt:
1.1. Am 25.4.2012 zeigte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: "BF") der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (im Folgenden kurz: "SVB") an, dass er die rechtsfreundliche Vertretung der BF übernommen habe. In diesem Schreiben wurde die BF auch als Mandantin des rechtsfreundlichen Vertreters bezeichnet.
1.2. Mit Schriftsatz ("Vollmachtsbekanntgabe & Einspruch") ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 21.1.2013 erhob die BF fristgerecht (damals) Einspruch gegen den in der Folge ergangenen Bescheid der SVB vom 10.12.2012. Darin wurde eingangs ausgeführt, dass die BF ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit ihrer Vertretung beauftragt habe und sich dieser auf die erteilte Bevollmächtigung berufe.
1.3. Mit hg. Beschluss vom 3.11.2015, L513 2005680-1/2E, wurde der Bescheid der SVB vom 10.12.2012 behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die SVB, Regionalbüro Oberösterreich, zurückverwiesen.
2. Mit der nunmehr angefochtenen, als "Wiederholungsbescheid" bezeichneten Erledigung vom 31.7.2017, sprach die SVB im fortgesetzten Verfahren - nach ergänzendem Ermittlungsverfahren - aus, dass für die BF im Zeitraum vom 1.1.2008 bis 31.12.2011 in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung der Bauern eine bestimmte Beitragsgrundlage der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sei und eine näher dargestellte Beitragspflicht bestehe. Die jeweilige Beitragsgrundlage und Beitragshöhe für den genannten Zeitraum war in einer Tabelle dargestellt.
Weiters wurde wegen Verletzung der Meldepflicht für die Jahre 2008 bis 2011 für beitragspflichtige Nebentätigkeiten nach der Anlage 2 zum BSVG nachzuverrechnende Beiträge ein Beitragszuschlag in Höhe von EUR 253,67 verhängt.
Als Adressat der Erledigung ist die BF angeführt.
Die Erledigung weist als Fertigungsklausel "Der leitende Angestellte: i.A." sowie eine Unterschrift und den Namen des Genehmigenden auf.
3. Die Erledigung wurde der BF per RSb-Brief übermittelt und von dieser am 8.8.2017 übernommen.
4. Am 10.8.2017 richtete der rechtsfreundliche Vertreter der BF ein E-Mail mit folgendem Inhalt (als Anhang) an die SVB: "[...] Meine Mandantin hat mir mitgeteilt, dass sie einen Bescheid von Ihnen zugestellt bekommen hat. Ich bitte Sie mir den Bescheid mittels mail auf meine Mailadresse zukommen zu lassen, damit allenfalls ein fristgerechtes Rechtsmittel eingebracht werden kann. [...]"
Auf dem im Verwaltungsakt erliegenden, ausgedruckten Exemplar dieses Schreibens finden sich folgende handschriftliche Vermerke der SVB:
"lt. Aktenlage liegt Vollmacht vor! (m.E. hätte Bescheid dem RA zugestellt werden müssen!)"; "Bitte Originalbescheid einscannen und dem RA per E-Mail übersenden. Hinweis dass d. Bescheid der Vers. am 8.8.'17 zugestellt wurde."; "Bitte auch auf Zustelldat. lt Rsb hinweisen".
5. Am 11.8.2017 wurde die eingescannte (Original)Erledigung dem rechtsfreundlichen Vertreter der BF per E-Mail als PDF-Anhang übermittelt. Im begleitenden E-Mail wurde wie folgt ausgeführt:
"[...] Aufgrund Ihres Schreibens vom 10.8.2017 übermitteln wir Ihnen in der Anlage wunschgemäß den Bescheid vom 31.7.2017, welcher [der BF] am 8.8.2017 zugestellt wurde. [...]".
6. Mit Schriftsatz ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 4.9.2017 erhob die BF fristgerecht - und inhaltlich näher begründet - Beschwerde gegen die Erledigung der SVB vom 31.7.2017.
7. Am 14.9.2017 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 25.4.2012 zeigte der rechtsfreundliche Vertreter (eine Rechtsanwaltspartnerschaft) der BF der SVB an, dass er die rechtsfreundliche Vertretung der BF übernommen habe. In diesem Schreiben wurde die BF auch als Mandantin des rechtsfreundlichen Vertreters bezeichnet. Dieses Schreiben ist der SVB spätestens am 7.5.2012 zugegangen.
In der nunmehr angefochtenen, als "Wiederholungsbescheid" bezeichneten Erledigung der SVB vom 31.7.2017 ist die BF als Adressat angeführt. Die Erledigung weist als Fertigungsklausel "Der leitende Angestellte: i.A." sowie eine Unterschrift und den Namen des Genehmigenden auf. Die Erledigung wurde der BF per RSb-Brief übermittelt und von dieser am 8.8.2017 übernommen.
Am 11.8.2017 wurde die eingescannte (Original)Erledigung dem rechtsfreundlichen Vertreter der BF per E-Mail als PDF-Anhang übermittelt. Im begleitenden E-Mail wurde wie folgt ausgeführt:
"[...] Aufgrund Ihres Schreibens vom 10.8.2017 übermitteln wir Ihnen in der Anlage wunschgemäß den Bescheid vom 31.7.2017, welcher [der BF] am 8.8.2017 zugestellt wurde. [...]". Die übermittelte Erledigung entspricht inhaltlich der am 8.8.2017 der BF zugesandten Erledigung. Sie enthält keine Amtssignatur.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der SVB.
Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich daraus zweifelsfrei.
Dass der SVB das Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters vom 25.4.2012 (Anzeige der Vertretung) zugegangen ist, ergibt sich daraus, dass in späterer Korrespondenz (E-Mail der SVB vom 7.5.2012) ausdrücklich darauf Bezug genommen wurde. Die zunächst erfolgte Übermittlung der angefochtenen Erledigung an die BF selbst ist im Verfahrensakt nachvollziehbar dokumentiert. In den handschriftlich angebrachten Vermerken (offensichtlich Kanzleiweisungen) auf dem Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters vom 10.8.2017 kommt die von der SVB - in Entsprechung des in genanntem Schreiben geäußerten Ersuchens um Übersendung der Erledigung - gewählte Vorgangsweise bei Übermittlung der Erledigung an den rechtsfreundlichen Vertreter zum Ausdruck. Daraus geht zweifelsfrei hervor, dass der "Originalbescheid" eingescannt und dem Vertreter per E-Mail übersandt werden sollte. Dies findet seine Bestätigung auch in dem im Akt erliegenden E-Mail der SVB an den Vertreter, mit welchem die Übermittlung auch tatsächlich durchgeführt wurde. Darin wird auch darauf Bezug genommen, dass es sich bei der übermittelten Erledigung um jenen "Bescheid" handle, der der BF am 8.8.2017 "zugestellt" worden sei. Es bestehen damit keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die dem Vertreter übermittelte Erledigung ihrem Inhalt nach von jener Ausfertigung abweichen würde, die der BF zugesandt wurde bzw. die auch als Gleichschrift für den Akt im Verwaltungsakt erliegt. Ebenso wenig bestehen Hinweise darauf, dass dem rechtsfreundlichen Vertreter der BF die Erledigung auf andere Weise tatsächlich zugekommen wäre oder ihm durch die belangte Behörde in anderer Form (etwa per RSb-Brief) zugestellt worden wäre. So bezieht sich der Vertreter im Schreiben vom 10.8.2017 lediglich darauf, dass ihm die BF mitgeteilt habe, dass ihr von der SVB ein Bescheid "zugestellt" worden sei. Auch in der Beschwerde nimmt der Vertreter auf den 8.8.2017 (den Tag der Zustellung an die BF) als Zustellungsdatum Bezug, was nicht auf eine (nachträglich) an ihn selbst bewirkte Zustellung hindeutet.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde mangels Vorliegen eines Bescheides
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 182 Z 7 BSVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht gegenständlich durch Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, durch Beschluss.
3.2. Einschlägige Rechtsgrundlagen:
3.2.1. § 10 Abs. 1 AVG lautet:
§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
3.2.2. § 18 Abs. 4 AVG lautet:
(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.
3.2.3. § 8 Abs. 1 zweiter Satz RAO lautet:
§ 8 Abs. 1 [...] Vor allen Gerichten und Behörden ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis.
3.2.4. § 9 Abs. 3 ZustG lautet:
§ 9 [...] (3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
3.3. Einschlägige Rechtsprechung:
Die Berufung auf die Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG kann etwa durch die Klausel "Vollmacht erteilt" auf einem Schriftsatz oder dadurch erfolgen, dass ein Rechtsmittel "namens und auftrags meiner Mandantschaft" eingebracht wird. Voraussetzung für die Begründung eines maßgeblichen Vertretungsverhältnisses iSd § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG ist allerdings, dass sich der Vertreter (selbst) gegenüber der Behörde auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl. VwGH vom 28.5.2013, 2012/05/0157).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließt eine allgemeine Vertretungsbefugnis eine Zustellungsbevollmächtigung mit ein (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Juni 2012, 2010/17/0215, mwN). Das gilt auch, wenn sich ein Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl. das Erkenntnis vom 3. Juli 2009, 2008/17/0154); vgl. dazu VwGH vom 26.2.2014, 2012/13/0051.
Hat ein Rechtsanwalt der Behörde in einem Verwaltungsverfahren seine Bevollmächtigung durch die Partei gemäß § 10 Abs 1 AVG (in einem Schriftsatz) bekannt gegeben und im Verfahren unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht Anträge eingebracht, kann eine Zustellung des das Verfahren abschließenden Bescheides gemäß § 9 Abs 1 ZustellG wirksam allein an diesen Rechtsanwalt erfolgen (vgl. VwGH vom 26.4.2001/2010/03/0186, mwN). Dem Vertreter sind alle Schriftstücke bei sonstiger Unwirksamkeit zuzustellen und dieser ist als Empfänger zu bezeichnen (vgl. VwGH vom 28.8.2008, 2008/22/0607), wobei die Adressierung an die Partei zu Handen des Zustellungsbevollmächtigten ausreicht (vgl. VwGH vom 22.8.2019, Ra 2018/16/0136).
Ab dem Vorliegen einer Zustellungsbevollmächtigung hat die Behörde somit nur mehr an den Zustellungsbevollmächtigten und nicht mehr an den Vertretenen zuzustellen; wird dennoch an den Vertretenen selbst zugestellt, ist diese Zustellung unwirksam. Eine Sanierung kann nur erfolgen, wenn das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt, wobei es sich dabei um die Urschrift, eine Ausfertigung oder eine amtlich hergestellte Photokopie der behördlichen Erledigung handeln muss. Weder die bloße Kenntnisnahme eines Schriftstückes noch eine privat erfolgte Herstellung oder Ablichtung desselben kann bewirken, dass das Schriftstück als dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen gilt (vgl. VwGH vom 3.10.2002, 2002/08/0031). Auch die Einbringung der Berufung durch den ausgewiesenen Rechtsanwalt bedeutet noch nicht, dass diesem das betreffende Schriftstück tatsächlich zugekommen ist vgl. VwGH vom 19.5.1993, 93/09/0041).
3.4. Im konkreten Fall bedeutet dies:
Mit Schreiben vom 25.4.2012 zeigte der rechtsfreundliche Vertreter der BF die ihm erteilte Vollmacht der SVB an und bezeichnete die BF darin als seine "Mandantin". Damit ist unzweifelhaft vom Vorliegen einer Vollmacht auszugehen und hat sich der rechtsfreundliche Vertreter - eine Rechtsanwaltspartnerschaft - gemäß § 8 Abs. 1 zweiter Satz RAO auch auf diese Vollmacht berufen, was den urkundlichen Nachweis derselben ersetzt. Eine allgemeine Vollmacht zur Vertretung beinhaltet nach der oben zitierten Rechtsprechung (vgl. VwGH vom 20.6.2012, 2010/17/0215) auch die Befugnis zur Empfangnahme von Schriftstücken.
Der rechtsfreundliche Vertreter der BF ist somit seit Einlangen seines Schreibens vom 25.4.2012 (spätestens mit 7.5.2012) bei der SVB als zustellungsbevollmächtigt für das gegenständliche Verfahren anzusehen.
Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 9 Abs. 3 erster Satz ZustG diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt gemäß § 9 Abs 3. zweiter Satz ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Im gegenständlichen Fall hat die SVB die Zustellung der - an die BF adressierten - Erledigung vom 31.7.2017 nicht an den zustellungsbevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertreter der BF vorgenommen, sondern die Erledigung der BF selbst per RSb-Sendung übermittelt (Übernahme durch die BF am 8.8.2017). Insofern würde die Zustellung gemäß § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG erst als in dem Zeitpunkt bewirkt gelten, in dem der Bescheid dem rechtsfreundlichen Vertreter "tatsächlich zugekommen" ist.
Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29.3.2001, 2001/06/0004, wie folgt ausgeführt:
"Eine Heilung der unterlassenen Zustellung ist gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz nur dann vorgesehen, wenn der Bescheid dem Zustellungsbevollmächtigten, im vorliegenden Fall den Beschwerdevertretern, tatsächlich zugekommen ist. Der Umstand, dass der erstinstanzliche Bescheid, der im Original nicht den Vertretern, sondern lediglich dem Beschwerdeführer selbst zugestellt wurde, den Rechtsvertretern des Beschwerdeführers mittels Telekopie (bzw. Telefax) zugekommen und ihnen somit in dieser Form zur Kenntnis gekommen ist, kann den in der unterlassenen Zustellung an den Parteienvertreter gelegenen Verfahrensmangel nicht heilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1999, Zl. 99/02/0102, und vom 30. Juni 1992, Zl. 92/05/0067). Gemäß der hg. Judikatur (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/11/0333, und vom 30. September 1999, Zl. 99/02/0102) stellt die Kenntnis des Vertreters vom Bescheidinhalt durch Übermittlung einer Telekopie wie die Kenntnis durch Übergabe einer Fotokopie kein "tatsächliches Zukommen" des Bescheides gegenüber dem Vertreter im Sinne des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz dar. Maßgeblich ist für den Tatbestand des "tatsächlichen Zukommens", dass der Bescheid im Original vom Vertreter tatsächlich (körperlich) in Empfang genommen wird (vgl. Walter - Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes7, S. 87, Rz 203)."
Die Mitteilung der BF an ihren rechtsfreundlichen Vertreter, dass ihr ein Bescheid der SVB zugestellt worden sei (vgl. das Schreiben vom 10.8.2017), vermag damit eine Heilung des Zustellmangels nicht zu bewirken. Aber auch die - auf Ersuchen des rechtsfreundlichen Vertreters - am 11.8.2017 vorgenommene Übermittlung der Erledigung in eingescannter Form per E-Mail ist hierfür nicht ausreichend, da der Originalbescheid bei dieser Art der Übermittlung vom Vertreter nicht tatsächlich (körperlich) in Empfang genommen, sondern ihm die Erledigung nur in elektronischer Form (als PDF-Anhang) übermittelt wurde.
Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass der Zustellmangel mangels Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen ("tatsächliches Zukommen") nicht gemäß § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG geheilt wurde.
Die elektronische Übermittlung der eingescannten Erledigung an den Vertreter vermochte aber auch sonst keine Zustellung an diesen zu bewirken:
§ 18 Abs. 4 AVG unterscheidet grundlegend zwischen Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten und Ausfertigungen, die in Papierform ergehen. Für die Fertigung von Dokumenten der zuerst genannten Art enthält der erste Halbsatz seines zweiten Satzes nunmehr die klare Aussage, dass sie immer mit einer Amtssignatur im Sinne des § 19 E-GovG zu versehen sind. Seit Außerkrafttreten der davon dispensierenden Übergangsbestimmung des § 82a Z 2 AVG mit Ende des Jahres 2010 und Aufhebung dieser Bestimmung wegen "Gegenstandslosigkeit" durch BGBl. I Nr. 2013/33 bedürfen etwa auch Ausfertigungen von Erledigungen gemäß § 18 AVG in Form eines E-Mails oder eines damit (zB als PDF-Anhang) "transportierten" elektronischen Dokuments einer Amtssignatur (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 18, Rz 27, mwN).
Einem Schriftstück einer Behörde, das keiner der in § 18 AVG genannten Fertigungsformen entspricht, kommt Bescheidcharakter nicht zu (VfSlg. 10.871/1986; VwGH vom 18.12.1991, 90/12/0067, vom 16.2.1992, 92/12/0015; vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG §18, Rz 14, mwN). Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes reicht in derartigen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 28.2.2018, Ra 2015/06/0125, mit Hinweis auf VwGH 30.8.2017, Ra 2016/18/0324, und VwGH 13.8.2012, 2009/08/0209, jeweils mwN).
Am 11.8.2017 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der BF die eingescannte Erledigung per E-Mail als PDF-Anhang übermittelt. Diese elektronische Ausfertigung enthielt - in Entsprechung der (Original)Erledigung - die Fertigungsklausel "Der leitende Angestellte: i.A." und wies eine Unterschrift und den Namen des Genehmigenden, aber keine Amtssignatur auf. Als Ausfertigung in Form eines elektronischen Dokuments hätte die Erledigung gemäß § 18 Abs. 4 zweiter Satz AVG jedoch zwingend mit einer Amtssignatur versehen sein müssen. Die an den Vertreter übermittelte Erledigung entspricht daher keiner der in § 18 Abs. 4 AVG normierten Fertigungsformen und erfüllt damit nicht die gesetzlichen Anforderungen an einen Bescheid.
Mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes ist die Beschwerde somit spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im Hinblick auf die hier relevanten Fragen betreffend die Konsequenzen bei unterlassener Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten sowie die formalen Erfordernisse an die Erlassung eines Bescheides besteht - wie dargestellt - eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich die gegenständliche Entscheidung maßgeblich stützt.
Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da die Beschwerde zurückzuweisen ist.
Schlagworte
Amtssignatur, Anfechtungsgegenstand, Nichtbescheid, Zurückweisung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L503.2005680.2.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020