TE Vwgh Beschluss 2020/1/29 Ra 2019/13/0122

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Veröffentlicht am 29.01.2020
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren
60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

AVG §19 Abs3
BAO §111
BAO §143 Abs1
BAO §91 Abs3
MSchG 1979 §3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der H in G, bei Einbringung der Revision vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 30. Oktober 2018, Zl. LVwG 40.26-1798/2018-9, betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 8. März 2018 setzte der Bürgermeister gegenüber der Revisionswerberin wegen Nichtbefolgung ihrer Ladungen vom 30. Mai 2017, 25. September 2017 und 4. Dezember 2017 als Auskunftsperson zur Klärung der Nächtigungsabgabepflicht der R OG eine Zwangsstrafe von 500 EUR fest.

2 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 25. April 2018 wies der Bürgermeister die Beschwerde als unbegründet ab.

4 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und änderte den Spruch dahin ab, dass gegenüber der Revisionswerberin die mit Ladungsbescheid vom 4. Dezember 2017 angedrohte Zwangsstrafe wegen Nichtfolgeleistung der Ladung als Auskunftsperson zur Klärung der Nächtigungsabgabepflicht der R OG mit 500 EUR festgesetzt werde. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei unbeschränkt haftende Gesellschafterin der R OG. Mit Ladungsbescheiden vom 30. Mai, 25. September und 4. Dezember 2017 sei die Revisionswerberin als Auskunftsperson geladen worden, um bei der Erhebung einer Nächtigungsabgabepflicht mitzuwirken.

7 Der Ladungsbescheid vom 4. Dezember 2017 habe den Ladungstermin 15. Jänner 2018 enthalten. Mit E-Mail (der Revisionswerberin) vom 15. Jänner 2018 sei der Termin mit der Begründung abgesagt worden, dass sich die Revisionswerberin im Mutterschutz befinde. Im Ladungsbescheid sei die Verhängung einer Zwangsstrafe in der Höhe von 500 EUR für den Fall eines unbegründeten Nichterscheinens angedroht worden. Bestätigungen oder ärztliche Atteste seien von der Revisionswerberin nicht vorgelegt worden. Zu einer Einvernahme sei es bisher nicht gekommen.

8 Gegenstand des Verfahrens könne nur der Ladungsbescheid vom 4. Dezember 2017 sein; es sei daher eine dahin gehende Einschränkung des Spruches erforderlich. Der Ladungsbescheid vom 4. Dezember 2017 sei rechtmäßig ergangen; der Gegenstand der Amtshandlung sei kurz und deutlich umschrieben worden; ebenso sei umschrieben worden, dass die Revisionswerberin in dieser näher beschriebenen Angelegenheit als Auskunftsperson mitwirken solle. Der Mutterschutz stelle keinen generellen Verhinderungsgrund dar. Auch vermöge der Mutterschutz, welcher sich über mehrere Monate erstrecke, keine die gesamte Zeitspanne andauernde Vernehmungsunfähigkeit zu begründen. Bei einer Erkrankung in dem Zeitraum des Mutterschutzes wäre von der Revisionswerberin ein ärztliches Attest zu erbringen gewesen, dies habe sie nicht gemacht. Es habe daher keine Rechtfertigung bestanden, zum Termin am 15. Jänner 2018 nicht zu erscheinen.

9 Die Revisionswerberin erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 23. September 2019, E 4973/2018-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. 10 In der nunmehrigen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob "Mutterschutz per se" ein Entschuldigungsgrund sein könne, wenn man in Betracht ziehe, dass in der letzten Phase der Schwangerschaft große Schwankungen im Zustand der Schwangeren zu erwarten seien und auch die ersten Wochen nach der Geburt des Kindes ebenso von solchen unter Umständen plötzlich auftretenden "Verfassungsschwankungen" getragen seien. Im Mutterschutz bestehe auch ein absolutes Arbeitsverbot. Weiters macht die Revisionswerberin geltend, sie sei nicht qualifiziert geladen worden.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 Gemäß § 91 Abs. 1 BAO ist die Abgabenbehörde berechtigt, Personen, deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.

15 Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat gemäß § 91 Abs. 3 BAO die Verpflichtung, der Vorladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten werden. Die Verhängung dieser Zwangsstrafen ist nur zulässig, wenn sie in der Vorladung angedroht und die Vorladung zu eigenen Handen zugestellt war.

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Bestimmung des § 19 Abs. 3 AVG hat eine Partei im Falle einer ordnungsgemäßen Ladung zwingende Gründe für das Nichterscheinen darzutun. Das bedeutet, dass nicht allein die Tatsache des Vorliegens (etwa) einer Erkrankung behauptet und dargetan werden muss, sondern auch die Hinderung aus diesem Grunde, bei der Verhandlung (Vernehmung) zu erscheinen. Die Triftigkeit des Nichterscheinens (der dafür vorgebrachten Gründe) muss überprüfbar sein (vgl. z.B. VwGH 18.4.2002, 2000/09/0191; 15.12.2016, Ra 2016/02/0242).

17 Eine Arbeitsunfähigkeit oder - wie hier - ein Beschäftigungsverbot (nach § 3 Mutterschutzgesetz 1979) bewirkt aber nicht jedenfalls, dass die betreffende Person vom Erscheinen "abgehalten" ist (vgl. etwa VwGH 18.3.1998, 96/09/0155: Gips am rechten Arm steht einer Aussage nicht entgegen; vgl. auch VwGH 18.6.2015, Ra 2015/20/0110; vgl. weiters - wenn auch zu einer im Detail abweichenden Norm - Frauenberger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3, § 333 ZPO Rz 2). Eine arbeitsunfähige oder einem Beschäftigungsverbot unterliegende Person kann gleichwohl reisefähig und verhandlungsfähig (aussagefähig) sein (vgl. in diesem Sinne auch - bei wiederum im Detail abweichender Norm - deutscher Bundesfinanzhof 10.5.2012, III B 223/11;

Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, (deutsche) Zivilprozessordnung76, § 381 Tz 6 "Erkrankung").

18 Dass - wie in der Revision dargelegt - die körperliche und psychische Verfassung im letzten Abschnitt einer Schwangerschaft nicht an jedem Tag gleich sei und es immer wieder zu unvorhergesehenen Situationen kommen könne, begründet gerade nicht, dass eine derartige Situation, die die Revisionswerberin von einem Erscheinen allenfalls hätte abhalten können, auch tatsächlich eingetreten sei. Dass die Revisionswerberin der Behörde - wenn auch sehr kurzfristig - bekanntgegeben hatte, nicht zu erscheinen, steht der Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 111 BAO nicht entgegen, wenn kein Grund im Sinne des § 91 Abs. 3 BAO vorliegt.

19 Wenn die Revisionswerberin weiters geltend macht, sie sei nicht qualifiziert geladen worden, so ist schon mangels konkreten Vorbringens hierzu das Vorliegen einer Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erkennbar. Soweit in der Revision dazu Ausführungen des Vertreters der Revisionswerberin im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung zitiert werden, ist zu bemerken, dass nach § 143 Abs. 1 BAO die Abgabenbehörde zur Erfüllung der im § 114 BAO bezeichneten Aufgaben berechtigt ist, Auskunft über alle für die Erhebung von Abgaben maßgebenden Tatsachen zu verlangen. Die Auskunftspflicht trifft - nach § 143 Abs. 1 zweiter Satz BAO - jedermann, auch wenn es sich nicht um seine persönliche Abgabepflicht handelt. Eine Auskunftsperson kann sowohl in eigener Sache als auch über nicht ihre Abgabepflicht betreffende Umstände befragt werden (vgl. Ritz, BAO6, § 143 Tz 3), sodass es ohne Bedeutung ist, dass die Revisionswerberin persönlich haftende Gesellschafterin der von der Behörde als abgabepflichtig angenommenen R OG ist.

20 Im Zulässigkeitsvorbringen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019130122.L00

Im RIS seit

06.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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