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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AsylG 2005 §8 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des M F M, vertreten durch Mag. Heimo Lindner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 35b, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. September 2019, G312 2177242-1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 11. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz vom 29. Mai 2015 zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Begründend führte das BVwG hinsichtlich der Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes insbesondere aus, der Revisionswerber stamme aus Bagdad. Es sei unter Berücksichtigung der zur Lage im Irak getroffenen Feststellungen nicht hervorgekommen, dass eine Rückführung des gesunden und arbeitsfähigen Revisionswerbers nach Bagdad eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bzw. die reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK bedeute. Dabei werde nicht verkannt, dass Bagdad weiterhin von terroristischer bzw. politisch motivierter Gewalt betroffen sei. Die Sicherheitslage sei aber nicht so schlecht, dass der Revisionswerber allein durch seine Anwesenheit tatsächlich ernsthaft bedroht wäre.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es bestehe eine nicht einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 15 Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU). Der Verwaltungsgerichtshof habe nämlich mit Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106, festgestellt, dass § 8 AsylG 2005 die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umsetze und auf die Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach dieser Richtlinie verwiesen. In seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ro 2019/19/0006, habe der Verwaltungsgerichtshof eine unmittelbare Anwendung des Art. 15 Statusrichtlinie in Hinblick auf den Wortlaut des § 8 AsylG 2005 dagegen verneint und darauf verwiesen, dass eine unmittelbare Anwendung zu Lasten des Einzelnen nicht in Betracht komme. Im vorliegenden Fall sei Art. 15 lit. c Statusrichtlinie aber zu Gunsten des Revisionswerbers anzuwenden. Das BVwG hätte nämlich prüfen müssen, ob dem Revisionswerber im Sinn dieser Bestimmung bei einer Rückkehr in den Irak eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohe. Auf Art. 15 lit. c Statusrichtlinie sei das BVwG in der Begründung seines Erkenntnisses jedoch überhaupt nicht eingegangen.
8 Entgegen den Ausführungen in der Revision trifft es nicht zu, dass die Frage, ob Art. 15 Statusrichtlinie unmittelbar anzuwenden ist, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet worden wäre. In seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106, hat der Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob § 8 Abs. 1 AsylG 2005 einer dem Unionsrecht (im Sinn der zu Art. 15 Statusrichtlinie ergangenen Rechtsprechung des EuGH) Genüge tuenden Auslegung zugänglich ist, nämlich ausdrücklich dahingestellt gelassen (Rn. 60 der Entscheidungsgründe).
9 Mit dieser Frage hat der Verwaltungsgerichtshof sich in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ro 2019/19/0006, beschäftigt und dargelegt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie in Übereinstimmung gebracht würden, unter Beachtung des klaren Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 sowie der Entstehungsgeschichte und der systematischen Stellung der Norm die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Infolge dessen hat der Verwaltungsgerichtshof an seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann, festgehalten. Es wird insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG des Näheren auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. 10 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits festgehalten, dass der in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - neben der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention - genannte Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes sich an dem - hinsichtlich dieses Tatbestandes weitgehend wortgleichen - Art. 15 lit. c Statusrichtlinie orientiert (vgl. VwGH 21.2.2017, Ra 2016/18/0137; 30.9.2019, Ra 2018/01/0068, jeweils mit weiteren Hinweisen auf die zu diesem Tatbestand ergangene Judikatur des VwGH und des EuGH). In Hinblick auf den insoweit bestehenden inhaltlichen Gleichklang zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005 kommt somit eine unmittelbare Anwendung des Art. 15 lit. c Statusrichtlinie zu Gunsten des Revisionswerbers nicht in Betracht.
11 Das Bundesverwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall bei seiner Prüfung der Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes - neben einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK - auch verneint, dass im Fall der Rückführung des Revisionswerbers in seinen Herkunftsstaat der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erfüllt wäre. Eine Unrichtigkeit dieser Beurteilung zeigt die Revision nicht konkret auf.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 13. Februar 2020
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190490.L00Im RIS seit
07.04.2020Zuletzt aktualisiert am
07.04.2020