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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ABGB §886Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der S in P, vertreten durch die Ortner Rechtsanwalts KG in 4810 Gmunden, Kirchengasse 6, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 17. Juni 2019, Zl. LVwG-602869/11/KLi/BR, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Gmunden), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit mündlich verkündetem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 2. November 2018 wurde die Revisionswerberin einer Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO schuldig erkannt, weshalb über sie gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt wurde. Nach der Verkündung des Straferkenntnisses unterschrieb die Revisionswerberin den im verwendeten Formular angekreuzten Text, dass sie "ausdrücklich auf eine Beschwerde verzichtet".
2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) diese Beschwerde als unzulässig zurück und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. 3 Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Revisionswerberin einen wirksamen Rechtsmittelverzicht abgegeben habe. Es stellte hierzu zusammengefasst fest, die Revisionswerberin sei bei ihrer Vernehmung vor der belangten Behörde über die Folgen des Straferkenntnisses, insbesondere im Hinblick auf einen Führerscheinentzug belehrt worden. Ihr sei auch die Möglichkeit eingeräumt worden, einen Rechtsbeistand beizuziehen. Die Revisionswerberin habe dennoch auf die Beiziehung eines Rechtsbeistandes verzichtet und erklärt, den Tatvorwurf einzugestehen. Der Revisionswerberin sei die Niederschrift zur Durchsicht vorgelegt worden. Danach sei angekreuzt worden, dass die Revisionswerberin auf eine Beschwerde verzichte. Dem Rechtsmittelverzicht sei eine umfangreiche (mündliche und schriftliche) Rechtsmittelbelehrung vorangegangen.
4 Den festgestellten Sachverhalt stützte das Verwaltungsgericht beweiswürdigend auf den Akteninhalt, insbesondere die Niederschrift über die Strafverhandlung vor der belangten Behörde sowie die Vernehmung des Leiters der erstinstanzlichen Amtshandlung als Zeugen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht.
5 In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht mit näheren Ausführungen, es sei von einem wirksamen, nicht mit Willensmängeln behafteten Beschwerdeverzicht auszugehen. Die Beschwerde sei daher mangels Rechtsmittellegitimation der Revisionswerberin als unzulässig zurückzuweisen.
6 Gegen diesen Beschluss erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 24. September 2019, E 2826/2019-5, deren Behandlung ablehnte und diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 In der vorliegenden Revision wird zu deren Zulässigkeit ausgeführt, dem gegenständlichen Rechtsmittelverzicht komme keine Wirkung zu, weil das amtshandelnde Organ der belangten Behörde die Revisionswerberin darüber aufzuklären gehabt hätte, dass ein Straferkenntnis auch eine Bindungswirkung im Führerscheinentzugsverfahren haben könne.
11 Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revisionswerberin jedoch vom festgestellten Sachverhalt, weshalb schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen kann (vgl. etwa VwGH 6.7.2018, Ra 2017/02/0106, mwN). Die Revisionswerberin übersieht nämlich, dass das Verwaltungsgericht in seinen Feststellungen davon ausgeht, dass die Revisionswerberin im Zuge ihrer Vernehmung vor der belangten Behörde sehr wohl über die Folgen eines Straferkenntnisses, insbesondere auch im Hinblick auf einen Führerscheinentzug belehrt wurde. Die diesen Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung, in welcher sich das Verwaltungsgericht auf die Zeugenaussage des Leiters der Amtshandlung stützt, wird in der Revision nicht bekämpft. 12 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der gegenständlichen Revision weiters vor, das als Rechtsmittelverzicht bezeichnete Dokument sei vom amtshandelnden Organ "vorbereitet" worden, indem auf einem formalisierten Dokument ein "kleines unscheinbares Kreuzchen" gesetzt worden sei. Diese Vorgangsweise stelle den Charakter einer prinzipiellen einseitigen Erklärung in Frage und widerspreche der Ausdrücklichkeit.
13 Auch mit diesem Vorbringen gelingt es der Revision nicht, fallbezogen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzutun, weil den unbestritten gebliebenen Feststellungen zufolge dem Rechtsmittelverzicht auch eine Belehrung über die Rechtsfolgen, insbesondere auch im Hinblick auf einen Entzug der Lenkberechtigung, sowie eine umfangreiche (sowohl mündliche als auch schriftliche) Rechtsmittelbelehrung vorangingen und der Revisionswerberin die Niederschrift auch zur Durchsicht vorgelegt wurde. Der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts ist die Revisionswerberin nicht entgegengetreten. Aus der im Akt erliegenden Niederschrift über die Strafverhandlung vor der belangten Behörde geht ferner hervor, dass jene Seite der Verhandlungsschrift, auf dem das "Kästchen" mit dem Text "Nach Verkündung des Straferkenntnisses wird von der Beschuldigten ausdrücklich auf eine Beschwerde verzichtet" angekreuzt ist, von der Revisionswerberin selbst unterfertigt wurde. Wenn jemand ein Schriftstück unterschreibt, so ist davon auszugehen, dass er bzw. sie seinen Inhalt kennt und das Schriftstück vor Unterfertigung gelesen hat (vgl. VwGH 2.7.1986, 85/03/0093). Dass sich das "Kreuzchen" dabei an einer ungewöhnlichen oder unscheinbaren Stelle befunden hätte - wie in der Revision behauptet wird -, ist der vorliegenden Niederschrift nicht zu entnehmen (vgl. dazu auch VwGH 12.5.2005, 2005/02/0049). 14 Der Revisionswerberin gelingt es somit nicht darzulegen, dass sie einem Willensmangel unterlegen wäre, welcher zur Unwirksamkeit des abgegebenen Rechtsmittelverzichts führen würde, oder es der Erklärung an Ausdrücklichkeit gefehlt hätte. 15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. Februar 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020245.L00Im RIS seit
10.03.2020Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020