TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/11 VGW-031/062/13100/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.02.2020
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Entscheidungsdatum

11.02.2020

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StVO 1960 §11 Abs1
StVO 1960 §20 Abs2
StVO 1960 §99 Abs2e
StVO 1960 §99 Abs2d
StVO 1960 §99 Abs3 lita
VStG §19 Abs1
VStG §19 Abs2
VStG §22 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Holl, LL.M. über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 20.08.2019, Zl. …, betreffend Straßenverkehrsordnung (StVO), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung am 22.1.2020

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bzgl. Spruchpunkt 1) mit der Maßgabe bestätigt, dass dieser wie folgt abgeändert wird: „Sie haben am 6.5.2019 um 19:17 Uhr in 1010 Wien, Opernring 2 (stadteinwärts) mit dem Kfz, Kennzeichennr. BL-… (SLO), die im Ortsgebiet erlaubte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz von 10 km/h wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.“ Die dadurch verletzte Rechtsvorschrift „§ 52 lit. a Zif. 10a StVO“ wird durch „§ 20 Abs. 2 StVO“ sowie die Verwaltungsübertretung „§ 99 Abs. 2d StVO“ wird durch „§ 99 Abs. 2e StVO“ ersetzt.

Im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis bzgl. Spruchpunkt 2) bestätigt.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 108,– (das sind 20% der verhängten Geldstrafen) zu leisten.

III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, sofern diese nicht bereits nach § 25a Abs. 4 VwGG bzgl. Spruchpunkt 2) des Straferkenntnisses ausgeschlossen ist.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Verfahrensgang

Anlässlich der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretungen erfolgte am 6.5.2019 aufgrund der eigenen Wahrnehmung eines Organwalters der Landespolizeidirektion Wien eine Anhaltung des Beschwerdeführers. Dabei erging noch vor Ort eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer. In weiterer Folge wurde unter Beiziehung eines Juristen der belangten Behörde auch noch vor Ort eine Strafverfügung gegen den Beschwerdeführer wegen § 20 Abs. 2 StVO iVm § 99 Abs. 2e StVO und § 11 Abs. 1 StVO iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO erlassen.

Aufgrund des rechtzeitigen Einspruchs des Beschwerdeführers vom 7.5.2019, wonach dieser die Begehung der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen bestritt, wurde hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretungen das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet.

Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 25.6.2019 wurde der Beschwerdeführer ersucht, binnen 14 Tagen ab Zustellung bekannt zu geben, ob sich der Einspruch lediglich gegen die Strafhöhe richte oder ob die Strafverfügung zur Gänze bestritten werde. Diesbezüglich langte keine weitere Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein.

Mit Straferkenntnis vom 20.8.2019 zur GZ: …, zugestellt am 27.8.2019, wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:

„1. Datum/Zeit:  06.05.2019, 19:17 Uhr

Ort    1010 Wien, Opernring 2, stadteinwärts

Betroffenes Fahrzeug: Kraftfahrzeug vierr., Kennzeichen: BL-… (SLO)

Sie haben im angeführten Ort, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

2. Datum/Zeit:   06.05.2019, 19:17 Uhr

Ort    1010 Wien, Opernring 2, stadteinwärts

Betroffenes Fahrzeug: Kraftfahrzeug vierr., Kennzeichen: BL-… (SLO)

Sie haben die Fahrtrichtung geändert, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

Im Zuge des Fahrstreifenwechsels behinderten und gefährdeten Sie andere Verkehrsteilnehmer.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 52 lit a Zif. 10a StVO

2. § 11 Abs. 1 StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von      falls diese uneinbringlich ist,  Freiheitsstrafe von   Gemäß Ersatzfreiheitsstrafe von

1. € 440,00   5 Tage(n) 0 Stunde(n)        § 99 Abs. 2d StVO

1. € 100,00   2 Tage(n) 2 Stunde(n)      § 99 Abs. 3 lit.a StVO

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 54,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 594,00

Begründend führte die Behörde dazu im Wesentlichen aus, dass aufgrund der eigenen dienstlichen Wahrnehmung des Meldungslegers feststehe, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen habe. Bei der Strafbemessung ging die belangte Behörde von durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen aus. Zu etwaigen Milderungs- und Erschwerungsgründen enthält das angefochtene Straferkenntnis keine Angaben.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde vom 17.9.2019 wurde der im angefochtenen Straferkenntnis festgestellte Sachverhalt nicht bestritten, sondern die rechtliche Beurteilung bekämpft. Hierzu berief sich der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom 12.9.2019 in den verbundenen Rechtssachen C?64/18, C?140/18, C?146/18 und C?148/18, Maksimovic. Aus dieser Entscheidung gehe nach Ansicht des Beschwerdeführers hervor, dass die im gegenständlichen Fall erfolgte Verhängung mehrerer Strafen in ein und demselben Bescheid unter Anwendung des Kumulationsprinzips nach § 22 Abs. 2 VStG der unionsrechtlichen Bestimmung des Art 56 AEUV entgegenstehe. Die im hg. Straferkenntnis angeführten Strafbestimmungen des § 99 Abs. 2d StVO und § 99 Abs. 3 lit. a StVO seien somit unionsrechtswidrig und hätten unangewendet zu bleiben. Zudem wurde die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt.

Die Landespolizeidirektion Wien nahm Abstand von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung und legte den Verfahrensakt samt Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien vor, welcher ha. am 10.10.2019 einlangte.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien wurde die Landespolizeidirektion Wien mit Schreiben vom 27.11.2019 ersucht, die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des Beschwerdeführers bekanntzugeben. Dieser Aufforderung kam die Landespolizeidirektion Wien per E-Mail vom 27.11.2019 nach.

Am 22.1.2020 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, bei welcher der Meldungsleger, Hr. D. E., als Zeuge einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer erschien zu dieser Verhandlung nicht persönlich, ließ sich aber durch seinen Rechtsvertreter vertreten.

Am 22.1.2020 erfolgte auch die mündliche Verkündung des Erkenntnisses. Die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers beantragte im Anschluss an die Verkündung sofort die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses und wiederholte dies mit Schriftsatz vom 22.1.2020, ha. eingelangt am 24.1.2020.

II. Sachverhalt

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest.

Der Beschwerdeführer (italienischer Staatsangehöriger) hat am 6.5.2019 um 19:17 Uhr in 1010 Wien, Opernring 2 (stadteinwärts) mit dem Kfz, Kennzeichennr. BL-… (SLO), die im Ortsgebiet erlaubte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz von 10 km/h wurde bereits zu seinen Gunsten abgezogen. Die Geschwindigkeitsübertretung wurde durch Nachfahrt über eine Strecke von ca. 300m mit einem Streifenwagen, Kennzeichennr. BP-…, unter Einsatz eines ungeeichten Tachometers festgestellt.

Zudem hat der Beschwerdeführer am 6.5.2019 um 19:17 Uhr in 1010 Wien, Opernring 2 (stadteinwärts) mit dem Kfz, Kennzeichennr. BL-… (SLO), den Fahrstreifen mindestens zwei Mal gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist. Beim Fahrstreifenwechsel hat es der Beschwerdeführer nur knapp vermeiden können, andere Verkehrsteilnehmer zu „schneiden“.

Der Beschwerdeführer hat zwei rechtskräftige, ungetilgte verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen, eine davon wegen einer Übertretung des § 52 lit. a Z 10a StVO.

III. Beweiswürdigung

Sowohl der Tatort, die Tatzeit als auch die Eigenschaft des Beschwerdeführers als Lenker des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen BL-… (SLO) blieben im Verfahrensverlauf unstrittig. Der Beschwerdeführer bestritt laut Aktenlage den Sachverhalt nicht, sondern wendete sich nur gegen die unrichtige rechtliche Beurteilung der belangten Behörde. Die italienische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Anzeige bzw. Strafverfügung vom 6.5.2019, wonach dieser bei der Anhaltung seinen italienischen Reisepass Nr. … vorlegte.

Im Übrigen folgt das Verwaltungsgericht den glaubhaften Angaben des Zeugen Hr. E. in der mündlichen Verhandlung am 22.1.2020.

Der Zeuge konnte sich aufgrund der zeitlichen Distanz zwischen der angelasteten Tat und der Verhandlung zwar nicht mehr an alle Einzelheiten des konkreten Vorfalls erinnern, er machte im Rahmen der Vernehmung aber einen gewissenhaften und korrekten Eindruck. Das angefochtene Straferkenntnis stützt sich wesentlich auf die Anzeige des Exekutivorgans, in der dieses Organ seine Wahrnehmung in unmittelbaren, zeitlichen Zusammenhang mit dem tatsächlichen Geschehen niedergeschrieben und den beobachteten Sachverhalt klar, schlüssig und nachvollziehbar dargestellt hat. Im Rahmen der persönlichen Einvernahme vor dem Verwaltungsgericht blieb der – unter Wahrheitspflicht stehende – Meldungsleger im Wesentlichen bei seinen damaligen Angaben und konnte begründen, wie es zu diesen gekommen ist. Da der Meldungsleger bei seiner Einvernahme einen gewissenhaften und korrekten Eindruck vermittelte, ist nicht davon auszugehen, dass er den Sachverhalt, wie er ihn zur Anzeige gebracht hat, nicht richtig wahrgenommen und wiedergegeben hat. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass den zur Überwachung des öffentlichen Verkehrs bestellten und besonders geschulten Organen zugebilligt werden kann, dass sie in der Lage sind, Verkehrssituationen richtig zu erfassen (vgl. VwGH 4.7.1980, 1949/78, VwGH 28.11.1990, 90/03/0172).

Die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Auszug der Landespolizeidirektion Wien vom 27.11.2019.

IV. Rechtsgrundlagen

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 18/2019, lauten auszugsweise:

„§ 11. Änderung der Fahrtrichtung und Wechsel des Fahrstreifens.

(1) Der Lenker eines Fahrzeuges darf die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist. (…)“

StVO BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 52/2005:

„§ 20. Fahrgeschwindigkeit.

(1) Der Lenker eines Fahrzeuges hat die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Er darf auch nicht so schnell fahren, daß er andere Straßenbenützer oder an der Straße gelegene Sachen beschmutzt oder Vieh verletzt, wenn dies vermeidbar ist. Er darf auch nicht ohne zwingenden Grund so langsam fahren, daß er den übrigen Verkehr behindert.

(2) Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren. (…)“

StVO BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 39/2013:

„§ 99. Strafbestimmungen.

(…)

(2e) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 150 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

      a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist, (…)“

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, lauten auszugsweise:

„Zusammentreffen von strafbaren Handlungen

§ 22. (1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

(2) Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen.“

V. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt 1):

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Nachfahren mit einem Streifenwagen und das Ablesen des damit ausgestatteten Tachometers grundsätzlich ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit darstellt und bei entsprechendem Ausmaß der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung selbst dem Umstand, dass der Tachometer des Dienstfahrzeuges nicht geeicht war, keine Bedeutung zukommt; hiebei wird eine Beobachtungsstrecke von ca. 100 m für ausreichend erachtet (vgl. VwGH 27.2.1991, 90/03/0133, VwGH 29.8.1990, 90/02/0058, VwGH 10.10.1990, 89/03/0272).

Dem Umstand, dass ein Tachometer eines Dienstfahrzeuges nicht geeicht ist, wird dadurch Rechnung getragen, dass im Hinblick auf die übliche Toleranz für ungeeichte Tachometer für Messungen mit einem solchen eine „erhebliche“ Geschwindigkeitsüberschreitung (ab ca. 20 km/h) gefordert wird. Es kommt bei der Erheblichkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung beim Nachfahren mit dem Dienstfahrzeug und Ablesen des damit ausgestatteten Tachometers nicht auf jene nach Abzug der Messtoleranz, sondern auf die tatsächlich vom ungeeichten Tachometer des Dienstfahrzeuges abgelesene Geschwindigkeit an (vgl. VwGH 19.4.2017, Ra 2017/02/0043, VwGH 28.3.1990, 89/03/0261).

Das Ablesen des Tachometers des in einem - allenfalls auch zwischen 80 m und 100 m schwankenden - Abstand nachfahrenden Dienstfahrzeuges durch einen Gendarmeriebeamten ist eine zulässige und grundsätzlich zuverlässige Methode zur Schätzung von Fahrgeschwindigkeit und damit zur Feststellung erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitungen (vgl. VwGH 3.9.2003, 2001/03/0172, VwGH 19.4.2017, Ra 2017/02/0043).

Gemäß der hg. Judikatur ist eine allgemein übliche Toleranz für ungeeichte Tachometer von 10 km/h einzurechnen (vgl. VwGH 3.9.2003, 2001/03/0157, VwGH 11.7.2000, 98/11/0267).

Auch ist einem geschulten Organ der Straßenaufsicht durchaus zuzumuten, dass er Wahrnehmungen über die Kilometrierung und damit über den Tatort zu treffen vermochte (vgl. VwGH 11.7.2001, 97/03/0230, wonach ein KFZ-technisches Sachverständigengutachten nicht erforderlich war; VwGH 15.2.1991, 90/18/0233).

Im Lichte der obigen Beweisergebnisse steht für das Verwaltungsgericht Wien fest, dass der Beschwerdeführer das Tatbild dieser Verwaltungsübertretung verwirklicht hat. Die erhebliche Geschwindigkeitsübertretung im Ortsgebiet um 44km/h wurde durch das Nachfahren mit einem Streifenwagen auf einer Strecke von ca. 300m und das Ablesen vom ungeeichten Tachometer durch ein geschultes Exekutivorgan festgestellt. Die Messtoleranz von 10 km/h wurde zugunsten des Beschwerdeführers korrekt abgezogen.

Eine Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift im Spruch durch das Verwaltungsgericht ist (auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist) möglich, wenn dem Beschwerdeführer kein anderer Sachverhalt zur Last gelegt wurde. Eine fristgerechte Verfolgungshandlung war im Beschwerdefall schon darin gelegen, dass dem Beschwerdeführer mit der Strafverfügung vom 6.5.2019 die Anzeige und der Sachverhalt bzgl. § 20 Abs. 2 StVO iVm § 99 Abs. 2e StVO (im Ortsgebiet erlaubte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h überschritten) zur Kenntnis gebracht wurde (vgl. VwGH 25.3.1992, 92/02/0006, VwGH 25.4.2002, 2002/07/0024, VwGH 23.1.2019, Ra 2018/02/0284, VwGH 20.3.2009, 2008/02/0269).

Zu Spruchpunkt 2):

Das strafbare Verhalten nach § 11 Abs. 1 StVO besteht in der Unterlassung des Lenkers, sich davon zu überzeugen, dass die Änderung der Fahrtrichtung oder der Wechsel des Fahrstreifens ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, wobei zum Tatbild nicht gehört, dass eine Gefährdung anderer Straßenbenützer erfolgt ist (vgl. VwGH 25.1.2005, 2001/02/0154).

Ein Fahrstreifenwechsel hat zu unterbleiben, wenn die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben ist; eine Behinderung liegt insb. dann vor, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer zum Bremsen und Auslenken genötigt wird. Die Frage der Zeichengebung ist von untergeordneter Bedeutung und stellt nur eine zusätzliche Verpflichtung für den Lenker dar, der die Fahrtrichtungsänderung oder den Fahrstreifenwechsel vornehmen will (vgl. OGH 28.6.1978, 8Ob 103/79).

Zwischen dem völligen Unterlassen der Fahrtrichtungsanzeige vor einem geplanten Fahrstreifenwechsel und einer nicht rechtzeitigen Anzeige besteht kein wesentlicher Unterschied. Entscheidend ist, dass sich andere Straßenbenützer durch eine (rechtzeitige) Anzeige auf den bevorstehenden Fahrstreifenwechsel einstellen können sollen (vgl. VwGH 3.10.1985, 85/02/0053).

Im Lichte der obigen Beweisergebnisse steht für das Verwaltungsgericht Wien fest, dass der Beschwerdeführer das Tatbild dieser Verwaltungsübertretung verwirklicht hat, indem er die Fahrstreifewechsel so vornahm, dass andere Verkehrsteilnehmer nur knapp nicht „geschnitten“ wurden. Dadurch lag bereits die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer vor.

Verschulden

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine verwaltungsstrafrechtliche Vorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Da sich die tatbildmäßige Handlung in einem bestimmten Verhalten erschöpft, ist die angelastete Verwaltungsübertretung als Ungehorsamsdelikt zu qualifizieren. Im Fall, dass die Tat nicht mit einer Geldstrafe von über EUR 50.000,– bedroht ist und das tatbildmäßige Verhalten festgestellt wurde, gilt bei derartigen Delikten gemäß § 5 Abs. 1 und 1a VStG die gesetzliche Vermutung einer fahrlässigen Tatbegehung. Es obliegt insofern dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich kein substantiiertes Vorbringen erstattet, weshalb nicht glaubhaft gemacht werden konnte, dass ihm die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschrift ohne sein Verschulden nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre. Denn auch ein Ausländer hat sich vor Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich über die dabei zu beachtenden Rechtsvorschriften zu unterrichten. Die Unkenntnis darüber kann nicht entschuldigen (vgl. VwGH 23.10.1986, 86/02/0064; siehe im Übrigen Wessely in Raschauer/Wessely, VStG2 § 5 Rz 24-25).

Der Beschwerdeführer hat die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung damit sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht.

Strafbemessung

Gemäß § 10 VStG richten sich die Strafart und der Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit im Verwaltungsstrafgesetz nichts anderes bestimmt ist.

Gemäß § 99 Abs. 2e StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 150 bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726,- Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG bilden die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat die Grundlage für die Bemessung der Strafe. Im ordentlichen Verfahren sind gemäß § 19 Abs. 2 VStG überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Gemäß § 16 Abs. 1 und 2 VStG ist zugleich mit der Geldstrafe für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen, welche (ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG) nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen ist und das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe bzw., wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen darf. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig.

Bei der Bemessung der Strafe dürfen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Überlegungen der Spezialprävention und Generalprävention einbezogen werden (vgl. VwGH 15.5.1990, 89/02/0093, VwGH 22.4.1997, 96/04/0253, VwGH 29.1.1991, 89/04/0061).

Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten schädigten in nicht unerheblichem Ausmaß das Interesse an der Verkehrssicherheit. Angesichts des beträchtlichen Ausmaßes der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und des dabei erfolgten Fahrstreifenwechsels war der objektive Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen als gravierend zu werten, zumal Geschwindigkeitsüberschreitungen immer wieder die Ursache schwerer Verkehrsunfälle darstellen (vgl. VwGH 16.4.1997, 96/03/0358).

Das Verschulden des Beschwerdeführers kann ebenfalls nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können (vgl. § 5 Abs. 1 VStG).

Anhaltpunkte, die ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG rechtfertigen würden, sind daher keine hervorgekommen, zumal hier das tatbildmäßige Verhalten des Täters nicht hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. VwGH 27.5.1992, 92/02/0167).

Der Beschwerdeführer ist verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten. Er hat zwei rechtskräftigte, ungetilgte verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen, wobei die Vormerkung wegen einer Übertretung des § 52 lit. a Z 10a StVO (rechtskräftig seit 21.11.2018) im Hinblick auf Spruchpunkt 1) des angefochtenen Straferkenntnisses einschlägig ist und bei der Strafbemessung als erschwerend zu berücksichtigen ist (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely VStG2 § 19 Rz 13b; VwGH 6.3.1963, 1819/61).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zum einen nur ein „qualifiziertes Geständnis“ und nicht schon ein bloßes Zugeben des Tatsächlichen als Milderungsgrund zu werten (vgl. VwGH 16.2.2007, 2006/02/0033). Zum anderen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beschwerdeführer von den Exekutivorganen auf frischer Tat betreten wurde (zu einem Geständnis bei Betretung auf frischer Tat siehe VwGH 15.4.2005, 2005/02/0086, VwGH 27.3.2015, Ra 2015/02/0009), sodass die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte „Einsicht“ des Beschwerdeführers – nach Eintreffen des Juristen der belangten Behörde am Tatort – nicht mildernd wirkt.

Dass kein Schaden entstanden ist, kommt bei einem Ungehorsamdelikt - wie den vorliegenden – ebenfalls nicht als Milderungsgrund in Betracht (vgl. VwGH 31.3.2000, 99/02/0352).

Anhaltspunkte, die ein Vorgehen nach § 20 VStG bzgl. der angedrohten Mindeststrafen des Spruchpunktes 1) rechtfertigen würde, liegen daher keine vor, da hier die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwiegen (vgl. VwGH 15.4.2005, 2005/02/0086, wonach die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bei § 20 VStG keine Rolle spielen).

Da der Beschwerdeführer weder im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde noch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen bzw. zu etwaigen Sorgepflichten machte, war diesbezüglich von durchschnittlichen Werten auszugehen (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely VStG2 § 19 Rz 23).

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe, spezialpräventive Gründe und unter Berücksichtigung der bis zu EUR 2.180,- (Spruchpunkt 1) bzw. bis zu EUR 726,- (Spruchpunkt 2) reichenden gesetzlichen Strafrahmen sind die im unteren Bereich des Strafrahmens bemessenen Geldstrafen (ca. 20,2% bzw. 13,8% des Strafrahmens wurden ausgeschöpft) als jedenfalls angemessen zu bewerten.

Auch die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen sind im Verhältnis zu den verhängten Geldstrafen und dem gesetzlichen Strafrahmen als gesetzeskonform und angemessen anzusehen.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers bzgl. § 22 Abs. 2 VStG (Kumulationsprinzip) ist Folgendes festzuhalten:

Im gegenständlichen Fall liegt zwar durch die italienische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ein grenzüberschreitendes Element vor, jedoch unterscheidet sich der konkrete Fall insofern grundlegend vom Ausgangsfall in den verbundenen Rechtssachen EuGH 12.9.2019, C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C-148/18, Maksimovic (im Folgenden kurz: „Rs Maksimovic“) als hier keine Beschränkung einer Grundfreiheit des Binnenmarktes der Europäischen Union ersichtlich ist. Ferner erfolgte die Verhängung der Strafen nach der Straßenverkehrsordnung auch nicht in Umsetzung einer Richtlinie (vgl. EuGH 19.12.2019, C-140/19 Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld u.a. und EuGH 19.12.2019, C-645/18 Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld).

In der Rs Maksimovic hielt der Europäische Gerichtshof im Wesentlichen fest, dass die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV einer nationalen Regelung entgegensteht, die für den Fall der Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen in Bezug auf die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen und auf die Bereithaltung von Lohnunterlagen die Verhängung von Geldstrafen vorsieht, die einen im Vorhinein festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürfen, die für jeden betreffenden Arbeitnehmer kumulativ und ohne Beschränkung verhängt werden, zu denen im Fall der Abweisung einer gegen den Strafbescheid erhobenen Beschwerde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Strafe hinzutritt und die im Fall der Uneinbringlichkeit in Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt werden (dazu auch VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033). Art 57 AEUV definiert den Begriff der „Dienstleistungen“ als „Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen“. Als Dienstleistungen gelten insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten (dazu näher Budischowsky in Jaeger/Stöger, EUV/AEUV Art 57 AEUV).

Der Europäische Gerichtshof leitete in der Rs Maksimovic die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus dem Umstand ab, dass eine Strafnorm, die im Rahmen einer Arbeitnehmerentsendung die Verpflichtung vorsieht, im Aufnahmemitgliedstaat bestimmte Arbeits- und Sozialunterlagen zu erstellen bzw. zu führen, für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen zusätzliche administrative und wirtschaftliche Kosten und Belastungen verursachen kann (siehe Rs Maksimovic, Rn 31-33).

Im Gegensatz dazu war im gegenständlichen Fall kein kausaler Zusammenhang zwischen der Verhängung der Verwaltungsstrafen wegen einer Geschwindigkeitsübertretung und wegen eines unangekündigten Fahrstreifenwechsels sowie der Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Art. 57 AEUV zu erkennen (siehe Budischowsky in Jaeger/Stöger, EUV/AEUV Art 57 AEUV, Rz 26). Ebenso wenig konnten etwaige Anhaltspunkte für Eingriffe in die übrigen Grundfreiheiten des Binnenmarktes – die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV, die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV, die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV oder die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV – aufgezeigt werden. Der Beschwerdeführer hat etwaige Beschränkungen dieser Art auch nicht behauptet.

Daher ist der Schutzbereich der Grundfreiheiten des Binnenmarktes nicht eröffnet, weshalb die Erwägungen des EuGH in der Rs Maksimovic nicht auf den gegenständlichen Fall übertragen werden können.

Zudem wäre die Rechtfertigungsprüfung einer allfälligen Grundfreiheitsbeschränkung anders als in der Rs Maksimovic zu beurteilen. Denn hier kommt der Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (Verkehrssicherheit) zum Tragen und die Schwere des Verstoßes liegt in der Nichteinhaltung von Schutznormen und nicht nur in der fehlenden Einholung von verwaltungsbehördlichen Genehmigungen bzw. Bereithaltung von Unterlagen. Es kann im gegenständlichen Fall keine Unverhältnismäßigkeit der verhängten Strafen erblickt werden, da es sich – anders als in den Fällen vor dem EuGH – um zwei selbständige Taten und zwei verschiedene Delikte handelt. Auch die Höhe der Strafen erweist sich unter Berücksichtigung einer einschlägigen Vormerkung bzgl. Spruchpunkt 1) des angefochtenen Straferkenntnisses keinesfalls als unangemessen, zumal lediglich 20,2% bzw. 13,8% der jeweiligen Strafdrohung ausgeschöpft wurden.

Zusätzlich sei erwähnt, dass die Erwägungen des EuGH in der Rs Maksimovic bereits deshalb nicht auf Spruchpunkt 2) des angefochtenen Straferkenntnisses übertragen werden können, da § 99 Abs. 3 lit a StVO keine Mindeststrafe vorsieht.

Es ist daher davon auszugehen, dass das Kumulationsprinzip im gegenständlichen Fall nicht gegen Unionsrecht verstößt und anzuwenden ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

Hinsichtlich der in Spruchpunkt 2) des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegten Übertretung ist für den Beschwerdeführer gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zulässig, weil es sich um eine Verwaltungsstrafsache handelt, bei der eine Geldstrafe von weniger als 750,– Euro verhängt werden durfte und lediglich eine Geldstrafe von 100,- Euro verhängt wurde.

Im Übrigen ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die vorliegende Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder des EuGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder ist diese als uneinheitlich anzusehen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Geschwindigkeit; Geschwindigkeitsüberschreitung; Fahrstreifenwechsel; Milderungsgrund; reumütiges Geständnis; Kumulationsprinzip; “Maksimovic“ nicht anwendbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.062.13100.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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