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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der S J in Wien, vertreten durch Dr. Marcella Zauner-Grois und Dr. Christof Dunst, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Oktober 1994, Zl. 102.176/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 27. Oktober 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. November 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführerin mit Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. Juli 1988, 9. Oktober 1990 und 23. Jänner 1992 jeweils wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127 und 130 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei. Aufgrund der Schwere und insbesondere wegen der Regelmäßigkeit der von der Beschwerdeführerin begangenen Delikte stehe es für die belangte Behörde zweifelsfrei fest, daß die Beschwerdeführerin nicht gewillt sei, sich den österreichischen Rechtsvorschriften anzupassen. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet stelle somit eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, was der Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung entgegenstehe. Zu den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin sei festzuhalten, daß durch den Aufenthalt ihrer Familie "private Bindungen" in Österreich bestünden. Diese hätten jedoch - im Sinne des Art. 8 MRK - gegenüber dem besagten öffentlichen Interesse an der Versagung der Bewilligung hintanzustehen.
2. Gegen diesen Bescheid richtete die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese Beschwerde - nach Ablehnung ihrer Behandlung - an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluß vom 15. März 1995, B 606/95). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragte die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid "als rechtswidrig" aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorauszuschicken ist, daß gegen die Beschwerdeführerin - nach deren Vorbringen im Verwaltungsverfahren (vgl. die Blätter 21 ff der vorgelegten Verwaltungsakten) - im Jahr 1988 ein Aufenthaltsverbot erlassen wurde und die Beschwerdeführerin in der Folge lediglich über "Vollstreckungsaufschübe", aber über keinen Sichtvermerk und keine Aufenthaltsbewilligung in Österreich verfügte. Vor diesem Hintergrund ist § 113 Abs. 6 des Fremdengesetzes 1997 auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
2. Die Beschwerde läßt die Auffassung der belangten Behörde, daß im Fall der Beschwerdeführerin der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gegeben sei, unbekämpft. In Anbetracht der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen - wonach die Beschwerdeführerin dreimal wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls rechtskräftig verurteilt worden sei - besteht gegen diese Auffassung kein Einwand, rechtfertigt doch das ihren wiederholten Verurteilungen zugrundeliegende Fehlverhalten die Annahme, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
3.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grunde des Art. 8 MRK. Die Beschwerdeführerin sei seit 1978 durchgehend in Österreich aufhältig, erst nach einem zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet sei es zur ersten der von der Behörde genannten Verurteilungen gekommen. Seit der letzten Verurteilung der Beschwerdeführerin seien nunmehr fast drei Jahre vergangen, sie habe ihre Strafe verbüßt und "daraus sicherlich ... Konsequenzen gezogen". Sämtliche Familienangehörigen der Beschwerdeführerin lebten in Österreich; ihr Ehemann sei seit etwa 17 Jahren in Österreich beschäftigt und beziehe ein monatliches (näher beziffertes) Einkommen; die Beschwerdeführerin sei darüber hinaus in Österreich für ihre beiden minderjährigen Kinder sorgepflichtig.
3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen. In diesem Sinn hat sie zu prüfen, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen.
Angesichts der durch das wiederholte gravierende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin gegen fremdes Vermögen - das unbestritten zu drei gerichtlichen Verurteilungen wegen gewerbsmäßigen Diebstahls geführt hat - bewirkten schwerwiegenden Gefährdung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen (konkret: der öffentlichen Ordnung, der Verhinderung von strafbaren Handlungen und des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer) ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis kam, daß die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin die genannten maßgeblichen öffentlichen Interessen nicht überwögen. Die Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Beschwerdeführerin wird umso deutlicher, als sie sich durch eine bereits erfolgte gerichtliche Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Diebstahls nicht davon abhalten ließ, neuerlich ein zu solchen Verurteilungen führendes Fehlverhalten zu setzen; von daher gesehen ist - entgegen der Beschwerde - der seit der letzten Verurteilung der Beschwerdeführerin verstrichene Zeitraum zu kurz, um einen Wegfall oder doch eine entscheidend ins Gewicht fallende Minderung der Gefährdung der besagten öffentlichen Interessen durch die Beschwerdeführerin annehmen zu können. Im vorliegenden Fall erweist sich somit der mit dem angefochtenen Bescheid bewirkte Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin als notwendig zum Schutz der genannten öffentlichen Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 MRK.
3.3. Vor diesem Hintergrund ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin nicht hinreichend ermittelt und festgestellt, nicht zielführend.
4. Schließlich ist festzuhalten, daß sich - entgegen der Beschwerde - die vorliegend angefochtene Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz sowohl bezüglich der gesetzlichen Voraussetzungen als auch der damit verbundenen Rechtswirkungen maßgeblich von einem Aufenthaltsverbot unterscheidet, stellt doch ein Aufenthaltsverbot eine von Amts wegen vorzunehmende fremdenpolizeiliche Maßnahme dar, mit der eine Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich sowie - für deren Geltungsdauer - grundsätzlich das Verbot einer Einreise nach Österreich verbunden ist (vgl. §§ 18, 22, 23 FrG bzw. §§ 36, 40, 41 des Fremdengesetzes 1997).
5. Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995180711.X00Im RIS seit
02.05.2001