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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des T in Bregenz, vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch und Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, Rathausstraße 21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 17. Februar 1998, Zlen. 1-0035/98/K1, 1-0039/98/E7, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in Angelegenheit Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 und Zurückweisung der Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Wie sich aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt, hat die Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit Bescheid vom 10. Dezember 1997 einem Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 4. September 1997, mit welchem dieser einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 für schuldig erkannt worden war, gemäß § 71 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 AVG abgewiesen. Mit Spruchpunkt I. ihres Bescheides vom 17. Februar 1998 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 10. Dezember 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge; mit Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 4. September 1997 als verspätet zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hatte seinen Wiedereinsetzungsantrag damit begründet, daß die Sekretärin seiner Rechtsvertreter die Übernahme der schriftlichen Ausfertigung des - ihm gegenüber am 29. Juli 1997 mündlich verkündeten - Straferkenntnisses vom 4. September 1997 zwar am 9. September 1997 bestätigt habe, daß dieses Straferkenntnis den Rechtsvertretern des Beschwerdeführers aber nicht vorgelegt und auch in der Kanzlei nicht aufgefunden worden sei. Auch sei eine Rechtsmittelfrist im Kalender nicht vermerkt worden. Der für die Versäumung der Berufungsfrist maßgebliche Fehler sei nicht in einer mangelnden Kanzleiorganisation gelegen gewesen, weil grundsätzlich alle von der Sekretärin eingetragenen Fristen überprüft würden. Dies sei im gegenständlichen Fall nicht möglich gewesen, weil das Straferkenntnis vermutlich noch bevor es aus dem Kuvert genommen worden verloren gegangen sei. Solche Mißgeschicke könnten selbst bei genauester und sorgfältigster Organisation des Kanzleibetriebes nie zur Gänze ausgeschlossen werden. Erst auf Grund einer Mahnung, die im Straferkenntnis vom 4. September 1997 auferlegte Geldstrafe zu bezahlen, hätten die Rechtsvertreter des Beschwerdeführers von der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung dieses Straferkenntnisses erfahren. Die Sekretärin der Rechtsanwaltskanzlei gab in einer eidesstattlichen Erklärung an, sie könne sich den Verlust des Schriftstückes nur so erklären, daß dieses durch widrige Umstände in jenen Stoß geraten sei, der für das Altpapier vorgesehen gewesen sei. Sie habe bereits zehn Jahre Berufserfahrung als Sekretärin; ein solches Mißgeschick sei ihr noch nie passiert.
Die belangte Behörde führte in der Begründung zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides aus, die Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hätten nicht einmal behauptet, irgendwelche Vorkehrungen zur Vermeidung der Vermischung von wichtigen Schriftstücken wie z.B. Rückscheinbriefen mit sofort zum Altpapier gelangenden Werbematerial getroffen zu haben. Dies, obwohl es Erfahrungstatsache sei, daß fast täglich Werbematerial zugleich mit wichtigen Schriftstücken durch die Post zugestellt werde, sodaß die Gefahr einer derartigen Vermischung sehr groß sei. Die Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hätten aber auch nicht dargetan, inwiefern sie ihre Sekretärin dahingehend kontrollierten, daß die gesamte eingehende Post auch entsprechend weitergeleitet werde.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Nach der ständigen hg. Judikatur ist ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen; letzterer muß sich ein Verschulden des Machthabers zurechnen lassen (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 1558 f zitierte Judikatur). In der Person eines bevollmächtigten Vertreters eingetretene Tatumstände bilden für die vertretene Partei nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund, wenn sich diese Umstände für den Vertreter selbst als ein unverschuldetes oder unabwendbaresEreignis darstellen (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, aaO, S. 1556, E 65 zitierte Judikatur). Hiebei stellt das "Verlegen" - offenbar auch ohne sofortigen Fristvormerk - eines amtlichen Schriftstückes, gegen das - fristgebunden - Einspruch zu erheben ist, kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar. Es läßt vielmehr auf einen gravierenden organisatorischen Mangel in der Gebarung des bevollmächtigten Vertreters schließen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 26. November 1992, Zl. 91/06/0034, und vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0520).
Angesichts dieser Rechtsprechung kann der belangten Behörde nicht mit Aussicht auf Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie das Vorbringen des Beschwerdeführers, der auch in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde keinerlei in der Kanzlei seiner Rechtsvertreter getroffene konkrete Vorkehrungen gegen ein Vermischen wichtiger Post mit Werbematerial wie auch keine zur Vermeidung oder rechtzeitigen Entdeckung solcher Vorkommnisse eingerichtete Kontrollmechanismen anführen kann, nicht als geeignet angesehen hat, das Verschwinden des Straferkenntnisses in der Rechtsanwaltskanzlei als mit keinem Verschulden oder nur mit einem minderen Grad des Versehens behaftet darzulegen. In der Abweisung der Berufung gegen den den Wiedereinsetzungsantrag abweisenden erstinstanzlichen Bescheid kann somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht ersehen werden.
Auf Grund des Nichtvorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes steht aber auch die Zurückweisung der gegen das am 9. September 1997 zugestellte Straferkenntnis erst am 28. November 1997 - und somit nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist - erhobenen Berufung als verspätet im Einklang mit der Rechtslage.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 19. Juni 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998020156.X00Im RIS seit
20.11.2000